Die November-Schwestern
Die Wahrscheinlichkeit, mit einem Roman den Pulitzerpreis zu gewinnen, geht aufgrund der Vielzahl an jährlichen Veröffentlichungen gegen Null und grenzt daher an ein Wunder. Erst recht, wenn es sich um das Debüt einer jungen Frau handelt, zu einer Zeit, in der nominierte Autoren eher gesetzteren Alters und in der Literaturszene bereits etabliert waren.
Doch im Jahre 1935 ist der 24-jährigen Amerikanerin Josephine W. Johnson mit ihrem Debütroman „Die November-Schwestern“ genau dieses Wunder widerfahren.
In diesem Ausnahme-Roman erzählt sie die Geschichte einer Farmersfamilie zur Zeit der Weltwirtschaftskrise in den 1920er/1930er Jahren im ländlichen Amerika.
Die Familie Haldmarne besteht aus den Eltern sowie den drei Schwestern Kerrin, Ich -Erzählerin Marget und Merle, der Jüngsten. Der Alltag auf der Farm ist beschwerlich und bedeutet einen ständigen Kampf gegen die Natur und das Wetter; der Ertrag, der dabei erwirtschaftet wird, steht in keinem Verhältnis zum Arbeitsaufwand und reicht mehr schlecht als recht zum Überleben. Von klein auf werden die Schwestern in die Arbeit auf der Farm eingebunden. Sie kennen es nicht anders. Durch die Sicht von Marget erleben wir, wie hart der Kampf um den Erhalt der Existenzgrundlage ist. Der Alltag wird von Bangen und Hoffen bestimmt. Marget erzählt die Geschichte eines Jahres im Leben dieser Familie, die am Ende auf eine Katastrophe zusteuern wird.
Die drei Schwestern dieser Familie sind charakterlich völlig unterschiedlich. Das Nesthäkchen Merle, obwohl auch schon eine junge Frau, ist eine ausgeglichene Person, die von allen gemocht wird. Mehr lässt sich kaum über sie sagen. Reibungspunkte bietet das Verhältnis der beiden älteren Schwestern. Auf den ersten Blick scheint Kerrin, die Älteste, ihrer Zeit voraus zu sein. Selbstbewusst, mit dem großen Wunsch nach Unabhängigkeit, kommt sie mit dem Verständnis in der damaligen Gesellschaft, was die Rolle einer Frau betrifft, nicht zurecht und hadert mit dem Schicksal, das ihr als Frau vorbestimmt ist: Heiraten, Kinder kriegen, von einem Mann abhängig sein. Mit den wenigen Möglichkeiten, die ihr zur Verfügung stehen, nimmt sie sich Freiheiten, in dem sie sich über Regeln, die ihr von zuhause auferlegt werden, hinwegsetzt. Sie hat ein unbändiges Temperament, das kaum in den Griff zu bekommen ist. Ich-Erzählerin Marget ist ein ruhiger Mensch, der sich selbst als nichtssagend und durchschnittlich ansieht. Sie ist sehr harmoniebedürftig und gerät mir ihrer aggressiven und forschen Schwester immer wieder aneinander.
Eine Besonderheit dieses Romans ist die Naturbezogenheit, die durch die Ich-Erzählerin immer wieder zum Ausdruck kommt. Marget scheint die Kraft für ihren harten Alltag aus der Schönheit der Natur zu ziehen. In diesen stimmungsvollen Textpassagen wird die große Erzählkunst der Autorin Josephine W. Johnson deutlich. Ihre Erzählweise ruft einen besonderen Zauber hervor, der im krassen Gegensatz zu dem harten und entbehrungsreichen Dasein der Familie Haldmarne steht.
Der Romanaufbau richtet sich nach den Jahreszeiten während dieses einen Jahres, die Handlung entwickelt sich dabei vom Frühling bis hin zum Winter mit seinem Jahresende. Bezogen auf das Leben dieser Familie ist dieser Aufbau sehr gelungen, da er sich auf folgenden hoffnungsvollen Gedanken übertragen lässt: Auf Höhen folgen Tiefen, jedes Ende birgt einen Neu-Anfang.
Marget und ihre Familie halten stoisch an diesem Gedanken fest, so dass sie geduldig ihr Leben fortsetzen, weil doch immer und irgendwie mit einem Funken Hoffnung zu rechnen ist, egal was das Schicksal für sie vorsieht.
Fazit:
Ein schwermütiger und tieftrauriger Roman, dessen wunderschöne Sprache magische Lesemomente beschert.
© Renie
!ein Lesehighlight 2023!
Klappentext:
„Die Anstellung eines jungen Mannes auf der elterlichen Farm bringt das Leben der drei Haldmarne-Schwestern durcheinander, das im fragilen Gleichgewicht der Jahreszeiten verläuft. Als dann der Regen ausbleibt und damit die Ernte im Herbst, wird der November zu einem Ende und zugleich zu einem Anfang. Nicht nur Margets Blick auf die älteste Schwester Kerrin verändert sich grundlegend, nachhaltig verändert ist ihr Blick auf das eigene Leben und die Chancen, die es zu ergreifen gilt.“
Autorin Josephine W. Johnson schrieb diesen Roman mit gerade mal 24 Jahren und somit ist die Geschichte rund um die November-Schwestern knapp 90 Jahre alt. Sie erhielt für dieses Debüt den Pulitzer-Preis und alleine das sagt bereits alles. Stellt sich die Frage: Hat die Geschichte an Aktualität verloren? Und ich finde, dass es keinesfalls so ist!
