Die Gesichter: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Gesichter: Roman' von Tom Rachman
4.65
4.7 von 5 (9 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die Gesichter: Roman"

Ein gefeierter Künstler, ein liebender Sohn, eine Suche nach dem eigenen Leuchten

Mit einer einzigen beiläufigen Bemerkung wischt Bear Bavinsky (gefeierter Maler, zahlreiche Ex-Frauen, siebzehn Kinder) jede Hoffnung seines Lieblingssohnes Pinch beiseite, auch nur halb so viel Talent zu haben wie er. Desillusioniert zieht es Pinch raus in die Welt, in Kanada versucht er sich an einer Biografie über Bear, als Italienischlehrer in London hat er es fast geschafft zu vergessen, dass auch er einmal Großes vorhatte. Seine wahre Begabung findet er schließlich doch noch, und er schmiedet einen schier unmöglichen Plan, nicht nur sein eigenes Leuchten zu entfalten, sondern auch das Andenken seines Vaters zu retten.



Kann man gleichzeitig ein gefeierter Künstler und ein liebender Vater sein? Muss ein Sohn seinen Eltern verzeihen, nur weil sie bedeutend sind? Tom Rachman hat einen elektrisierenden und immer wieder auch nachdenklich stimmenden Roman geschrieben über das Streben nach Anerkennung – im Leben und in der Kunst.

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:416
EAN:9783423289696

Rezensionen zu "Die Gesichter: Roman"

  1. ‘Portrait of the artist as a complete jerk’

    Diesen Titel gab Olga Grushin ihrer Rezension des englischen Originals in der New York Times. Also ‘Porträt des Künstlers als kompletter Dreckskerl’, um das A-Wort mal elegant zu umschiffen.

    Und es besteht kein Zweifel daran, dass Bear Bavinsky ein kolossaler Dreckskerl ist: ein selbstverliebter Egomane, der sich für Gottes Geschenk an die Kunstwelt hält und glaubt, sich daher alles erlauben zu können. Er hinterlässt reihenweise ernüchterte, unglückliche oder wütende Ehefrauen und kümmert sich meist einen Dreck um seine 17 Kinder.

    Ja, ich habe jetzt schon dreimal das Wort ‘Dreck’ verwendet, man möge es mir verzeihen.

    ‘Porträt der Bloggerin als wütende Dreckschleuder’

    Bear Bavinski ist einfach ein Charakter, den ich mit wahrer Leidenschaft gehasst und verachtet habe. Andere Menschen sind in seinem Weltbild nur dazu da, ihn zu bewundern, zu unterstützen und zu bedienen. Im Gegenzug verletzt er sie, setzt sie herab, zerstört sie, ohne sein Verhalten jemals zu hinterfragen.

    Mit einer einzigen Bemerkung vernichtet er die künstlerischen Ambitionen seines Sohnes Pinch, der sich von dieser emotionalen Wunde niemals vollständig erholen wird und seinen Vater dennoch weiterhin vergöttert. Wie seine Mutter Natalie kann er sich von Bear einfach nicht lösen.

    Noch schlimmer: der Junge vertraut dem Urteil seiner Vaters dermaßen blind, dass er seine Träume über lange Strecken des Buches aufgibt – und das, obwohl er doch eigentlich für die Kunst brennt.

    Man ahnt es: Pinch ist womöglich talentierter als Bear, und Bear kann das unmöglich zulassen.

    Manchmal bekommt man als Leser einen Eindruck davon, wie charmant und charismatisch der Künstler sein kann, wie überlebensgroß und sprühend vor Vitalität. Manchmal muss man ihm zugute halten, dass er seine Frauen und Kinder ‘liebt wie verrückt’ – jedenfalls für den Moment. Dann kann man ihn für ein paar Sekunden fast mögen. Gegen Ende entwickelt Bear darüber hinaus eine Tragik, der man sich kaum entziehen kann.

    Dennoch war ich sehr froh, dass nicht Bear der Protagonist ist, sondern sein Sohn Pinch, in vielem sein genaues Gegenteil.

    Sein ganzes Leben hindurch kämpft Pinch um die Anerkennung seines Vater und sehnt sich nach seiner Liebe. “Wach auf, das hat er nicht verdient!” möchte man ihm gerne zurufen. Man will, dass er endlich wütend wird und seine Fesseln abschüttelt, aber Pinch muss seine bescheidene Heldenreise selber antreten und den Kreis schließen – und das verläuft wahrlich nicht so, wie man es als Leser erwarten würde.

    Das liest sich oft bitter, geradezu schmerzhaft, und dennoch ist es ein wunderbares Buch.

    Die Abgründe werden ausgeglichen durch Momente der Schönheit, der Liebe und der Freundschaft – einer der großartigsten Charaktere des Buches ist Marsden, Pinchs erster und letzter wirklicher Freund im Leben.

