Die Lieferantin

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Lieferantin' von Zoë Beck
4.35
4.4 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die Lieferantin"

London, in einer nicht wirklich fernen Zukunft: Ein Drogenhändler treibt tot in der Themse, ein Schutzgelderpresser verschwindet spurlos. Ellie Johnson weiß, dass auch sie in Gefahr ist – sie leitet das heißeste Start-up Londons und zugleich das illegalste: Über ihre App bestellt man Drogen in höchster Qualität, und sie werden von Drohnen geliefert. Anonym, sicher, perfekt organisiert. Die Sache hat nur einen Haken – die gesamte Londoner Unterwelt fühlt sich von ihrem Geschäftsmodell bedroht und will ›Die Lieferantin‹ tot sehen. Ein Kopfgeld wird auf sie ausgesetzt. Ellie beschließt zu kämpfen – ihre Gegner sind mächtig, und sie lauern an jeder Straßenecke.

Autor:
Format:Broschiert
Seiten:324
EAN:9783518467756

Rezensionen zu "Die Lieferantin"

  1. Spannender Post-Brexit-Thriller

    Die Fronten in Zoë Becks aktuellem London-Thriller „Die Lieferantin“ sind von Anfang an klar definiert:

    Auf der einen Seite stehen die alten Drogendealer, die klassische Unterwelt. Sie verkaufen ihre meist gestreckte) Ware vor allem auf der Straße. In ihrem Milieu herrscht Gewalt. Einschüchterung, Schutzgelderpressung und Auftragsmorde gehören zum Alltag.

    Auf der anderen Seite steht Ellie Johnson, die online nur anonym als „die Lieferantin“ auftritt. Sie bringt den Drogenhandel ins Zeitalter der Digitalisierung. Wer ihre (hundertprozentig reine) Ware beziehen möchte, lockt sich ins Darknet ein, lädt sich anschließend ihre App herunter und erhält die Drogen per Drohne.

    Diese beiden Seiten prallen im Buch auf spannende Weise aufeinander. Gleichzeitig schafft Zoë Beck einen interessanten politischen Hintergrund für ihren Thriller, in den sie die Rivalen einbettet: Wir befinden uns in der nahen Zukunft in einer Welt kurz nach dem Brexit. Wohnungskrise, ein schlechtes Gesundheitssystem und gewalttätige Ausschreitungen prägen Großbritannien. Die Regierung plant eine Verschärfung der Drogengesetze und will unter anderem die Unterstützung und Versorgung von Abhängigen beenden. Über diesen sogenannten Druxit soll das britische Volk demnächst in einem Referendum abstimmen.

    Das gruslige an diesem fiktiven Szenario ist, dass ich mir ohne Probleme vorstellen kann, das es in der Realität passieren könnte. Zoë Beck hat das aktuell angespannte politische Klima sehr gut charakterisiert und treibt es auf die Spitze.

    Die Lieferantin verbindet ihren Drogenverkauf mit sozialem Aktivismus, denn der Erlös finanziert zum Teil die Anti-Druxit-Kampagne. Es klingt paradox, dass der illegale Verkauf von Drogen die Legalisierung dieser erreichen soll. Diese Widersprüche machen den Thriller zu einem komplexen, gesellschaftskritischen Werk. Hier stehen sich nicht einfach nur Gut und Böse gegenüber, sondern vielschichtige Charaktere, die ihre eigene Agenda verfolgen.

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  1. Zukunftsthriller mit kleinen Schwächen

