Die Gräfin: Roman
Klappentext
Die Begegnung mit einem feindlichen Piloten, der 1944 vor der Hallig Südfall abstürzt, löst in der dort zurückgezogen lebenden, achtzigjährigen »Hallig-Gräfin« verzweiflungsvoll-ambivalente Gefühle aus. Zwischen den beiden entsteht allen Widerständen zum Trotz ein zerbrechliches Band.
Meine persönlichen Leseerlebnisse
Mich hat der Plot und der geschichtliche Hintergrund dieses Romans interessiert: Eine Gräfin, die auf einer Hallig wohnt, ein britischer Pilot, der dort abstürzt und vor den Nazis gerettet werden muss; da habe ich mir schon einiges versprochen.
Leider ist außer den schönen Naturbildern nicht viel Substanz übrig geblieben. Die Einteilung des Romans (6 Tage im Sommer 1944) fand ich zuerst super, auch der Umfang erschien mir genau richtig, nicht zu viel aber dennoch genug, um eine spannende Geschichte zu erzählen. Doch dann wurde mir klar: hier funktioniert etwas nicht. Damit die Handlung auf wenigen Seiten erzählt werden konnte, hat die Autorin eine einzige Charakterschiene gefahren. Keine Dissonanz, keine Konfrontation, kein „Verräter“ in Sicht, und ein Ende, das wenig erklärt. Ein bisschen Amouröses, auch ganz nett, ist ein Kniff, damit ich am Ball bleib. Ok, gute Unterhaltung, dachte ich mir einfach. Aber auch das war der Roman schlussendlich nicht. Denn der nicht wirklich ansprechende Schreibstil (die Naturdarstellungen ausgenommen), macht das ganze zu einem literarischen Reinfall. Schade.
2,5 Sterne aufgewertet
Die Gräfin von Irma Nelles lehnt sich an die Lebensgeschichte der Gräfin von Reventlow-Criminil an - wer länger in Schleswig-Holstein gelebt hat oder dort schon oft zu Gast war, ist dem Namen dieser Familie vermutlich schon begegnet. Einst waren die Reventlows einflussreich und vermögend, doch Diana von Reventlow hat sich von ihrer Familie zurückgezogen. Sie lebt unverheiratet und ohne ihre Angehörigen auf einer Hallig - nur zwei Bedienstete und ein paar Tiere leisten ihr dort draußen im Watt Gesellschaft. Man schreibt das Jahr 1944, der Krieg ist längst zum Debakel für die Nazis geworden. Man hofft auf sein Ende, als der britische Pilot John mit seiner Maschine im Watt abstürzt. Die Gräfin bringt ihn in ihr Haus, wo er genesen soll - auch sein Flugzeug wird geborgen. Der Aufenthalt des jungen Mannes wird für alle Beteiligten zu einer Geduldsprobe - und für die Gräfin zum Anlass für wehmütige Betrachtungen über ihr eigenes Leben voller verpasster Chancen. Die Geschichte ist kurz und die hat einige Schwächen. Vieles wird nicht auserzählt und wirkt lückenhaft. Und doch mochte ich die Geschichte, denn die Autorin führt uns sehr bildreich an einen Ort, den ich sehr liebe. In ihrem Buch spielt eine Landschaft die Hauptrolle, die mir am Herzen liegt. Man hört den Wind pfeifen und das Meer rauschen - dabei wird nicht verschwiegen, wie tückisch das Meer sein kann. Aber es ist auch voller Licht, die Luft von Salz getränkt und von den Rufen der Vögel belebt. Ich habe lange keine Beschreibung dieses Küstenstreifens gelesen, die so schön und zutreffend war.
Es ist August im Jahre 1944 auf der deutschen Hallig Südfall, als der englische Pilot John Philip Gunter mit seinem Aufklärungsflieger eine Bruchlandung in der Nähe hinlegt. Der verletzte und bewusstlose Kriegsfeind wird von Diana Gräfin von Reventlow-Criminil, der mehr als 80 Jahre alten Hallig-Bewohnerin, im Wattenmeer gefunden. Zusammen mit ihrem Angestellten rettet sie den jungen Fremden vor der Flut und bietet ihm Unterschlupf. Doch was soll nun geschehen?
„Die Gräfin“ ist der Debütroman der Autorin Irma Nelles, die im Jahr 2024 kurz vor der Veröffentlichung verstorben ist.