    Überhaupt sind die Charaktere ein Highlight des Buches, und oft glänzen gerade die, die eher leisen Schrittes durchs Leben gehen. Pinch selber ist ein unwahrscheinlicher Held, doch umso mehr wünscht man sich, er möge endlich glücklich werden.

    Auch der Schreibstil konnte mich voll überzeugen,er hat einen wunderbaren Klang und eine zarte Eindringlichkeit. Seine Bilder und Metaphern sind sehr passend für ein Buch, in dem Kunst ein zentrales Thema darstellt.

    Auf ruhige Art und Weise ist die Geschichte überraschend fesselnd – eine leise, aber intensive Spannung.

    Ich musste mehr als einmal der Versuchung widerstehen, vorzublättern, um zu schauen, wie es mit Pinch weitergehen würde.

    Es geht um Kunst, um das Streben nach Anerkennung, um den Widerspruch zwischen öffentlicher und persönlicher Wahrnehmung, um Schuld und Vergebung, um persönliches Glück… Das Ergebnis ist gar nicht so sehr ein Künstlerroman als vielmehr die tragische Geschichte einer gestörten Vater-Sohn-Beziehung.

    Das Ende – die Auflösung, warum das Buch “Die Gesichter” heißt – empfand ich als gänzlich unerwartet.

    Meine erste Reaktion war eine leise Enttäuschung, gefolgt von dämmerndem Verständnis. Im Grunde ist es auf verschiedenen Ebenen ein nahezu perfektes Ende, das sowohl Bear als auch Pinch, seiner Mutter und seinen zahlreichen Geschwistern gerecht wird.

    Man muss sich allerdings von dem verabschieden, was man sich für Pinch gewünscht hätte – zu lange hat er sich schon verbogen, um den Wünschen seines Vaters gerecht zu werden. Da ist es nur gerecht, ihm als Leser den Weg, den er letztendlich für sich selber wählt, zuzugestehen.

    FAZIT

    Die Geschichte verläuft auf überraschenden Wegen, wird eher zu einer leisen Tragikkomödie als zu einem Künstlerroman und liest sich bei aller Tragik dennoch spannend und unterhaltsam. Selten habe ich einen Charakter so sehr gehasst wie Bear Bavinsky, gleichzeitig hat mich sein Sohn Pinch, der eigentliche Protagonist des Buches, sehr bewegt.

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  1. Der Italienischlehrer

    Bear Bavinsky hat sich als expressionistischer Maler einen Namen gemacht. In der Szene wird er gefeiert, von Kunstliebhabern bewundert und umschwärmt. Als angeblicher Lieblingssohn stehen Pinch, der eigentlich Charles heißt und von seinem Vater auch Charlie genannt wird, und seine Mutter Natalie in dessen Schatten und müssen ihr Leben den Launen des Egozentrikers unterordnen. Auch mit der Treue hat es Bear nicht so, sodass er insgesamt 17 Kinder mit unterschiedlichen Frauen zeugt. Dennoch kämpft Pinch um seine Liebe, Aufmerksamkeit und Anerkennung. Er versucht sich ebenfalls in der Malerei, doch mit einer einzigen beiläufigen Bemerkung wischt Bear jede Hoffnung seines Sohnes beiseite, auch nur halb so viel Talent zu haben wie er. Desillusioniert zieht es Pinch in die Welt. Als Italienischlehrer in London hat er fast vergessen, dass auch er einmal Großes vorhatte. Doch dann schmiedet er einen Plan…

    „Die Gesichter“ ist ein Roman von Tom Rachman über das Streben nach Anerkennung – im Leben und in der Kunst.

    Meine Meinung:
    Der Roman besteht aus 89 eher kurzen Kapiteln. Erzählt wird im Präsens und vorwiegend aus der Sicht von Pinch. Die Geschichte ist chronologisch aufgebaut. Sie beginnt im Jahr 1955 und endet 2018. Zwischendurch gibt es immer mal wieder Zeitsprünge. Dieser Aufbau funktioniert sehr gut.

    Der Schreibstil ist schnörkellos, aber angenehm zu lesen, gut verständlich und eindringlich. Der Einstieg fiel mir leicht. Die Geschichte nimmt nur langsam Fahrt auf, entfaltet aber durch ihre Sprachgewalt zunehmend einen Sog, dem ich mich nicht entziehen konnte.

    Pinch ist der Protagonist des Romans. Sein Leben wird von der Kindheit bis ins fortgeschrittene Erwachsenalter dargestellt. Seine Entwicklung lässt sich daher hervorragend nachvollziehen. Wie die anderen Hauptpersonen des Romans wird er detailliert beschrieben. Sein Charakter wirkt authentisch, denn er hat Fehler und Schwächen. Ich konnte mich gut in ihn einfühlen.

