Die goldene Stadt

Buchseite und Rezensionen zu 'Die goldene Stadt' von Sabrina Janesch
4.5
4.5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die goldene Stadt"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:528
EAN:9783871348389

Rezensionen zu "Die goldene Stadt"

  1. Das sagenhafte Eldorado

    "Kein Wunder, dass diese Stadt den Spaniern verborgen geblieben ist, dachte Berns. (...) Vielleicht lag genau darin ihr Wesen begründet: in der Unvorstellbarkeit. Man wähle den unmöglichsten aller Standorte, nehme die ärgsten Entbehrungen auf sich, um das Land zu roden, zu räumen, zu ebnen - und errichte dort eine Stadtanlage, die an Schönheit alles übertrifft, was es auf dem Kontinent zu bestaunen gab."

    Als "Entdecker" der verlassenen Inkastadt, die wir heute unter dem Namen Machu Picchu kennen, galt lange Zeit der Amerikaner Hiram Bingham - zumindest habe ich es so gelernt.* Heute besteht weitgehende Einigkeit, dass ein Deutscher erstmalig die Stadt erforscht hat, und zwar schon mehr als vierzig Jahre vor Bingham, im Jahr 1867. August Rudolf Berns, im Uerdingen am Rhein geboren, träumt sich schon als Jugendlicher aus seinem kleinbürgerlichen Milieu heraus ins "sagenhafte Goldland" Peru. Seine Einbildungskraft ist die einzige Rettung in der häuslichen Enge und der Schule, die man heute zu Recht als "Presse" bezeichnen würde. Als die Einziehung zum Militär bevorsteht, tritt Berns endlich die Flucht nach vorn an und macht sich per Schiff, mit wenig Gepäck und noch weniger Kapital, auf den Weg nach Südamerika.

    Farbig und detailreich erzählt Sabrina Janesch von dieser anstrengenden Schiffsreise, von Berns' Zeit in Lima und später in Cusco, wo er sich wertvolle Verbindungen schafft und treue Freunde findet. Er betätigt sich als Ingenieur beim Eisenbahnbau auf dem Andenhochland, erweist sich als zäh und verlässlich. Doch im Grunde geht es ihm nur darum, genügend Kapital und Kenntnisse zusammenzubringen, um auf die Suche nach "El Dorado" zu gehen, der sagenhaften Hauptstadt der Inka, wo alle Häuser mit Gold verkleidet sein sollen. Dabei geht es Berns nicht in erster Linie darum, reich zu werden - seine Antriebskraft ist die Überzeugung des Entdeckers, dass etwas da sein muss und nur darauf wartet, gefunden zu werden. Wie die Autorin überzeugend darlegt, fand Berns den Standort der Stadt Machu Picchu nicht durch Zufall, sondern aufgrund von Berechnungen, die er im Hinblick auf bereits gefundene und vermessene Ruinen anstellte.

    Sabrina Janesch erzählt Berns' Geschichte in Romanform, doch ihre Überzeugungskraft ist derart, dass man sicher sein kann: Berns war genauso, wie sie ihn darstellt. Das Buch ist eine herrliche Charakterschilderung. Berns hat alle Eigenschaften, die man wohl damals mit "den Deutschen" verband; er ist fleißig und gewissenhaft, zäh und ausdauernd, integer durch und durch. Doch auch die andere Facette seines Charakters, seine Gewitztheit im Umgang mit Menschen bis hin zur Manipulation, tritt deutlich zutage und sorgt für viel Lesevergnügen.

    Der größte Pluspunkt bei diesem Roman ist für mich aber die Schilderung des Landes: der lichterfüllten Stadt Cusco, wo alle Kirchen und Klöster auf den Fundamenten alter Kultstätten errichtet wurden, des kalten und klaren Andenhochlandes mit seinen Steppen und schneebedeckten Gipfeln, des Dschungels in den tiefen Schluchten, wo Sträucher und Lianen schneller nachwachsen, als man sie schlagen kann, und jeder Schritt zur Strapaze wird ... Dieses Buch enthält keine einzige langweilige Seite, keine einzige Szene, die mit belanglosen Sätzen erledigt wird, kein Problem, das sich im Vorbeigehen von selbst löst. (Die Frage nach der Legitimität solcher Suche nach dem "Inkagold", das sei noch erwähnt, stellt die Autorin nicht ausdrücklich. Sie schwingt aber immer im Hintergrund mit, wenn gefundene Kultgegenstände ohne weiteres nach Berlin verkauft werden und jeder Goldsucher alles, was er findet, sofort einschmelzen lässt - doch Berns, das sei nochmals gesagt, versteht sich nicht als Goldsucher.)