Die Struktur des Romans wirkt logisch und durchdacht: Auf einen Prolog folgen sechs Teile, die identisch sind mit sechs aufeinanderfolgenden Tagen. Erzählt wird in chronologischer Reihenfolge in auktorialer Perspektive. Die Handlung spielt auf der Hallig und auf Nordstrand.
Der autofiktionale Roman basiert auf historischen Ereignissen und schildert den Absturz eines englischen Kampfpiloten nahe der Hallig Südfall. Darüber hinaus stellt er das Leben von Diana Gräfin von Reventlow-Criminil vor. Eine schöne Idee.
Das Personal der Geschichte ist umfangreicher als vermutet. Neben dem Fremden tauchen mehrere Einheimische auf. Die als „Hallig-Gräfin“ bekannte Persönlichkeit ist allerdings die zentrale Figur des Romans. Eine eigenwillige, aber durchaus interessante Figur, die einer näheren Betrachtung würdig ist. Ihre Vergangenheit und ihr Charakter werden recht ausführlich dargestellt. Die fundierte Recherche der Autorin wird an diesen Stellen immer wieder deutlich. Leider werden diese biografischen Hintergründe sowie andere historische Fakten größtenteils in realitätsfernen und langweiligen Dialogen beziehungsweise ungelenken Nebensätzen untergebracht.
Ohnehin sind Sprache und Schreibstil das große Manko des Romans. Wiederholungen in den Formulierungen und Wörter aus dem Beamtendeutsch wechseln sich ab mit dem Vokabular eines Groschenromans und Widersprüchlichkeiten. Eine klare stilistische Linie ist nicht erkennbar. Ein strengeres Lektorat hätte dem Text gutgetan. Lediglich die atmosphärischen und anschaulichen Naturbeschreibungen sowie die authentischen Zitate aus dem Plattdeutschen sind besonders gelungen.
Auch in inhaltlicher Sicht hat der Roman Schwächen. Die eingebaute Liebesgeschichte kommt wenig glaubhaft daher. Auf den nur knapp 170 Seiten werden mehrere spannende Fragen aufgeworfen und mögliche Querverbindungen und Zusammenhänge angerissen. Das abrupte, sehr offene Ende greift die meisten dieser Fäden jedoch nicht auf, überlässt zu viel dem Ungefähren und lässt mich ratlos zurück. Insgesamt wirkt der letzte Teil des Romans auf mich fast fragmentarisch.
Die Stimmung des Romans nimmt das sehr ansprechende, aber unaufgeregte Cover auf hervorragende Weise auf. Der prägnante Titel ist, streng genommen, nicht ganz korrekt, da die Protagonistin nicht mehr adelig sein kann.
Mein Fazit:
Mit „Die Gräfin“ hat Irma Nelles einer interessanten Persönlichkeit einen Roman gewidmet, der mich auf inhaltlicher und sprachlicher Ebene nicht in Gänze überzeugen konnte. Leider schöpft die Geschichte ihr volles Potenzial nicht aus.
Im Wattenmeer vor der nordfriesischen Halbinsel Nordstrand liegt, neben vielen anderen Halligen, die Hallig Südfall. Von 1910 bis zu ihrem Tod 1953 gehörte sie der 1863 geborenen Diana Gräfin von Reventlow-Criminil, die dort als Aussteigerin auf der einzigen Warft zunächst sommers, später ganzjährig mit wenigen Bediensteten und ihren Tieren lebte. Bis heute erinnert man sich in Nordfriesland an die eigenwillige und mutige „Hallig-Gräfin“, die dem Luxus im holsteinischen Schloss Emkendorf und dem Umgang mit dem europäischen Hochadel zugunsten eines schlichten Lebens ohne Strom und fließendem Wasser entsagte. Die 1946 geborene und kurz vor der Veröffentlichung ihres Debütromans "Die Gräfin" verstorbene Autorin Irma Nelles stammt von der Insel Nordstrand und ist mit den Erzählungen um die Hallig-Gräfin aufgewachsen.
Ein überraschendes Ereignis
Sechs Tage am Ende des Sommers 1944 umfasst der nur 169 Seiten starke Unterhaltungsroman, in dem die Autorin auf das Leben der inzwischen 80-jährigen Gräfin blickt. Nach der Rückeroberung von Paris durch die Alliierten hoffen Diana und ihre wenigen Vertrauten, die immer wieder Verfolgten zur Flucht verhelfen, auf ein rasches Kriegsende. Doch zuvor findet Diana im Watt einen abgestürzten Officer der Royal Airforce, John Philip Gunter, und dessen einmotoriges Aufklärungsflugzeug. Zusammen mit ihrem Kutscher und Hausmeister Knut Maschmann, ihrer jungen Haustochter Meta Olsen und dem aus Nordstrand herbeigerufenen Ärztepaar Käthe und Carl Braack kümmert sie sich um den Verletzten und versteckt ihn vor der Gestapo und ihren Helfern.
