Die Optimisten

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Optimisten' von Rebecca Makkai
4.15
4.2 von 5 (6 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die Optimisten"

Die Liebe in schwierigen Zeiten.

Chicago, 1985: Yale ist ein junger Kunstexperte, der mit Feuereifer nach Neuerwerbungen für seine Galerie sucht. Gerade ist er einer Gemäldesammlung auf der Spur, die seiner Karriere den entscheidenden Schub verleihen könnte. Er ahnt nicht, dass ein Virus, das gerade in Chicagos „Boys Town“ zu wüten begonnen hat, einen nach dem anderen seiner Freunde in den Abgrund reißen wird.
Paris, 2015: Fiona spürt ihrer Tochter nach, die sich offenbar nicht finden lassen will. Die Suche nach der Tochter gestaltet sich ebenso zu einer Reise in die eigene Vergangenheit, denn in Paris trifft sie auf alte Freunde aus Chicago, die sie an das Gefühlschaos der Achtzigerjahre erinnern und sie mit einem großen Schmerz von damals konfrontieren.
Die Optimisten ist eine zutiefst bewegende Geschichte darüber, wie Liebe uns retten, aber ebenso vernichten kann, und wie uns traumatische Ereignisse ein Leben lang prägen können, bis Heilung möglich wird.

PULITZER PRIZE FINALIST

NATIONAL BOOK AWARD SHORTLIST

AUSGEZEICHNET MIT DER ANDREW CARNEGIE MEDAL

AUSGEZEICHNET MIT DEM LOS ANGELES TIMES BOOK PRIZE

NEW YORK TIMES 10 BEST BOOKS 2018

»Ein Pageturner ... eine packende und tief bewegende Geschichte über das Leben in schwierigen Zeiten.« Michael Cunningham in der The New York Times Book Review

»Fesselnd, spannend, wunderschön.« The Boston Globe

»Warmherzig und mehrdimensional erzählt ... Süchtigmachend.« The San Francisco Chronicle

»Vielstimmig, grandios.« The Chicago Tribune

Format:Kindle Ausgabe
Seiten:624
Verlag: Eisele eBooks
EAN:

Rezensionen zu "Die Optimisten"

  1. Zeitreise

    Im Endeffekt geht es in diesem Buch um schwule Männer in Chicago, (um 1985) die an AIDS erkranken und daran sterben und wie das soziale Umfeld (in dem Fall Fiona) mit diesen Verlusten umgeht.

    Für mich war die Geschichte, die in Chicago spielt toll geschrieben. Die Männer werden sehr liebevoll und berürhend beschrieben, so dass man sie als Leser richtig lieb gewinnt. Sie wurden für einen richtige Freunde, mit denen man sich mitfühlt und trauert.

    Als Gegenpol spielt der andere Teil in Paris. Fiona, die ihren Bruder in den 1980 er Jahren verloren hatte und eine Schlüsselfigut und Maskottchen, der schwulen Szene in Chicago, sucht ihre Tocher, Claire. Diese hat den Kontakt zu Fiona abgebrochen und ist in eine Sekte abgetaucht und hat sich dann mit ihrem damaligen Freund daraus befreit.

    Für mich schrappte die Geschichte knapp an Trash/ Schmonzette und Melodramatik vorbei. Sie war wirklich sehr langatmig geschrieben, so dass ich 200 Seiten vorgeblättert habe, um festzustellen, dass ich nicht sehr viel verpasst habe.

    Was für mich ein wirklicher Pluspunkt war, dass die Figuren, die in Chicago spielten, "echt" waren. Sie lebten, sie berührten mich. Ich wollte auf einmal total viel über die Entwicklung der Krankheit AIDS erfahren. Und ihr Lebens- und Leidensweg hat mich zu Tränen berührt. Ich habe als Leser gemerkt, dass die Autorin wirklich etwas zu sagen hat und dass das ihr Thema ist/ war.
    Ein wirklich lesenswertes Buch!

