Die Schwebfliege: Eine schmutzige Geschichte

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Schwebfliege: Eine schmutzige Geschichte' von Anja Gust
4.5
4.5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die Schwebfliege: Eine schmutzige Geschichte"

Autor:
Format:Taschenbuch
Seiten:436
EAN:9783946762676

Rezensionen zu "Die Schwebfliege: Eine schmutzige Geschichte"

  1. Bissige Milieustudie im Krimigewand

    Erster Eindruck

    Schon auf den ersten Seiten drängte sich mir – vom bestens genossenen lockeren Schreibstil inspiriert – der Vergleich mit Karsten Dusses Bestseller »Achtsam morden« auf und mit Tatjana Kruses K&K-Hobbydetektivinnen etwa aus »Der Gärtner war’s nicht!«. Als Mensch, der selbst Bücher samt Krimis schreibt, lese ich analysierend. Doch bei »Die Schwebfliege« warf ich bald jede diesbezügliche Absicht über Bord und gab mich ganz dem Lesevergnügen hin. Wer auf Grund von Cover und Klappentext glaubt, einen „normalen“ Krimi zu kaufen, wird von Anja Gust mit einem fesselnden, jedoch leicht lesbaren und unterhaltsamen Psychothriller bedacht.

    Inhalt

    Bizarr erscheint Hinnerk Thies seine Situation, als er einem aufdringlichen Passanten aus dem Weg gehen will und sich in ein fremdes Wohnhaus flüchtet. Das unerwartete Wiedersehen dort mit einer alten Bekannten wirft Probleme auf, und so sieht sich der auf Harmonie bedachte städtische Angestellte bald nicht nur in Gesellschaft jener Tatjana, sondern auch im Streit mit Hamburgs Kiezgrößen. Entspringt Tatjanas Geständnis, ihn zusammen mit ihrem ‚Macker‘ Berti erpressen zu wollen, wirklich ihrem Gewissen oder ist es Teil eines perfiden Plans, ihn in den Sumpf des Rotlichtmilieus zu ziehen und zu ihrem eigenen Vorteil untergehen zu lassen? Schließlich kennt er sie von früher als durchtriebenes Luder. Und so ist er hin- und hergerissen zwischen Zuneigung und dem Zweifel, aus der vom ihm recht früh erkannten Intrige nicht unbedingt als Sieger, zumindest aber lebend hervorzugehen. Doch Gust zieht die Kreise noch weiter ...

    Schreibstil

    Umgangssprache als Stilmittel? Dass das durchaus zu riesigem Lesevergnügen führt, beweist Gusts »Schwebfliege«. Vor allem, weil die zuweilen derbe und dennoch jugendfreie Sprache hervorragend zum Setting passt. Auch die Namen, die Anja Gust ihren Figuren gibt, spiegeln treffend das Milieu wider, in dem sie sich bewegen – Hamburgs Halbwelt. So passt alles zusammen: Handlung, Sprache, Namen und Setting. Dazu kommen die Überlegungen, die Befürchtungen und das Über-sich-Hinauswachsen des „kleinen“ Angestellten Thies, der wegen seines Faibles für Insekten mit dem Spitznamen „Schwebfliege“ belegt wird. Die so genannte „innere Heldenreise“, wie das Wachsen an der Aufgabe literarisch genannt wird, bringt Gust anders als viele Krimiautoren gekonnt auf den Punkt. Ein weiteres Plus ist der unterhaltsame Wechsel zwischen Thies‘ „Innenschau“ und den zumeist tiefgründigen, oft satirisch angehauchten, stets aber unterhaltsamen Dialogen, was auch dazu beiträgt, die Geschichte samt ihrer Dramatik als authentisch zu fühlen.

    Fazit

    Wer einfach einen Krimi erwartet, wird positiv überrascht sein. Beste Unterhaltung – getragen durch eine Portion Zynismus und eine leise Sozialkritik – paart sich mit Spannung, die ab der ersten Seite die sich steigernde Neugier des Lesers nährt. Das Buch empfehle ich jedem, der Krimis mit psychologischem Tiefgang mag und der nicht zum Lachen in den Keller geht.