Verschenktes Potential
Das große Plus dieses Romans sind zweifellos die sehr atmosphärischen Beschreibungen der nordfriesischen Natur und des Hallig-Lebens. Da pfeift der Wind zwischen den Seiten, lebt man unter dem Diktat von Ebbe und Flut, blickt ängstlich auf die Sturmflut des Jahres 1936 zurück und sieht den „silbern flirrenden Horizont“ sowie die „nur wenige Zentimeter mit Wasser bedeckte Meeresfläche, in der sich der Himmel spiegelte, als wären sie eins“ (S. 17). Genau wie den plattdeutschen Gesprächsteilen merkt man auch den Einsprengseln über den Heimat- und Rungholt-Forscher Andreas Busch (1883 – 1972) oder den von den Nationalsozialisten als entartet gebrandmarkten Föhrer Maler Gustav Mennicke (1899 – 1988), der zeitweise in Südfall Schutz fand, die Verbundenheit der Autorin mit ihrer Heimat an. Leider erreicht jedoch weder die unspektakuläre Romanhandlung noch die sprachliche Umsetzung diese Qualität und der Einbau des zweifellos interessanten Hintergrundwissens wirkt oft gekünstelt. Besonders die leblos wirkenden Dialoge, die häufig weniger der Interaktion der Sprechenden als der Information der Leserinnen und Leser dienen, haben mir nicht gefallen. Immer wieder verliefen Andeutungen im Sand, ergaben sich für mich Lücken in der Logik oder widersprach sich der Text, beispielsweise wenn die Hauptperson zunächst den Pomp auf dem heimatlichen Schloss als Grund für ihren Rückzug anführt, wenig später jedoch die „wundervolle Zeit“ (S. 109) preist. Unglaubhaft auch, dass der vom Arzt ins Gipsbett Verbannte bei der Bergung des Flugzeugs hilft und eine Liebesnacht erlebt. Die Monologe Dianas über ihre Leben konnte ich schwer mit dem Bild der wortkargen Frau in Einklang bringen, auch wenn die unerwartete Begegnung sie sehr bewegt.
Bei einem anderen Finale hätte ich vielleicht über manches hinweggesehen, doch bleibt mir der überaus plötzliche Schluss mit jeder Menge loser Fäden ebenso rätselhaft wie der Prolog. Schade, denn mit dem guten Gespür der Autorin für friesische Atmosphäre und ihrer interessanten Protagonistin wäre mehr möglich gewesen.
Das Titelbild erinnert an die Novellen Storms, in denen er untergegangene Zeiten heraufbeschwört, und es verspricht wie der Klappentext auch einen atmosphärisch dichten Roman über einen besonderen Menschen.
Diesem Versprechen kommt der kleine Roman auch zunächst nach. Der Roman besticht mit einem spannenden Beginn und wunderschönen Naturbeschreibungen. Der Leser wird auf eine kleine Hallig in der Nordsee versetzt, in der die Bewohner das letzte Kriegsjahr 1944 durchleben. Als Leser sieht man das irrisierende Licht bei Ebbe am Strand vor sich, hört die Möwen, und an anderer Stelle erlebt man sehr plastisch, wie die Bewohner der Hallig gegen eine tosende Sturmflut kämpfen.
Nach diesem überzeugenden Beginn dümpelt der Roman aber vor sich hin. Die Figuren werden vorgestellt und liebevoll charakterisiert. Es erweist sich aber als nachteilig, dass der Figurenreigen aus einer Runde von Gleichgesinnten besteht, sodass kein Konflikt entstehen kann, der die innere und äußere Handlung vorantreiben könnte. Es ist der Autorin ein deutliches Anliegen, die Biografie der „Hallig-Gräfin“ vorzustellen, aber es gelingt ihr nicht, diese Biografie harmonisch in die Erzählung einzubinden. Dazu kommen zu viele blinde Motive und offene Erzählfäden sowie ein abruptes Ende des Romans, was den Leser mit einigen Fragen zurücklässt. Auch sprachlich überzeugt der Roman nur bedingt; die Dialoge sind oft hölzern, manche Beschreibungen und Szenen rücken den Roman in die Nähe der Trivialliteratur.