    Die Grundthematik der Geschichte finde ich sehr interessant. Dadurch hebt sich der Roman in kreativer Weise von anderen ab. Im Fokus steht die Frage, welche Beziehung ein Künstler zu seinem Kind haben kann. Darüber hinaus geht es natürlich auch ganz generell um die Liebe zwischen Kindern und ihren Eltern sowie um das Streben nach Anerkennung innerhalb der Familie. Diese Aspekte regen zum Nachdenken an. Viel Raum nehmen daneben die Welt der Kunst und die entsprechende Szene ein, über die ich gerne mehr erfahren habe.

    Trotz der recht hohen Seitenzahl kommt beim Lesen keine Langeweile auf. Die Geschichte gewinnt zunehmend an Tempo und Spannung und hat unerwartete Wendungen zu bieten.

    Das farbintensive, künstlerisch anmutende Cover orientiert sich am Original. Es passt meiner Ansicht nach gut zur Geschichte. Der Titel weicht stark von der englischsprachigen Version („The Italian Teacher“) ab, die besser zum Inhalt passt.

    Mein Fazit:
    Mit „Die Gesichter“ ist Tom Rachman erneut ein ungewöhnlicher Roman gelungen, der noch eine Weile bei mir nachklingen wird. Eine empfehlenswerte Lektüre.

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  1. 5
    27. Okt 2018 

    Wenn das Streben nach Anerkennung das Leben bestimmt

    Kind oder kein Kind? Das ist eine Frage, die sich jeder irgendwann mal in seinem Leben stellen wird. Bereichern Kinder das Leben, oder schränken Kinder das Leben ihrer Eltern ein? Welche Opfer müssen Eltern bringen und sind diese Opfer gerechtfertigt?
    Als Tom Rachman den Roman "Die Gesichter" geschrieben hat, war er kinderlos. Und ebendiese Fragen haben ihn beschäftigt. Sowohl Elternschaft als auch Autoren-Dasein fordern Opferbereitschaft und Hingabe. Was ist, wenn nicht genügend davon für beide Rollen vorhanden ist? Was ist, wenn die Vaterrolle zugunsten der schriftstellerischen Karriere auf der Strecke bleibt, und somit auch die Zuwendung für das Kind? Was macht das mit dem Kind?
    In der Vater-Sohn-Beziehung, die im Mittelpunkt seines Romanes "Die Gesichter" steht, hat Tom Rachman diese Ausgangssituation für seine Protagonisten zugrunde gelegt.

    Bear Bavinsky ist ein gefeierter Maler und eine Naturgewalt. Er ist charismatisch, humorvoll und strotzt nur so vor Selbstbewusstsein. Und ganz nebenbei macht er sich die Welt, wiedewiedewie sie ihm gefällt. Und ihm gefallen Frauen. Viele davon. Monogamie passt nicht in sein Lebenskonzept. Im Laufe der Jahre wird er es auf 17 Kinder bringen, von mehreren Frauen, mit denen er verschiedene Familien gründet, oft nacheinander, aber oft auch zeitgleich. Eines dieser Kinder ist Pinch, eigentlich Charles. Mit Pinch und Ehefrau Natalie, lebt Bear in Rom. Die Geschichte setzt 1955 ein, als Pinch 5 Jahre alt ist. Natalie ist deutlich jünger als ihr Mann. Als sich die beiden kennenlernten, war sie eine junge ambitionierte Künstlerin, die Töpferei als Kunstform betrieben hat. Mittlerweile vernachlässigt sie ihre Kunst, um sich um Bear und Pinch zu kümmern. Der charismatische Bear erdrückt die beiden mit seiner Präsenz. Er steht immer und gern im Mittelpunkt, Natalie ist dabei eine Randfigur, "nur" seine Ehefrau und ist daher für die Kunstszene als Künstlerin nicht existent. Pinch leidet unter dem großen Ego seines Vaters, er weiß es nur noch nicht. Bereits mit 5 Jahren ist er ständig auf der Suche nach Anerkennung durch seinen Vater, die er selten bekommt.
    Dieses Streben nach Anerkennung wird auch nie nachlassen. Zunächst versucht Pinch in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, lässt jedoch seine Malversuche bleiben, als er ihn nicht damit beeindrucken kann. Da nützt auch nicht, dass Natalie ihm Talent bescheinigt. Das Einzige, was zählt, ist Bears Anerkennung, die Pinch jedoch nicht erhält.

    "Ich konnte kein Maler sein, und jetzt darf ich nicht mal Kritiker werden. Ich bin ein Angeber, ein Simulant, ein Versager."