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  1. Wenn Liebe zu Hass und Hass zu Liebe führt

    "Es ist einfacher in das Herz einer Frau zu gelangen, als zu sehen, wie es in ihr aussieht." (Voltaire)
    Dem kleinen Beamten Hinnerk Thies große Leidenschaft ist die Insektenkunde, besonders die Schwebfliege hat es ihm angetan. Durch die zufällige Bekanntschaft von Tatjana gelangt er in das Visier der Hamburger Unterwelt. Die Prostituierte Tatjana und ihr Chef Aribert Klabunde wollen ihn erpressen wie schon andere zuvor. Doch der lässt sich das Ganze nicht gefallen. Allerdings hört dieses Katz und Maus Spiel nicht auf. Im Zuge dazu lernt er die weitere Prostituierte Cindy kennen und verliebt sich in sie. Bei dem Versuch, den beiden Frauen zu helfen, weiß er letztlich nicht mehr, wem er trauen kann und wer ihn belügt. Verwundert ist er, dass dabei auch noch die Politikerin Victoria Lorenz-Moreau mitmischt. Wird er die richtige Entscheidung für die weitere Zukunft treffen?

    Meine Meinung:
    Der recht eigenwillige Klappentext und das spezielle Cover konnten mich zuerst nicht ganz überzeugen. So tat ich mich zu Beginn auch recht schwer, in die Geschichte einzutauchen. Lange ist mir nicht klar, auf was das Buch hinausläuft. Erst beim Lesen wurde dann einiges verständlicher, allerdings ist es mir für einen Krimi nicht spannend genug. Ich sehe die Geschichte eher als sozialkritischen Roman, bei dem es um Prostitution, Drogen, Erpressung und Betrug geht. Entsetzt, aber nicht überrascht bin ich, wie Geld, Macht und Politik hier mal wieder eine große Rolle einnehmen. Auch wenn das Thema definitiv interessant gewesen ist, fand ich einige Szenen viel zu langatmig und manches blieb für mich etwas undurchschaubar. Die Charaktere dagegen sind sehr gut ausgedacht, allen voran Klabunde und Teflon Piet. Die beiden Ganoven und Zuhälter, die diese Hamburger Unterwelt beherrschen, fand ich recht gut dargestellt. Bei Tatjana dagegen hatte ich lange meine Schwierigkeiten, mit ihr warm zu werden. Vor allem wusste ich nie so recht kann man ihr trauen oder lügt sie. Was sicher durchaus so von der Autorin gewollt war. Cindy dagegen ist mir sofort sympathisch, bei ihr spüre ich, dass sie raus will aus dem Milieu. Nur ist die Frage, inwieweit hängt sie da inzwischen drin, kann ihr Thies wirklich helfen und möchte sie das überhaupt? Thies ist zu Beginn eher der Ängstliche, der lieber still hält statt etwas zu tun. Doch im Laufe der Geschichte wächst er immer weiter über sich hinaus, was sicher an der Freundschaft der Frauen und im Besonderen der Liebe zu Cindy liegt. Die Politikerin Lorenz Moreau dagegen meint, die Fäden in der Hand zu haben, doch ob das wirklich so ist, zeigt die Zukunft. Was die Unterwelt und ihre Machenschaften anbelangt, hat die Autorin recht gut recherchiert. Allerdings muss man bei dem Buch wirklich am Ball bleiben, um es zu durchschauen, den die Schreibweise ist mitunter nicht immer einfach gewählt. Ich hätte mir da zur besseren Verständigung noch etwas mehr Lockerheit und Humor gewünscht. Warum die Autorin diesen Titel gewählt hat, wird mir ebenfalls nicht ganz klar, da die Schwebfliege nur eine sehr untergeordnete Rolle in diesem Buch spielt. Was allerdings sehr gut rüberkommt die Abhängigkeit der Frauen in diesem Gewerbe und wie schwer es ist, da wieder herauszukommen. Von mir gibt es deshalb 3 1/2 von 5 Sterne.

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