Dieser Beitrag wurde entfernt: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Dieser Beitrag wurde entfernt: Roman' von Hanna Bervoets
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3 von 5 (6 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Dieser Beitrag wurde entfernt: Roman"

Mindestens 500 Beiträge pro Tag, maximal 7 Minuten Pause, beim Gang aufs Klo läuft die Stoppuhr – die Arbeitsbedingungen bei HEXA sind hart. Aber Kayleigh gefällt der neue Job, das Gehalt ist gut, und die schrecklich verstörenden Bilder, die sie für die Plattform prüfen muss, behandelt sie mit professioneller Distanz. Als sie sich in ihre Kollegin Sigrid verliebt, scheint ihr Glück vollkommen. Bis ihre Kollegen plötzlich zusammenbrechen oder Verschwörungstheorien anhängen, und Sigrid sich immer mehr distanziert. Ist Kayleigh dem Job als Einzige gewachsen? Oder merkt sie nur nicht, wie auch ihr moralischer Kompass sich auf gefährliche Weise zu verschieben beginnt? "Dieser Beitrag wurde entfernt" ist ein faszinierender, aufwühlender Roman darüber, wer oder was bestimmt, wie wir die Welt sehen, in der wir heute leben.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:112
Verlag: Hanser Berlin
EAN:9783446273795

Rezensionen zu "Dieser Beitrag wurde entfernt: Roman"

  1. 2
    18. Okt 2022 

    schreckliche Arbeit

    Dieser Roman hat für mich leider nicht so gut funktioniert.
    Eigentlich ist der Roman sehr kurz, aber so liest er sich leider nicht. Natürlich ist das Thema auch kein leichtes und der Roman soll somit auch nicht schnell mal nebenbei gelesen werden. Doch daran liegt es gar nicht.
    Der Schreibstil ist sehr sprunghaft. Ständig wird man aus der Szene gerissen und in eine neue geworfen. Vielleicht hätten dem Roman eine bessere Struktur und etwas mehr Seiten gut getan.
    Die erfunde Firma, in der die Charaktere des Romans arbeiten, stellt grausame Bedingungen an ihre Angestellten, während diese sich verstörenden Inhalten widmen müssen. Der Roman beschäftigt sich dann mehr mit zwischenmenschlichen Themen zwischen zwei der Mitarbeiterinnen, welche durch die Arbeit beinflusst werden. Jedoch wird auch dies zu schnell und kurz behandelt. Keiner der Charaktere bekam deshalb für mich die Tiefe, die nötig wäre.

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  1. 4
    22. Sep 2022 

    Die Schattenseiten der virtuellen Welt...

    Mindestens 500 Beiträge pro Tag, maximal 7 Minuten Pause, beim Gang aufs Klo läuft die Stoppuhr – die Arbeitsbedingungen bei HEXA sind hart. Aber Kayleigh gefällt der neue Job, das Gehalt ist gut, und die schrecklich verstörenden Bilder, die sie für die Plattform prüfen muss, behandelt sie mit professioneller Distanz. Als sie sich in ihre Kollegin Sigrid verliebt, scheint ihr Glück vollkommen. Bis ihre Kollegen plötzlich zusammenbrechen oder Verschwörungstheorien anhängen, und Sigrid sich immer mehr distanziert. Ist Kayleigh dem Job als Einzige gewachsen? Oder merkt sie nur nicht, wie auch ihr moralischer Kompass sich auf gefährliche Weise zu verschieben beginnt? "Dieser Beitrag wurde entfernt" ist ein faszinierender, aufwühlender Roman darüber, wer oder was bestimmt, wie wir die Welt sehen, in der wir heute leben. (Klappentext)

    Dass Social Media nicht nur positive Seiten hat, dürfte jedem klar sein, der sich auf Plattformen wie Facebook, Instagram, Linkedin, Tiktok & Co. angemeldet hat. Wem sind nicht schon einmal schräge Kommentare aufgestoßen oder verstörende Bilder, Spam mit fragwürdigem Inhalt oder Statements, die mit dem eigenen moralischen Kompass nicht vereinbar sind? Nun, für solche Fälle haben die Plattformen vorgesorgt. Mit einem Klick kann man den betreffenden Beitrag melden, und schon sind die Moderatoren im Hintergrund gefragt. Löschen oder nicht? Doch das ist nicht so einfach wie man denkt.