    Der Roman ist in mehrere Abschnitte unterteilt, die chronologisch aufeinanderfolgen, jedoch in unregelmäßigen Zeitsprüngen.
    Hier begleitet der Leser Pinch - der Roman ist aus dessen Sicht geschrieben - ein Leben lang, bis hin zu dessen Tod.
    Und ein Leben lang sucht Pinch nach Anerkennung bei seinem Vater. Als Maler konnte er ihn nicht überzeugen. Um mit der Kunstszene verbunden zu bleiben, strebt er ein Kunststudium an, zudem er jedoch nicht zugelassen wird. Am Ende bleibt ihm ein Leben in der Mittelmäßigkeit. Er wird Fremdsprachen unterrichten - wieder nichts, mit dem er bei seinem Vater punkten kann.

    Pinch war schon immer ein Eigenbrötler. Schüchtern, ohne jegliches Selbstvertrauen, hat er von klein auf Schwierigkeiten, sich auf Menschen einzulassen, wozu nicht nur die Frauen zählen. Daher lassen sich diejenigen Personen, die er auch als Erwachsener als Freunde bezeichnen kann, an einer Hand abzählen. Immer wieder versucht er in seiner Rolle als Sohn eines berühmten Vaters bei anderen Aufmerksamkeit zu erregen. Mit den Jahren findet er sich mit seinem durchschnittlichen Leben ab, wobei ihm auch immer wieder seine regelmäßigen Ausflüge in die, für sich wiederentdeckte Malerei helfen. In diesen Momenten verliert er sich und lässt sein gewöhnliches Leben für kurze Zeit hinter sich. Aber immer treibt ihn die Frage um, ob seine künstlerischen Fähigkeiten vor den Augen des Vaters bestehen können.

    "Um als Künster Erfolg zu haben, braucht es ein seltenes Zusammentreffen von Persönlichkeit, Talent und Glück - alle in eine einzige Lebensspanne gebündelt. Was für ein Typ mein Dad doch war! Pinch sagt sich, dass er vielleicht die nötige Fertigkeit besessen hätte, doch das allein genügt nicht: Ihm fehlt es an Persönlichkeit. Die Kunstwelt wird ihm immer verschlossen bleiben."

    Tom Rachman hat mit "Die Gesichter" einen sehr berührenden Roman geschrieben. Anfangs konzentriert er sich auf die Naturgewalt Bear und stimmt den Leser darauf ein, welch ein schwieriges Vater-Sohn-Verhältnis sich hier anbahnen wird. Nach dieser Einstimmung wird die Geschichte aus der Sicht von Pinch erzählt. Es tut beim Lesen fast schon weh, wenn Pinch seine Bemühungen um Anerkennung und die damit verbundenen Enttäuschungen schildert. Der Verlauf der Handlung schildert Pinchs Leben als Erwachsener. Bear tritt fast in den Hintergrund. Aber nur fast. Denn auch wenn er keinen großen Anteil an der Handlung hat, ist sein übermächtiger Einfluss auf Pinch trotzdem spürbar. Mit den Jahren passiert nicht viel im Durchschnittsleben von Pinch. Sobald man als Leser jedoch meint, dass Pinch sich mit seinem "gewöhnlichen" Leben abgefunden hat, nimmt die Handlung eine Entwicklung an, die mehr als überraschend ist. Auf einmal entsteht ein Sog, der mitreisst, verblüfft und fesselt. Es scheint, dass sich Pinch am Ende seines Lebens von dem Einfluss seines Vaters befreien wird, und er Anerkennung erhält, allerdings nicht in der Form, wie er und der Leser es erwartet haben. Ein sehr versöhnliches Ende, das den Leser mit einem guten Gefühl zurücklässt.

    "Kritiker nennen irgendwas wichtig, bis es wichtig ist, was sie selbst dann wiederum wichtig macht."

    Besonders und hochinteressant sind die Einblicke die Tom Rachman in die Kunstszene gewährt. Er beschreibt diese Gemeinschaft fernab von jeglicher Künstlerromantik. Hier wird deutlich, dass die Kunstszene eine Tummelplatz für Über-Egos und Eitelkeiten ist. Und am Ende geht es immer nur ums Geld.

    Fazit:
    Ganz großes Erzähl-Kino. Ein sehr persönlicher Roman, der berührt, mitreisst und überrascht.
    Leseempfehlung!

    © Renie

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  1. Das Streben nach Anerkennung

    Wenn man als Sohn eines berühmten und egozentrischen Malergenies geboren wird, steht das eigene Lebensthema eigentlich von vornherein fest. Es geht um die Frage: Wie kann man sich aus dem Schatten des übermächtigen Vaters lösen und ein eigenes, erfülltes Leben führen.
    In Tom Rachmanns Roman "Die Gesichter" geht es genau darum. Die Hauptfigur in dem Roman ist Charles Bavinsky, eines von zahlreichen Kindern des berühmten Malers Bear Bavinsky. Als Leser begleitet man das gesamte Leben dieses Sohnes. Wir lernen ihn als 5-jährigen kennen, erleben seine Kindheit und Jugend, sein Erwachsenleben, seinen Tod und verfolgen darüber hinaus die Entwicklung nach seinem Tod.

