Die tristen Tage von Coney Island: Geschichten

Buchseite und Rezensionen zu 'Die tristen Tage von Coney Island: Geschichten' von  Crane
4.65
4.7 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die tristen Tage von Coney Island: Geschichten"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:272
Verlag: Pendragon
EAN:9783865327628

Rezensionen zu "Die tristen Tage von Coney Island: Geschichten"

  1. 4
    16. Jan 2022 

    13 anspruchsvolle Kurzgeschichten...

    13 von ­Stephen Cranes wichtigsten Erzählungen sind in ­diesem Band versammelt. Hier entfaltet er seine ganze Schaffensfreude, beschreibt spannende, ­tragische, teils auch absurde Situationen wie in 'Seefahrer wider Willen'. Stephen Crane gilt als einer der Wegbereiter der modernen amerikanischen Literatur. Seine Geschichten sind gerade ­deshalb so authentisch und mitreißend, weil er als ­Abenteurer und Reporter vieles davon selbst erlebt hat. Die ­großartige Darstellung eines Schiffbruchs in 'Das ­offene Boot' und die in Nebraska angesiedelte Geschichte 'Das blaue Hotel' ­zählen zu den Meisterwerken der Weltliteratur.

    Stepehn Crane wurde nur 28 Jahre alt (1871 bis 1900), schuf aber eine erstaunliche Anzahl an Texten - von Romanen über Gedichtbände, Essays und Berichte bis hin zu Kurzgeschichten. Die Gesamtausgabe füllt fast einen Meter Bücherregalfläche, wie das aufschlussreiche Nachwort verrät. In diesem anlässlich seines 150. Geburtstags erschienenen Bandes sind nun 13 von Cranes wichtigsten Shortstories versammelt.

    Ich muss gestehen, dass dies meine erste Berührung mit dem Autor ist, den der Pendragon Verlag als James Dean der amerikanischen Literatur bezeichnet. Er galt als ein Enfant Terrible und zeigte sich als sehr experimentierfreudig beim Schreiben. Dies spiegelt sich auch in den hier versammelten Kurzgeschichten wider.

    Die Themen dieser Shorstories variieren dabei sehr - aber vielen ist gemein, dass Stephen Cranes eigene Erlebnisse darin einfließen. So gibt es Kriegsgeschichten, die seine Erfahrungen als Kriegesreporter wiedergeben, Erzählungen vom Schiffbruch, den er selbst erlebt hat usw. Stets stehen Männer im Mittelpunkt, die sich in merkwürdigen, unvertrauten, absurden oder gar surrealen Situationen wiederfinden, die sie irgendwie zu meistern suchen.

    Die Erzählungen sind oftmals recht melancholisch gehalten, voller Bilder und immer wieder auch mit detaillierten Beschreibungen von Naturphänomenen und Farbnuancen ("Die Lampen der Straßenbeleuchtung tauchten das glänzende Pflaster in ein dunkles Blau, akzentuiert nur durch fahlgelbe, plfaumengroße Lichtreflexe."). Crane bedient sich auch zahlloser, oftmals eigenwilliger Metaphern. ("Das ganze Gebäude wummerte und wackelte, als sei es eine idyllische Waldwiese, die unter einem donnernden Wasserfall aus den Bergen begraben wird.").

    Selbstironisch, satirisch, parodistisch - diese Haltungen tauchen oftmals in Cranes Erzählungen auf. Aber auch gesellschaftskritische Anklänge fehlen hier nicht - gerade in seinen Kriegsgeschichten hinterfragt der Autor durch die lakonische Schilderung absurder Szenen den tatsächlichen Sinn der Kriegstreiberei. Vieles seht zwischen den Zeilen, was die Shortstories vielschichtig macht, die Lektüre aber auch anpruchsvoll gestaltet.

    Wie in fast jedem Band mit Kurzgeschichten haben mich auch in diesem nicht alle Erzählungen gleichermaßen angesprochen. Das oftmals Düstere und Melancholische übertrug sich mit der Zeit auf mich beim Lesen, weshalb ich hier zu einer wohldosierten Lektüre rate. Allerdings wird nicht zuletzt auch durch das ausführliche und informative Nachwort deutlich, dass es sich lohnt, das Werk des so jung vestorbenen Autors zu bewahren und auch heutigen Leser:innen zugänglich zu machen.

    Etwas Besonderes...

