Die Lotosblüte: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Lotosblüte: Roman' von Hwang Sok-Yong
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Inhaltsangabe zu "Die Lotosblüte: Roman"

Gebundenes Buch
Denkt man an ein märchenhaftes Schicksal, so kommt man nicht sofort auf Kurtisanen und Frauenhandel, doch es ist tatsächlich ein alter koreanischer Mythos, der diesem Meisterwerk zugrunde liegt. Darin entführt Hwang Sok-Yong den Leser in das Asien des 19. Jahrhunderts, in eine Welt des Opiumhandels und der Prostitution: Von der Stiefmutter verkauft, findet sich die 15 Jahre alte Shim Chong plötzlich als Zweitfrau eines alten Chinesen wieder. Lenhwa, Lotosblüte, heißt sie jetzt, und alles ist so furchtbar anders, als sie es gewohnt ist. Viel zu essen hatte sie nie, und Betteln war ihr täglich Brot, denn sie diente ihrem blinden Vater als Augenpaar, doch der Alltag in dem fremden Haushalt kommt ihr erst recht vor wie ein böser Traum.

Als ihr Ehemann stirbt, wird ihr schmerzlich bewusst, dass dies für sie nur die erste Station einer Odyssee ist, die sie, als Handelsware missbraucht, von den Ufern des Gelben Flusses über Shanghai, Taiwan und Singapur bis in das Land der Geishas führen soll. Nach unzähligen sinnlichen wie schmerzvollen Erfahrungen entdeckt Shim Chong eines Tages die Macht ihres Körpers und nimmt ihr Leben in die eigenen Hände.

Selten ist es einem asiatischen Autor gelungen, das historische Ostasien in all seinen bunten Facetten einzufangen. Hier taucht man ein in diese fremde Welt und nimmt Anteil am Schicksal Lenhwas: ein Roman mit enormer Tiefe, ungemein fesselnd und mit schwindelerregender Leichtigkeit erzählt.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:496
Verlag: Europa Verlag
EAN:9783958902626

Rezensionen zu "Die Lotosblüte: Roman"

  1. Historischer Frauenroman aus dem alten China

    Die 15-jährige Koreanerin Chong, aus bittererer Armut als Zweitfrau/Geliebte an einen alten, reichen Chinesen verkauft, erlebt die Zeit der Opiumkriege und die Umbrüche in Ostasien. Ihre Schönheit und Jugend betört die Männer, doch für die meisten ist sie nur ein Lustobjekt - ob als Freudenmädchen in Nanking, von Menschenhändlern nach Formosa verkauft oder als Gespielin eines Engländers, der für die ostindische Handelsgesellschaft in Singapur lebt.

    Doch schon früh entscheidet Lenghwa, wie sie in China genannt wird, dass sie die Meisterin ihres eigenen Schcksals sein will, dass sie den Männern, die ihren Körper zu besitzen glauben, nicht die Kontrolle überlassen will. Dass sie in ihrem stürmischen, wechselhaften Leben dann sogar Liebe findet - damit hätte sie wohl selbst kaum gerechnet. Immer wieder wechselt sie Namen, Länder, Sprachen und weiß sich letztlich zu behaupten. Auch als Opfer von Menschenhandel und Vergewaltigung ist da eine stählerne Härte und Entschlossenheit, die von der Gewalt nicht berührt wird und die der jungen Frau den nötigen Durchhaltewillen gibt.

    Das faszinierende Schicksal einer starken und selbstbewussten Frau schildert "Die Lotosblüte" allemal. Allerdings wird der Wandel vom schüchternen, unberührten und verängstigtem Mädchen zu der selbstbewussten Frau, die ihren Körper aus Kalkül einsetzt, nicht wirklich nachvollziehbar. Woher diese innere Kraft kommt, woher das Gefühl für die eigene Manipulationsfähigkeit - das bleibt unerklärt. Und überhaupt bleibt die Dynamik der Frauengesellschaft in den Häusern mit der roten Laterne, irgendwo zwischen Solidarität und Konkurrenz, offen.

    Vielleicht ist das nicht allein einer anderen Erzähltradition geschuldet, sondern vor allem der Tatsache, dass der Autor ein Mann ist und eben nicht in einem weiblichen Körper steckt. So faszinierend die Geschichte der Lotosblüte in diesem epischen Gesellschaftbild auch ist - wirklich glaubwürdig oder überzeugend sind die Frauenfiguren nicht geraten. Im späteren Teil des Buches galoppiert der Autor dann regelrecht durch die späteren Lebensphasen der Lotosblüter, während prägenede Figuren unterwegs auf der Strecke bleiben und nicht weiter erwähnt werden. Das ist dann doch bedauerlich und hinterlässt einige abgerissene Erzählfäden. Dennoch: Lesbar und spannend für alle, die sich für Geschichten aus anderen Kulturen und deren Erzählweisen interessieren, ist "Die Lotosblüte" allemal.