    "Immer lautete die Frage: Darf der vorliegende Beitrag auf der Plattform stehen bleiben? Und wenn nein, warum nicht? Letztere war dabei die schwierigere Frage. Ein Text wie 'alle Moslems sind Terroristen' war nach den Standards der Plattform verboten, denn Muslime sind eine GG, eine 'geschützte Gruppe', wie Frauen, Lesben und Schwule (...) 'Alle Terroristen sind Moslems' ist dagegen erlaubt, denn Terroristen sind keine GG, und 'Moslem' ist außerdem keine Beleidigung. Ein Video von jemandem, der seine Katze aus dem Fenster wirft, ist nur dann erlaubt, wenn es nicht aus grausamen Motiven geschieht, ein Foto von jemandem, der seine Katze aus dem Fenster wirft, ist immer erlaubt. (...) Einem Pädophilen den Tod zu wünschen, ist erlaubt, einem Politiker nicht, ein Video von jemandem, der sich in einem Kindergarten in die Luft sprengt, muss gelöscht werden, aufgrund des Verbots terroristischer Propaganda, nicht etwa, weil es sich um Gewalt oder Kindesmisshandlung handelt." (S. 15 f.)

    Ehrlich gesagt fand ich es immer beruhigend, dass da im Notfall jemand ist, der sich der fragwürdigen Inhalte annimmt und dafür sorgt, dass sie nicht weiter verbreitet werden. Aber ich habe nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet, wie das sein muss, tagtäglich mit übelsten Bildern, Videos und anderen Inhalten konfrontiert zu werden. Wie lange kann man das aushalten? Und was macht das mit einem? Verschiebt das womöglich auch den eigenen inneren Kompass?

    Diesen Fragen widmet sich Hanna Bervoets in ihrem Kurzroman. Sie lässt die junge Kayleigh zu Wort kommen, die einem Anwalt in Form eines Briefes von den Arbeitsbedingungen bei HEXA berichtet, vor allem aber von ihrer persönlichen Geschichte. In locker-rotzigem und wenig emotionalen Ton erfährt der Leser / die Leserin viel über die Hintergründe der Arbeit hinter den Kulissen der Social Media Plattform, begreift aber auch zunehmend, dass diese Konfrontation mit dem Müll der Menschheit nahezu zwangsläufig nicht folgenlos bleibt für diejenigen, die sich damit befassen müssen.

    Kayleight sieht zuallererst die Veränderungen der anderen Mitarbeiter:innen aus ihrer Gruppe, bis sie schließlich über sich selbst erschrickt: "Was um Himmels willen mache ich hier?" (S. 107), so der pointierte Schlusssatz.

    Mit der gewählten Form des Kurzromans verzichtet die Autorin bewusst auf ausgefeilte Charaktere. Sie zeichnet eher archetypische Figuren, von denen sich keine den langfristigen Folgen der Arbeit bei HEXA entziehen kann. Stress, Schlafstörungen, psychische und körperliche Zusammenbrüche, Depression, Verschwörungstheorien, Schuldgefühle, traumatische Belastungsstörung u.a.m. Nicht umsonst widmet sich in dem Roman ein Anwalt diesen Arbeitsbedingungen.

    Ein verstörender Roman über ein verstörendes Thema, vor dem wir leicht(fertig) die Augen verschließen können. Es definitiv aber nicht sollten. Ein Buch wie ein Paukenschlag.

    © Parden

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  1. Thema verfehlt, 6, setzen

    Obwohl bei diesem Buch, m. E. als große Ausnahme, der deutsche Titel bedeutend besser passt, als der Originaltitel „Wat wij zagen“ (im Übersetzer „Was wir gesehen haben“), ist leider gerade dieses Thema völlig verfehlt.

    Man hatte sich auf ein Buch gefreut, das über die sog. Content-Moderation der digitalen Netzwerke berichtet, wenn auch als Roman. Da gab es anfangs ein paar Schockmomente, die breit ausgeschlachtet wurden, das war dann aber schon alles.

    Der Klappentext vorn im Buch passt auch überhaupt nicht. Oder welche Kollegen brechen da zusammen? Oder wie etwa verschiebt sich der moralische Kompass der Protagonistin Kayleigh? Welcher Blödmann hat denn diese Inhaltsangabe zusammengestückelt?

    Keine Frage, der Anfang mit den Arbeitsbedingungen in der fiktiven Firma Hexa ist wirklich spannend, aber dann kommt die Lesbennummer und alles ist vorbei. Wenn ich das vorher gewusst hätte, hätte ich dies Buch gar nicht lesen wollen.

