Die Tage des Wals: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Tage des Wals: Roman' von Elizabeth O'Connor
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5 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die Tage des Wals: Roman"

1938: Auf einer abgelegenen Insel vor der walisischen Küste träumt die achtzehnjährige Manod von einer Zukunft auf dem Festland. Als ein Wal strandet, ist er für die kleine Gemeinschaft von Fischern nicht nur ein schlechtes Omen, sondern spült auch Edward und Joan aus Oxford an, die auf der Insel ethnografische Studien betreiben möchten. Manod ist fasziniert von ihnen und wird, klug und zielstrebig wie sie ist, zu deren Übersetzerin und Gehilfin. Doch was als Zweckgemeinschaft begann, nimmt eine folgenreiche Wendung, als daraus eine Freundschaft wird, die aufgeladen ist mit Hoffnungen und Sehnsüchten.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:224
EAN:9783896677532

Rezensionen zu "Die Tage des Wals: Roman"

  1. Raue Insel. Raue Bewohner.

    Kurzmeinung: Ein weiteres Lesehighlight. Leseempfehlung!

    1938 kommt ein Pärchen Ethnologen auf die Insel, die nicht näher bezeichnet, irgendwo um Irland herum liegen muss, an der walisischen Küste, heißt es. Vom Thema her ähnelt der Roman „Die Tage des Wals“ ziemlich dem Roman „Euphoria“ von Lily King aus dem Jahr 2015. Natürlich ist es trotzdem ganz anders - nämlich viel schöner! Die Inselbewohner halten zusammen. Sie haben einen strikt geregelten Alltag und sie sind nur wenige. Das Leben ist karg und hart, aber frei. Als die Ethnologen auftauchen, verspricht sich die 18jährige Manod eine Chance, mit ihnen aufs Festland zu kommen und dort zu studieren.

    Der Kommentar und das Leseerlebnis:
    Vom ersten Moment an besticht die kraftvolle Sprache, die die Inselbewohner, das Geschehen und vor allem die Natur beschreibt. Ich bin ihr sofort verfallen! Nichts an dem kleinen Büchlein ist verkehrt, ich kanns nur loben.

    Fazit: Ein ganz erstaunliches Debüt. Was wird diese Autorin, von der man kaum etwas weiß, als Nächstes schreiben?

    Kategorie: Debüt. Naturlyrik.
    Verlag: Blessing 2024

  1. Ein gelungenes Debüt mit schöner bildhafter Sprache

    1938 strandet ein Wal an einer der walisischen Inseln. Zu den wenigen gebliebenen Einwohnern gehört Manod, mit ihrer zwölfjährigen Schwester Llinos und ihrem Vater Tod. Die Mutter ist schon vor Jahren gegangen, kurz nach Llinos Geburt. Man fand sie in der Nähe des Festlands, das bei gutem Wetter acht Kilometer weit weg ist, bei schlechtem sechzehn.

    Die Leute sind verunsichert wegen dem Wal. Für die meisten ist es ein schlechtes Zeichen, deshalb versuchen einige Fischer ihn mit Wasser zu kühlen und mit Seilen ins Meer zurück zu ziehen. Niemand kann erklären warum der Wal die Orientierung verloren hat.

    Manods Vater redet selten mit ihr oder ihrer Schwester. Sie hört ihn manchmal nachts mit seinem geliebten Hund murmeln. Am Tag fährt er mit seinen Kisten raus und fängt Hummer. Llinos ist ein seltsames Mädchen, sie spricht nur keltisch und weigert sich Englisch zu lernen und dann sammelt sie noch Tierknochen, die sie in Gläsern im Vorratsschrank aufbewahrt, wo sich Manod regelmäßig davor erschreckt.

    Mit dem Sterben des Wals finden Joan und Edward den Weg auf die Insel. Sie wollen mehr über die Brauchtümer der Inselbewohner herausfinden. Wollen ein Buch über deren Leben, Nahrung, Arbeit und Handwerk schreiben. In der englischsprachigen Manod finden sie eine verlässliche Übersetzerin und wecken Sehnsüchte.

    Fazit: Elizabeth O´Connor hat eine Ich-Erzählung geschrieben. Die Sprache ist ruhig und unaufgeregt. Ihre Protagonistin ist eine anpassungsfähige junge Erwachsene, die die Insel verlassen möchte, weil die einzige Möglichkeit, die ihre Heimat ihr bietet ist, zu heiraten und auch hier ist die Auswahl begrenzt. Zugleich zeigt die Erzählung, wie es ist, wenn privilegierte Menschen in diese alten Volksgruppen eindringen und unter dem Deckmantel von, „Wir geben euch ein Gesicht“, das beschwerliche Leben der Einwohner romatisch verklären, oder unwahres verbreiten, nur um ihre Sichtweise besser vermarkten zu können. Die Autorin hat in mir starke Gefühle erzeugt und mich Dank ihrer bidhaften Sprache in den Bann der Geschichte gezogen. Ein sehr gelungenes Debüt, dem ich viele Leser*innen wünsche.