Es ist schade, dass die Autorin das Potential des Stoffs nicht nutzt! Eine Frau aus einer traditionsverhafteten Familie, kultiviert, musikalisch, weit gereist, kunstsinnig und ein großzügiges Leben gewohnt – diese Frau erkennt die Umbrüche ihrer Zeit und sucht sich auf einer Insel und einer Hallig ihre Rückzugsorte. Spannend.
2,5/3*
Die Geschichte fängt mit einem rätselhaften Prolog und einer spannenden Plot-Idee an. John, ein britischer Pilot, stürzt bei einem Aufklärungsflug – wir befinden uns im Jahre 1944 – über der Hallig Südfall nahe Pellworm ab. Oder war es sogar Absicht, um dem Kriegsgeschehen, dem Töten zu entkommen? Das wird leider bis zur letzten Seite nicht aufgeklärt. Er wird gefunden und erholt sich unwahrscheinlich schnell von seinen Verletzungen, befindet sich allerdings in der Hand des 'deutschen Feindes'.
Die wenigen Menschen, die er dort antrifft, sind jedoch Hitler-Gegner und verhelfen sogar anderen zu Flucht. Das ist die etwas 80-jährige Gräfin Diana, die hier einsam und alleine mit ihrer Haustochter Meta und einer Art Verwalter lebt. Sowohl die Landschaft des Wattenmeeres als auch die Urgewalt der Natur werden von der Autorin kurz, aber sehr bildhaft und poetisch beschrieben. Und das war's dann auch schon für mich.
Im Folgenden ist die Spannung verpufft und es macht sich sogar streckenweise Langeweile breit, wenn die Gräfin vor dem Fremden ihre Familiengeschichte ausbreitet. Sie ist eine sehr eigenwillige Person, die nie geheiratet hat; warum, wird nicht ganz klar. Es könnte ein Problem mit dem ungeliebten Vater gewesen sein. Zum Flieger John fühlt sie sich aber offensichtlich hingezogen ebenso wie Meta, die ihm sehr nahe kommt...
Das schmale Büchlein steckt voller eigenartiger unerklärlicher Gegensätze: außer der Natur des Wattenmeeres ist auch eine Springflut sehr eindrücklich beschrieben oder wie John sich fühlt, als er aus seiner Ohnmacht erwacht. Dann wieder gibt es Passagen mit klischeeartigen Ausdrücken und hölzern klingenden Dialogen oder Sätzen:
'Für einen kurzen Moment dachte John an die Möglichkeit einer unverbindlichen Liebesnacht.' (106 Mitte)
Am Gravierendsten für mich: ich hatte mir eigentlich den Schwerpunkt auf einer sich entwickelnden Freundschaft zwischen Feinden vorgestellt, aber das kam in meinen Augen zu kurz. Statt dessen ergeben sich viele Fragen, die aber letztlich ungeklärt bleiben, was vor allem auf das Ende zutrifft. Offen darf es sein, aber nicht so, dass man als Leser völlig ratlos zurückbleibt.
Fazit
Zurück bleibt Enttäuschung, nicht nur wegen des merkwürdigen Endes, sondern auch wegen vieler inhaltlicher Unstimmigkeiten und Widersprüchlichkeiten bei der Personencharakterisierung. Lediglich die kurzen Naturbeschreibungen sind richtig gut gelungen. Aber das reicht leider nicht, um dem kurzen Roman das Unrunde zu nehmen. Ich runde die 2,5 Sterne auf 3 auf.
Die Halliggräfin Diana von Reventlow-Criminil ist eine schon fast legendäre Figur der schleswig-holsteinischen Geschichte. Mit ihrem unangepassten, eigenwilligen Charakter und ihrem der Gesellschaft abschwörenden Lebensstil bietet sie die Grundlage für zahlreiche Anekdoten und Erzählungen. Nachdem Florian Knöppler für seinen im vergangenen Jahr erschienen Roman „Südfall“ bereits die Rettung eines englischen Piloten im Wattenmeer während des Krieges durch die Halliggräfin als Ausgangspunkt seiner Erzählung nahm, widmet sich nun Irma Nelles ausführlich der Begebenheit und vor allem der schillernden Persönlichkeit und Biographie der bekannten Gräfin.