    Natürlich hatte ich keine Ahnung von dem, was da entfernt wird, logisch, weil man es ja nicht mehr sehen kann. Ausnahme war bei mir ein furchtbares, so grausames Video von Peta (Tierschutzorganisation), das ich hier nicht näher beschreiben möchte, aber immer noch im Kopf habe. Die im vorliegenden Buch beschriebenen Selbstverstümmelungen, die Tierquälerei, die merkwürdigen Verhaltensmaßregeln der Firma; es war sicherlich durchaus interessant zu erfahren, was es da so alles an digitalem Irrsinn geben mag, aber warum dann dieser plötzliche Szenenwechsel ins lesbische Gemache? Und das wird dann im Kabuff der Firma auch noch gefilmt, prost Mahlzeit. Und nimmt etwa achtzig Prozent der verfügbaren Seiten ein.

    Uns wurden mit diesem Buch entfernte Beiträge versprochen mit der reißerischen Überschrift „Was ist das Schlimmste, das du je gesehen hast?“ Und nein, dies ist nicht das Schlimmste, was ich je gelesen habe, aber gefallen hat es mir nun überhaupt nicht.

    Fazit: Null Empfehlung von mir, kauft euch lieber für 20 Taler was anderes.

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  1. Kann das weg?

    Für das Subunternehmen Hexa begibt sich Kayleigh in die dunklen Ecken der Sozialen Medien. Sie sichtet verstörende Videos und Bilder und muss in Sekundenschnelle darüber entscheiden, ob diese den Nutzer:innen der Plattform zuzumuten sind oder gelöscht werden müssen. Mit zunehmender Dauer spürt auch sie die Auswirkungen dieser Arbeit auf sich selbst und ihre Kolleg:innen. Was macht es mit einem Menschen, wenn er tagtäglich mit Gewalt, Blut und Tod konfrontiert wird? Wie kann ein solcher Mensch leben? Kann er überhaupt leben? Darüber schreibt Hanna Bervoets in ihrem neuen Roman "Dieser Beitrag wurde entfernt".

    Ob Julia von Lucadou, Berit Glanz oder Delphine de Vigan: Der Umgang mit den Sozialen Medien und seine Folgen finden immer stärker Einzug in die Gegenwartsliteratur. Folgerichtig, denn niemals zuvor wurde das gesellschaftliche Leben so stark geprägt durch Digitalisierung und durch virtuelle Kontakte.

    Hanna Bervoets' Roman besticht zunächst einmal durch seine Knappheit von gerade einmal gut 100 Seiten. Trotz dieser Kürze gelingt es ihr durchaus, vor allem auf den ersten Seiten Intensität bei der Leserschaft zu erzeugen. Denn natürlich möchte man auch als Leser:in die Frage beantwortet bekommen, die der erste Satz mit großer Unmittelbarkeit stellt: "Und was hast du alles so gesehen?"

    Die Konstruktion des Textes wirkt dabei zunächst wie eine Stärke des Romans, entpuppt sich letztlich aber als Schwäche. Denn Protagonistin Kayleigh erzählt ihre Geschichte einem Anwalt, der das Unternehmen Hexa im Namen von ehemaligen Mitarbeiter:innen wegen der prekären Arbeitsbedingungen verklagen möchte. Kayleigh erklärt in ihrer Antwort auf den Anwalt, warum sie sich der Klage nicht anschließen möchte. Dieser auf den ersten Blick aufregend wirkende Kunstgriff wird seiner inhaltlichen Ausführung aber nicht gerecht, denn am Ende bleibt man verwundert zurück und fragt sich, warum ausgerechnet dieser Mensch Kayleighs Geschichte erfahren sollte.

    Dennoch ist vor allem das erste Drittel des Buches gelungen. Die Leser:innen erhalten einen unverstellten und - wie man anhand der Literaturliste am Ende des Romans erkennen kann - sehr gut recherchierten Blick in die völlig fremde Arbeitswelt einer Social Media-Moderatorin. Man spürt den psychologischen und den zeitlichen Druck, schüttelt den Kopf über die verknappten Arbeitspausen und über die unsäglichen Regularien, nach denen die Menschen entscheiden müssen, was der Gesellschaft noch zuzumuten ist.

    Mit Voranschreiten des Romans wird aus dieser Arbeitswelt-Geschichte aber zunehmend ein queeres Liebesdrama. Hier verschenkt Bervoets in meinen Augen das große Potenzial der Geschichte, denn es wird viel zu viel masturbiert, getrunken, gefeiert und gekifft. Mutig daran ist, wie selbstverständlich die Autorin dabei über weibliche Sexualität schreibt, wie offenherzig auch über den Umgang mit Pornographie fabuliert wird. Dennoch hat mich das Buch in diesen Abschnitten verloren, da ich in dieser Ausführlichkeit nicht das Bedürfnis hatte, die intimen Geständnisse so zu erfahren.