  1. 5
    30. Apr 2024 

    Gesellschaftsportrait und Entwicklungsgeschichte

    Die junge englische Autorin Elizabeth O‘ Connor hat bisher Gedichte und Kurzgeschichten veröffentlicht. Ihr erster Roman „ Die Tage des Wals“ wurde als bestes Debut ausgezeichnet.
    Schauplatz ist eine fiktive kleine Insel vor der walisischen Küste. Hier lebt die achtzehnjährige Manod mit ihrer sechs Jahre jüngeren Schwester und ihrem Vater, einem Hummerfischer. Die Mutter ist seit vielen Jahren tot. Mittlerweile wohnen neben dem Pfarrer und dem polnischen Leuchtturmwärter nur noch zwölf Familien auf der Insel. Viele Häuser sind verwaist, zum Teil weil einige junge Männer im letzten Krieg umgekommen sind, aber auch weil viele aufs Festland gezogen sind, in der Hoffnung auf Arbeit und ein leichteres Leben.
    Manod erzählt von den letzten vier Monaten des Jahres 1938, die von zwei einschneidenden Ereignissen geprägt waren. Im September strandet ein Wal am Ufer, für manche Inselbewohner ein schlechtes Omen.
    Einen Monat später kommen zwei Ethnografen aus Oxford hier an, Edward und Joan. Manod wird bald zur Assistentin der beiden, übersetzt walisische Texte und führt sie herum.
    Für die junge Frau sind die zwei Forscher eine Brücke zu der Welt da draußen und eine Chance, von hier wegzukommen. Denn sie träumt von einem anderen Leben, als die Insel bieten kann. Dem traditionellen Los aller Frauen hier möchte sie entkommen. „ Ich hatte Mädchen erlebt, die mit sechzehn heirateten, mit zwanzig mehrere Kinder hatten, mit fünfundzwanzig vom Meer verwitwet wurden, ausgelaugt und verloren.“ Manod ist klug und möchte Lehrerin werden. Aber bisher hält sie die Verantwortung für ihre Schwester noch hier.
    Doch Edward und Joan nutzen Manod für ihre Zwecke aus. Am Ende bleibt ihr nur das Vertrauen in die eigene Stärke.
    Was beim Lesen sofort auffällt und für den Roman einnimmt, ist die Sprache. Die Autorin findet sehr poetische Bilder für die Natur und die Landschaft , wie z.B. „ Nach dem Sommer kreist die Kälte, stürzt dann herab wie ein Stein.“ Aber auch für die seelische Verfassung der Ich- Erzählerin: „ All meine Entscheidungen kamen mir vor, als versuche ich, einen Fisch zu fangen, den es nicht gab, bis ich ihn fing.“
    Dabei beschreibt sie gleichzeitig äußerst realistisch den Arbeitsalltag der Bewohner, die hauptsächlich vom Meer leben.
    Mit mal sehr kurzen, dann wieder längeren Kapiteln hat der Roman eine eigenwillige Erzählstruktur. Dazwischen gesetzt sind Berichte der Ethnografen sowie Transkriptionen von Volksmärchen, die man sich hier erzählt, und altem Aberglauben.
    Sprache und Erzählstil passen sehr gut zum Schauplatz, spröde, karg und gleichzeitig sehr schön. Auch die Kommunikation zwischen den Menschen ist kurz und knapp und aufs Wesentliche reduziert.
    Elizabeth O‘ Connor beschreibt eine Gesellschaft, die zum Untergang verurteilt ist. Es sind nur noch wenige, die hier leben wie Generationen vor ihnen. Sie kennen noch die alten Mythen, sprechen ihre eigene Sprache. Aber bald werden die letzten von ihnen auch fortgegangen sein.
    Dabei arbeitet sie sehr gut den Kontrast heraus, der sich aus dem Zusammentreffen zwischen den Engländern und den Inselbewohnern ergibt. Edward und Joan kommen mit dem Wunsch hierher, das archaische Leben zu dokumentieren, doch sie unterliegen ihren eigenen Vorstellungen. Während Joan das Meer romantisch verklärt, weiß Manod, wie gnadenlos und unerbittlich die See sein kann. In ihrer Forschungsarbeit geht es ihnen nicht um Authentizität, sondern um Wirkung und Effekte.
    In einer vorangestellten Anmerkung zum Text erwähnt die Autorin einen Dokumentarfilm aus dem Jahr 1934, „ Die Männer von Aran“. Dem Regisseur Robert J. Flaherty wurden sachliche Fehler und inszenierte Szenen vorgeworfen. Möglicherweise ist dieser Roman eine Antwort auf diesen Film. Die Literatur vermag einen authentischen Blick auf dieses vergangene Leben zu werfen.
    Gleichzeitig haben wir es hier mit einer klassischen Entwicklungsgeschichte zu tun. Der Leser folgt der jungen Protagonistin in ihrem Bestreben, ihren eigenen Weg zu finden, sich zu emanzipieren.
    Der historische Hintergrund wird nur ganz dezent in das Geschehen eingebaut. Man hört im Radio vom Münchner Abkommen, ein Flugblatt kursiert und ein Boot mit jüdischen Kindern auf dem Weg nach Irland wird gesichtet.
    Die Autorin lässt manches in der Schwebe, vieles wird nur angedeutet und der Phantasie des Lesers überlassen, das Ende bleibt offen.

    „ Die Tage des Wals“ ist ein ruhiger, ein melancholischer und atmosphärischer Roman, der langsam gelesen werden will.