Die Nachricht
Ruth arbeitete als Drehbuchautorin in einer mittelgroßen Stadt in Österreich. Sie hatte ihren Mann verloren durch einen Unfall. Ihr Sohn war beim Skiunfall anwesen. Sie war beruflich unterwegs und war dann mit dem endgültigen Tod ihres Mannes konfrontiert. Im Laufe der Ehe hatten sich beide entfremdet und sie hatte mit dem Gedanken gespielt sich von ihrem Mann zu trennen. Nach dem Tod stellte sich heraus, dass Ludwig eine Geliebte hatte. Ruths Sohn Bennie litt sehr unter dem Verlust seines Vaters. Er war anwesend beim Skiunfall und musste tatenlos zusehen wie sein Vater verstarb. Aus diesem Grund konsultierte Bennie einen Kinder- und Jugendpsychiater Simon. Mit diesem Mann verabredete sie sich dann auch und sie fühlte sich zu ihm hingezogen. Diese Liebesbeziehung war eher eine On und Off- Beziehung. Wenn es zu eng und zu intensiv wurde, ging Simon auf Distanz und verabredete sich mit anderen Frauen. Nach einiger Zeit suchte dann Simon wieder Anschluss an Ruth und sie gingen wieder zusammen ins Bett, bis Simon sich wieder zurück zog.
Im Laufe der Zeit bekam Ruth obszöne Nachrichten aus den soz. Medien/ Facebook/ Twitter. Da sie auch beruflich viel im Internet unterwegs war, war sie an diese Medien angewiesen. Schlimmer noch auch ihre Freunde, Kinder und Arbeitgeber bekommen Nachrichten, sie sie verunglimpfen. Sie als Schlampe darstellten u.ä. Ihr Leben war bestimmt von diesen Nachrichten, die sie stark mitnahm. Sie vertraute mit der Zeit kaum jemanden, da diese Nachrichten sehr persönliche Themen anschnitten, die nur ihre engsten Vertrauten wussten.
Eigene Meinung:
Ich finde das Thema sehr wichtig, da das Thema gut Stalking und Belästigung von Frauen, die beruflich präsent sind, beschreibt. Nur fand ich das Thema manchmal zu ausufernde, mit immer wiederkehrenden Wiederholungen beschrieben. Was mich manchmal etwas langweilte. Aber insgesamt fand ich es sehr lesenswert, auch von der Sprache des Buches.
Ruth Ziegler ist seit drei Jahren verwitwet. Noch hat sie nicht ganz mit dem Verlust ihrer Trauer und ihrer Trauer abgeschlossen. Aber sie hat Familie, zwei Söhne und eine Steiftochter, Freunde um sich. Als Fernsehjournalistin und Verfasserin von Drehbüchern ist sie auch beruflich sattelfest. Sie ist sogar schon bereit eine neue Beziehung, zumindest eine Affäre einzugehen. Kurzum, Ruth ist eine selbständige, emanzipierte Frau, mitten im Leben.
Bis sie eines Tages über Facebook eine anonyme Nachricht erhält: „Weißt du eigentlich von der Affäre deines prächtigen Ehemannes?“
Ja, Ruth wusste davon, hat sich damit arrangiert. Doch es bleibt nicht bei der einen Nachricht. Immer mehr, immer perfider. Und nicht nur Ruth, auch ihre Freunde, Kollegen, erhalten welche.
Doris Knechts Roman „Die Nachricht“ entwickelt einen unglaublichen Sog. Was als unangenehme Lappalie beginnt, wird immer mehr zur unerträglichen Belastung. Die österreichische Schriftstellerin schaut genau auf die Dynamik zwischenmenschlicher Beziehungen, auf Vordergründe, Hintergründe, Abgründe.
Wer hier Ruth stalkt weiß ganz genau, wo anzusetzen ist: bei der Trauer, dem schlechten Gewissen, dem Zwiespalt, in dem Ruth sich vor Ludwigs Tod befand. Es gibt eine Passage in dem Buch, in der Ruth beginnt alles, was ihr zu Ludwig einfiel, aufzuzählen, Kleinigkeiten, banale Dinge, in ihrer Einfachheit und Gesamtsumme eine feine Art Liebeserklärung, bis die Stimmung kippt und alles was nicht mehr gepasst hat aus ihr herausbricht. Zu spät, denn sie kann es Ludwig nicht mehr sagen. Ein plötzlicher Tod lässt Gräben offen.