    Ein weiterer Nachteil ist, dass die Figuren mit Ausnahme von Ich-Erzählerin Kayleigh recht blass bleiben. Aufgrund von Kayleighs Schilderungen erfährt man zwar zahlreiche Details über ihre toxischen Liebesbeziehungen und Freundschaften, doch letztlich fehlte mir durch diese einseitige Darstellung die Tiefe der Charaktere.

    Im Finale findet Hanna Bervoets glücklicherweise zur Stärke des Beginns zurück. Sie baut einen wahrlich überraschenden Twist ein, der einen fast dazu verleitet, den Roman noch einmal von Beginn an lesen zu wollen - unter neuen Aspekten.

    Insgesamt ist "Dieser Beitrag wurde entfernt" ein recht lesenswerter knapper und äußerst moderner Roman, dessen großes Potenzial aber nur in den seltensten Momenten vollends ausgeschöpft wird. Eine große Aufmerksamkeit sollte ihm durch seine Aktualität und das bewusste Polarisieren aber dennoch gewiss sein.

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  1. Relevant und Erschreckend

    'Dieser Beitrag wurde entfernt' ist erschreckend relevant. Wir begleiten Kayleigh, die für eine Social Media Plattform, die nie genannt wird, Beiträge bewerten muss, die möglicherweise gegen die Richtlinien verstoßen und diese dann entsprechend löschen.

    Das Buch ist fast wie ein Brief oder ein Geständnis aufgebaut, das die Protagonistin an einen Anwalt abgibt. Ein sehr interessanter Stil und hier finde ich extrem passend. Im Verlauf des wirklich kurzen Buches kann man beobachten, was diese Arbeit ihre Psyche beeinflusst, wie sie in ihre sozialen Beziehungen eingreift und ihr Urteilsvermögen trübt. Das alles passiert erschreckend nüchtern und losgelöst, das ist fast schon leicht gruselig.

    Das Cover dazu ist wirklich wunderschön. Für mich zeigt es die bunte Welt der Social Beiträge, die aber im Endeffekt oft nur Rauch und Spiegel sind und gleichzeitig Kayleighs Kopf vernebeln.

    Einen Stern würde ich abziehen weil ich finde das teilweise die Balance zwischen persönlichen Leben von Kayleigh und ihrem Beruf nicht wirklich getroffen wurde. Wir erfahren zwar schon was sie sieht, aber meiner Meinung (oder meiner Neugierde) nach etwas zu wenig. Diese Infos hätten der Handlung und ihrer Entwicklung nochmal viel geben können.

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  1. 4
    12. Jul 2022 

    Dieses Buch wird nicht entfernt

    Müssen anstößige Beiträge auch aus Bücherforen entfernt werden? Wahrscheinlich nicht. Hier gibt es hoffentlich keine Gewalt gegen andere und sich selbst, Missbrauch, Tierquälerei und und und. Aber in Sozialen Netzwerken gibt es dies leider zuhauf und es braucht Menschen (sog. Content-Moderator:innen), die sich diese Kommentare, Bilder und Videos anschauen, um entscheiden zu können, ob ein Beitrag gelöscht wird oder nicht. Diese Menschen werden noch so lange benötigt, bis ein Algorithmus die mitunter heiklen Entscheidungen selbst treffen kann. Bis dahin, werden unzählige Arbeiter:innen traumatisiert sein.

    Hanna Bervoets Roman beschäftigt sich mit genau diesen Menschen im Schatten der Sozialen Medien. Er stellt den Bericht einer ehemaligen Mitarbeiterin dar, die unter belastenden Bedingungen allerlei belastende Beiträge gesichtet hat, deren Kolleg:innen traumatisiert die Firma verlassen haben und welche nun eine Klage gegen den Konzern anstrengen. Kayleigh, besagte Ex-Mitarbeiterin, verweigert sich jedoch einer Beteiligung an der Klage. Warum, beschreibt sie in ihrem Bericht, der für den aufdringlichen Anwalt der Kläger gedacht ist. Eigentlich, um diesem zu erläutern, warum sie keinesfalls so traumatisiert ist, wie ihre ehemaligen Kolleg:innen. So lesen wir nun die 122seitige Schilderung Kayleighs mit großer Spannung und auch Anspannung, ob der beschriebenen Kettenreaktion, die die Aufnahme der Arbeitsstelle in der besagten Firma für Kayleighs Leben und das ihrer Nächsten hatte.

