Die Stadt der Träumenden Bücher
Inhaltsangabe zu "Die Stadt der Träumenden Bücher"
Falls Sie sich schon einmal gefragt haben, womit sich Walter Moers, Schöpfer von ”Das kleine Arschloch” und ”Käpt’n Blaubär” in seiner knapp bemessenen Freizeit beschäftigt: Er übersetzt zamonische Literatur ins Deutsche. Soeben erschienen ist Die Stadt der Träumenden Bücher, ein autobiographisches Werk des legendären Hildegunst von Mythenmetz, dessen ”Mythenmetzsche Abschweifung” bereits in Ensel und Krete viele Leser an den Rand des Wahnsinns getrieben hat -- und darüber hinaus.Hildegunst ist als junge Großechse auf der uneinnehmbaren Lindwurmfeste aufgewachsen, einem Ort, an dem jeder davon träumt, einmal ein ganz großer Schriftsteller zu werden und zu diesem Zweck von den Eltern mit einem ”Dichtpaten” ausgestattet wird. Hildegunsts Abenteuer nimmt seinen Anfang, als sein Dichtpate Danzelot von Silbendrechsler das Zeitliche segnet und ihm ein Manuskript hinterlässt, das es in sich hat: Nur zehn Seiten umfasst es, aber es ruft beim Leser eine Vielzahl stärkster Empfindungen hervor wie kein anderer Text der zamonischen Literaturgeschichte.
Leider kennt Hildegunst den Namen des Autors nicht, denn Danzelot hatte die Erzählung von einem angehenden Schriftsteller erhalten und diesem empfohlen, sein Glück in der Bücherstadt Buchhaim zu versuchen. Und so macht sich Hildegunst auf den Weg in die Stadt der Träumenden Bücher, wo an jeder Straßenecke finstere Antiquariate auf Kunden lauern, magisch begabte Buchimisten ihr Unwesen treiben und auch sonst zahllose Gefahren die dem ahnungslosen Bücherliebhaber drohen ...
Um es gleich zu sagen: Moers’ Übersetzung aus dem Zamonischen ist vorzüglich gelungen. Mit großer Sprachgewalt beschwört er die exotische Bücherstadt mit all ihren merkwürdigen Lebensformen herauf. Ob gepanzerte Bücherjäger, Nebelheimer Trompaunenkonzerte oder Katakomben voller Erstausgaben und ”Gefährlicher Bücher” -- das vorliegende Werk ist eine Großtat der Völkerverständigung. Nicht nur die gekonnt ins Deutsche gerettete Makrostruktur des Buches und die zahllosen Illustrationen legen Zeugnis ab von Moers’ Kunst, auch im Detail hat er Herausragendes geleistet. Überaus staunenswert sind vor allem die herrlichen Alliterationen in Sätzen wie ”Eine Weile lauschte ich den beängstigenden Lauten der Labyrinthe ...” -- man kommt aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. Die Stadt der Träumenden Bücher ist ein Roman, der auch in Buchhaim für größtes Aufsehen sorgen würde, und das will etwas heißen! --Hannes Riffel
Moers zeigt, dass es auch anders geht
Den meisten dürfte Walter Moers in erster Linie durch seine Comics bekannt sein. Adolf und sein Bunker, kleine Arschlöcher, alte Säcke und so weiter. Er versuchte sein Glück jedoch auch als Autor, beziehungsweise in diesem Fall als Übersetzer eines Buches aus dem Zamonischen. Man merkt schon, man bekommt es mit Fantasy zu tun, die das Genre eher mit einem Augenzwinkern als einem bierernsten und blutigen Auge betrachtet.
Mit “Die Stadt der Träumenden Bücher” zeigt Walter Moers dann auch direkt vom Start weg, dass er Ahnung vom Schreiben hat. Erwartet man zu Beginn noch einen Roman in der Machart eines Terry Pratchett (und fühlt sich zu Beginn, besonders hinsichtlich der regelmäßigen Verwendung von Fußnoten auch tatsächlich noch an eben jenen erinnert), bringt Moers sein Buch schnell in eine etwas andere Spur. Sicherlich, humorvoll geht es hier und da schon zu, jedoch nicht in dem inflationären Maß Pratchetts. Vielmehr wandert der Autor auf einem Grat irgendwo zwischen ernsthafter und humoriger Schreibweise, die den Leser zwar oft zum Schmunzeln bringt, auf der anderen Seite aber auch einen gut gezeichneten Spannungsbogen mit sich bringt und dem Roman nicht direkt den Stempel “Comedy” oder gar “Plagiat” aufdrückt. Das sorgt natürlich dafür, dass der Leser vom Start weg in die Geschichte gezogen wird und mit Protagonist Hildegunst von Mythenmetz eine tempo- und wendungsreiche, sehr unterhaltsame Reise durch die Katakomben von Buchhaim erlebt.
Besonders die Figuren sind es dabei, die “Die Stadt der Träumenden Bücher” von einem Großteil der auf dem Markt anzutreffenden Mitbewerber abheben. Wer Elfen, Zwerge und Orks erwartet, wird zwangsläufig enttäuscht werden. Wer aber dafür mit anderen, nicht regelmäßig anzutreffenden Vertretern des Fantasyromans Freundschaft schließen möchte, wird hier einen Roman ganz nach seinem Geschmack erleben. Im Zentrum der Geschichte steht Dichter Hildegunst von Mythenmetz, seines Zeichens stolzer (ehemaliger) Bewohner der Lindwurmfeste. Also ein drachenähnlicher Kerl, der Gedichte schreibt. Wie alle Vertreter seiner Rasse. Jui, kannte ich noch nicht. Walter Moers verzichtet nicht darauf, seinen Figuren, seien es nun unser Held wider Willen oder der ach so fiese Schattenkönig, im Lauf der Handlung immer mehr Tiefe und Profil zu verleihen, was der Glaubwürdigkeit der Charaktere sehr zu gute kommt. Man schließt sie schnell ins Herz und am Ende des Buches ist es schon fast so etwas wie ein Abschied von einem alten Freund. Toll gemacht.
Zum Schreibstil habe ich mich eingangs ja schon etwas ausgelassen, weswegen ich an dieser Stelle nur noch einmal betonen möchte, dass “Die Stadt der Träumenden Bücher” Fantasy auf hohem Niveau ist. Moers schreibt sehr zugänglich, ohne dabei aufdringlich in einen veralteten Genreslang zu verfallen. Dennoch ist die Tonart gut getroffen und passt gut ins Gesamtbild. Und da es ja immer so schön heißt, dass das Auge mitessen würde, sollen auch die schicken Illustrationen der mir vorliegenden Taschenbuchausgabe nicht verschwiegen werden, die der Phantasie des Lesers noch mal einen kleinen, zusätzlichen Schub geben und das Buch im Ganzen natürlich direkt noch etwas aufwerten.
Fazit:
“Die Stadt der Träumenden Bücher” war für mich ein sehr überraschendes Buch. Nachdem ich zu Beginn noch einen Pratchett in etwas anderem Gewand erwartet habe, zeigte sich schnell, dass Autor Walter Moers nicht abgekupfert hat, sondern sich im Gegenteil um ein sehr hohes Maß an Eigenständigkeit bemüht. Erfolgreich. Das in Kombination mit den tollen und außergewöhnlichen Figuren sowie einem beachtlichen Spannungsbogen machen den Roman zu einer Empfehlung für jeden Freund der eher untypischen Fantasy – und natürlich auch für jeden, der das Genre gerne in allen seinen Spielarten kennenlernen möchte. Für mich eines meiner persönlichen Highlights des Jahres.