    © Parden

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  1. Wertvolle Erinnerungen an einen Klassiker

    Der "Pendragon Verlag", der in diesem Jahr selbst sein 40-jähriges Bestehen feiert, gratuliert kurz vor dessen 150. Geburtstag einem Autoren, der in letzter Zeit wohl so etwas wie das Lieblingskind des Verlags geworden ist: Stephen Crane, dem "James Dean der amerikanischen Literatur", wie es im Klappentext heißt. Das Geschenk: "Die tristen Tage von Coney Island", ein Buch, das 13 der wichtigsten Erzählungen Cranes und ein informatives und lehrreiches Nachwort enthält. Ich gratuliere ebenfalls - zu einem wunderbaren Band, der dazu beiträgt, Crane unvergessen zu machen...

    Cranes Roman "Die rote Tapferkeitsmedaille" und Andreas Kollenders literarische Verbeugung "Mr. Crane" sind letztes Jahr im Verlag mit dem liebenswerten kleinen Drachen bereits erschienen, nun hat Herausgeber Wolfgang Hochbruck 13 Geschichten des mit 28 Jahren viel zu früh verstorbenen Schriftstellers zusammengestellt.

    Es ist eine bemerkenswerte Sammlung geworden. Insbesondere sprachlich brilliert Crane. In oftmals lakonischen Sätzen schafft er es dennoch, eine ganz eigene und besondere Atmosphäre heraufzubeschwören. Sehr oft arbeitet er mit Lichtern und Farben, mit Naturschauspielen und persönlichen Schicksalen und entfachte bei mir dadurch wohlige Schauder der Melancholie. Verlassene Jahrmarktattraktionen in der Titelgeschichte, die auch auf dem Buchcover sehr schön festgehalten werden, vom Mond beleuchtete unruhige Wellen, die schwer wogten "wie ein längst in der Erinnerung entschwundener Busen, in dem das junge, unschuldige Herz noch vor Wonne rast" (aus "Seefahrer wider Willen", S. 31) - solche eindringlichen und wunderbaren Sätze bekommt man heute leider nur noch selten zu lesen.

    Zudem entpuppt sich Crane als ironischer Gesellschaftsbeobachter mit spitzer Zunge, der sich auch einmal über seine Figuren lustig macht. Menschen, die sich "selbst im Angesicht des unerwarteten Todes" an das klammern, "was ihnen besonders wichtig war" - dem Programmheft des brennenden Theaters im kurzen unkonventionellen "Gefesselt" (S. 56) sind genauso Opfer seines feinen Spotts wie ein frisch verheiratetes Paar in "Die Braut kommt nach Yellow Sky", das am Ende genau wegen seines zuvor belächelten Verhaltens zum großen Gewinner der Geschichte wird.

    Wenn die Menschen sich nicht selbst richten und bedrohen, sind es vor allem die Elemente, die ihnen bei Crane zu schaffen machen. Insbesondere Feuer und Wasser entpuppen sich als schwer besiegbare Gegner, doch auch eiskalte Blizzards machen es den Figuren des Buches nicht leicht. Dabei hat man das Gefühl, dass Crane selbst immer auf der Seite der Schwachen und Kranken steht - was wohl auch auf dessen eigene Biografie zurückzuführen ist. Crane lebte zeitweise "auf der Straße unter Bettlern und Kriegsveteranen", erfahren wir vom Verlag.

    Mit den oftmals überraschenden Schlusspointen hält Crane den Leser:innen nicht selten den Spiegel vor. Ich fühlte mich ertappt, das Opfer einer Geschichte selbst vorschnell verurteilt zu haben, bevor das Finale eine ganz neue Sichtweise auf den Mann hervorbringt. In der Titelgeschichte schmunzelte ich am Ende über mich selbst, da Crane hier nicht nur den Protagonisten, sondern auch die Leser:innen ein wenig vorführt.

    Und auch wenn das Buch mit drei Kriegserzählungen endet, die an die Zeit Cranes als Kriegsberichterstatter erinnern und vielleicht nicht die stärksten des Bandes sind, bleibt unter dem Strich ein wunderbares Denkmal an einen Autoren, der nicht in Vergessenheit geraten darf. Crane und den Literaturliebhaber:innen ist zu wünschen, dass der "Pendragon Verlag" seine ehrenwerte Arbeit daran in den nächsten Jahren fortführt.

    Meine persönlichen Favoriten eines insgesamt beeindruckenden Buches: "Die tristen Tage von Coney Island", "Männer im Sturm", "Das blaue Hotel" und "Das offene Boot".