Nelles‘ Roman besticht besonders durch die Schilderungen der unvergleichlichen Halliglandschaft und des Wattenmeers. In der Kategorie „Atmosphäre“ verdient der Roman Höchstnoten. Ohne zu dick aufzutragen gelingt es der Autorin Hitze, flirrendem Licht und Wolkenbergen nachzuspüren, gleichzeitig aber auch die Naturgewalten zu entfesseln, denen die Hallig immer wieder ausgesetzt ist. Neben diesem sehr überzeugend gezeichneten Setting ist auch die Darstellung der Halliggräfin überaus gelungen. Immer wieder flicht die Autorin Begebenheiten und Ereignisse aus der Vergangenheit Dianas ein. Man erfährt viel Interessantes über die Historie des Gutes Emkendorf und der Adelsfamilie der Reventlow-Criminils, diese Einblicke sind wiederum überaus elegant an das Auftreten und die Figur der Halliggräfin während des Zweiten Weltkrieges gebunden. Aber Diana von Reventlow-Criminil ist nicht die einzige gut konzipierte Figur des recht kurzen Romans, auch das Arztehepaar wird umfassend und authentisch gezeichnet. Im Gegensatz zu diesem bleiben jedoch der englische Pilot und das Dienstpersonal der Gräfin eher blass.
Die Story selbst leidet etwas unter einer gewissen Ereignislosigkeit. Bei aller eigentlich gegebenen Dramatik passiert recht wenig bis nichts. Die Figuren leben alle eher nebeneinander her und bespiegeln sich hauptsächlich selbst, es findet – außer der erwartbaren obligatorischen Liebeshandlung, auf die sogar ich als bekennende Romantikerin in diesem Fall sehr gut hätte verzichten können – kaum eine nennenswerte Interaktion zwischen den Figuren statt. Die Bedrohung, der sich die Gräfin mit der Beherbergung des Piloten aussetzt, schwebt allenfalls diffus am Horizont, denn letztlich zieht das gesamte Personal des Romans an einem Strang. Auch das Ende hat mich leider, obwohl ich offene Ausgänge sehr schätze, nicht begeistert. Es kam für meinen Geschmack zu abrupt und unter Zuhilfenahme einer auf den letzten Metern eingeführten Figur. Da hatte ich mir einfach mehr erhofft. Auffällig waren für mich auch einige logische Unstimmigkeiten im Handlungsablauf und auf der Figurenebene. Dialoge setzten z.B. Inhalte voraus, die die andere Figur nicht wissen konnte oder bei der Figurenbeschreibung genannte Aspekte fanden sich in der Handlung nicht wieder.
So bleibt „Die Gräfin“ ein schöner Roman mit Nordseeluft und viel plattdeutschem Lokalkolorit, das mir persönlich sehr viel Freude gemacht hat (ich weiß nicht, wie das für Leser ist, die kein Plattdeutsch verstehen), der aber für meinen Geschmack in zu ruhigen Bahnen lief angesichts des historischen Kontexts.
Aktuell gibt es viel Krieg und Leid in der Welt. Direkt mit den Folgen konfrontiert sind zum Beispiel Soldaten, Piloten oder die Marine. Was ist, wenn ein mit Krieg und Elend konfrontierter Pilot über Feindesgebiet abstürzt? Damit beschäftigt sich der historische Roman „Die Gräfin“.
Diana Henriette Adelaïde Charlotte Gräfin von Reventlow-Crimini lebt zurückgezogen auf der Hallig Südstrand. Hier hat der britische Pilot John Philip Gunter im August 1944 eine Bruchlandung. Der Roman beschreibt Johns Zweifel, ob Diana ihn wirklich helfen möchte, und die angespannte Situation ziemlich gut. So wird immer wieder deutlich, dass unklar ist, wer Feind beziehungsweise fremd ist und was die jeweiligen Ziele sind. Zudem wird der nordische Dialekt hervorgehoben, vor allem durch den alteingesessenen Kutscher. So habe ich als Leserin ein gutes historisches Zeitverständnis. Was mich persönlich ein wenig stört ist, dass die Charaktere nur angezeichnet, nicht jedoch vertieft werden und auch das weitere Kriegsgeschehen wenig Erwähnung findet. Hier könnte deutlich mehr passieren. So gebe ich den Roman solide vier Sterne.
Wirkung wie bei einer unvollendeten Geschichte – leider.