Wir lernen Familie Haldmarne mit all ihren Familienmitgliedern kennen. Die Zeiten sind gerade nicht unbedingt lebenswert aber sie schlagen sich durch. Die Hypothek lastet schwer auf ihren Schultern, die Ernten sind immer wieder wahre Vabounquespiele mit dem Wetter und die Not mit dem Geld kreist allgegenwärtig um sie herum. Die drei Schwestern Kerrin, Marget und Merle könnten unterschiedlicher nich sein aber jede hat ihre Aufgabe und macht soweit ihr Ding, wie man heute so schön sagt. Das Farmleben wird recht detailliert beschrieben. Mir ist das keineswegs fremd da wir selbst auf dem Land leben. Erstaunlich ist nur, wieviel sich doch bis heute so gehalten hat und welche Nöte nach wie vor noch da sind. Die Familie hat es nicht leicht aber sie kämpfen mit allen Mitteln. Die Gegend, in der sie neu leben, ist anders als ihre alte Heimat. Dennoch erobern die Mädchen die Gegend. Es ist schön zu lesen wie sie mit welchem Blick durch die Welt streifen aber dennoch ihren Stolz halten und sich entwickeln, jede für sich. Johnson zeichnet ihre Figuren sehr detailliert und wir lernen alle Familienmitglieder recht tief kennen sowie auch Nebendarsteller. Schnell ist auch deutlich erkennbar: es fehlt ein männlicher Erbe für das Anwesen. Die Zeit war wirklich noch nicht reif für starke Frauen (gerade auf dem Land) und Grant solle das Ruder später herumreißen. Der junge Mann wird zu einer Art rechten Hand des Vaters und auch wenn es vorhersehbar war, die Mädchen sind ganz verückt darüber.
Johnson beschreibt aber nicht nur die Menschen sehr detailliert sondern auch die Gegend. Dennoch bleibt immer eine gewisse Distanz bestehen, die ich gar nicht so verkehrt empfand. Schlussendlich spiegelt dies die Lebensweise der Familie nur excellent wieder! Die nächsten Nachbarn wohnen weit entfernt, für einen kurzen Austausch ist es einfach zu weit (man bleibt für sich), vor der Natur muss man sich blank machen um mit ihr eine Verbindung einzugehen. Man muss auf sie hören, sie bestimmt das Leben auf der Farm und nicht umgedreht. Man muss mit diesem Leben versuchen klar zu kommen oder daraus ausbrechen. Die Mädchen gehen jedenfalls jede für sich ihren Weg so wie sie es für richtig erachten.
Wie gesagt, fühlte ich mich im Buch sehr zu Hause, denn genau so ist es auch heute noch und genau so lebe ich. Vermutlich war ich deshalb auch sehr verbunden mit dem Roman. Johnson‘s Schreibstil und auch ihr Ausdruck sind einnehmend, aber auch fordernd. Es ist kein Buch was man so weg-liest, sondern muss eben nur verstehen und kann dabei auch noch sehr gut analysieren! Einerseits ist die Geschichte recht ruhig, die Verbindung zu den Figuren bleibt, wie gesagt, recht kühl bis zum Schluss aber dennoch fühlt man mit ihnen, geht mit ihnen ihren Weg und ist gespannt, wann das harte Leben etwas weicher wird.
Fazit: Dass so eine alte Geschichte immer noch so aktuell und vor allem einnehmend ist, zeigt doch, welch Klassiker hier vor uns liegt! Die Geschichte rund um die November-Schwestern war ein Genuss von der ersten bis zur letzten Seite und verdient eigentlich mehr als 5 Sterne!
„November ist für mich das Norwegen des Jahres.“ (Emily Dickinson)
Allgemein kommt der November ja nicht gut weg, aber allein durch das einleitende Zitat sollte man ins Nachdenken kommen – ganz unrecht hat Frau Dickinson nicht ha ha ha.
Und auch die Ich-Erzählerin Marget in Josephine W. Johnson´s Roman „Die November-Schwestern“, für den die Autorin 1935 den renommierten Pulitzer-Preis gewann und der 2023 dank des Aufbau-Verlags und der überragenden Übersetzung von Bettina Abarbanell endlich auch in Deutschland erschienen ist, kann dem November etwas „abgewinnen“:
„Jetzt im November sehe ich unsere Jahre im Ganzen. Dieser Herbst ist zugleich wie ein Ende und ein Anfang für unser Leben […]“ (S. 7)
Sie blickt zurück – auf ein Jahr im Kreislauf der Natur und auf private Tragödien, die die Geschichte und Geschicke der Familie Haldmarne lenken und nachhaltig beeinflussen. Dabei spielt eins ins andere – ohne die vorherrschende Dürre wäre Grant wahrscheinlich nie in das Leben der Haldmarne´s getreten und hätte die Schwestern Marget, Merle und Kerrin nicht in so ein (Gefühls-)Chaos stürzen können.