    In diesem Buch geht es keinesfalls allein darum, Katastrophentourismus zu betreiben und möglichst viele abartige, verstörende und schreckliche Szenen des Internets und damit menschlicher Abgründe zu erforschen. Dieser Schrecken ist nur ein Nebenprodukt der Lektüre, sofern man bisher in seinem Leben um derartige Beiträge drum herumgekommen ist. Hauptsächlich geht es darum aufzudecken, unter welchen Bedingungen Menschen dafür sorgen müssen, damit die ahnungslosen Nutzer:innen diverser Plattformen ihr sorgenfreies Surferlebnis genießen können. Es geht um sog. sekundäre Traumatisierungen, dass diese nicht immer die bekannten Symptome von Alpträumen, Gereiztheit, Schlaflosigkeit etc. haben müssen, sondern sich auch ganz anders zeigen können. Und es geht um die Auswirkungen dieser sekundären Traumatisierungen auf die Betroffenen und deren Leben.

    Sehr geschickt entwirft die Autorin hier einen Roman, der zwar mit wenigen Seiten und knappen Worten daherkommt, allerdings sehr präzise oben genannte Kettenreaktionen beschreibt. Die Idee das ganze als einen Brief an den Anwalt, mit welchem Kayleigh klarstellen will, dass sie keineswegs so traumatisiert ist, wie ihre Kolleg:innen, ist grundsätzlich sehr gut umgesetzt. Nur manchmal zwischendrin fragt man sich, ob eine Person tatsächlich so ausführlich auch private Ereignisse geschildert hätte, sodass das Ganze nicht mehr 100%ig authentisch in seiner Entstehungsgeschichte wirkt. Die Schilderungen als solches sind jedoch vollkommen authentisch und natürlich auch subjektiv, was sie noch authentischer wirken lässt. Denn daran liegt die Crux an dem Buch. Welche Wahrnehmung ist „die korrekte“, was ist hier wirklich passiert. Die Lesenden müssen sich selbst dazu ein Bild machen und auch um die Ecke denken können. Der Roman endet sehr abrupt, was zunächst unbefriedigend wirkt. Aber gerade das Ende macht sehr viel Sinn und führt zu einer noch tiefgreifenderen Beschäftigung mit diesem selten beleuchtetem Thema. Dass die Autorin weiß, wovon sie schreibt, kann man den Quellenangaben des Anhangs. Wichtig ist hier auch die Erklärung der Autorin: „Dieser Roman ist ein Werk der Fiktion, die Figuren und ihre Erlebnisse sind frei erfunden. Übereinstimmungen mit der Wirklichkeit sind jedoch alles andere als zufällig.“

    Bervoets möchte die Schattenseite der digitalen Welt von Social Media Firmen anprangern und vor allem aufrütteln. Das hat sie meines Erachtens mit ihrem Roman eindeutig geschafft. Eindringlich schreibt sie über ein Thema, was selten beleuchtet wird, und verdient dafür ein großes Publikum. Eine unkonventionelle, äußerst empfehlenswerte Lektüre. Somit wird dieses keinesfalls Buch aus meinem Bücherschrank entfernt, sondern wird dort definitiv verbleiben.

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  1. Relevant und Erschreckend

    'Dieser Beitrag wurde entfernt' ist erschreckend relevant. Wir begleiten Kayleigh, die für eine Social Media Plattform, die nie genannt wird, Beiträge bewerten muss, die möglicherweise gegen die Richtlinien verstoßen und diese dann entsprechend löschen.

    Das Buch ist fast wie ein Brief oder ein Geständnis aufgebaut, das die Protagonistin an einen Anwalt abgibt. Ein sehr interessanter Stil und hier finde ich extrem passend. Im Verlauf des wirklich kurzen Buches kann man beobachten, was diese Arbeit ihre Psyche beeinflusst, wie sie in ihre sozialen Beziehungen eingreift und ihr Urteilsvermögen trübt. Das alles passiert erschreckend nüchtern und losgelöst, das ist fast schon leicht gruselig.

    Das Cover dazu ist wirklich wunderschön. Für mich zeigt es die bunte Welt der Social Beiträge, die aber im Endeffekt oft nur Rauch und Spiegel sind und gleichzeitig Kayleighs Kopf vernebeln.

    Einen Stern würde ich abziehen weil ich finde das teilweise die Balance zwischen persönlichen Leben von Kayleigh und ihrem Beruf nicht wirklich getroffen wurde. Wir erfahren zwar schon was sie sieht, aber meiner Meinung (oder meiner Neugierde) nach etwas zu wenig. Diese Infos hätten der Handlung und ihrer Entwicklung nochmal viel geben können.

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