Das Cover zeigt einen Reiter in nebliger Wasserlandschaft zwischen den Gezeiten – sehr stimmungsvoll, passend zu den Landschaftsbeschreibungen im Buch. Über sechs Tage im August des Kriegsjahres 1944 erzählt der Roman vom Alltagsleben dreier Menschen und einigen Tieren auf der Hallig Südfall: Diana Henriette Adelaide Charlotte Gräfin von Reventlow-Criminil, ihre junge Haustochter Meta Olsen und Knut Maschmann, Allround-Handwerker unterwegs mit nordfriesischem Dialekt. Durch den Absturz des fabrikneuen einmotorigen Beobachtungsflugzeugs Taylorcraft Auster V mit dem ohnmächtigen Piloten John Philip Gunter, Officer der Royal Air Force, kommt Bewegung in das stille, malerische Inselleben. Während die Gräfin ihn nicht nur vor der Gestapo und ihren Spionen versteckt, erzählt sie diffus von diversen, chronologisch ungeordneten Erinnerungen aus ihrem interessanten Leben. Mittlerweile über achtzig Jahre alt, unterhält sie immer noch ein Netz von Fluchthelfern zusammen mit einigen Fischern, Knut, seinem Freund Sönke Sönksen, dem Briefträger und dem Arztehepaar Braack. Der Schreibstil gefällt besonders durch bildliche Landschaftsbeschreibungen. Die kantige Figur von Knut Maschmann in seinem Dialekt überzeugt charakterlich am meisten.
Leider endet mit dem sechsten Tag der Roman abrupt, wirkt unrund, mit offenem Ende. Schade!
Die Geschichte von Diana Gräfin von Reventlow-Criminil und ihrer Zeit auf der Hallig Südfall basiert auf wahren Begebenheiten. Sie lebte tatsächlich auf dieser kleinen Hallig im Wattenmeer, und ihr Leben dort im Jahr 1944 ist historisch belegt. Inmitten der Abgeschiedenheit führte sie ein sehr einfaches und zurückgezogenes Leben, was als außergewöhnlich galt, da sie sich bewusst für das Leben auf dieser abgelegenen Hallig entschieden hatte.
Das Buch „Die Gräfin“ von Irma Nelles beschreibt eindrucksvoll ihr Leben und die Umstände auf der Hallig Südfall. Insbesondere ihre Erfahrungen während des Zweiten Weltkriegs, im Jahr 1944, sind Teil der historischen Realität und haben zur Bekanntheit der Hallig beigetragen.
Die Geschichte, dass sie einem im Watt bei Südfall abgestürzten britischen Flieger während des Krieges einige Wochen lang Asyl bot, gehört zu den Legenden, die sich um ihre Person ranken. Es gibt keine gesicherten historischen Belege, die diese spezifische Erzählung bestätigen, doch diese Anekdote wird oft erzählt, um ihre besondere Charakterstärke hervorzuheben. Sie betont die Vorstellung von einer Frau, die unter extremen Bedingungen Menschlichkeit und Mut bewies.
Während die Kernfakten ihres Lebens auf Südfall historisch belegt sind, bleibt die Episode mit dem britischen Flieger Teil der Legendenbildung um ihre Person. Irma Nelles greift diese Legende in ihrem Roman auf und schafft durch ihre Erzählung ein verdichtetes Porträt der Gräfin, der Lebensumstände auf der Hallig sowie der Menschen, die sie begleiteten, wie ihre Haushälterin Meta und ihren Kutscher Maschmann.
Irma Nelles schreibt in „Die Gräfin“ mit einem dichten, atmosphärischen Stil, der dank ihrer persönlichen Erfahrungen mit den Figuren authentisch wirkt. Die verschiedenen Perspektiven erlauben es den Lesern, tief in die Gedankenwelt der Charaktere einzutauchen und deren Motive auf vielschichtige Weise zu verstehen.
Fazit
Dieses Stück Zeitgeschichte, das sich über knapp eine Woche erstreckt, bietet einen faszinierenden
Einblick in ein außergewöhnliches Leben während einer schwierigen Epoche. In dieser kurzen Zeitspanne werden nicht nur die Herausforderungen des Lebens in einer abgeschiedenen und rauen Umgebung deutlich, sondern auch die innere Stärke und Entschlossenheit der Hauptfigur. Der Leser wird in die vielschichtige Welt einer Frau hineingezogen, die trotz Krieg und Isolation einen Weg fand, ihre Menschlichkeit und Würde zu bewahren. Trotz der Kürze der Ereignisse entfaltet sich eine tiefgehende und nachhaltige Geschichte voller Mut, Einsamkeit und Überlebenswillen.