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  1. Auch in Krisenzeiten gilt: Immer optimistisch bleiben

    Der Roman spielt auf zwei sich abwechselnden Zeitebenen. Die eine beginnt im Jahre 1985 in Chicagos „Boystown“, einer Gegend, in der viele schwule junge Männer leben, lieben, feiern und das Leben genießen. Bis die bis dahin unbekannte Krankheit AIDS droht, dieses Dasein komplett zu beenden.

    Wir lernen Yale und Fiona auf Nicos Trauerfeier kennen. Yale war Nicos Freund, Fiona seine Schwester. In der Zeitebene von 1985 ist Yale die Hauptfigur. Er ist leidenschaftlicher Kunstexperte und arbeitet für eine kleine Galerie. Die Bekanntschaft mit Fiona führt zum Kontakt mit der über 90-jährigen Nora, die in ihrer Jugend Modell für bekannte Maler saß. Aus dieser Zeit verfügt sie noch über einige Bilder, die sie Yales Galerie stiften möchte. Die Familie nicht beglückt darüber, weil sie dann den Erbanspruch verlieren würde. Es entwickelt sich eine höchst interessante Auseinandersetzung rund um die Kunstwerke.
    Yales Privatleben scheint in ruhigen Bahnen zu verlaufen. Er lebt seit Jahren mit Charlie in einer monogamen Partnerschaft, er hat einen großen Freundeskreis. An den Wochenenden trifft man sich in unterschiedlichen (Schwulen-)Bars, genießt das Leben, kämpft aber auch für die eigenen Rechte. Eingetrübt wird die Stimmung erst durch das neue Virus HIV, das Lücken in die Schwulenszene reißt. Trotzdem bleiben die jungen Männer optimistisch, versuchen mit der Bedrohung zu leben. Mancher lässt sich testen, mancher will es gar nicht wissen. Man hilft den Betroffenen, die vielfach keinen Kontakt mehr zu ihren Familien haben, in den Phasen der Krankheit bis hin zum Tod. So bedrückend dieses Szenario scheint, so gut ist es der Autorin gelungen, den Blick stets nach vorne zu richten, ohne allzu große Trübsal aufkommen zu lassen. Der Roman wirkt nie hoffnungslos. Ich denke, dass dort auch der Titel des Buches herrührt.

    Die zweite Zeitebene spielt im Jahr 2015, also 30 Jahre später. Fiona steht nun im Mittelpunkt, die nach Frankreich gereist ist, um ihre verschollene Tochter Claire zu suchen. Claire soll mit dem falschen Mann in die Fänge einer Sekte geraten sein, sie hat seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihren Eltern. Fiona vermutet, dass sie mittlerweile eine kleine Tochter haben könnte.
    In Paris wohnt Fiona bei ihrem alten Freund, dem mittlerweile berühmten Fotografen Richard Campo, der damals in Chicago zum engsten Freundeskreis ihres Bruders Nico gehörte und noch Kontakte zu den Überlebenden von damals hat. Nach und nach wird Fiona, die offenbar vielen Sterbenden aus der Schwulenszene in ihren letzten Wochen beigestanden hat, mit ihrer verdrängten Vergangenheit, mit ihrer Trauer und erlittenen Verletzungen konfrontiert, die weitreichende Auswirkungen auf ihr eigenes Familienleben gehabt haben. So sind diese Tage in Paris nicht nur eine Suche nach Claire, sondern auch eine Reise in die Vergangenheit und Einkehr eigene Ich, die neue Erkenntnisse zutage fördern. Wie nebenbei eingewoben werden auch die grausigen Terroranschläge vom 13. November 2015 mit ihren Folgen für die Pariser Bevölkerung.

