Die Sommer mit Lulu: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Sommer mit Lulu: Roman' von Peter Nichols
3.5
3.5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die Sommer mit Lulu: Roman"

Als Lulu und Gerald sich wiederbegegnen, liegt ihre Ehe sechzig Jahre zurück. Geblieben ist nur Hass. Im Streit stürzt das einstige Liebespaar von den Klippen von Cala Marsopa. Peter Nichols’ Familiensaga schickt den Leser auf eine Reise rückwärts durch die Zeiten, auf ein betörend schönes, unentdecktes Mallorca. Die Villa Los Roques ist ein zeitloser Ort: Seit drei Generationen zieht das kleine Strandhotel im äußersten Osten Mallorcas Bohemiens und Lebenskünstler an. Als Lulu, die Besitzerin, inzwischen über achtzig Jahre alt, eines nachmittags zufällig auf ihren ersten Ehemann Gerald trifft, kommt es zum Handgemenge, und die einstigen Liebenden ertrinken im Meer. Entsetzt kehren Luc und Aegina, die Kinder aus den zweiten Ehen, auf die Insel zurück, um ein schweres Erbe anzutreten, immer der Frage nach: Was ist im Sommer 1948 passiert? Denn in der kleinen Inselgemeinschaft hat jede Intrige und jede Affäre ihren Ursprung in der Vergangenheit. Und die alten Enttäuschungen sind längst nicht vergeben.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:507
Verlag: Klett-Cotta
EAN:9783608983104

Rezensionen zu "Die Sommer mit Lulu: Roman"

  1. Wie ein Missverständnis alles zerstören kann ...

    »Die Sommer mit Lulu« war eines der Bücher, auf die ich mich schon sehr gefreut habe, denn die Buchrückseite, auf der geschrieben steht, dass es sich um eine tragische, doppelte Liebesgeschichte handelt (die rückwärts erzählt wird), hat mich ziemlich neugierig werden lassen. Hinzu kommt der Faktor, dass die Kulisse das "betörend schöne, unentdeckte Mallorca" sein soll - dies hat mir natürlich zusätzlich große Lust auf den Roman gemacht.

    Der Beginn ist dann auch noch recht spannend, denn es passiert ein Unglück, das die Neugier beim Leser entfacht: Die beiden (scheinbaren) Protagonisten Lulu und Gerald, die vor fast 60 Jahren kurz miteinander verheiratet waren und sich in all der Zeit auf der kleinen Insel Mallorca ziemlich erfolgreich aus dem Weg gehen konnten, treffen 2005 auf den Klippen, auf denen Lulu ein kleines Strandhotel führt, wieder aufeinander und dort passiert es: sie beginnen zu streiten, rutschen ab und stürzen in die Tiefe. Auf diese tragische Weise kommen die beiden ums Leben.

    Dieser Unfall ist gleichzeitig der Startschuss für den rückwärts erzählten Bericht aus den vielen Jahren, bevor es zu diesem Unglück kam. Als Leser stellt man sich selbstverständlich die Frage, was zwischen Gerald und Lulu 1948 vorgefallen ist, warum sie nur so kurz verheiratet waren und wodurch sich all der Hass und die Ablehnung entwickelt haben. Das, was damals geschehen ist, muss ungeheuerlich gewesen sein, ansonsten kann ich mir diese jahrzehntelange Distanz und das Schweigen nicht erklären ... An dieser Stelle muss ich sagen, dass ich die Auflösung am Ende, von der ich mir wirklich viel erwartet habe, nicht gut fand. Es schien alles irgendwie auf ein Missverständnis hinauszulaufen, aber eines, das ich als äußerst unglaubwürdig empfunden habe. Da hätte man (der Autor) sich wirklich etwas Besseres einfallen lassen können. Sehr schade.

    ~ »Ich werde dich glücklich machen, Gerald. Ich werde dich so glücklich machen, wie ich mich jetzt fühle.« ~
    (S. 462)

    Der weitere Rückwärtsverlauf der Geschichte hat mich dann fast nicht mehr packen können. Von Lulu und Gerald hat man in weiterer Folge auch nicht mehr allzu viel gelesen. Viel mehr hat man dann Aegina (Tochter von Gerald) und Luc (Sohn von Lulu) und deren Geschichten kennengelernt. Und nicht zu vergessen: das absolut uninteressante Getue von irgendwelchen Nebencharakteren. Zwischendurch hat sich der Autor teilweise sehr ausführlich über das Seefahren und Segeln ausgelassen (Peter Nichols ist selbst ein leidenschaftlicher Seefahrer.) und das ist leider absolut nichts, was mich brennend interessiert. Mag schon sein, dass es den einen oder anderen Hobbysegler unter den Lesern von Peter Nichols Buch gibt, aber ich wage zu behaupten, dass dies doch eine recht seltene Leidenschaft ist und somit wahrscheinlich bei kaum einem Leser Anklang findet.