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  1. Vielseitiger und themenreicher Erzählband

    Der Autor Stephen Crane wurde nur 28 Jahre alt, er starb am 5. Juni 1900 im deutschen Kurbad Badenweiler. Über seine letzten Lebenstage hat Andreas Kollender mit „Mr. Crane“ im vergangenen Jahr einen beeindruckenden Roman vorgelegt, der ebenfalls bei Pendragon erschienen ist und auf das weitere Werk Cranes neugierig macht.

    Dieser Erzählband versammelt dreizehn seiner wichtigsten Geschichten mit höchst unterschiedlicher Thematik. Allen gemein ist die Liebe zu Detail. Crane versteht es, seine Schauplätze für den Leser sehr bildhaft zu beschreiben, er ist ein guter Beobachter, seine Figuren sind stimmig und der jeweiligen Situation angepasst. Jede Erzählung hat eine ihre eigene Atmosphäre. Manche ist nachdenklich bis philosophisch, vielen haftet eine gewisse Melancholie an, andere wirken wie eine Parodie mit bissigen Dialogen, überzeichneten Charakteren oder komischen Elementen. Manches wirkt absurd, gruselig, nostalgisch oder zynisch. Es ist ein Vergnügen, sich immer wieder auf die komplett neuen Szenarien einzulassen, in die der Autor mit wenigen Sätze gekonnt einführt. Crane erzählt seiner Zeit gemäß. Der Leser kommt mit dem schussbereiten Wilden Westen in Berührung, mit einem brennenden Theater. In „Männer im Sturm“ geraten Obdachlose in den Fokus. Auch deren Welt wird sehr anschaulich geschildert, man darf durchaus Sozialkritik heraushören.

    Den Naturgewalten gibt Crane immer wieder Raum in seinen Geschichten: Die Faszination ausbrechender Feuer und Stürme oder der Unberechenbarkeit des Meeres, denen die Protagonisten ausgeliefert sind, widmet er sich wiederholt. Nicht zu Unrecht, denn Cranes Stärke liegt eindeutig in der Inszenierung der Erbarmungslosigkeit losgelassener Gewalten, er beherrscht das Spiel mit Licht und Schatten, lässt seine Handlung wirkungsvoll von Naturereignissen begleiten, die Dramatik ausstrahlen und Symbolkraft besitzen.

    Cranes Protagonisten finden sich überwiegend in einer derben, ihrer Zeit geschuldeten Männerwelt wieder, was besonders für die autobiografischen Erzählungen gilt. Im Januar 1897 geriet Crane nämlich selbst auf einem Frachtschiff in Seenot, von dem er sich zusammen mit drei anderen Männern auf einem kleinen Dinghi retten konnte. Die Männer trieben 60 Stunden einsam auf hoher See. Die Emotionen und Stimmungen, schwankend zwischen Verlorenheit, Angst und Hoffnung, werden grandios eingefangen, die innige Kameradschaft der Schicksalsgenossen wird mit immenser Intensität fühlbar gemacht – und immer wieder das weite, unberechenbare Meer… Großes Kino.

    Die titelgebende Erzählung lässt zwei Besucher während der Nachsaison über das am Meer gelegene Vergnügungsviertel Coney Island schlendern. Sie wälzen philosophische Gedanken über die Vergänglichkeit des Sommers, über die Ignoranz den Schönheiten der Welt gegenüber, über Himmel und Hölle - gewürzt mit einer guten Portion Selbstironie.

    „Das blaue Hotel“ soll die Lieblingserzählung Ernest Hemingways gewesen sein. Sie vereinigt parodistische, gruselige und dramaturgische Elemente, stellt die großen Fragen nach Schuld und Sühne sowie der Rolle des Einzelnen in der Gesamtbewertung – fantastisch.

    Manche Erzählung handelt vom Krieg, auch hier wurden zweifellos Cranes eigene Front-Erfahrungen als Kriegsberichterstatter verarbeitet. Es ergeben sich paradoxe Szenen, die die Sinnlosigkeit des Gemetzels unterstreichen und hinterfragen.

    Crane erzählt auf hohem Niveau. Er verdichtet, bringt auf den Punkt und nimmt Stellung. Er ist ein Ausnahmetalent seiner Zeit. Bereits „Die rote Tapferkeitsmedaille“ hat mich begeistert. Hier beweist er sein Talent in der kurzen Form erneut, sein Themenreichtum und seine Vielseitigkeit dürften Ihresgleichen suchen. Das Hardcover wurde gewohnt mit Liebe zum Detail gestaltet und passt wunderbar zu den anderen bei Pendragon erschienenen Crane-Titeln. Das fachkundige Nachwort Wolfgang Hochbrucks ordnet die Erzählungen in Leben und Werk des Autors ein.

    Große Lese-Empfehlung!

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