Die Zigarette und andere Stories

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Zigarette und andere Stories' von Paula Fox
4
4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die Zigarette und andere Stories"

Fox, Paula; Nölle, Karen [Übers.]. Die Zigarette und andere Stories. München, Beck, 2011. 21 cm. 254 S. OPp., OU, guter Zustand.

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:255
Verlag: C.H.Beck
EAN:9783406612893

Rezensionen zu "Die Zigarette und andere Stories"

  1. 4
    01. Jul 2015 

    Leben in Licht und Schatten...

    Ein Mann sitzt nach einer Beerdigung an einem strahlend heißen Sommertag im Kino, sieht einen Zeichentrickfilm an und fängt plötzlich an zu schreien; eine Frau, die auf einer von einem Ölteppich eingeschlossenen Insel lebt, verliebt sich unsterblich in den alten Künstler, für den sie täglich putzt, ohne kaum je mehr als ein paar Sätze mit ihm gewechselt zu haben; eine Schriftstellerin, bei der es sich um Paula Fox selbst handelt, wird um ein Haar an ihrem eigenen Schreibtisch erschossen, weil Jugendliche im Nachbargarten mit einer geladenen Pistole spielen.
    Neben ihren Romanen und Jugendbüchern hat Paula Fox seit den 60er-Jahren Erzählungen und kleine Prosastücke geschrieben, die hier zum ersten Mal versammelt sind. Oft sind es kleine, stille Begebenheiten, die sich schließlich zu etwas Unerhörtem ausweiten und so von den großen Themen Liebe, Tod und Verlust erzählen. Paula Fox ist eine Meisterin der genauen Beobachtungen, die selbst den einfachsten Situationen eine Poesie abtrotzt, die einen gefangen nimmt. Mit ihrer feinen, klaren und eindringlichen Sprache erschafft sie eine ganz eigene Welt, in der die Grenzen zwischen Autobiographie und Fiktion irgendwann nahezu aufgehoben scheinen.

    'Die Zigarette und andere Stories' versammelt Texte von den 60er-Jahren bis heute, die noch einmal die kluge Beobachtungsgabe und die Menschenkenntnis einer großen zeitgenössischen Autorin, deren Leben und schreiben untrennbar miteinander verbunden sind, unter Beweis stellen.

    "Ich sehe es bildlich vor mir, wie du auf der Kante eines Hotelbetts sitzt und grundlos eine Nummer wählst, weil dir grundlos irgendjemand aus deiner Vergangenheit eingefallen ist. Aber so warst du schon immer. Lieber läufst du die halbe Nacht durch die Straßen, als einfach mal drei Minuten mit dir allein zu sein."

    Was sind das für Geschichten, die eine Seite kurz sein können oder zwanzig Seiten lang, in denen Autobiografisches erzählt und philosophisch resümiert, in denen pointiert etwas festgestellt und sogleich der mögliche Widerspruch daneben entfaltet wird? Sind das Stories? Essays? Erzählungen? Autobiografische Splitter? Vielleicht von allem etwas, vielleicht gibt es keinen Namen, der alles umfasst, der die über fünfundvierzig Jahre hinweg entstandenen kürzeren Texte von Paula Fox auf einen Nenner bringt.

    Ihn zu beschreiben drückt nicht aus, was mich ergriffen hatte. Es wäre so albern, als wollte man sagen, der HImmel ist blau, und der Sand ist gelb. Worte sind Netze, durch die alle Wahrheit hindurchfällt.

    Fest steht jedenfalls, dass Paula Fox in jeder Zeile dieser Texte authentisch zu finden ist. Sie, die selbst keine einfache Kindheit und Jugend hatte, die die Härte und Unzuverlässigkeit des Lebens schon früh erfahren musste, lässt den Leser teilhaben an den Gefühlen - Einsamkeit, Verlassenheit, Fremdheit, Irritation. Doch nicht anklagend, auch nicht verzweifelt, sondern mit einer Offenheit für das Unerträgliche. Und doch auch nicht hoffnungslos, kein Weltmisstrauen, keine düstere Weltsicht als vorwegnehmender Schutz vor noch mehr Schmerz - Nichts ist sicher. Alles ist möglich. Und wenn dies bedeutet, dass man immer auf alles gefasst sein muss, bedeutet dies auch: auf das Allerschönste...

    Er war erst sechsunddreißig. Erst! Würde er sich an seinem nächsten Geburtstag sagen, dass er erst siebenunddreißig war, und sich mit einem Wort zu trösten suchen, das sich auf der Kippe zwischen Hoffnung und Grauen befand?

    Eine unaufgeregte aber überaus eindringliche Sprache begegnet dem Leser da in diesen 17 Geschichten, berührend auf eine ganz eigene Weise. Eine großartige zeitgenössige Schriftstellerin, der ich hier endlich begegnen durfte, und ein Buch, das in jedem Fall Lust auf weitere Werke von Paula Fox macht. 'Paul ohne Jakob' oder 'Was am Ende bleibt' beispielsweise kenne ich bislang nur dem Titel nach. Ich denke, es wird Zeit, das zu ändern.

    Später, nachdem wir uns angefreundet hatten, nahm ich sein Gesicht genauer wahr, die Andeutung von Verschwiegenheit darin, die Wandelbarkeit und den, wie mir schien, inbrünstigen Wunsch, gemocht zu werden. In seinem unsicheren Lächeln erkannte ich erschrocken mich selbst wieder, doch im Unterschied zu meinem Lächeln war seines ungeschützt. Ich begriff rasch, dass wir beide nur dann offen zu anderen waren, wenn wir in ihnen dieselbe Hoffnung spürten - wobei ich mich im Leben darin mitunter geirrt habe.

    Ein beeindruckender Zufallsfund, der mir hier in die Hände gefallen ist. Und ich bin nun sehr neugierig darauf, mehr von der Autorin zu entdecken!

    © Parden

    Teilen