    Die Zeitebenen wechseln sich kapitelweise ab. Beide Geschichten entwickeln ihren eigenen Sog, zum Ende hin erfährt man immer mehr Details aus der Vergangenheit, die Erklärungen liefern und Zusammenhänge zur Gegenwart herstellen, was etwas Erleuchtendes hat. Diese Komposition ist Makkai sehr gut gelungen.
    Das Buch entwickelt eine unglaubliche Wucht, weil man als Leser die Tragödie der um sich greifenden AIDS-Erkrankung hautnah aus erster Hand vor Augen geführt bekommt. Was für viele von uns damals nur Schlagzeilen aus einer anderen Welt waren, erhält auf einmal eine höchst persönliche Note: Zunächst war da nur die allgemeine Ungläubigkeit, bis man sah, was die Krankheit mit den Betroffenen machte: Sie höhlte aus, verursachte hässliche Ausschläge, inaktivierte die Immunabwehr und führte schließlich auf brutale Weise und unumkehrbar zu Tod. Die Nachricht, dass ein naher Freund erkrankt war, führte nicht nur zu Betroffenheit, sondern mitunter zu monatelanger Angst, auch selbst infiziert zu sein. Eine Angst, die erst durch den erlösenden Test genommen (oder bestätigt) werden konnte. Medikamente gab es noch nicht, AIDS war ein Todesurteil. Es blieb nur die Hoffnung auf einen möglichst späten Ausbruch der Krankheit. Dazu kam die Ächtung und allgemeine Diskriminierung der Schwulen in der Gesellschaft. Das alles wird sehr authentisch und doch unsentimental erzählt.

    Beide Erzählebenen lesen sich völlig unkompliziert, man hat keine Probleme beim Wechseln und Folgen. Insofern ist es ein entspannender Roman, der zudem zufällig zum richtigen Zeitpunkt erschienen ist: mitten in der Corona-Krise. Wieder bringt eine unbekannte Krankheit Tod und Leid über die Menschen und zwingt zur Veränderung von Gewohnheiten.

    „Die Optimisten“ ist ein wunderbares Buch zum Abtauchen. Es bringt einem eine vergangene Krise ins Bewusstsein, macht aber auch vor aktuellen Herausforderungen nicht Halt. Es hält eine erstaunliche Anzahl wirklich sympathischer Figuren parat, von denen nicht viele überleben. Trotzdem ist der Grundton optimistisch. Fiona hat in ihrem Leben viel Gutes geleistet und darüber ihre eigene Familie vernachlässigt. Am Ende hilft immer nur das Nachvorneschauen, ohne sich an Vergangenem festzuhalten. Das ist das, was man aus diesem überaus lesenswerten Roman mitnehmen kann: Immer optimistisch bleiben!

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  1. 4
    23. Mai 2020 

    Boystown

    Im Chicago Mitte der 1980er leben Yale und seine Freunde in einer eingeschworenen Community. Das Leben könnte so schön sein, gäbe es da nicht diese unheimliche Krankheit, die Lücken in ihre Reihen reißt. Fiona ist eine der wenigen jungen Frauen, die als Nicos Schwester ein festes Mitglied der Gemeinschaft ist. Und Nico ist einer der ersten aus ihren Reihen, der der Krankheit erliegt. Was soll dieses Virus? Sie wollten sich doch gerade ihren Platz in der Gesellschaft erobern, sie wollten feiern, sie wollten Spaß. Keiner wollte so jung sterben.

    Auf zwei Zeitebenen ist dieser Roman angesiedelt. Zum einen wie erwähnt in den 80ern des letzten Jahrhunderts - wie weit weg das klingt - und zum anderen im Jahr 2015 als Fiona nach Paris reist, um nach ihrer Tochter zu suchen. Überraschend trifft sie in der Stadt der Liebe ein paar der alten Bekannten wieder und damit erstehen auch die alten Zeiten vor ihrem inneren Auge wieder.

    Die Autorin zieht einen selbst in die Erinnerung an die eigene Jugend. Auch wenn man wegen der dörflichen Herkunft im direkten Umfeld nicht allzu viel mitbekam, so war die Krankheit und das Virus allgegenwärtig. Die Lust am Feiern wurde jäh ausgebremst, auf einmal war Vorsicht geboten. Und der Gedanke, mich betrifft es nicht, bot keine Erleichterung. Es konnte jeden treffen. Wie schlimm muss es da erst unter denen gewesen sein, die eigentlich nur ihr Leben leben wollten, beruflich durchstarten und ihre Liebe genießen? Plötzlich wurden Freunde, Kollegen und Liebste von ihrer Seite gerissen und doch steckten sie manchmal den Kopf in den Sand. Und Fiona mitten drin, häufig der letzte Halt für ihre Freunde.

