Die Stimme

Rezensionen zu "Die Stimme"

  1. Ganz großes Kino

    Worum geht es in diesem Buch? Durlacher greift wieder ihre Themen auf – Holocaust, Terror in Nahost (und den Niederlanden). Unbestimmte Ängste, die aus der Familiengeschichte erwachsen. Vererbung von Charaktereigenschaften. Familie und Muttergefühle.

    Das Buch fängt damit an, dass die Familie 9/11 miterlebt. Gleichzeitig ist der Tag ihr Hochzeitstag, sie heiraten in New York im Beisein ihrer 4 und 5 Jahre alten gemeinsamen Kinder Pol und Sam. Es gibt auch noch einen zehn Jahre älteren Sohn aus erster Ehe der Mutter, Philip, sein Vater hatte sich umgebracht. Dann springt die Handlung ein paar Jahre weiter, der Familie kommt das polnische Au-pair abhanden. Es muss ein Ersatz her, und der findet sich in Gestalt des somalischen Flüchtlingsmädchens Amal. Sie lernt Niederländisch, ist musikalisch, zeichnet mit der Tochter und musiziert mit dem Sohn.

    In der Musikschule des Jungen kommt es zufällig zu einem Auftritt, Amal singt zu Sams Klavierspiel, und in der Folge wird Amal zu The Voice angemeldet. Aufgrund ihrer außergewöhnlichen Stimme kommt sie sehr schnell weiter. Bis sie auf offener Bühne ihr Kopftuch abnimmt und ihre Abaya auszieht. Darunter hat sie ein enges Kleid an, und fortan kleidet sie sich westlich. Damit beginnen die Morddrohungen, und es wird ein kompliziertes System von Security, Untertauchen, Verstecken in Gang gesetzt. Auch die Familie gerät in Gefahr und wird geschützt. Den Rest zu erzählen wäre spoilern, die Spannung steigt, die Gefahr auch.

    Mir hat vor allem gefallen, wie Durlacher das Familienleben beschreibt, wie sie Spannung aufbaut, Ängste und Vorbehalte thematisiert, Gefühle ergründet und die Auswirkungen der Weltpolitik auf die Familie herunterbricht. Sie kann erzählen. Ein klitzekleiner Kritikpunkt vielleicht der inflationäre Gebrauch der Anrede „Süße / Süßer“. Aber so sprechen Mütter wohl, meine hat das zwar nicht getan, aber das heißt ja nichts.

    Ich habe bisher noch jedes Buch von Jessica Durlacher gemocht, aber dieses ganz besonders. Unbedingte Leseempfehlung und fünf Sterne.

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