    Großbritannien nach dem Brexit. Die Regierung manipuliert wo es nur geht, greift stark in die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen ein. Rechtsextremismus wird geschürt, indem Studenten als radikale Demonstranten angeheuert werden. Nächster Coup des Parlaments ist der Druxit, eine strikte Anti-Drogen-Politik mit allen Konsequenzen. Drogenbaron Boyce und seine Mannen hören ihre im Darknet aufgestellten Kassen klingeln, die Unterwelt begrüßt den Druxit. Die selbst kontrolliert konsumierende schwarze Programmiererin Mo, die sich in einer Welt voller Rassenhass wiederfindet und ein starkes Gefühl trotz der Adoption durch eine wohlhabende weiße Familie und eine sehr gute Bildung doch nicht dazuzugehören betäuben muss, arbeitet für Ellie, die sich zum Ziel gesetzt hat anonym per Drohne im Darknet bestellbaren reinen Stoff anzubieten, um ihren Mitmenschen den Rausch zu ermöglichen, sie aber gleichzeitig vor einem elenden Drogentod zu bewahren, wie ihn ihr Bruder Eddie starb. Restaurantbesitzer Leigh, ein Freund von Ellie, hat vor Verzweiflung den Schutzgelderpresser Gonzo, der für den Boyce-Clan arbeitete, getötet. Doch die Unterwelt macht einen Fehler, richtet den Falschen als vermeintlichen Mörder, einen Polizeiinformanten, gleichzeitig Ellies Drogenlieferant. Als sich der jüngste Boyce-Sohn Declan seinem Vater beweisen will, laufen die Dinge endgültig aus dem Ruder. Es gibt weitere Opfer eines wirren Drogenkrieges.
    Die Geschichte ist nüchtern und dennoch mitreißend geschrieben, die Geschichten der Charaktere entfalten sich nach und nach, der Effekt der kleinen Ursache mit großer Wirkung ist meisterhaft ausgeführt. Allerdings habe ich Mo und Ellie zunächst, warum auch immer, für ein und dieselbe Person gehalten. Auch fehlt mir irgend etwas in der heftigen Zukunfts-Story, was ich nicht deutlich benennen kann.
    Schade, dass im Klappentext von einer Elliot die Rede ist (Name im englischsprachigen Original?), im Buch dann von einer Ellie (Abkürzung des Vornamens, über die die Leser nicht aufgeklärt werden?).
    Das Cover gefällt mir sehr gut! Die Spiegelung einer Treppe in einen U-Bahntunnel, die in zwei verschiedenen Farben erscheint, und der haptisch hervorgehobene Titel und der Name der Autorin sind sehr gut gelungen! Das Buch wird damit zum Hingucker.

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  1. 5
    08. Aug 2017 

    Gesellschaftskritischer Krimi aus der nahen Zukunft

    London nach dem Brexit: Die Zeiten sind rauer geworden, die neuen Rechten gewinnen die Oberhand, rigorose Überwachung, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gehören zum Alltag. Statt sich aufzuputschen nehmen die Menschen Drogen, um der grauen Wirklichkeit zu entfliehen. Elliot Johnson hat dafür eine perfekte Dienstleistung entwickelt: Ihre Website informiert detailliert und ansprechend über das Angebot, das über eine komfortable App bestellt werden kann. Die Lieferung kommt umgehend per Drohne, ohne dass jedoch Rückschlüsse auf den Absender gezogen werden können. Ihre Konkurrenten, drei alt eingesessene Unterweltchefs, reagieren sauer: So schnell lassen sie sich keine Marktanteile abjagen. Die Jagd auf die Neue beginnt ...
    Dieses Buch ist nicht nur ein Krimi, der im Drogenmilieu spielt, sondern auch eine deutliche Abrechnung mit einer Politik, die Populismus schürt und die Schwachen zugunsten der Starken weiter schwächt. Auch wenn es ein Zukunftsszenario darstellt: Die von Zoë Beck beschriebenen Zustände sind bereits jetzt in Ansätzen erkennbar und ohne Gegensteuern wird es sich wohl weiter in diese Richtung entwickeln.
    Doch zurück zum Krimi: Durch verschiedene Perspektiven erhält man Einblick in die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereiche und wie diese trotz ihrer recht großen Unterschiede dennoch zusammenhängen. Ein Kneipenwirt bringt ungeplant einen Schutzgelderpresser um, worauf dessen Chefs erst einmal ein Komplott vermuten. Als Folge wird ein Drogenlieferant ermordet und durch ein einziges Wort, das bis zum Schluss nicht wirklich überzeugend bestätigt wird, gerät ein jahrelang mühsam austariertes Gleichgewicht in der Londoner Unterwelt ins Wanken. Es ist ein geniales Konstrukt, das die Autorin hier aufgebaut hat, denn irgendwie hängt Alles mit Jedem und Allem zusammen. Einiges mag vielleicht etwas zu plakativ sein (die Erklärung für Elliots Handeln oder die Verbindungen der Unterwelt mit der Politik), aber es fügt sich Alles wunderbar wie ein Puzzle zusammen und so manches Teil ist eine wirkliche Überraschung.
    Auch wenn es ein bisschen viel an Gesellschaftsthemen sind, die Zoë Beck in diesem Buch anspricht (Rassismus, Überwachung, Gesundheitsversorgung, Zero-Tolerance bei Drogen - auch Nikotin, Alkohol usw.): Durch die schnellen Perspektivwechsel und die Unterschiedlichkeit der Personen wirkt der Krimi nicht überfrachtet, und ich war wirklich gefesselt von dieser spannenden Geschichte in einer Gesellschaft, die ich hoffentlich nie kennenlernen muss.

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