Die Geschichte von Diana Gräfin von Reventlow-Criminil und ihrer Zeit auf der Hallig Südfall basiert auf wahren Begebenheiten. Sie lebte tatsächlich auf dieser kleinen Hallig im Wattenmeer, und ihr Leben dort im Jahr 1944 ist historisch belegt. Inmitten der Abgeschiedenheit führte sie ein sehr einfaches und zurückgezogenes Leben, was als außergewöhnlich galt, da sie sich bewusst für das Leben auf dieser abgelegenen Hallig entschieden hatte.
Das Buch „Die Gräfin“ von Irma Nelles beschreibt eindrucksvoll ihr Leben und die Umstände auf der Hallig Südfall. Insbesondere ihre Erfahrungen während des Zweiten Weltkriegs, im Jahr 1944, sind Teil der historischen Realität und haben zur Bekanntheit der Hallig beigetragen.
Die Geschichte, dass sie einem im Watt bei Südfall abgestürzten britischen Flieger während des Krieges einige Wochen lang Asyl bot, gehört zu den Legenden, die sich um ihre Person ranken. Es gibt keine gesicherten historischen Belege, die diese spezifische Erzählung bestätigen, doch diese Anekdote wird oft erzählt, um ihre besondere Charakterstärke hervorzuheben. Sie betont die Vorstellung von einer Frau, die unter extremen Bedingungen Menschlichkeit und Mut bewies.
Während die Kernfakten ihres Lebens auf Südfall historisch belegt sind, bleibt die Episode mit dem britischen Flieger Teil der Legendenbildung um ihre Person. Irma Nelles greift diese Legende in ihrem Roman auf und schafft durch ihre Erzählung ein verdichtetes Porträt der Gräfin, der Lebensumstände auf der Hallig sowie der Menschen, die sie begleiteten, wie ihre Haushälterin Meta und ihren Kutscher Maschmann.
Irma Nelles schreibt in „Die Gräfin“ mit einem dichten, atmosphärischen Stil, der dank ihrer persönlichen Erfahrungen mit den Figuren authentisch wirkt. Die verschiedenen Perspektiven erlauben es den Lesern, tief in die Gedankenwelt der Charaktere einzutauchen und deren Motive auf vielschichtige Weise zu verstehen.
Fazit
Dieses Stück Zeitgeschichte, das sich über knapp eine Woche erstreckt, bietet einen faszinierenden
Einblick in ein außergewöhnliches Leben während einer schwierigen Epoche. In dieser kurzen Zeitspanne werden nicht nur die Herausforderungen des Lebens in einer abgeschiedenen und rauen Umgebung deutlich, sondern auch die innere Stärke und Entschlossenheit der Hauptfigur. Der Leser wird in die vielschichtige Welt einer Frau hineingezogen, die trotz Krieg und Isolation einen Weg fand, ihre Menschlichkeit und Würde zu bewahren. Trotz der Kürze der Ereignisse entfaltet sich eine tiefgehende und nachhaltige Geschichte voller Mut, Einsamkeit und Überlebenswillen.
Schade!
Irma Nelles hat vor ein paar Jahren ihre Erinnerungen an ihren früheren Chef Rudolf Augstein unter dem Titel „ Der Herausgeber“ veröffentlicht. Nun hat sie mit 78 Jahren mit dem Roman „ Die Gräfin“ ihr literarisches Debut hingelegt.
Sie greift darin eine Episode aus dem Leben der Gräfin Diana von Reventlow-Criminil auf. Diese Frau hat es tatsächlich gegeben. Unter dem Namen „ Hallig-Gräfin“ kennt man sie auch heute noch in Nordfriesland.
Diana, Tochter eines adeligen Gutsbesitzers und seiner schottischen Ehefrau, war eine schöne und eigenwillige Persönlichkeit. Sie blieb zeitlebens unverheiratet, obwohl es nicht an Bewerbern gemangelt hat. Doch ihre Unabhängigkeit war ihr wichtiger. 1910 erwirbt sie die Hallig Südfall und lebt dort die Sommer über einzig mit ein paar wenig Bediensteten und ihren Tieren.
Der Roman setzt ein im Sommer 1944; die Gräfin ist mittlerweile eine Dame über Achtzig. Außer ihr leben auf der Hallig noch die junge Haustochter Meta und der Kutscher Maschmann , der sich als „ Mädchen für alles“ um den Gutshof kümmert.