    In eindringlichen Szenen schildert Tom Rachmann die Liebe und Bewunderung des Sohnes zu seinem Vater, den verzweifelten Wunsch, vom Vater wahrgenommen zu werden und auf der anderen Seite die kalte, egozentrische und manipulative Art des Vaters. Bear ist nicht offen ablehnend, sondern gibt vor, seinen Sohn zu lieben. Er sagt sogar, Charles sei sein Lieblingssohn. Als Leserin durchschaut man diese Lüge, mit der er den jungen Mann geschickt manipuliert. Bis sich Pinch, wie Charles von seinem Vater genannt wird, die Wahrheit eingesteht, muss man noch viele Buchseiten lang warten.
    Auf dem Buchcover sieht man pastos aufgetragene, leuchtend bunte Farben. Der Buchtitel und Autorenname droht von diesen Farben übermalt zu werden. Ein sehr schönes Buchcover, das an den raumgreifenden Charakter von Bear denken lässt.

    Die Mutter von Charles ist selbst Künstlerin. Sie besitzt aber kein Selbstvertrauen und verhält sich ihrem Mann gegenüber fast unterwürfig. Leider ähnelt Pinch charakterlich eher seiner Mutter, so dass man als Leserin immer Zweifel hat, ob es Charles gelingt, sich von seinem Vater zu emanzipieren.
    Charles ist selbst künstlerisch begabt. Er malt Bilder in seiner Jugendzeit, zu einer Zeit also, als sich Bear längst eine jüngere Frau gesucht hat und nicht mehr mit ihm und seiner Mutter zusammen lebt. Als er 15 Jahre alt ist, besucht er seinen Vater und zeigt ihm sein (aus seiner Sicht) bestes Bild. Als Leser ahnt man, dass das Bild gut ist, zumindest hatte seine Mutter ihn gelobt. Bear Bavinsky jedoch fällt ein vernichtendes Urteil. "...ein Maler bist du nicht...und du wirst auch nie einer werden."
    Nach dieser brutalen Bemerkung wird Charles sehr viele Jahr lang keinen Pinsel mehr in die Hand nehmen.

    Die Schilderung der Kindheit und Jugend von Charles haben mir sehr gut gefallen. Fast körperlich leidet man mit, wenn der Junge so wenig Anerkennung von seinem geliebten Vater bekommt. Die Entwicklungen im Erwachsenenalter lesen sich nicht ganz so spannend, nach meiner Meinung. Wir Leser lernen die Menschen kennen, die für Pinch wichtig werden. Seinen Freund, seine Freundin, seine Ehefrau (die Ehe ist nur eine kurze Episode) seine Kollegen (Charles arbeitet als Italienischlehrer). Die Dialoge und Interaktionen mit seinen Mitmenschen sind zwar meist unterhaltsam zu lesen, lenkten aber auch ein bisschen vom Handlungsfluss ab.
    Erst als sich Charles in seiner Lebensmitte die Wahrheit über die Beziehung zu seinem Vater eingesteht und danach im Alkoholrausch ein Bild seines Vaters zerstört, kommt wieder mehr Spannung auf. Die Beschädigung des Bildes führt zu einigen Verwicklungen, in deren Verlauf (so viel kann man verraten) Pinch wieder zum Malerpinsel greift. Er findet einen Weg für sich, seine Künstlernatur doch noch auszuleben.
    Am Ende seines Lebens scheint dem Künstlersohn klar zu werden, dass - wie er zu sich selbst sagt: "...die Höhepunkte meines Lebens in meinem Inneren stattgefunden haben." Damit hat er sich selbst aus der Abhängigkeit von Anerkennung durch den Vater (aber auch von Anderen) befreit. Was die Anerkennung durch die Kunstwelt betrifft, so erleben wir am Ende des Romans noch eine Überraschung, die allgemeine Fragen nach den Mechanismen des Kunstmarktes aufwirft.

    Insgesamt ein unterhaltsam geschriebener Roman aus der Welt der Kunstszene, ein Entwicklungsroman, der berührt.

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  1. Vater und Sohn

    Vater und Sohn

    Tom Rachman - Die Gesichter

    Das kunstvoll gestaltete Cover ist ein echter Hingucker und lässt direkt vermuten,worum es in diesem Buch geht. Es geht um Kunst, aber nicht ausschließlich, denn Tom Rachman möchte in seinem Roman in erster Linie erzählen, wie es dem Sohn eines Künstlers ergangen ist.