    Ein wunderbares Buch, für das man sich Zeit nehmen sollte. Jede Seite ein Lesegenuss!

    *) Ein Kuriosum nebenbei: Als ich 2015 das erste Mal Machu Picchu besuchte, erzählte bereits unsere damalige Guide, eine Quechua-Indigene, dass nicht Bingham den Ort gefunden habe, sondern ein anderer Entdecker - ich kann mich nicht mehr erinnern, welchen Namen sie nannte. Aber sie sagte, ein einheimischer Junge habe beim Finden des Ortes (der damals von Dschungel überwuchert war) geholfen. Dieser Junge kommt ebenfalls in dem Buch vor, wenn auch in etwas anderem Sinn. Ich vermute, die Einheimischen haben ihre eigenen Legenden - unsere Guide gab uns ausführliche Hinweise zu der besonderen Magie des Ortes, von der sie tief überzeugt war.

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  1. 4
    13. Feb 2020 

    Entdecker im fernen Peru

    Im 19. Jahrhundert wächst in Uerdingen August Berns als Sohn eines Weinhändlers auf und merkt schon im Kindesalter, dass es ihn aus der engen Welt des Niederrheins in ganz andere Welten zieht. Die Gold und noch viele Entdeckungen verheißende Welt von Peru hält ihn in Gedanken gefangen und kann ihn seinen als allzu trüb empfundenen Alltag nur mit Mühsal überstehen lassen. Sobald sich eine Gelegenheit ergibt, begibt er sich dann wirklich auf die abenteuerliche Reise in das verheißungsvolle Land. In Peru angekommen, lässt er sich komplett auf diese neue Heimat ein, arbeitet in der Armee und beim Eisenbahnbau, immer aber bleibt er getrieben von seinem Bestreben, in unbekannte Gefilde aufzubrechen, an Orte, an denen er die goldene, vergessene Stadt der Inkas vermutet.
    Durch intensive historische Recherche, Kombinationsgabe und Intuition findet er tatsächlich auf gefährlichen Missionen und meist auf sich allein gestellt die Ruinenstadt, die wir heute als Machu Picchu kennen. Aber auch der Weg von der Entdeckung der Ruinen bis zur „Erschließung“ dieser großartigen Stätte bleibt ein steiniger und gerade für einen Einzelgänger wie Berns ungemein herausfordernder Weg. Und so bleibt Berns Entdeckung und Berns als Entdecker noch lange unbekannt und unbeachtet. Als Entdecker der Inkastadt in der unzugänglichen Bergwelt der Anden gilt deshalb auch gemeinhin Hiram Bingham, der die Stadt sehr viel später (noch einmal) finden sollte, und nicht der Deutsche August Berns.
    Sabrina Janesch hat 2017 einen Roman geschrieben, in dem die wahre Geschichte der Entdeckung (durch August Berns) geschildert wird und dem Leben dieses Entdeckers von seiner Kindheit in Uerdingen bis zu seinen peruanischen Abenteuern nachgespürt wird. Eine umfangreiche Recherchearbeit von Solingen bis Peru und Panama steckt in diesem Roman, der ein sehr lebendiges Bild von den Herausforderungen des Reisens ins Unbekannte in diesen Zeiten vermitteln kann. Sabrina Janesch schafft es mit dem Roman, den Leser die mit der Entdeckung Maccu Picchus verbundenen Abenteuer nachspüren zu lassen. Es ist ein Leseabenteuer, das den Leser mitnimmt auf die Höhenzüge der Anden, in die vom Dschungel überwachsenen Ruinen und die unzugänglichen, feuchtheißen Dschungelgegenden.
    Eine wirkliche Lesereise, die glaubwürdig ein unglaubliches Leben erzählt und die von mir gern 4- bis 5 Sterne erhält.

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