    Hwang Sok-Yong, die Lotosblüte
    Europaverlag 209
    496 Seiten, 24 Euro
    ISBN 978-3-95890-262-6

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  1. Der Weg des Lotos

    Noch als sehr junges Mädchen wird Chong von ihrer Stiefmutter verkauft. Sie wird aus ihrer Heimat Korea nach China verschifft, wo sie zunächst Konkubine eines 8o-jährigen wird. Ihr wird kurzerhand ein neuer Name verliehen, aus Chong wird Lenhwa, chinesisch für Lotosblüte. Nachdem Tod ihres Herrn wird sie von Bordell zu Bordell, von Mann zu Mann weitergereicht. Mit jedem neuen Schauplatz erfindet sich Chong neu, wird Geliebte eines Engländers in Singapur und schließlich sogar Ehefrau eines japanischen Fürsten.
    Die Lotosblüte ist ein sehr ausladender Roman über ein Frauenschicksal zur Zeit des Opiumkrieges. Macht – und rechtlos, aber nicht immer wehrlos, begleiten wir Chong auf ihrem Lebensweg. Schwülstige Erotikszenen wechseln mit brutaler sexueller Gewalt. Das geschilderte (vermeintliche?) Lusterleben der Frau als Ware schien mit nicht glaubhaft und ließ sich im Zusammenhang mit Zwangsprostitution nicht in Einklang bringen. Mir scheint viel eher, dass sich tragische Schicksalsroman mit expliziten Schilderungen von Geschlechtsverkehr noch einmal besser verkaufen sollen.
    Der historische Rahmen in diesem Buch ist durch vielerlei Hinweise zwar klar abgesteckt, doch die zeitlichen und lokalen Gegebenheiten darf man sich entweder selbst recherchieren oder bleiben im Ungewissen.
    Gegen Ende des Buches werden auch die Zeitsprünge immer länger, die Handlung verliert sich ich politischen und kriegerischen Kleinigkeiten. So bekam der Begriff „querlesen“ für mich bei diesem Buch eine neue Dimension.

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  1. Lotosweg

    Der koreanische Autor Hwang Sok-Yong entführt den Leser in seinem Werk „Die Lotosblüte“ ins 19. Jahrhundert in die konfliktreiche Zeit des Taiping-Aufstandes, der politischen Verwicklungen zwischen China, den Briten, Amerikanern und den Japanern.
    Vor diesem Hintergrund rollt der Autor die Geschichte der Koreanerin Chong Shim auf, die mit 15 Jahren von ihrer Stiefmutter an einen Mädchenhändler verkauft wird. Sie kommt zu einem 80jährigen Chinesen nach Nanking, dem sie als Zweitfrau Lebenskraft spenden soll und wo sie den Namen Lotosblüte erhält. Später im Bordell ausgebildet, geraubt und wieder verkauft ist ihr „Lotosweg“ mit Stationen in Taiwan, Singapur, Nagasaki, den Ryukyu-Inseln und Satsuma von Namenswechseln begleitet.
    Nach ihrem ersten Wandel auf ihrer Reise nach China, auf der sie einer koreanischen Legende gemäß dem Meeresgott begegnet und als andere Person aus dem Meer auftaucht, passt sich Chong Shim Chamäleon-artig den veränderten Gegebenheiten an, wechselt mit jeder Station den Namen und schafft es, besser davon zu kommen als andere Frauen in ihrer Situation.
    Das Schicksal der Lotosblüte und ihrer Leidensgenossinnen stellt die Situation der zwangsprostituierten Frauen in Asien dar, die mit ihrer Hoffnung, durch einen reichen und zuvorkommenden Freier durch Heirat zu entkommen eigentlich letztlich helfen, dieses System zu erhalten. Chong Shim ist eine Dienende, und bleibt es auch nach ihrer Heirat.

    Historisch beginnt die Handlung in der Zeit kurz vor dem ersten Opiumkrieg, allerdings bekommt man als Leser das Beiwerk nicht geliefert, sondern muss es sich genau wie die Reiseroute der Lotosblüte erarbeiten. Das ist mühsam, weil zum Beispiel Orte in alte chinesische Ortsnamen übertragen wurden und schwer auffindbar sind. Im Gegensatz dazu steht die wahrscheinlich durch die Übersetzung bedingte sehr einfache und moderne Sprache, die dem Buch in meinen Augen viel Authentizität nimmt.
    Sehr detailliert und kalt beschreibt der Autor Landschaften, aber auch gewaltvolle Sexszenen, die dann im krassen Gegensatz zum angeblichen Lustempfinden der prostituierten Frauen in Zwangslage stehen - für mich ist das zum einen zu viel und zum anderen so absolut nicht nachvollziehbar und glaubhaft.

    Ich weiß nicht, ob ich der asiatischen (Sprach)Kultur für diese Geschichte zu fern bin. Und ohne Recherche zu historischem Hintergrund wären sehr viele Informationen nur an mir vorbei geflogen, weil nur angedeutet. Ich denke, dass der Roman für Leser, die besser mit asiatischer Kultur und Geschichte vertraut sind als ich, gewinnbringend ist. Ich habe mich gestoßen an den nicht greifbaren Figuren, an Orten und Geschichtsdaten, mit denen ich erst beim Nachschlagen etwas anfangen kann und an der in meinen Augen nicht wirklich gelungenen Übersetzung aus dem Koreanischen.
    Es ist durchaus interessant von Trostfrauen, Konkubinen und Mädchenhandel in Asien im 19.Jahrhundert zu lesen, aber für den nicht-asiatischen Buchmarkt wäre eine kurze Zeit- und Ortstafel sehr hilfreich gewesen.

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