    Charles Bavinsky, Sohn des Künstlers Bear Bavinsky, vergöttert seinen Vater. Bear wohnt zu Beginn des Buches mit Charles, genannt Pinch, und dessen Mutter Natalie, in Italien. Natalie ist einige Jahre jünger als Bear, sie möchte auch Künstlerin werden, allerdings malt sie keine Bilder wie ihr Mann, sie versucht sich in der Kunst des Töpferns. Natalie muss aber neben ihrem Mann zurückstecken, genauso wie Pinch, die zwei stehen immer im Schatten des Malers. Bear ist eine strahlende Persönlichkeit, nimmt großen Raum ein, ist aber sehr auf sich bedacht.
    Bear verlässt Pinch und Natalie und zieht zurück in die Staaten, wo er bereits Kinder hat und sich auch bald neu bindet. Natalie zieht sich mehr und mehr zurück, bestärkt Pinch aber darin talentiert zu sein, so dass dieser seine ersten Versuche startet, und wie sein Vater Bilder entwirft.
    Als Pinch seinem Vater bei einem Besuch ein Bild zeigt, ist dieser wenig angetan. Pinch ist am Boden zerstört und möchte kein Künstler mehr werden. Die Bewunderung für seinen Vater bleibt nach wie vor bestehen.

    Im weiteren Verlauf des Romans erzählt der Autor wie sich Pinch entwickelt, wie er mit der Liebe zu seinem Vater umgeht, mit dem Gefühl der Zurückweisung und dem Drang nach Anerkennung fertig wird.
    Er bringt dem Leser nahe, wie schwierig es ist in dieser Welt zu bestehen. In einer Welt in der man gesehen werden muss, wie andere einen sehen möchten. Bear schafft es die Leute zu blenden, ihnen das zu zeigen, was sie sehen möchten. Doch nicht jeder schafft diese Gratwanderung.

    Tom Rachman klügelt einen perfiden Plan aus, um seinem Schützling zu seinem Recht zu verhelfen. Ich war überrascht, als ich erkannte, worauf alles hinausläuft.

    Ein Roman der mich begeistert hat, ein Roman der anders war als erwartet. Besser als erwartet um ehrlich zu sein.

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  1. Wie man sich aus der Allmacht eines berühmten Vaters befreit

    Es ist ein Buchcover, das absolut ins Auge fällt: Strahlende Farben, die bei näherer Betrachtung von einem Pinsel ineinanderlaufend aufgetragen wurden. Dazu der Buchtitel, der so gar nichts mit dem Äußeren des Buches zu tun zu haben scheint. Der Einband selbst ist weiß und geriffelt wie eine Leinwand. Spätestens die Einteilungen der einzelnen Abschnitte: „Kindheit“, „Jugend“, „Erwachsensein“, „Alter und Portrait eines Künstlers“ mit dem Zusatz, welcher Art das gezeigte Kunstwerk ist und woher es stammt, machen deutlich, dass es sich hier um einen Künstlerroman handelt muss.

    Bear Bavinsky ist ein gefeierter Maler, der in dritter Ehe mit Natalie verheiratet ist, mit der er einen Sohn, Charles (genannt Pinch), hat. Es ist das Leben dieses Sohnes, das im Roman über mehrere Jahrzehnte begleitet wird. Zu Beginn ist der Junge fünf Jahre alt. Die kleine Familie lebt in einem engen Atelier in Rom, der Vater hat erst wenige Wochen zuvor seine alte Familie verlassen. Bear ist ein absoluter Egozentriker, besessen vom Malen und seiner Kunst. Alles andere hat sich dem unterzuordnen, er nimmt keine Rücksicht auf die Interessen anderer Menschen. Trotzdem himmelt Pinch ihn an, vergöttert ihn fast, macht ihn zu seinem (lebenslangen) Vorbild und strebt nach seiner Anerkennung.

    Pinchs Charakter ähnelt jedoch eher dem seiner Mutter. Er ist sensibel, schwach, nicht durchsetzungsstark. Er hat Probleme, Freundschaften zu schließen sowie Beziehungen zu pflegen und ist dadurch eher ein Einzelgänger. Die Kindheit und Jugend des Jungen sind nicht einfach mit diesem dominierenden Vater und einer Mutter, die psychisch labil ist, sich unterordnet und dem Heranwachsenden keine Stütze sein kann, weil sie selbst keinen Halt hat und ständig an sich zweifelt.

    Aus einer Laune heraus gibt Bear seinem Sohn eines Nachmittags einen Schnellkurs in Malerei, er erklärt ihm Grundbegriffe, Perspektiven, Techniken und erläutert seine Vorbilder. Diese Episode wird den Jungen sein gesamtes Leben lang prägen, in Folge versucht auch er, in der Kunst Fuß zu fassen, arbeitet akribisch, taucht beim Malen ab und hat sehr hohe Ansprüche. Pinch vernichtet unwürdige Werke, ebenso wie es der Vater immer getan hat.