    Mit dem von ihr gewählten Thema berührt die Autorin, besonders wenn man eine Erinnerung an die aufkommende Bedrohung hat. Gerade heutzutage wo es auch gilt gegen eine bedrohliche Krankheit, gegen die es kein Mittel gibt, anzukämpfen, bekommt das Buch eine zusätzliche Aktualität. Allerdings schafft die Autorin es nicht, einem die handelnden Personen wirklich nahe zu bringen. Vielleicht ist die Handlung etwas zu episodenhaft erzählt. Dennoch regt das Buch zum Nachdenken an und einige Szenen sind wirklich herzzerreißend.

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  1. 5
    16. Mai 2020 

    Ein interessanter, bewegender und hochaktueller Pageturner!

    Zwei Geschichten werden erzählt und geschickt miteinander verwoben. Sie greifen ineinander, werden schließlich zu einer Geschichte und am Ende schließt man das über 600-seitige Werk mit einem zufriedenen Lächeln und der Gewissheit, ein interessantes, berührendes und unterhaltsames Buch gelesen zu haben, das man nicht so schnell vergessen wird.

    Am einen Ende die Aids-Krise in Chicago (1980-er Jahre), am anderen Ende die Terroranschläge in Paris (2015).
    Dazwischen Krankheit und Tod. Leben, Leidenschaft und Liebe. Freundschaft, Verbundenheit, Vergebung und Treue.

    Die ganze Palette an Emotionen wird im Verlauf des Romans ausgelöst, aber zu keinem Zeitpunkt wird er kitschig oder rührselig.

    Nach dem Öffnen des Buches landen wir auf einem „Leichenschmaus“. Aber nicht in einer Gaststätte, sondern im eleganten Brownstone-Haus von Richard in Chicago im November 1985.

    Der väterliche, gut situierte, homosexuelle und talentierte Fotograf Richard hat eine Trauerfeier für die schwulen Bekannten und Freunde des vor drei Wochen an Aids verstorbenen, erst 25 Jahre alten Comiczeichners Nico organisiert.

    Auf der offiziellen Trauermesse ist die schwule Community nicht erwünscht.

    Neben dem 31-jährigen Yale und dem um 5 Jahre älteren Charlie, Nicos besten Freunden, ist auch Fiona, Nicos um vier Jahre jüngere Schwester, auf dem Fest bei Richard.
    Diese fünf Personen, Fiona, Nico, Yale, Charlie und Richard, werden uns den ganzen Roman über begleiten.

    Fiona und ihr verstorbener Bruder Nico waren eng miteinander verbunden.
    Er wurde mit 15 Jahren von den Eltern verstoßen. Sie hat sich mit ihrem Bruder solidarisiert und ihm und ihren gemeinsamen Freunden bis zuletzt die Treue gehalten.

    Yale und Charlie haben Nico am Sterbebett versprochen, sich um Fiona zu kümmern.
    Ein Versprechen, das letztlich in umgekehrter Weise eingelöst wurde.

    Alkohol, Drogen, Dia-Show… Eine feuchtfröhliche Party ist bei Richard im Gang. Genau so hätte es Nico gefallen.

    Yale wird auf dem Fest von Erinnerungen und Wehmut übermannt und zieht sich in ein Schlafzimmer in der ersten Etage zurück, um innerlich zur Ruhe zu kommen.
    Als er nach einiger Zeit wieder herunterkommt sind alle verschwunden. Das Haus ist wie ausgestorben.

    Was ist da passiert?
    Auf die Antwort müssen wir erst einmal warten, denn mit dem nächsten Kapitel gelangen wir ins Jahr 2015.

    Die inzwischen 51-jährige Fiona ist Psychologin und Geschäftsführerin eines Gebrauchtwarenladens „mit Mission“: Mit Umsatz und Erlös setzt sich Fiona für Aids-Erkrankte ein - eine Lebensaufgabe in Erinnerung an all‘ ihre verstorbenen Freunde und Bekannte.