Die Geschichte könnte also vorhersehbar sein (Mann verdreht Frau(en) den Kopf), ist sie aber nicht. Stattdessen ist es der Autorin hervorragend gelungen, mit eindrucksvollen Natur- und Stimmungsbeschreibungen von Anfang an eine poetisch-bedrohliche Spannung zu erzeugen, die es in der (meiner Meinung nach) heutigen Literatur nicht bzw. nur sehr selten und punktuell gibt und die leider in der Masse der Veröffentlichungen untergeht. Aber das ist ein anderes Thema…
Jetzt, wo ich die Lektüre von „Die November-Schwestern“ Revue passieren lasse, komme ich immer mehr zu der Überzeugung, dass der Roman zu den besten poetisch-lyrischen Entschleunigungen gehört, die ich je gelesen habe – trotz der Schwere des Schicksals, trotz der „Heimtücken“ von Mutter Natur und der großen „Konkurrenz“ ähnlich gelagerter Geschichten. Aber Sätzen wie den folgenden kann ich einfach nicht (mehr) abschwören:
„Einmal ging mir plötzlich auf, ohne Grund, aber mit einer Gewissheit, die nichts erschüttern oder ändern konnte, dass weder Mutter noch Grant zu irgendjemandem aufschauten, irgendwen beneideten. Das war nicht etwa Hochmut oder das Gefühl, anders zu sein. Überhaupt nicht. Sondern eine Art Glaube an die Würde des menschlichen Geistes. Ich stammle nur bei dem Versuch, es zu erklären. Es ist nichts, was sich in kleinen Buchstaben einfangen und kleinen Kindern vorlesen lässt.“ (S. 138)
„Wenn ich laut geschrien und gekreischt hätte, dass ich es nicht ertragen könne, hätten sie geglaubt, ich wäre verrückt geworden; dabei ist es das Schweigen, das wirklich verrückt ist, das Stummbleiben, Stillhalten, Weitermachen, als wäre alles wie immer.“ (S. 205)
„Es gab keine Berührung von ihm, an die ich mich hätte erinnern können – nur seine Worte; und Worte sind etwas Kaltes, Grabähnliches, möglich, dass sie länger halten als selbst die stärkste und leidenschaftlichste Berührung, aber sie sind steinern.“ (S. 207)
Ich könnte jetzt hier das ganze Buch zitieren…Nein, Spaß. Kauft es euch lieber oder lasst es euch schenken und lasst euch be- bzw. verzaubern von dieser poetischen Sprachgewalt.
Glasklare Leseempfehlung und 10 von 5*.
©kingofmusic
Das Werk "Die November-Schwestern" von Josephine Johnson weckte gleich meine Aufmerksamkeit, erhielt die Autorin doch dafür im Jahr 1935 den Pulitzer Preis und gilt seitdem als jüngste Preisträgerin aller Zeiten. Endlch liegt das Werk nun in meisterlicher Übersetzung von Bettina Abarbanell vor und ist somit nun auch der deutschen Leserschafft zugänglich.
Im Mittelpunkt des Romas stehen die drei Haldmarne-Schwestern Kerrin, Margaret und Merle. Sie helfen fleißig auf der Farm des Vaters mit, seitdem der Vater seine Stellung im Sägewerk verloren hat. Er ist nicht der geborene Farmer, tut aber sein Bestes in den nicht leichten Zeiten, seine Familie durch harte Arbeit gut durzubringen. Alle Bauern haben es schwer, die Schwarzen unter ihnen ganz besonders. Doch auch die Haldmarne-Familie trifft es hart, als im August der Regen und damit die November Ernte ausbleibt. Die Farm ist bereits mit einer Hypothek belastet, und nun sieht Vater Haldmarne keine andere Möglichkeit, um fremde Hilfe anzunehmen. Auf der Farm selbst soll Grant tatkräftig unterstützen. Schnell ist klar, dass Grant das Leben der drei Schwestern gehörig durcheinander wirbeln wird. Margaret ist ihm von Beginn an verfallen, Kerin scheint ebenfalls seine Aufmerksamkeit für sich gewinnen zu wollen, doch Grant interessiert sich ausgerechnet für die jüngste Schwester Merle, um die er erfolglos wirbt...
Über allem scheinen düstere Schatten und Vorboten des Unheils zu liegen. Johnson gelingt es gleich zu Beginn eine sehr bedrückende Atmosphäre zu schaffen. Ihre Sprache ist eindrücklich, voller Bildgewalt und streckenweise sehr poetisch. Man merkt ihrer Schreibweise ihr Talent auch als Poetin an. Der Roman startet ruhig mit vielen Naturschilderungen, doch die Spannung liegt knisternd in der Luft. Waren es einst die toten Vögel, die nichts Gutes verheißen ließen, so trifft ein Sturm schließlich die Farm mit voller Wucht und zieht eine Welle der Zerstörung nach sich. Die Stärke der Autorin und ihres Werkes liegt nun aber darin, dass sie nicht der Versuchung eines schwülstigen Happy-Ends nachgibt. Stattdessen schildert sie die Verwüstungen sehr authentisch und lässt aber denoch einen Funken Hoffnung aufblitzen, dass es schon irgendwie auch zukünftig weiter geht - so wie Vater Haldmarne bisher immer alles irgendwie geschafft hat. Im Wechsel der Jahreszeiten gibt es viel Dynamik und Anfang und Ende liegen nah beeinander, greifen kreisformartig ineinander.
Die November-Schwestern ist ein sehr eindrückliches Werk, dass nicht zuletzt durch die brilliante Sprache und Gesamtkomposition überzeugt. Ich bin sehr froh, es entdeckt zu haben und empehle dieses Buch uneingeschränkt weiter.