    Bear hat seine Familie in Rom schon bald wieder verlassen, um sich einer neuen Liebe zuzuwenden. Er ist kein beständiger Mensch. Nach Jahren gelingt es Pinch, seinen Vater in Amerika besuchen zu dürfen. Er muss erleben, dass Bear nach wie vor sehr unzuverlässig ist und sich keine Zeit für den Sohn nimmt. Mit großer Hoffnung präsentiert er schließlich sein bisher gelungenstes Bild. Die Reaktion des Vaters wird Pinchs Lebensweg in eine neue Richtung steuern.

    Wie erwähnt begleitet der Roman Charles Bavinsky. Der Leser verfolgt die Stationen seines Lebens und lernt im Zuge dessen wichtigste Bezugspersonen kennen: seinen Freund Marsden, der ihm auch in schweren Situationen zur Seite steht, seine Halbschwester Birdy, die viel mehr Selbstbewusstsein im Umgang mit dem Vater an den Tag legt, seine große Liebe Barrows, die er nicht vergessen kann, und viele andere mehr. Die wechselhafte Vater-Sohn-Beziehung ist jedoch das tragende Thema des Romans. „Die Gesichter“ ist ein Entwicklungsroman im besten Sinne. Man braucht kein Vorwissen über die Kunst, sondern bekommt eindrucksvolle Einblicke in das exzentrische Künstlermilieu. Es tauchen Fragen auf wie: Was ist Kunst? Was ist eine Interpretation? Welche Eigenschaften muss ein Künstler haben, um erfolgreich zu sein? Wie viel Narzissmus darf man beim Künstler tolerieren?

    Lange leidet man mit Pinch mit. Er ist sicher kein völliger Sympathieträger, nicht alle seine Entscheidungen finden unseren Beifall. Doch sind seine Handlungsweisen im Lichte seiner Erziehung zutiefst menschlich und nachvollziehbar. Man wünscht ihm schon früh, dass er sich aus der gefühlten Allmacht des Vaters wird befreien können. Man drückt ihm die Daumen, dass er seinen eigenen Weg und ein bisschen Glück finden möge. Man begleitet den Protagonisten stets mit Empathie.
    Der Roman gewinnt zunehmend an Tempo, unerwartete Wendungen steigern den Lesefluss. Nach „Vom Aufstieg und Fall großer Mächte“ war dieses mein zweites Buch von Tom Rachman, das mir persönlich weit besser gefallen hat als das erste. Der Autor hat einen flüssigen Stil, streut hin und wieder ein paar Weisheiten und tiefgehende Gedanken ein, ist niemals trivial. Das Ende passt zur erzählten Geschichte, hallt nach…

    Der Inhalt des Romans entsprach dem besonderen, außergewöhnlichen Äußeren. Ich gebe gern meine volle Leseempfehlung mit 5 Sternen.

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  1. "Ich gewinne. Klar?"

    Pinch ist der Lieblingssohn des gefeierten Malers Bear Bavinsky, mit dessen Mutter Natalie er in den 50er Jahren in einem alten Atelier in Rom lebt.

    "Pinch, sein fünfjähriger Sohn, stemmt ein dickes Badetuch in die Höhe, die Arme unter dem Gewicht. Bear streift sich mit den Fingern durchs rotblonde, schüttere Haar und setzt- eine Hand auf dem Kopf des Jungen, Gleichgewicht suchend - seine Füße auf Tageszeitungen, auf denen früher am Tag Pinsel ausgewischt wurden." (9)

    Diese beiläufige Geste symbolisiert das Verhältnis von Vater und Sohn. Bear will seinen Sohn, der künstlerische Ambitionen hat, gleichzeitig dem Vater jedoch zutiefst ergeben ist, klein halten. Während er mit seiner Präsenz Räume füllt, bleiben die Menschen in seiner Umgebung unsichtbar - nur seine Kunst steht im Mittelpunkt.

    Dass seine 2.Frau Natalie Keramikskulpturen herstellt, hat keine Bedeutung - niemand darf neben ihm stehen, dem "Archetyp des lasterhaften Greenwich-Village-Künstlers", der Aktbilder malt, auf denen jeweils nur ein Detail zu sehen ist - eine Schulter, eine Hand, ein Schenkel. Das, was vor seinen Augen nicht besteht, wird verbrannt.

    "Bear eilt in den hintern Teil des Ateliers, sucht etwas, zerrt eine leere Leinwand mitsamt Gestell hervor. >So wie du jetzt bist, Natty. Ganz genau so.< >Ich bin mitten in meiner eigenen Arbeit<, fleht sie ihn an." (21)

    Mehrere Stunden muss sie in ihrer Pose verharren. Nachdem das Gemälde fertiggestellt ist, verbrennt er es, weil es nicht gut genug ist.
    Er lässt sich auch dann nicht vom Arbeiten abhalten, wenn seine Tochter aus erster Ehe, Birdie, ihn in Rom besucht.
    "Heute ist der letzte Tag vor ihrem Heimflug, und Bear hat versprochen, dass sie ihn zusammen verbringen. Weil er ständig so beschäftigt, war, will es es heute ein bisschen wiedergutmachen. [...] Pinch versteht das." (50)
    Dieses bedingungslose Verstehen wird ihn einerseits zum Lieblingssohn des Künstlers machen, andererseits wird er sich zunächst nicht aus dessen mächtigem Schatten befreien können.