Da findet eines Tages die Gräfin einen englischen Piloten im Watt, der mit seinem Flugzeug vor der Hallig abgestürzt ist. Gemeinsam mit Maschmann bringt sie den Verletzten in ihr Haus. Meta kümmert sich um den den jungen Mann. Anderntags zieht man noch einen befreundeten Arzt hinzu, der ihn medizinisch versorgt.
Das alles ist nicht ungefährlich für sämtliche Beteiligten. Denn der Absturz hätte gemeldet , der feindliche Flieger ausgeliefert werden müssen. Doch die Gräfin kümmert sich schon lange nicht mehr um das Gerede der Leute. Aus ihrer ablehnenden Haltung dem Nationalsozialismus gegenüber macht sie keinen Hehl. Um sich herum geschart hat sie Menschen mit einer ähnlich kritischen Einstellung. Aus Andeutungen erfährt man, dass sie gemeinsam mit anderen Verfolgten zur Flucht aus Nazi- Deutschland verhilft.
Eine spannende Ausgangslage. Wie geht es weiter mit dem verletzten Piloten? Und kann man dem „ Feind“ überhaupt trauen? Was hat den Absturz herbeigeführt.
Aus dieser historisch verbrieften Situation - die Gräfin soll tatsächlich einem über dem Watt abgeschossenen Piloten mehrere Wochen bei sich versteckt gehalten haben - hätte ein spannender Roman werden können. Doch die Autorin verschenkt leider diese Chance.
Es gelingen ihr zwar sehr schöne Beschreibungen von Landschaft und Natur. Die sind sinnlich, bildgewaltig und poetisch. So wird die Atmosphäre, die das Cover verspricht, sehr gut getroffen.
Überzeugend dargestellt wird auch die Gefühlsverwirrung, die die Ankunft dieses jungen Mannes bei der Gräfin auslöst. Er weckt Erinnerungen an ihre Jugend und Wehmut ob verpasster Gelegenheiten.
Aber ansonsten überwiegen die Schwächen des Romans. Sprachlich gibt es vieles zu kritisieren, nicht nur die hölzernen Dialoge, auch andere sprachlichen Fehlgriffe finden sich. Und sehr oft hapert es mit der Logik. So zweifelt man z.B. an der schnellen Heilung des verletzten Piloten. Verordnet ihm der Arzt an einem Tag noch ein Gipsbett, weil er sich auf keinen Fall bewegen darf, so kann er kurz darauf bei der Bergung des Flugzeugs mithelfen und erlebt sogar eine Liebesnacht. Auch sein sonstiges Verhalten ist nur schwer nachvollziehbar. Ebensolche Unstimmigkeiten lassen sich bei manch anderen Figuren finden.
Der Autorin war es offensichtlich ein Anliegen, das Leben einer faszinierenden Frauenfigur nachzuzeichnen. Allerdings hat sie es nicht geschafft, die notwendigen Hintergründe dieser Biographie organisch in die Geschichte einzubinden. Es ist allzu offensichtlich, dass die Gespräche, in denen die Gräfin von ihrer Vergangenheit erzählt, nur dazu dienen, den Leser zu informieren.
Irma Nelles hat sich ein strenges Korsett gesetzt, in dem sie die Geschichte an sechs Tagen spielen lässt. Ein längerer Zeitraum hätte den Figuren mehr Zeit zur Entwicklung gegeben. So aber erscheint einiges nicht nachvollziehbar.
Doch das größte Manko ist das abrupte Ende des Romans. Er entlässt den Leser unbefriedigt. Zu viele offene Fragen, zu viele lose Fäden… Thematisch wird einiges angerissen und verläuft dann im Sande. Damit werden Erwartungen geweckt, die nicht erfüllt werden. Es werden Motive eingeführt, wie z.B. die kleine Flöte, die der Engländer mit sich führt, Figuren tauchen auf, die im Verlauf keine Rolle mehr spielen usw. Stattdessen bekommt der Leser eine Liebesgeschichte, auf die er gern verzichtet hätte.
Ja, das schmale Buch wirkt unfertig. Auch ein Unterhaltungsroman sollte schlüssig sein. Es hätte eines Lektorats bedurft, das sprachliche Missgriffe beseitigt und auf ein anderes Ende dringt.
Möglicherweise hat der Tod der Autorin eine solche abschließende Arbeit verhindert. Schade!