Josephine W. Johnson (1910 – 1990) schrieb diesen Roman 1934 im Alter von nur 24 Jahren und erhielt anschließend den Pulitzerpreis dafür. Völlig gerechtfertigt, wie ich während der Lektüre feststellen durfte.
Ich - Erzählerin Marget Haldmarne schildert retrospektiv die Geschehnisse, die sich im Wesentlichen innerhalb eines Jahres zugetragen haben. Sie lebt zusammen mit ihren Eltern, ihrer ein Jahr älteren Schwester Kerrin und der um vier Jahre jüngeren Schwester Merle auf einer Farm im Mittleren Westen, die die Familie vor ein paar Jahren gekauft hat. Das Land ist steinig und mit einer Hypothek belastet - die Wirtschaftskrise hatte die Haldmarnes jedoch zu diesem Neuanfang gezwungen. Insbesondere Marget und Merle freunden sich mit der unwirtlichen Gegend an. Sie stromern über Wald und Feld, genießen den Wind oder stöbern wilde Tiere auf. All das ist der Ausgleich für ihre täglichen Pflichten, die sie seit frühester Jugend verrichten müssen. Schwester Kerrin indessen ist ein ungestümes Mädchen, das sich gerne von der Gemeinschaft ausschließt. Sie hat Schwierigkeiten, sich dem patriarchischen Vater unterzuordnen, sich anzupassen oder einzuordnen. Sie fühlt sich unverstanden und fehl am Platz, was familiäre Konflikte zur Folge hat.
Das Farmleben ist hart. Die ganze Familie ist von morgens bis abends damit beschäftigt, den kargen Boden zu bestellen und das Vieh zu versorgen. Die latente Gefahrenlage ist spürbar: Die Ernte reicht immer nur gerade so eben, die Milch- und Getreidepreise decken kaum die Kosten, die Verschuldung drückt, die Arbeit wächst über den Kopf, Armut droht. „Das Leben meines Vaters war eine Art erbittertes Kriechen, um die Schulden loszuwerden, bevor die Zeit käme, da schon der bloße Versuch zu schwer für ihn wäre. Er wünschte sich ein wenig Sicherheit für uns und dass wir frei wären von jenem Bangen und Zweifeln, das er selbst nur zu gut kannte.“ (S.35) Der Vater ist ein Mann seiner Zeit. Er bedauert, keinen Sohn für die schweren Arbeiten zu haben und traut seinen Frauen, von denen er Gehorsam erwartet, nicht allzu viel zu. In jenem Sommer ist er gezwungen, mit dem umgänglichen Grant einen Helfer einzustellen, der ihm zur Hand geht. Es scheint vorhersehbar, dass der junge Mann das Familienleben beeinflusst, als die pubertierenden Töchter unterschiedlich auf ihn reagieren. Marget verliebt sich, während die selbstbewusste Merle unbeeindruckt feststellt: „Männer sind sich alle gleich. (…) Sie gleichen sich wie Tümpel. Scheinen aber zu glauben, dass schon ihre Geburt sie zu Göttern macht.“ (S. 81)
Der Roman erzählt vom Farmleben in angespannten Zeiten. Jede Figur wird anschaulich beschrieben, jede hat gute und weniger überzeugende Charaktereigenschaften. Man hat nur wenige Nachbarn, auf die man sich aber in Notlagen verlassen kann. Schwer sind die Zeiten für alle Farmer, weil sie am Anfang der Nahrungsmittelkette stehen, für die andere die Preise festlegen. Die Schwarzen Farmer haben jedoch noch härtere Bedingungen: Offener Rassismus, Vorurteile und Ungleichbehandlung von Seiten ihrer Umgebung lasten zusätzlich auf ihren Schultern.
Es ist große Kunst, wie Johnson diese Familiengeschichte ohne Kitsch oder Larmoyanz erzählt. Jeder Satz, jeder Dialog hat Kraft und Tiefe, der Text strahlt Ruhe und Spannung gleichermaßen aus. Herausragend sind die atmosphärisch bildreichen Landschafts- und Naturbeschreibungen. Sie zeugen von großer Sensibilität und Beobachtungsgabe – erstaunlich für eine so junge Autorin. Die Natur hat vielfältige Bedeutung für den Roman: Teilweise kontrastiert sie zum Gefühlsleben der einzelnen Protagonisten, dann spiegelt sie deren Emotionen wider. Darüber hinaus bietet die Natur insbesondere Marget Beständigkeit und Trost. Man spürt diese Zugewandtheit in jeder Zeile. Mit immenser Intensität wird die sich anbahnende Dürre-Katastrophe in all ihren Begleiterscheinungen geschildert. Als Leser erlebt man die Existenzangst der Familie, den Hunger, die Konflikte, die Hoffnung auf den ersehnten Regen intensiv mit. Dabei ist der Erzählton von Beginn an von einer latenten Melancholie durchzogen, die vermuten lässt, dass es kein echtes Happyend geben kann.
