Die souveräne Leserin
Mit der Novelle "Die souveräne Leserin" ist Alan Bennett eine nette, kleine Hommage sowohl an Queen Elizabeth, als auch an das Lesen von Literatur gelungen, an der ich (quasi als Queen-Fan und Bücherwurm) einfach nicht vorbei kam. Der doch stolze Preis von 16 Euro für gerade mal 114 Seiten ließ mich jedoch erst DANN zu diesem Büchlein greifen, als ich eine sehr gut erhaltene gebrauchte Ausgabe gefunden hatte.
Die Queen entwickelt also - im bereits deutlich fortgeschrittenem Alter - ihre Liebe zur schöngeistigen Literatur, sehr zum Missfallen ihrer Familie und den sie ansonsten umgebenden Personen. Auf sehr amüsante Weise lässt der Autor den Leser an dieser seltsamen Metamorphose - von einer Frau der Tat hin zu einer Person, die einfach nur aus Spaß an der Freude liest -teilhaben. Möglicherweise kommt der britische Humor in der (mir unbekannten) englischen Originalausgabe besser zur Geltung, aber ich finde, auch in der deutschen Übersetzung ist der Charme dieser Geschichte deutlich zu spüren.
Ich möchte jetzt nicht mehr Worte nutzen, als die Story lang ist. Nur soviel: Die Lektüre dieses Büchleins hat mich sehr gut unterhalten und mir in den wenigen Lesestunden eigentlich ein permanentes und recht verschmitztes Lächeln ins Gesicht gezaubert. Was die echte Queen wohl zu diesem Buch sagen würde ;-)
Die Queen, der Inbegriff von Verantwortungsbewusstsein und Pflichterfüllung! Doch dann lernt sie das Lesen lieben - und zwar das Lesen von Büchern, nicht von Regierungserklärungen oder anderen drögen Vorlagen. Je mehr sie liest umso intensiver beschäftigt sie sich mit Büchern, sodass ihre Umgebung nach und nach zu spüren beginnt, wie ihr ihre Aufgabe als Repräsentantin des British Empire immer mehr zur Last wird. Undenkbar, die Queen hat keine Lust mehr! Während das Oberhaupt der Royals in seiner neuen Leidenschaft völlig aufgeht, werden von anderer Seite Pläne geschmiedet, wie man ihr das Lesen verleiden kann.
Gerade mal 111 zu lesende Seiten hat dieses feine Büchlein, dass in einem edlen, leuchtend roten Leineneinband mit Silberaufdruck daherkommt. Leicht zu lesen ist es, aber dennoch so viel mehr als eine seichte Unterhaltungslektüre. Lesen bildet, das wusste die Queen schon zuvor. Doch dass auch Romane nicht nur reiner Zeitvertreib sind, erkennt sie erst nach und nach. Ihr Blickfeld weitet sich, sie beginnt die Menschen um sich herum mit anderen Augen wahrzunehmen, erkennt ihre Beweggründe und Motivationen. Allmählich wird ihr bewusst, was wichtig und unwichtig ist und hinterfragt ihr eigenes Handeln: Ist Pflichterfüllung wirklich das Wichtigste im Leben?
Ein schöneres Plädoyer für's Lesen kann es kaum geben, das dazu noch wie gewohnt von Alan Bennett in wundervoll britischer Art und Weise formuliert wurde. Ein Buch, dass BücherliebhaberInnen lieben werden - aber auch die Anderen werden ihre Freude daran haben. Einfach schön!
Die Queen und ihre neu entdeckte Lese-Leidenschaft
Mehr aus Höflichkeit als aus Interesse betrat die Queen den Bücherbus der Bezirksbibliothek der City of Westminster, der neben den Abfalleimern vor einer Küchentür parkte. Schuld hatten die Hunde der Queen, die den Bus entdeckt hatten und die mit ihrem Gekläffe nicht mehr aufhören wollten.
Und so lernte sie Norman, den rothaarigen Küchenjungen, und den Bibliothekar Hutschings kennen und schätzen.
Ja, es ist eine erfundene Geschichte – das merkt der Leser spätestens beim Ende der einfach zauberhaften Geschichte, aber sie bietet herrliche Einblicke ins Hofprotokoll und liebenswerte Details im Leben der Queen, wie z.B. ihr enzyklopädisches Gedächtnis bezüglich ihrer Garderobe und vielfältigen Accessoires. Ich fand schonmal das Äußere des Büchleins mit gerade mal 115 Seiten sehr ansprechend und die Wirkung des Lesens der Monarchin auf ihr Umfeld äußerst interessant und entlarvend.
Ich fühlte mich mit der damals knapp 80Jährigen sehr verbunden, weil ich mir auch immer Notizen zum Gelesenen mache und bei vielen ihrer Erkenntnisse, wie z.B. „Der Reiz des Lesens lag in seiner Indifferenz: Literatur hatte etwas Erhabenes. Büchern war es egal, wer sie las oder ob sie überhaupt gelesen wurden. Vor ihnen waren alle Leser gleich, auch sie selbst. Die Literatur, dachte sie, ist ein Commonwealth; Bücher darin die Republiken.“ Oder „Für mich“, so schrieb sie, „ist Literatur ein riesiges Land, zu dessen fernen Grenzen ich mich aufgemacht habe, die ich aber unmöglich erreichen kann“ konnte ich – mit meinem Faible für fremde Kulturen – oft nur zustimmend heftig nicken.
Mit seinem britischen Humor konnte der Autor mich mit seinem kleinen, aber feinen Werk restlos begeistern. Ich empfehle es allen, die dafür auch empfänglich sind.