    Im Moment befindet sie sich in einem Flugzeug nach Paris.
    Sie will dort mit Hilfe eines Privatdetektivs ihre Tochter Claire suchen, die sich vor einigen Jahren einer Sekte angeschlossen hat.

    Während ihres Aufenthalts wird sie bei Richard, dem mittlerweile 80-jährigen berühmten Fotografen, den wir bereits im ersten Kapitel kennengelernt haben und der damals die Trauerfeier für Fionas Bruder Nico organisiert hatte, wohnen.

    Nach diesem Kapitel wechseln wir regelmäßig zwischen 1985 ff und 2015 hin und her.
    Das Tolle dabei ist, dass jeder der beiden Erzählstränge interessant, unterhaltsam und packend ist und bewundernswert ist, wie die Autorin zwischen diesen beiden Ebenen eine Brücke schlägt.
    Es wirkt mühelos und unaufgeregt, wie sie die beiden Zeitstränge durch Personen, Geschehnisse und Erinnerungen verbindet.

    Wir lesen von den 1980-er Jahren, in denen das HIV-Virus zu grassieren und wüten begann und auch eine Bedrohung für Chicagos Schwulenszene wurde.
    Wir tauchen in „Chicagos Aidskrise“ ein, lesen von Tests, fehlenden Behandlungsmöglichkeiten, persönlichen Schicksalen, Vorurteilen, Ausgrenzungen und Demonstrationen.
    Mit rasanter Geschwindigkeit erkranken und sterben Infizierte. Die beängstigende Atmosphäre und die verunsicherte Grundstimmung erinnern an die momentane Bedrohung durch das Coronavirus. Ein Wiedererkennungseffekt, der gleichermaßen erschreckend wie faszinierend ist.

    Wir erfahren etwas über Yales Alltag in der Galerie, für die er gerade eine wertvolle Gemäldesammlung ergattern will, über Charlies Arbeit als Herausgeber der Zeitung „Out Loud Chicago“, einer „Schwulenzeitung“, und über die Liebesbeziehung der beiden Männer, die immer wieder von Charlies ungerechtfertigter Eifersucht überschattet wird.

    Die oben erwähnte wertvolle Gemäldesammlung stammt von Fionas und Nicos 90-jähriger Großtante Nora. Wir lernen aber nicht nur die faszinierende alte Dame, die einst Kunst studierte und bei berühmten Künstlern in Paris Modell saß, kennen, sondern auch Frank, ihren geldgierigen Sohn und Debra, ihre verwöhnte und übellaunige Enkelin, die beide mit der Spende nicht so ganz einverstanden sind.

    Ob es Yale schließlich gelingen wird, die Sammlung für die Galerie zu gewinnen und ob Fiona ihre Tochter in Paris finden wird, erzähle ich hier natürlich nicht, aber diese Geschichten in der Geschichte sind spannend, verschaffen einen interessanten Einblick in einen wichtigen Bereich der Kunstszene und zeigen auf, wie schnell Missverständnisse entstehen können, wie leicht Beziehungen Risse bekommen können und wie schwierig, unsinnig und unmöglich es oft ist, Schuld zuzuweisen.

    Rebecca Makkai schreibt empathisch, liebevoll, bewegend und ausdrucksstark.
    Sie zeichnet authentische und lebendige Charaktere und verwendet dabei eine flüssig zu lesende und bildhafte Sprache mit wunderschönen Formulierungen und Metaphern.

    Hier einige Kostproben:
    „Normalerweise war er ein Gummiball aus kinetische Energie…“ (Kindle, Pos. 219)

    Toll formuliert, so wahr und auch zum Schmunzeln: „Als ich in ihrem Alter war, dachte ich, ab 50 würde es nur noch bergab gehen. Tja. Die Vorteile, die zur Altersdiskriminierung führen, sind die einzigen, die sich von selbst korrigieren, nicht wahr?“ (Kindle, Pos. 2285)

    Welch schöne Metapher, um eine Infektionskette zu beschreiben: „Sie waren menschliche Dominosteine. Wie konnte er nicht wissen, dass er der nächste Dominostein in der Reihe war?“ (Kindle, Pos. 2594)