Josephine W. Johnson zeichnet ein stimmiges Sittenbild der ländlichen Bevölkerung, ihrer Schicksale und Strukturen. Marget ist als Ich-Erzählerin zwar scheinbar um Objektivität bemüht, man darf aber nicht vergessen, dass nur aus ihrer Perspektive berichtet wird. Dieser Roman hat alles, was ein gutes Buch ausmacht: ein historisches, naturverbundenes Setting, facettenreiche Charaktere, einen interessanten Plot, der souverän in ausdrucksvoller, melodiöser Sprache ausgeführt wird. Eine großartige Entdeckung, die von Bettina Abarbanell stimmungsvoll ins Deutsche übertragen wurde.
Große Leseempfehlung für diesen zeitlos aktuellen Klassiker, der ein großes Publikum begeistern sollte.
Mit gerade einmal 24 Jahren erhielt Josephine W.Johnson 1935 für ihr Debut "Die Novemberschwestern" den Pulitzerpreis und war damit die bis heute jüngste Preisträgerin. Nun erscheint der Roman in einer gelungenen Neuübersetzung und die Autorin erhält dadurch hoffentlich die Aufmerksamkeit der deutschen Leserschaft.
Die Weltwirtschaftskrise fordert auch von der Famile Haldmarne ihren Tribut. Der Vater verliert seine Arbeit und hofft nun als Farmer den Lebensunterhalt für die Familie verdienen zu können. Seine einzige Rettung ist eine heruntergekommene Farm, für die er zusätzlich eine Hypothek aufnehmen muss. Das bedeutet für alle harte Arbeit. Seine Frau Willa steht ihm treu zur Seite, die drei Töchter helfen mit. Die Älteste, Kerrin, würde gerne eigene Ideen einbringen, doch das lässt der Stolz des Vaters nicht zu.
Zur Unterstützung bei der täglichen Arbeit holt er sich einen jungen Mann. Doch eine extreme Dürre macht allen Bauern zu schaffen; die Ernte vertrocknet auf den Feldern, es gibt kein Futter für die Kühe. Sogar bisher ertragreiche Farmen haben zu kämpfen. Ein Milchstreik soll auf die gravierenden Probleme aufmerksam machen, doch am Ende stehen alle kurz vor dem Ruin, wenn sie nicht schon vorher gezwungen waren, ihr Land aufzugeben, wie der Schwarze Farmer in der Nachbarschaft.
Thematisch erinnert der Roman an John Steinecks "Früchte des Zorns". Auch Josephine W. Johnson zeigt auf eindringliche Weise, wie hart der Alltag der Farmer war. Der Gnade des Wetters und den Launen des Marktes ausgeliefert, müssen sie um ihre Existenz kämpfen. Staatliche Hilfen gibt es in prekären Situationen nicht, im Gegenteil. Gnadenlos werden auch dann die Steuern eingetrieben, wenn es eigentlich nichts mehr zu holen gibt.
Doch die sozialkritische Komponente ist nur eine Seite des Romans. Denn so wie die Sonne auf die Erde niederbrennt, so lodern die Gefühle der Protagonisten. Die Ankunft des jungen Mannes löst in jeder der drei Schwestern unterschiedliche Emotionen aus. Die 25jährige Kerrin, die von jeher von einer inneren Unruhe getrieben war, "begehrte ihn mehr als alles, wonach sie je die Hände ausgestreckt hatte."
Margaret, aus deren Perspektive wir von den Ereignissen jenes Jahres erfahren, liebt Grant mit der Vergeblichkeit einer, die um ihrer Gewöhnlichkeit und Unscheinbarkeit weiß. Doch Grants Liebe gilt stattdessen der jüngsten Schwester, der 20jährigen Merle, die seine Zuneigung ignoriert.
Während die Trockenheit andauert, die letzten Früchte verdorren - "Ein stilles, monotones Sterben" - kämpfen die Protagonisten einen aussichtslosen Kampf, gegen die äußeren Umstände und die Stürme im Innern. Alles läuft unausweichlich auf eine Katastrophe zu.
Die Handlung ist recht einfach, das Erzähltempo ruhig, obwohl Existenzielles passiert. Was den Roman aber so besonders macht, ist seine Sprache. Die Autorin schafft damit eine ganz besondere Atmosphäre, eine Mischung zwischen Ruhe und Spannung. In zahlreichen poetischen Bildern wird die Liebe zur Natur spürbar, auch die Wechselwirkung zwischen Mensch und Natur.
Beeindruckend auch, wie eine so junge Autorin diese vielschichtigen Charaktere entwickelt hat. Den wortkargen Vater, der unter seiner Aufgabe beinahe zerbricht und trotzdem keine Hilfe erträgt. Mutter Willa, die unscheinbar im Hintergrund, die Familie zusammenhält und mit einem unerschütterlichen Glauben alles akzeptiert und erträgt.
Grant, ruhig und besonnen geht er seiner Arbeit nach, bis er an der Ausweglosigkeit seiner Liebe resigniert.
Und dann die drei ungleichen Schwestern. Kerrin, geplagt von inneren Dämonen, dagegen die selbstbewusste und immer arbeitsame Merle. Dazwischen steht Margaret, die sich und die anderen genau beobachtet. Sie bezeichnet sich selbst als "so gewöhnlich" und leidet heimlich und still unter ihrer unerwiderten Liebe . " Wir konnten so viel fühlen, aber nur in kargen, simplen Worten miteinander reden." Das gilt für alle Beteiligten hier.
Am Ende bleibt nur der "Mut, irgendwie dem Morgen ins Gesicht zu sehen."