    Außerdem fand ich die Protagonistin Lulu und ihren Sohn Luc absolut unsympathisch. Lulu wird als eine dominante, gefühlskalte und unglaublich nachtragende Frau skizziert, die dennoch (unverständlicherweise) der Traum vieler Männer gewesen sein dürfte. Mit ihrem grazilen Äußeren und ihrer jugendlich wirkenden Art verdreht sie als 70-Jährige sogar noch jungen Burschen den Kopf. Ihr Sohn Luc ist da auch nicht viel besser als seine Mutter. Als triebgesteuerter Mann vertut er sich in seinem Leben das, was er sich immer am meisten gewünscht hat: Aegina.

    Dieser Roman erzählt also eigentlich im weitesten Sinne die Liebesgeschichte von zwei Paaren, die bei den einen tragisch und bei den anderen einfach nur bedauerlich ausgeht.
    Mich konnte keine der beiden Storys dauerhaft mitreißen. Klar, zwischendurch gab es schon von Zeit zu Zeit eine Szene, die ich wieder als lesenswert empfunden habe, weil sie auf irgendeine Art und Weise brisant war, aber im Großen und Ganzen hätte das Buch gut 200 Seiten weniger gut vertragen. Der Autor hätte die nebensächlichen Handlungen und Geschehnisse weglassen und sich aufs Wesentliche konzentrieren sollen, er hätte nicht so viel darum herum schreiben dürfen. Dieser Umstand hat meine Lesefreude eben manchmal etwas geschmälert.

    Teilen
  1. Mallorquinisches Drama

    Wie eine Naturgewalt verliebten sich Lulu und Gerald 1948 und in ihren Flitterwochen bei einem Segeltörn im Mittelmeer, endete die Ehe abrupt. Das Schicksal verschlug beide später nach Mallorca, eine von Fremden damals kaum besuchte Insel und nie wieder, bis zu ihrem gemeinsamen Tod 2005, wechselten die Beiden nochmal ein Wort. So nah sie auch beieinander lebten, so unversöhnlich und fern waren sich Lulu und Gerald.
    Der Roman lebt vom ungewöhnlichen Stilmittel der rückwärts angelegten Chronologie. So lernen wir Lulu und Gerald als 80jährige kennen und gehen in Etappen ihr Leben zurück. Daraus ergibt sich eine ganz besondere Spannung und Faszination, da sich viele Begebenheiten und Handlungen erst aus Rückblenden logisch erschließen. Verbunden sind aber ihre Kinder, jeweils vom zweiten Ehepartner, Luc und Aegina, die sich ihr ganzes Leben kennen und viele Sommer gemeinsam auf Mallorca verbrachten, die sich sogar lieben, ohne dass sie zueinander kommen oder es sich eingestehen können. Es ist die unversöhnliche Lulu, die leidenschaftlich ihr Leben dem Hass auf Gerald widmet. Man könnte vielleicht sogar sagen, dass ihr Hass sie nährt und vital erhält, während Gerald mit Trauer und Sehnsucht seiner ersten Liebe gedenkt. Er hat den Bruch nie verstehen können und hatte nie die Möglichkeit sich zu erklären.
    In konventioneller Erzählweise geschrieben, wäre es keine große Geschichte, die gescheiterte Liebe zweier Menschen und die Folgen bis in die dritte Generation. Es wäre eher langatmig, auch wenn es erstaunlich ist, die Wandlung der Insel Mallorca vom rückständigen Refugium einiger exzentrischen Engländer bis zur Touristenhochbuch der 2000er Jahre mitzuerleben. So aber interessierte mich vor allem das Ende des Romans, weil ich natürlich wissen wollte, welches katastrophales Unglück im Mittelmeer den Liebenden widerfuhr, dass es einen solch lodernden Hass auslösen konnte, der Lulu 50 Jahre später nicht mal vor sexuellen Übergriffen auf den Enkel Geralds zurückschrecken lässt. Wobei in meinen Augen eher Luc und Aegina die tragenden Figuren des Buches sind. Sie sind es auch, denen meine Sympathie gehört und deren Geschichte ich am interessantesten fand.
    Der Roman ist eine anspruchsvolle, doch unterhaltende Sommergeschichte, die mit ein Leichtigkeit und Stilsicherheit 60 Jahre Revue passieren lässt. Vom verhaltenen Beginn des Tourismus, bis hin zur unvermeidlichen Hippiereise nach Marokko und dem elenden Bauboom an den malerischen Küsten des Mittelmeeres, es ordnet sich alles logisch in diesen Roman ein, der auch mit seinen toll und lebendig beschriebenen Personen fesselt.

    Teilen