Die Stille bringt den Tod

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Stille bringt den Tod' von Karin Fossum
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Inhaltsangabe zu "Die Stille bringt den Tod"

Diskussionen zu "Die Stille bringt den Tod"

Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:384
EAN:9783492218542

Rezensionen zu "Die Stille bringt den Tod"

  1. Eine Frau ohne Stimme

    Ragna Riegel ist - im wahrsten Wortsinn - ein Mensch, dem niemand zuhört. Sie hat infolge einer Operation (welcher Art, erfährt die Leserin nicht) ihre Stimme verloren und kann nur noch flüstern. Es scheint sie wenig zu beeinträchtigen, sie lebt ohnehin allein und muss beruflich - sie ist Kassiererin - nicht viel sprechen. Überhaupt ist Ragna Riegel ein unauffälliger Mensch, klein und farblos, hat keine Freunde, lebt allein im geerbten Elternhaus. Ihr Sohn Rikard, der unehelich geboren ist, wohnt in Berlin und arbeitet in einem Hotel - Ragna Riegel erzählt gern, dass dort Angela Merkel mit großer Entourage abgestiegen sei; nachprüfen kann das ja niemand. Ihr Leben ist recht langweilig, und wer könnte ihr verübeln, dass sie gern ein wenig fantasiert über die Karriere ihres Sohnes?

    Während in sehr langsamen (manchem Krimileser wahrscheinlich viel zu langsamen) Schritten Ragnas Leben aufgeblättert wird, wissen wir von Anfang an, dass sie eine schwere Straftat begangen haben muss, denn im Handlungsstrang der Gegenwart sitzt ihr gegenüber Kommissar Konrad Sejer, Held einer ganzen Krimireihe von Karin Fossum. Im Polizeiverhör (das eher den Charakter eines vertraulichen Gesprächs hat) und in Rückblenden erfahren wir nach und nach, dass sie anonyme Drohbriefe bekommen hat, sich verfolgt fühlte, ihr Sohn auf ihre Briefe nicht mehr antwortet. Was ist wirklich passiert und warum wurde sie verhaftet?

    Die Krimis von Karin Fossum sind immer außergewöhnlich. Sie sind nicht im üblichen Sinn spannend, die Ermittlungen gehen im Schneckentempo voran, es gibt endlose Gespräche mit Verdächtigen und Zeugen, die nicht immer zielführend sind, und nicht selten bleiben entscheidende Fragen am Schluss offen. Das muss man wissen, wenn man sich auf einen Krimi mit Konrad Sejer einlässt. Hier - im möglicherweise letzten Sejer-Roman, denn der Ermittler steht dicht vor der Pensionierung - treibt die Autorin ihre Erzählhaltung auf die Spitze: es passiert praktisch nichts, in den Rückblenden kreiselt Ragna Riegel in ihrer eingeschlossenen Gedankenwelt umher, und bis wir erfahren, um welche Art Verbrechen es überhaupt geht, ist das Buch schon zu zwei Dritteln gelesen. Dann allerdings wird in wenigen Seiten in immer neuen Facetten eine Tragödie aufgerollt, die man in dem Tempo kaum ermessen kann.

    Frau Fossum hat schon Besseres geschrieben, trotzdem halte ich dieses Buch für einen feinen, leisen Psychothriller (die Einordnung als Krimi führt in die Irre). Es gibt mehrere heftige Twists, noch auf den letzten drei Seiten einen, der mich völlig verdutzt zurückgelassen hat. Wer aber in erster Linie einen spannenden Krimi lesen möchte, sollte bei Fossum vorsichtig sein.

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