    Mit dieser Formulierung kann man sich die Szene doch ganz genau vorstellen: „Er ließ sich auf einen Barhocker sinken, SCHÄLTE die Sohlen vom klebrigen Boden und bestellte einen Manhattan.“ (Kindle Pos. 4457)

    Vielleicht überlegt sich der ein oder andere interessierte Leser skeptisch, dass er in einer real virusdominierten Welt nichts über ein anderes Virus lesen möchte, dass die Realität genug Schwere und Ernst bereithält und dass es gerade deshalb besonders bedeutsam ist, für ausgleichende Ablenkung und Unterhaltung zu sorgen.

    Ich habe vor der Lektüre keine dieser Überlegungen angestellt, weil ich blind auf Elke Heidenreichs Empfehlung vertraute, die keine Details über den Inhalt verriet.

    Jetzt, am Ende der Lektüre kann ich voller Überzeugung sagen, dass man den Roman auch bedenkenlos lesen kann, wenn man sich im Vorfeld diese Gedanken macht.

    Es geht zwar um eine ernste und berührende Thematik, aber der Roman ist vielschichtig, abwechslungsreich und durchweg fesselnd, kurzweilig, interessant und unterhaltsam.
    Makkai gelingt es, ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Schwere und Leichtigkeit herzustellen.

    An dieser Stelle macht es Sinn, auf den Titel des Romans zu verweisen. Er heißt nicht umsonst „Die Optimisten“ und verweist zurecht darauf, dass es hier trotz schwerer und ernster Grundthematik nicht um Ausweglosigkeit, Pessimismus und Depression geht.
    Im Verlauf und vor allem gegen Ende des Romans wird klar, warum die Autorin gerade diesen Titel gewählt hat, der ein Gegengewicht zur mit dem Thema assoziierten Stimmung darstellt.

    Ich flog durch die Seiten und bezeichne ihn gerne als absolut lesenswerten Pageturner.

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  1. Von Aids und vom Tod

    Kurzmeinung: Verliert leider mit der Zeit durch Geschwätzigkeit und zu viele Handlungselemente.

    In dem Roman „Die Optimisten“ geht es um die Schwulenszene in den 1980ern in Chicago und die Veränderungen, die eintreten als das tödliche Aids-Virus ausbricht wie eine Seuche, gegen die man nichts tun kann.

    „Plötzlich ist Sex nicht mehr nur Sex“, lässt die Autorin ihren Hauptprotagonisten sagen. Sondern besetzt mit Angst und Krankheit, Verdächtigungen und aufgebrachten Unterstellungen gegenüber dem Gesundheitswesen und der Politik. Die sie (gefühlt) alle im Stich lassen. Denn zuerst hat man sich in der Szene endlich frei gefühlt, waren die 1980er die Zeiten des sexuellen Comingouts überhaupt und der Möglichkeit, sich auszuprobieren und von langhergebrachten Fesseln der Konventionen zu lösen. Das Paradies schlechthin! Und nun das: Zurück auf Null und von der Gesellschaft geächtet, ausgestoßen.

    Yale und Charlie sind ein monogames Paar, das schützt sie in diesen Zeiten vor Ansteckung und Tod. Der eine, Charlie, leitet mit Engagement und großem Erfolg eine Schwulenzeitung, der andere ist in der Kunstsparte tätig. Yale ist führender Angestellter einer der Northwesternuniversität angegliederten Galerie und fürs Fundraising zuständig. Dieses Fundraising umfasst sowohl finanzielle Zuwendungen wie auch das Anlandziehen von Vermächtnissen möglichst wertvoller Kunstgegenstände. Gerade ist Yale dabei, einer alten Dame zuzureden, der Galerie ihre millionenschweren Bilder zu vermachen und sie nicht der Familie zu überlassen. Eine schwierige Aufgabe. Zeitgleich: Das Idyll des schwulen Paares, Yale und Charlie, zerbricht als einer der beiden fremdgeht und sich ansteckt. Ist auch der andere angesteckt?

