Die Gestirne: Roman

Rezensionen zu "Die Gestirne: Roman"

  1. 3
    06. Mär 2016 

    Anfangs faszinierend, zum Ende langatmig!

    Gestirn ist der umgangssprachliche Sammelbegriff für größere, mit freiem Auge sichtbare Himmelskörper, wie z. B. Sonne, Mond, helle Planeten und Sterne. (Wikipedia)

    In Eleanor Catton's Roman "Die Gestirne" umkreisen sich die Protagonisten wie Himmelskörper. Sie werden voneinander angezogen und abgestoßen. Und immer wieder entstehen neue Konstellationen im Zusammenspiel der Charaktere. Eleanor Catton ist 2013 für diesen Roman mit dem Booker-Preis ausgezeichnet worden - mit ihren damals 28 Jahren wurde sie damit zur jüngsten Gewinnerin in der Geschichte des Booker Preises.

    Worum geht es in diesem Roman?
    Neuseeland zur Zeit des Goldrausches: Als der Schotte Walter Moody im Januar 1866 nach schwerer Überfahrt nachts in der Hafenstadt Hokitika anlandet, trifft er im Rauchzimmer des örtlichen Hotels auf eine Versammlung von zwölf Männern, die eine Serie ungelöster Verbrechen verhandeln: Ein reicher Mann ist verschwunden, eine opiumsüchtige Hure hat versucht, sich das Leben zu nehmen, und eine ungeheure Summe Geld wurde im Haus eines stadtbekannten Säufers gefunden. Moody wird bald hineingezogen in das Geheimnis, das schicksalshafte Netz, das so mysteriös ist wie der Nachthimmel selbst. (Klappentext)

    Mysteriös - das ist der richtige Ausdruck für die Verwicklungen in Hokitika. Jeder der 12 Männer hat in irgendeiner Form mit den Verbrechen zu tun. Welche Rolle sie spielen - ob sie stiller Beobachter sind, ob sie Täter oder Mittäter sind, oder ob sie nur per Zufall in dieses Verwirrspiel geraten sind, offenbart sich dem Leser erst mit der Zeit. Dabei bekommt er es mit ständig wechselnden Erzählperspektiven zu tun. Jeder der Beteiligten bekommt die Gelegenheit, die Vorkommnisse aus seiner Sicht zu erzählen. Dies macht er in der Regel im Gespräch mit einem anderen der Charaktere. Der Leser findet sich dabei in der Rolle des "heimlichen Lauschers" wieder. Er zieht seine Schlüsse aus dem belauschten Gespräch, vergleicht mit den Erkenntnissen, die er aus anderen Gesprächen erlangt hat und stellt fest, dass nicht jeder die Wahrheit sagt.

    Die kriminellen Vorkommnisse werden von allen Seiten beleuchtet. Dadurch ergeben sich zwangsweise Wiederholungen in dem Roman, die irgendwann zu unangenehmen Längen führen und beim Lesen ermüden.

    "Balfour, der Staines über alle Maßen bewunderte, schätzte dessen Alter auf drei- oder vierundzwanzig Jahre - nicht zu jung, um sein Glück nicht verdient zu haben, und nicht zu alt, um den Verdacht zu nähren, er hätte sein Vermögen auf unehrenhafte Weise gemacht. In der Tat hatte Balfour so etwas nicht entfernt gedacht. Staines war von einer durch und durch gutherzigen Schönheit, der Art Schönheit, die ernst und hoffnungsfroh wirkt, ohne Anspruch darauf zu erheben; charakterlich war er umgänglich, optimistisch und entzückend lebhaft." (S. 156)

    Anfangs war ich von diesem Roman völlig begeistert. Eleanor Catton schreibt sehr detailliert, was zur Folge hat, dass man sich als Leser selbst in die Szenerie hineinversetzt fühlt. Auch, wenn sie teilweise altmodische Formulierungen verwendet, tut dies der Begeisterung keinen Abbruch. Die Schilderung ihrer Charaktere ist einzigartig. Anfangs beschreibt sie ihre Protagonisten bis ins kleinste Detail. Dabei beschränkt sie sich nicht auf Äußerlichkeiten, sondern legt den Fokus auf Charaktereigenschaften und Wirkung dieser Personen innerhalb ihres sozialen Umfeldes. Diese Akribie in der Beschreibung der Charaktere hat mich zu Beginn fasziniert. Leider hat sich dieser Effekt mit der Zeit abgenutzt, was vermutlich dem Umfang des Buches (1000 Seiten) und den Wiederholungen in der Handlung geschuldet ist.

    "Ihre Überzeugungen sind phantasievoller geworden, ihre Hypothesen unwahrscheinlicher, ihre Ansichten abenteuerlicher. Unbestätigte Verdächtigungen haben es an sich, im Lauf der Zeit eigenwillig und trügerisch zu werden und Stimmungsschwankungen zu unterliegen, sodass sie alle Eigenschaften gewöhnlichen Aberglaubens entwickeln - und die Männer aus dem Crown Hotel, deren Loyalität untereinander schließlich aus dem bunten Gewebe von Zeit und Bewegung geknüpft ist, sind wie alle Menschen für Einflüsse nicht unempfänglich." (S. 470)

    Das Buch ist in 12 Teilen geschrieben. Ein Großteil dieser Kapitel behandelt nur jeweils einen einzigen Tag in Hokitika. Die Protagonisten suchen untereinander das Gespräch und beleuchten die kriminellen Ereignisse, um die sich alles dreht, aus unterschiedlichen Perspektiven. Ein Tag kann dadurch ganz schön lang werden, insbesondere, wenn er fast die Hälfte des Buches einnimmt, wie der 27. Januar 1866 - der Tag, an dem die 12 Männer sich im Hotel versammelt haben, um zu besprechen, wie mit den Ereignissen umzugehen ist.

    "'Wir verbringen unser ganzes Leben damit, über den Tod nachzudenken. Ohne diese Unterhaltung würden wir uns vermutlich schrecklich langweilen. Wir hätten nichts, dem wir entgehen wollten, nichts, was wir verhindern wollten, und nichts, worüber wir uns Gedanken machten. Die Zeit hätte nichts zu bedeuten.'" (S. 501)

    Fazit:
    Das Buch scheitert für mich leider an seiner Länge. Trotz des faszinierenden Sprachstils von Eleanor Catton, wird man der Wiederholungen in diesem Buch irgendwann überdrüssig. Zwischendurch wird man zwar von neuen Erkenntnissen überrascht, was die Hintergründe der geschilderten Verbrechen oder was die Entwicklung der Charaktere angehen. Doch das reicht leider nicht aus, um die Langeweile, die einen irgendwann überkommt zu beseitigen. Schade eigentlich, doch hier wäre weniger wahrscheinlich mehr gewesen.

    © Renie

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