Die rote Frau

Buchseite und Rezensionen zu 'Die rote Frau' von Alex Beer
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4 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die rote Frau"

Wien, 1920: Die Stadt von Kriminalinspektor August Emmerich ist ein Ort der Extreme, zwischen bitterer Not, politischen Unruhen und wildem Nachtleben. Während seine Kollegen den aufsehenerregenden Mordfall an dem beliebten Stadtrat Richard Fürst bearbeiten, müssen Emmerich und sein Assistent Ferdinand Winter Kindermädchen für eine berühmte Schauspielerin spielen, die um ihr Leben fürchtet. Dabei stoßen sie nicht nur auf eine ominöse Verbindung zu Fürst, sondern kommen einem perfiden Mordkomplott auf die Spur. Es beginnt ein dramatischer Wettlauf mit der Zeit, der sie in die Abgründe der Stadt und deren Einwohner blicken lässt.

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:416
Verlag: Limes Verlag
EAN:9783809026761

Rezensionen zu "Die rote Frau"

  1. schnappt euch eine Mietdroschke und ab nach Wien ins Jahr 1920

    Nach dem ich von dem ersten Teil der Autorin Alex Beer, rund um den Ermittler August Emmerich, derartig angetan war, konnte ich nun endlich den zweiten Teil lesen.

    Man kann schon sagen, dass mir der mürrische August Emmerich ans Herz gewachsen ist. Wahrscheinlich auch deswegen, weil diese Sorte eines Wiener Unikats leider ausgestorben ist, aber über das Gemüt Emmerichs müsst ihr euch selber ein Bild beim Lesen machen. Inzwischen ist August Emmerich in der Abteilung Leib und Leben angekommen, doch einfach macht man es ihm nicht. Man lässt ihm spüren, dass er noch nicht zum Team gehört. Aber er wäre nicht er, wenn er nicht Mittel und Wege finden würde, sich in Fälle einzumischen, die ihn eigentlich nichts angehen.
    Anders als in Teil eins, wo August Emmerich noch vermehrt in der Wiener Unterwelt ermittelte, führt ihm diesmal die Spur in höhere soziale Kreise. Eine ganz neue Welt für den in Armut lebenden Kriegsveteran.

    Bei „Der zweite Reiter“ war ich von der gewählten Sprache, sehr angetan. In diesem Band habe ich das Gefühl, dass die Autorin mehr auf den Wiener Dialekt zugegriffen hat. Selbst mir als Wiener war es teilweise zu viel. Auch wirkte die Sprache nicht mehr ganz so leicht wie im ersten Teil.

    Wien aus dem Jahr 1920 hingegen, fand ich wieder extrem authentisch dargestellt. Mich fasziniert diese Zeit immer mehr, vor allem die Menschen, die unter widrigsten Bedingungen leben mussten, aber trotzdem großteils sozial waren.
    Etwas untergegangen ist mir leider der Fall an sich. Er war zwar geschickt aufgebaut und beinhaltete einige überraschende Wendungen, dennoch hat mir hier ein wenig der Pepp gefehlt, aber in erster Linie zählt in diesem Buch die Atmosphäre der Wiener Zwischenkriegszeit und die Diskrepanz zwischen Armut und Reichtum, mit einem Hauch Wiener Schmäh und Wiener Morbidität.

    Von meiner Seite eine klare Leseempfehlung, schnappt euch die nächste Mietdroschke, nächster Halt das vergangene Wien.

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  1. 4
    19. Jun 2018 

    Für die Bedürftigen

    Nein, so ist es kein schönes Leben. Rayonsinspektor August Emmerich lebt im Männerwohnheim, seine Kriegsverletzung schmerzt, oft nagt der Hunger und in der Dienststelle muss er Hilfsarbeiten leisten. Auch für die Bevölkerung Wiens bringt das Jahr 1920 nicht viel Gutes. Viele Menschen haben keine Arbeit, leiden Hunger, leben am Rande der Gesellschaft. Die Folgen des ersten Weltkrieges sind noch lange nicht überwunden. Als ein beliebter Politiker ermordet wird, möchte Emmerich an der Untersuchung beteiligt werden. Doch die Vorgesetzten lassen ihn und seinen Assistenten Winter außen vor. August Emmerich wäre aber nicht er selbst, wenn er sich davon entmutigen lassen würde.

    Zwar hat es August Emmerich in seinem zweiten Fall zur Abteilung „Leib und Leben“ geschafft, seine Tätigkeit dort hätte er sich allerdings anders vorgestellt. Nicht viel mehr als Zuarbeiten darf er leisten. Dabei will er doch auf die Straße und ermitteln. In einer eher nebensächlichen Angelegenheit gelingt es ihm, ein schnelles Ergebnis abzuliefern. Und damit hat er seinem Chef das Versprechen abgerungen, in die Morduntersuchung einbezogen zu werden. Schnell allerdings ist ein Verdächtiger gefasst, einer der Ärmsten der Gesellschaft, und Emmerich hat nur wenig Zeit, dessen Unschuld zu beweisen.

    Aufmüpfig, intelligent und pfiffig macht sich August Emmerich an die Arbeit. Wenn die Vorgesetzten nicht hinter ihm stehen, geht er eben auf eigene Faust los. Sein Kollege Winter ist dabei meist an seiner Seite und wirkt ausgleichend auf ihn ein. Der Mord an dem Politiker kommt wie ein simpler Fall daher, vielleicht ein mißglückter Raub. Doch bald schon ergeben sich Spuren, die auf eine wahrhaft menschenfeindliches Komplott hindeuten.

    Sehr anschaulich schildert die Autorin das Dasein der einfachen Menschen im Wien des Jahres 1920. Ein hartes Leben, das viele Entbehrungen beinhaltet. Das kleine Glück scheint beinahe unerreichbar. Und die wenigen hilfreichen Menschen, die die Situation verbessern wollen, sehen sich ungeahnten Widerständen gegenüber. Über den Fall wird dazu noch eine geradezu perfide Menschensicht der damaligen Zeit, von der man nicht glauben sollte, dass sie völlig überwunden ist, dargestellt. Und ein zunächst unspektakulärer Fall bekommt eine große Tiefe. Man ist mitgerissen und entsetzt und hat doch immer in Gedanken, dass diese Vergangenheit nicht fern ist. Schön wäre es, wenn die Menschen menschlich blieben, Sicherheit gibt es leider nicht. Und die Wurzeln des Übels wurden vielleicht schon zu damaligen Zeiten gesät.

    Ein herausragender historischer Kriminalroman, der seinem Vorgänger in Nichts nachsteht.

    4,5 Sterne

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