    Positiv ist zunächst herauszustellen, dass die Autorin das Geschehen der Schwulenszene in Chicago, das Aufkommen von Aids, die erschütternden Krankengeschichten sowie diverse politische Ereignisse, einschließlich der Kunstszene Chigacos, sehr authentisch darstellt.

    Leider auch akribisch. Die sorgfältige Recherche der Autorin führt deshalb zu manchen Längen. Subjektiv und drastischer ausgedrückt: Das Buch ist zu lang und ersäuft an seiner Detailfülle.

    Nach der Hälfte der Zeit verliert die geneigte Leserin allmählich das Interesse. Woran liegts im Einzelnen?

    Zwei parallel geführte Handlungstränge wechseln sich unnötigerweise regelmässig ab und lassen das Interesse erlahmen. Erstens hängen sie nur lose zusammen und zweitens gibt es keinen ersichtlichen Grund für den ständigen Wechsel, beide Stränge werden nicht immer dichter zusammengeführt, sondern bleiben für sich stehen bis zum Ende.

    Die Protagonisten, Yale in den 80igern und Fiona um 2015, begeistern nicht. Sie haben zu wenige Facetten. Leblos sind sie nicht und sie schwätzen auch eine Menge. Aber sie sind zu beschäftigt, um zu wirken. Yale mit seiner Kunst und dem Schwulsein und Fiona mit der Suche nach ihrer Tochter und Enkelin. Wer sind Fiona und Yale wirklich? No idea. Das Sosein kommt zu kurz.

    Die Handlung ist viel zu vollgestopft. Nicht nur verfolgen wir den sehr komplizierten Fundraisingsfall Yales in allen Einzelheiten, sondern auch seine Beziehungen zu Charles und zu quasi jedem, der ihm über den Weg läuft. Diverse Krankheitsverläufe und Todesfälle werden in der Rückschau beobachtet.

    In Paris wird es vollends wirr. Wir hasten mit einem Privatdetektiv durch die Gassen, brechen eine Wohnung auf, bereiten eine Ausstellung vor, arbeiten alte Beziehungen auf, haben sexuelle Abenteuer und erleben einen terroristischen Anschlag. Dazu schwätzen die Protagonisten ununterbrochen (vor sich hin). Dialoglastig ist ja per se nicht verkehrt, nur dann, wenn dies zum Nachteil "der Persönlichskeitsbildung" geht, dann schon.

    Fazit: Die historische Darstellung der Chicagoer Schwulenszene, einschließlich deren Verortung in Politik und Gesellschaft ist gut gelungen. Der zweite Teil mit Paris und allem drum und dran jedoch ist für ärgerliche Längen verantwortlich. Es wäre besser gewesen, ihn gar nicht zu bringen. Die Charakterzeichnungen hätten ausgeprägter sein können, ja müssen! Fiona ist eine sehr langweilige Person.

    Insgesamt ist der Roman schon gut lesbar, aber der große Wurf ist es nicht.

    Kategorie: (Fast historischer) Roman. Belletristik.
    Verlag: Eisele, 2020

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  1. Ein Buch, das nicht spurlos am Leser vorbeigeht

    Das Original, “The Great Believers”, rief in der englischsprachigen Literatur eine enorme Resonanz hervor – als habe der Roman endlich, endlich eine Lücke geschlossen, endlich ein kaum überwundenes Trauma in die richtigen Worte gefasst.

    Eine zugleich begeisterte und erschütterte Rezension folgte auf die nächste, der Roman wurde für einige Preise nominiert und gewann auch zahlreiche davon.

    Ich kann kaum in Worte fassen, was dieses Buch in mir hervorrief.

    Ich erinnere mich noch an die Zeit, als Aids sich das erste Mal durch die Nachrichten brannte wie ein Buschfeuer. Der Schock, aber vielerseits auch die direkt folgende Beschwichtigung: Gott sei Dank, dass mir das nicht passieren kann – das betrifft ja nur die Schwulen. (Erst später wurde klar: Aids kann auch Hetereosexuelle treffen.)

    Und so rückte eine Minderheit auf die furchtbarste Art ins Rampenlicht, während ihr Leid zugleich reißerisch ausgeschlachtet und marginalisiert wurde.