"Die Novemberschwestern" erzählt eine eindringliche Geschichte voller Tragik, in einer kraftvollen und schönen Sprache. Ein Roman, der lange nachwirkt und dem ich viele Leser wünsche. Gespannt wäre ich auch auf weitere Werke der Autorin.
Kurzmeinung: An diesem Roman gibt es nichts auszusetzen! Gar nichts!
Der Roman beginnt im November „Jetzt im November ..“ , er endet an einem Januar. Die Jahreszeiten spielen eine große Rolle, ja, die Rolle überhaupt. Denn die Familie Haldmarne ist nach einer Wirtschaftskrise aufs Land gezogen und bewirtschaftet nun eine Farm. Von den Jahreszeiten hängen die Erträge ab und von den Erträgen das Überleben.
Vom Vater heißt es: „Er war nicht zum Farmer geboren, obwohl er als Junge auf dem Land aufgewachsen war und nun auf ähnliche Felder zurückkehrte, wie die, die er früher gepflügt hatte.“ Dafür, dass Vater Haldmarne nicht zum Farmer geboren ist, schlägt er sich gut, denn er ist fleissig und kennt keinen Müsiggang. Aber er hat nicht genug Geld, um die Farm zu kaufen und musste eine Hypothek aufnehmen. Er ist leider neuen Ideen gegenüber verschlossen und nennt auch sonst eine Reihe ungünstiger Eigenschaften sein eigen.
Als eine ungewöhnlich lange Zeit der Dürre kommt, gehen die Farmen in der Umgebung wirtschaftlich in die Knie. Den Haldmarnes steht dasselbe bevor.
Der Kommentar:
Die Liebe zur Natur spricht aus jeder Zeile, jedem Wort. Die Autorin Josphine W. Johnson (1910 – 1990) ist eine gute Beobachterin und versteht es meisterhaft Flora und Fauna in lyrische Worte zu fassen; die Bilder, die sie mit Worten malt, sind zeitlos. Auch die Charaktere der Farmersfamilie sind plastisch, Mutter, Vater und drei Töchter, die allmählich erwachsen werden. Sie stehen der Leserschaft lebhaft vor Augen. Erzählerin ist die mittlere Tochter Marget, die ihre ältere eigenwillige Schwester Kerren mit Sorge betrachtet und die jüngere, Merle, die das Leben als gegeben hinnimmt und besser mit all den Katastrophen klarkommt als sie selbst, die alles hinterfragen muss, ein wenig beneidet.
Dass die Autorin Josphine W. Johnson für ihren Roman „Now in November“ 1935 den Pulitzer Preis erhalten hat, ist sicherlich der wunderschönen Sprache und der Zeitlosigkeit der Naturlyrik zu verdanken und andererseits der Fähigkeit Johnsons, der Realität der Härten eines Farmerslebens in den 1930ern standzuhalten. Obwohl ein junger Mann eine Rolle im Leben der Mädchen spielt, widersteht Johnson jeglicher Versuchung einer sentimental Journey!
Hervorzuheben wäre noch die herausragende Übersetzung von Bettina Abarbanell, denn gerade bei einem naturlyrischen Text macht eine gute Übersetzung den Unterschied!
Fazit: Ein entschleunigender wunderschöner Roman, der die Schönheit der Natur preist ohne im Geringsten in Naturkitsch abzugleiten. Die Korrelation Mensch-Natur bildet die Achse eines Farmerlebens, die Jahreszeiten und ihre jeweilige Ausprägung entscheiden über Leben und Tod. Daran hat sich nichts geändert bis auf den heutigen Tag, insofern ist der 1934 erstmals herausgegebene Text nicht nur zeitlos, sondern sogar hochaktuell.
Kategorie: Anspruchsvoll. Naturlyrik.
Aufbauverlag, 2023.
Neunzig Jahre ist es her, dass Josephine W. Johnsons Roman zum ersten Mal veröffentlicht wurde. Seine Themen und die Art, wie sie behandelt werden, sind jedoch überraschend zeitlos. Johnson erzählt die Geschichte der Haldmarnes, Arnold und Willa, und ihren Töchtern Merle, Marget und Kerrin. Die Geschichte wird rückblickend, aus einem Abstand von 10 Jahren erzählt; Erzählerin ist die mittlere Tochter Marget.
Nachdem Arnold aufgrund der Wirtschaftskrise seinen Job im Sägewerk verloren hat, zieht er mit seiner Familie zurück auf die Familienfarm, die mit einer Hypothek schwer belastet ist.
Es bräuchte nicht viel – ein gutes Erntejahr - um die Haldmarnes aus ihrer Armut zu befreien und ihr den relativen Wohlstand ihrer Nachbarn im Norden, der Rathmans, zu ermöglichen. Im Vergleich mit ihren schwarzen Nachbarn im Süden, den Ramseys, geht es ihnen jedoch noch ziemlich gut, und so stellt der Vater Grant ein, der ihm mit den schweren Arbeiten zur Hand gehen soll, in der Hoffnung auf künftige Überschüsse.