„Es fordert Leute heraus, wenn sie deine Stärke spüren und deine Unabhängigkeit und manche von ihnen wollen dir das dann wegnehmen. Sie wollen dir zeigen, dass du gar nicht so stark bist und so unabhängig, wie du glaubst. Und sie beginnen ein Kräftemessen, ihre Kraft gegen deine, ohne dass du es merkst, und dann merkst du es.“
Selbst schuld! Zu laut, zu stark, zu unabhängig. Blame the victim! Auch diese schmerzhafte Erfahrung muss Ruth machen. Von Menschen, die sie zu ihren Freunden zählten. Manipulation sticht Solidarität.
Digitales Stalking und Alltagmisogynie, beängstigend wie schnell und leise diese furchtbare Aufdrängung passieren kann. Der unaufgeregte und zugleich prägnante Vortrag im Hörbuch - Vera Teltz genial wie immer – unterstützt das geschriebene Wort noch einmal nachdrücklich.
Ich war schon lange nicht mehr beim Lesen eines Buches so sehr in Versuchung, auf der letzten Seite vorzeitig nach der Auflösung zu linsen. Hier liegt ein Rätsel auf dem Tisch, das einen packt und verstört.
Drei Jahre nach dem Tod ihres Mannes bekommt Ruth plötzlich anonyme Nachrichten, die intime Details aus ihrem Privatleben kommentieren und verhöhnen. Ihr Mann hatte ein Verhältnis, ja, das hat sie auch herausgefunden, aber wie kann das jemand anderes wissen.
Als Fernsehmoderatorin ist sie üble Facebookkommentare gewöhnt, aber das geht doch zu weit. Irgendjemand stalkt sie, beobachtet sie, kennt ihre Adresse und ihre Handynummer. Nicht nur das, er diffamiert sie sogar in ihrem eigenen Kreis, Freunde, Familie, sogar der Arbeitgeber bekommen ebenfalls pikante Dinge über sie zu hören. Und auch, wenn die natürlich alle auf Ruths Seite stehen, ist da doch ein Gerücht in der Welt, das eine Erklärung verlangt.
Dieses Buch liest sich im Flug. In einem wundervollen Stil, plastisch, originell, ohne große Wortakrobatik zu betreiben, erzählt Doris Knecht diese vertrackte Geschichte, die zeigt, wie perfide Cybermobbing funktioniert. Ruths Situation ist gruselig.
Man blickt in ihr Leben und lernt sie gut kennen. Sie ist eine selbstbewusste Frau und Mutter, aber nicht perfekt. Eigentlich ist sie taff genug, sich zu wehren, aber diese Situation überfordert sie und reißt auch noch kaum verheilte Wunden auf. Die Erinnerungen an ihren Ehemann lösen Trauer aus aber auch Wut über einen Betrug, den man noch nicht mal mehr anklagen kann.
Wer mag dieser Nachrichtenschreiber sein und warum nur? Man rätselt mit und hat früher oder später nahezu jeden in Verdacht.
Dieses Buch ist genial, einfühlsam und toll erzählt, spannend und beängstigend bringt es unaufdringlich wichtige Themen auf den Tisch, zeigt Misogynie in vielen Spielarten und führt vor, wie leicht man schuldlos zum Opfer werden kann.
Ich bin beeindruckt und habe eine neue Lieblingsautorin entdeckt.
Kurzmeinung: Wunderbare Neuentdeckung. Habe bereits weitere Romane von Doris Knecht geordert. Sympathisch ist sie auch noch!
Der neue Roman „Die Nachricht“ von Doris Knecht ist ein Schwergewicht. Vordergründig geht es um eine digitale Stalkinggeschichte, die jedem passieren könnte. Theoretisch wissen wir alle, dass die Anonymität im Netz ein Problem ist. Doch wenn man betroffen ist, ist es dann doch ganz anders. Das erfährt auch Ruth, die Heldin, die keine Löwin ist.
Hintergründig geht es jedoch um Misogynie, im digitalen Zeitalter nicht weniger ausgeprägt als im analogen, sogar im Gegenteil. Fast immer sind Frauen die Betroffenen von Stalking, Männer die Täter. Meistens kommen sie sogar ungeschoren davon.
Wie der Alltag Ruths in ihrem Landhaus abläuft, wird mit Liebe beschrieben. Wald. Fluss. Angler. Licht und Luft. Trauer. Erinnerungen. Einsamkeit. Denn Ruth ist gerade dabei, die erste Trauerphase um den Verlust ihres Ehemanns abzuschließen. Ihr Ehemann war kein Heiliger. Trauer und Wut mischten sich.