    Rebecca Makkai zollt diesem Leid drei Jahrzehnte später Respekt und echtes Mitgefühl.
    Das liest sich durchaus spannend, das liest sich sogar unterhaltsam, aber es reißt auch tiefe Wunden ins Leserherz, es bewegt, verstört und wühlt auf. Die Charaktere sind glaubhaft und komplex, und man hat immer im Hinterkopf: Wirst du das Buch überleben? Und du? Und du? Bitte, wenigstens du… Es schnürt einem die Kehle zu – und ja, ich habe geweint.

    Das ist meisterhaft geschrieben, in einer Sprache, die die Atmosphäre der Zeit und die Gefühle der Protagonisten mühelos zum Leben erweckt – da trifft jeder Satz ins Mark. ‘Zum Leben erweckt’? Da bin ich gerade vor meinen eigenen Worten erschrocken, die ungewollt zynisch wirken, wo doch nur wenige Charaktere das Buch überleben.

    Warum soll man das lesen? Warum sollte man sich das antun?

    Warum liest man überhaupt Bücher, die auf wahren Begebenheiten beruhen, wenn diese Begebenheiten schrecklich waren? In meinen Augen tut man das (auch), weil man die menschliche Natur verstehen will, die sich nie so prägnant und glasklar zeigt wie in Zeiten der Angst und des Schmerzes. “Die Optimisten” erfüllt genau dieses Bedürfnis nach Verstehen und Verständnis.

    Und der Roman zeigt ja nicht nur das Leid und den Schmerz, sondern auch die Hoffnung, die bedingungslose Liebe und die tief empfundene Freundschaft, ein wahres Kaleidoskop an Gefühlen. Da wird nichts künstlich aufgebauscht, nichts dramatisiert, aber auch nichts geschönt oder verharmlost.

    Die Autorin lässt die Gefühle der Charaktere, stellvertretend für die Gefühle der damals tatsächlich Betroffenen, ganz unaufdringlich einfach nur wirken. Sie gibt den Betroffenen eine Stimme und sie gibt auch den Schuldgefühlen der Überlebenden Raum. Und das wirkt so echt, dass man sich kaum vorstellen kann, dass Yale und seine Freunde nie wirklich gelebt haben.

    Der zweite Handlungsstrang im Jahr 2015 öffnet eine Tür für die Hoffnung.

    Hier wird deutlich: Heilung nach einem traumatischen Erlebnis ist möglich, doch erst müssen die eigenen Gefühle aufgearbeitet werden. Fiona, die die meisten ihrer Freunde überlebt hat, begreift, dass sie die Vergangenheit endlich loslassen muss, um das Verhältnis zu ihrer Tochter zu retten.

    Dieser Teil des Buches ist bitter nötig, denn wenn das Leid dargestellt wird, sollte auch die Hoffnung nicht verschwiegen werden. Der Autorin gelingt hier meines Erachtens die genau richtige Balance, ohne als Mehrgenerationenroman in die Kitsch-Falle zu tappen.

    Fazit

    In Chicago des Jahres 1985 rafft ein neuer Virus junge, bisher gesunde Männer aus der Schwulenszene dahin: Aids, das erst gar nicht ‘Aids’ hieß, sondern ‘Gay People’s Immuno Deficiency Syndrome’, weil man da noch dachte, es könne nur Schwule betreffen. Der junge Kunstexperte Yale muss zusehen, wie seine Freunde reihenweise sterben – immer in der Angst, er könnte der Nächste sein.

    Dreißig Jahre später wird Fiona, die Nichte eines Aids-Opfers, die im Kreise seiner größtenteils ebenfalls verstorbenen Freunde aufwuchs, erneut mit dieser Epoche konfrontiert.

    Rebecca Makkai beschreibt die Zeit, in der es noch keine Medikamente gegen Aids gab und Abertausende von Menschen auf furchtbare Art und Weise starben, ungeschönt, dabei aber nicht sensationsheischend, sondern mit Empathie und großem Respekt. Das geht unter die Haut, ist aber gerade deswegen sehr lesenswert.

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