Dann setzt eine Dürre ein. Als die Teiche austrocknen und die Ernte auf den Feldern verdorrt, beginnen die Sehnsüchte, die seit Grants Ankunft schwelen, aufzuflammen. Kerrin wird immer verzweifelter in ihrem Streben nach ihm, aber Grants Zuneigung gilt Merle, die sie nicht erwidert. Die schüchterne und schlichte Marget ist daran gewöhnt, ihre Gefühle zu verbergen und ihre Hoffnungen zu dämpfen. Eher unscheinbar, tritt sie stets zurück hinter der klugen, selbstbewussten Merle, und der schönen, labilen Kerrin, die sich bedenkenlos nimmt, was sie will. Marget beobachtet das Geschehen von der Seitenlinie aus, und ihre Sensibilität für Grants Herzschmerz und ihre eigene geheime, unerwiderte Liebe zu ihm bilden das Herzstück des Buches. Mir gefiel der Realismus in Johnsons Figurenzeichnung außerordentlich gut.
Ganz große Poesie ist, wie Johnson die Natur in ihrem anfänglichen Idealzustand und dann ihren langsamen Hitzetod beschreibt, und ebenso bedrückend. Das harte Leben der Farmer wird uns vor Augen geführt – wo eine Missernte, ein Streik, ein Sturz, eine Verbrennung oder ein gebrochener Knochen den Abstieg auslösen kann. Es gibt keine Sicherheit, die Abhängigkeit von äußeren Faktoren – dem Wetter, dem Markt – ist total. Vom Staat gibt´s keine Hilfe, stattdessen Steuerforderungen. Als die Ramseys von ihrem rassistischen Pachtherrn von ihrem Land vertrieben werden, können weder Grant noch die Haldmarnes helfen – und die Autorin lässt uns ihre Scham darüber mitfühlen.
Unerwiderte Liebe, Existenzängste, psychische Krankheit, Rasse und Genderthemen - das alles ist immer noch aktuell und berührt uns ebenso wie die LeserInnen von vor 90 Jahren. Die Dürre und ihre Folgen, die ausdrucksvoll geschilderten Waldbrände, stellen einen lebhaften Bezug zur heutigen Klimasituation her.
Von Anfang an vermittelt der Roman eine Atmosphäre drohenden Unheils. Die Erwartung dieser diffusen Katastrophe erzeugt einen starken Spannungsbogen, obwohl vordergründig gar nicht viel passiert. Die Tragödie aber, die über die Familie am Ende hereinbricht, habe ich, trotz permanenter Mutmaßungen, nicht vorhergesehen. Wenn man nach dem Ende der Lektüre noch einmal zu den ersten Seiten des Romans zurückkehrt, scheint sich ein Kreis zu schließen und die Geschichte erlangt zusätzliches Gewicht und Klarheit. Was Marget an ihrer Mutter immer bewundert hat, eine Fähigkeit zur Akzeptanz, die auf einer verborgenen inneren Kraft beruht, das hat sie schließlich selbst erlangt. So schließt der Roman mit einem Ton zwischen Hoffnung und Resignation.
Sicher keine leichte Lektüre, sondern ein ruhiger, eindringlicher Roman um die essentiellen Dinge des Lebens – in großartiger Sprache.
Irgendwo in den USA zu Zeiten der Weltwirtschaftskrise: Das Leben der Familie Haldmarne ist geprägt von Entbehrungen, Armut und harter Arbeit. Die drei ungleichen Schwestern Marget, Merle und Kerrin unterstützen ihre Eltern dabei so gut sie können. Als mit Grant ein junger Mann auf der Farm angestellt wird, gerät das ohnehin fragile Gleichgewicht aus den Fugen. Eine zusätzliche Belastung ist der ausbleibende Regen. Während ein benachbarter Farmer von seinem gepachteten Gut vertrieben wird, rückt das Unglück auch für die Haldmarnes immer näher...
"Die Novemberschwestern" ist der Debütroman von Josephine W. Johnson (1910 - 1990) aus dem Jahre 1934. 1935 erhielt sie dafür den Pulitzer-Preis und ist damit bis heute die jüngste Preisträgerin. Umso überraschender, dass es bisher keine deutsche Übersetzung des Romans auf dem Markt gab. Der Aufbau Verlag hat dies nun glücklicherweise geändert und eine hervorragende Übersetzung von Bettina Abarbanell veröffentlicht.
Es ist ein besonders aus sprachlicher Sicht bemerkenswerter Roman. Gleich die ersten Wörter geben den traurig-poetischen Tonfall vor, den das Werk während seiner gut 220 Seiten auch nicht mehr verlieren wird. "Jetzt im November sehe ich unsere Jahre im Ganzen", lautet der erste Satz und nimmt damit direkt Bezug auf den Originaltitel "Now In November". Josephine W. Johnson erschafft mit ihrer Sprache eine Atmosphäre, die ihresgleichen sucht. Einen ansatzweise ähnlichen Sound las ich zuvor höchstens bei Maria Borrélys „Mistral“ oder „Chita“ von Lafcadio Hearn. Jedem Satz merkt man ihre Liebe zur Natur an, ohne dass dabei etwas verklärt oder beschönigt wird. Denn gerade die Beschreibungen der Natur sind voller Intensität. Sei es der bedrohliche Wirbelsturm, der die Hoffnung auf Regen mit sich bringt. Sei es der Herbst mit seinen welkenden Blättern oder die Sommerhitze, die die Natur mehr und mehr austrocknet. Johnson kann sich getrost als Vorläuferin des modernen "Nature Writing" bezeichnen lassen. Doch die explizite Darstellung klimatischer Verhältnisse ist nicht das einzige heute noch aktuelle gesellschaftliche Thema. Auch Rassismus oder der Umgang mit Diversität machen aus "Die Novemberschwestern" ein überraschend zeitgemäßes Werk.