Der Roman ist kein Sachbuch über Cybermobbing und steigt infolgedessen auch nicht besonders tief in das Thema ein. Es geht um Psychologie. Um Alltag. Um Seele. Der Roman ist auch kein Kriminalroman. Denn dann hätte man die Spannungskurve kritisieren können. Obwohl das Buch durchaus spannend ist. Aber es geht eben auch um etwas anderes: um das Leben selbst nämlich.
Wie es ist, plötzlich herausgerissen zu werden aus seinem Alltag durch Leid und Mobbing. Davon handelt der Roman. Und wie schwerfällig man agiert, denn man braucht Zeit, zu reagieren, sich zu sammeln. Derartige Einbrüche im Leben machen etwas mit einem. Die Autorin hat diesen Prozeß hervorragend beschrieben. Zweifel. Misstrauen. Verlassenheit. Resignation. Ängste. Wut.
Wenn einem die unaufgeregte lyrische Schreibweise von Doris Knecht zusagt und man Landleben im Buch mag, und man mitgerissen werden will in einen Lesesog, den Doris Knecht auf doch wenigen Seiten zu entwickeln vermag, für den ist "Die Nachricht" ein wunderbarer Lesegenuß. Es sieht so unscheinbar aus, das Buch mit dem Häuschen und dem vielen Grün auf seinem Cover! Aber das täuscht! Innen drin ist Qualität.
Fazit: Doris Knecht ist eine bereichernde Neuendeckung für mich. Eine Kandidatin für die Longlist des Deutschen Buchpreises 2021, wenn es nach mir ginge. Halt wieder typisch Hanser-Verlag. Mein Kompliment!
Kategorie: Belletristik
Verlag: Hanser 2021
Cybermobbing und seine Folgen
Doris Knecht thematisiert in ihrem neuen Roman „Die Nachricht“ digitales Stalking, Cybermobbing, Sexismus, Frauenhass- bzw. -verachtung in der digitalen, aber auch in der physischen Welt.
Ruth steht mit beiden Beinen im Leben, hat sowohl beruflich als auch privat einen großen Freundes- und Bekanntenkreis, und erhält immer mal wieder von Berufs wegen beleidigende Nachrichten. Sie ist über ihre Accounts bei Facebook, Twitter und Instagram aktiv in den sozialen Medien unterwegs. Vor drei Jahren kam ihr Mann Ludwig bei einem Unfall ums Leben. Erst nach seinem Tod erfuhr sie von der Geliebten ihres Mannes. Seine Beziehung zu dieser anderen Frau ist Inhalt der ersten anonymen Nachricht, die Ruth eines Tages über ihren privaten Facebook-Account erhält. Zahlreiche herabwürdigende anonyme Nachrichten folgen. Sie enthalten intime Details aus ihrem Privatleben und sind dadurch von einer ganz anderen, einer viel beunruhigenderen Qualität, als die allgemeinen Angriffe und Kommentare, die sonst im Internet gepostet werden. Wer ist der Verfasser/die Verfasserin und was ist das Motiv? Irgendwann schickt der Absender seine Nachrichten nicht nur an Ruth, sondern auch an Familienmitglieder, Freunde, Bekannte, Kollegen und potentielle Arbeitgeber. Die Verunsicherung setzt schleichend ein, weitet sich aus und gewinnt im Laufe des Romans immer mehr an Intensität. Die Nachrichten richten Schaden an - wem kann man noch trauen, ist Ruth wirklich nur das Opfer oder ist sie vielleicht sogar selbst Schuld an dem, was ihr widerfährt? Welchen Wahrheitsgehalt haben die Nachrichten? Die Reaktionen von Ruths Umfeld zeigen wie unsere Gesellschaft mit dieser Art von Stalking umgeht und welche Konsequenzen die fehlende Unterstützung der Opfer haben.
Knecht gelingt es auf grandiose Art und Weise auch die Leser:innen zu verunsichern. Mit großer Spannung und Anspannung habe ich die Geschichte verfolgt, gerätselt, irgendwann jeden und jede verdächtigt, mich in die Irre führen lassen, ja sogar an der Geschichte des Opfers gezweifelt. Das Ende ist alles andere als zufriedenstellend, aber leider sehr realistisch und deshalb durchaus stimmig. Trotz vieler positiver Aspekte fehlte mir aber bei den einzelnen Protagonist:innen eine gewisse Tiefe - die Figuren blieben für mich blass, austauschbar und nicht richtig greifbar. Vielleicht wollte Doris Knecht damit auch zeigen, dass es jede treffen kann? Mir fehlte in diesem Roman die erzählerische Substanz und letztendlich lässt mich das Buch trotz schöner Sprache und wichtigem Thema irgendwie unzufrieden zurück.