Erstaunlich sind auch die Erzählperspektive und die daraus resultierende Figurenkonzeption. Denn alles, was wir lesen, erfahren wir lediglich aus der Sicht von Ich-Erzählerin Marget, der mittleren Schwester. Sie ist diejenige, die ihre ältere Schwester Kerrin als krank bezeichnet. Sie ist diejenige, die sich selbst permanent als eine Art Mauerblümchen präsentiert und den Wettbewerb mit ihrer kleinen Schwester Merle um den Farmangestellten Grant scheut, obwohl sie klammheimlich an fast jedem Kapitelende von ihrer Liebe zu diesem erzählt.
Wer sich auf die „Novemberschwestern“ einlässt, und das ist dringend empfohlen, sollte auf jeden Fall geduldig sein. Denn über weite Strecken ist das Erzähltempo sehr langsam, fast entschleunigend, was wegen der fantastischen Sprache aber kein Nachteil ist. Und nach einem kleineren Durchhänger in der Mitte des Romans nimmt die Dramatik im letzten Drittel gewaltig zu, um in einem wahrlich bewegenden Finale zu enden.
Josephine W. Johnson gelingt es auf grandiose Art, ihren tieftraurigen, teils fast schon deprimierenden Inhalt in eine so funkelnd-furiose Sprache zu kleiden, dass durch diesen Kontrast ein wunderbar gelungener Roman entsteht, dem ich viele Leser:innen wünsche. Ein wenig bedauerlich ist nur, dass dem Buch ein einordnendes Nachwort zu Werk und Autorin fehlt.
Traurig, aufrüttelnd und schön zugleich
Josephine Johnson versetzt uns in ihre Zeit und in ihr Land: in das Amerika der 30er Jahre, das durch die Große Depression gebeutelt wird. Ihr erster Satz „Jetzt im November sehe ich unsere Jahre im Ganzen. “ zeigt nicht nur das Erzählen aus dem Rückblick, sondern vor allem schon die elegische Grundstimmung, die über dem ganzen Roman liegt.
Im Mittelpunkt steht die Familie Haldmarne: Vater, Mutter, drei Töchter, wobei die mittlere die Ich-Erzählerin ist. Der Vater hat seine Arbeitsstelle und sein Geld verloren und versucht nun, als mittelloser Farmer auf einer vernachlässigten Farm über die Runden zu kommen. Er ist glücklos und oft verzweifelt und dem ständigen Kampf gegen die Tücken des Wetters kaum gewachsen. Die Angst vor dem drohenden Bankrott, die Abhängigkeit von den Marktbedingungen und die Aussichtslosigkeit seiner Lage machen ihn zu einem launischen und mürrischen Menschen.
Darunter leidet vor allem die ältere Tochter Kerrin. Im Unterschied zu ihren Schwestern entzieht sie sich immer wieder der harten Arbeit auf der Farm und auch dem familiären Miteinander. Sie macht ihren glücklosen Vater für die Situation der Familie und vor allem für den Verlust ihrer Zukunftsträume verantwortlich, aber sie findet keine Möglichkeit, ihre Situation zu ändern. Die Anstellung eines Knechts wirkt in dieser gespannten Situation wie ein Katalysator, der unterdrückte Aggressionen freisetzt.
Der Blick der jungen Autorin auf ihre Zeit und die aktuellen Lebensbedingungen ist erstaunlich scharf, trotz ihrer Jugend. Sie schlägt deutliche sozialkritische Töne an, wenn sie zeigt, wie die wirtschaftlichen Bedingungen die Entfaltungsmöglichkeiten eines jungen Menschen verhindern und was der ständige Kampf ums Überleben mit dem inneren Gefüge einer Familie macht.
Dazu kommt, dass die Familie Haldmarne kein Einzelfall ist. Auch ihre Nachbarn befinden sich in einer ähnlichen Situation. Die Lage verschärft sich durch Steuerforderungen, für deren Begleichung die Familie den halben Rinderbestand verkaufen muss und damit weiter in eine Armut rutscht, aus der sie sich kaum mehr selber befreien kann. Die Nachbarn versuchen sich gegenseitig zu helfen, aber ihre Mittel sind beschränkt und wirken nur kurzfristig. Eine grundlegende Hilfe ist nicht in Sicht, im Gegenteil: der Kapitalismus blüht, indem die Landbesitzer immer reicher werden und ihre Pächter ums Überleben kämpfen müssen. Mit eindringlichen Bildern vermittelt Johnson ihrem Leser einerseits die Schönheit der Natur, aber andererseits vor allem die Not der Zeit, die Ausweglosigkeit der Lage, das entbehrungsreiche Leben und den Fatalismus ihrer Zeitgenossen.
Passend zum bäuerlichen Leben organisiert Johnson ihren Roman wie den Kreislauf eines Bauernjahres: ein schöner Kunstgriff!
Im Unterschied zu ihren eher wortkargen Figuren kann sie erzählen und Emotionen vermitteln, sie kann wortgewaltig dramatische Naturereignisse wie Dürre, Sturm und Feuer beschreiben, und so spricht der Roman über die fast hundert Jahre hinweg seine Leser eindringlich und unvermittelt an.