    Als Bear Natalie und Pinch für eine neue Frau verlässt, beginnt Pinch, dessen richtiger Name Charles lautet, zu malen - unter den wachsamen Augen seiner Mutter, deren psychische Verfassung immer labiler wird.

    "Als er mit dem Malen anfing, haben Natalies Lob, ihre gefalteten Hände, ihre Begeisterung seine Hoffnung geschürt. Beifall aber verliert rasch an Wert." (71)

    Beeindrucken will er seinen Vater, vor seinen Augen muss sein Werk Bestand haben, nur sein Urteil zählt. Wird Charles vor seinem Vaters bestehen können? Wird es ihm gelingen ein selbstbestimmtes Leben zu führen? Kann er sich von seinem übermächtigen Vater befreien?

    Bewertung
    Darf sich ein großartiger Künstler und Freigeist alles herausnehmen? Darf ein Genie gnadenlos egoistisch handeln, um sich ganz seiner Kunst widmen zu können? Menschen in seiner Familie und seiner Umgebung herabsetzen, um sich selbst zu erhöhen? Diese Fragen wurden in der Lese-Runde diskutiert und der Roman fordert dazu auf, sie zu stellen. Muss man einem Künstler alles durchgehen lassen, nur weil er geniale Bilder malt? Zumindest scheinen das die Galeristen und der "Kunst-Zirkus" zu denken, auf den Rachman einen kritischen Blick wirft.

    Bear ist ein lausiger Vater, sieht seinen Sohn nicht, hält ihn klein und die anderen Bear-Kinder erhalten Zuwendung und Aufmerksamkeit, so lange sie jung sind und keine Anforderungen stellen. Ein Verhalten, von dem nur Pinch ausgenommen ist, den der Vater im Auge behält, was seine Situation nicht verbessert. Nur wenigen Menschen kann sich Charles wirklich nähern, der ein Außenseiter bleibt. Tragisch verläuft das Leben seiner Mutter, deren Leben Bear letztlich zerstört hat, während Pinch ihn verteidigt:

    "Weil Dad es nicht böse meint. Er ist einfach so. Wie ein riesiges Schiff, das stetig vorwärtsdampft und das niemand aufhalten kann." (155)

    Glücklicherweise steht ab dem 2.Teil das Leben Pinchs im Mittelpunkt und der narzisstische Maler taucht seltener auf. Überwiegend treffen sie in einem Ferienhaus in Frankreich aufeinander, das Bear einem Freund Natalies abgekauft hat - dort verändert sich ihre Beziehung und die Frage, die sich stellt, ist, ob sich Bears Aussage am Ende bewahrheiten wird:

    "Ich gewinne. Klar? Ich werde verdammt nochmal immer gewinnen" (296)

    Während man den narzisstischen Künstler nach den ersten 100 Seiten kaum noch erträgt, ist es diese Spannung, die bis zum Ende des Romans trägt, der mit ungewöhnlichen Wendungen aufwartet.

    Klare Lese-Empfehlung!

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  1. 4
    12. Aug 2018 

    Der Künstler

    In den 1960ern wohnt der Maler Bear Bavinsky mit seiner Frau Nathalie in Rom. Ein großer Mann, der seinen kleinen Sohn Bear sehr beeindruckt. Da kann seine Mutter, die zwar den Haushalt führt, im Herzen aber selbst eine Künstlerin ist, nicht mithalten. Zu seinem Vater schaut Pinch auf. Überrascht ist Pinch als seine große Schwester die Ferien in Italien verbringt. So nach und nach geht ihm auf, dass Nathalie nicht Bears erste große Liebe ist und schon garnicht die Einzige. Bald trennen sich die Eltern und Pinchs größter Wunsch ist es, zu seinem Vater nach Amerika zu reisen.

    Ist Bear Bavinsky wirklich der grandiose Maler? Er hadert mit seinem Werk und vernichtet viele Bilder, die ihn nicht zufrieden stellen. Eine raumeinnehmende Persönlichkeit ist er aber ganz bestimmt. Mehrere Ehen, siebzehn Kinder, die Pinch, der eigentlich Charles heißt, nicht alle kennt. Wie kann Charles neben seinem Vater bestehen, der Wunsch selbst zu malen, erfüllt sich nicht. Die harsche Kritik des Vaters beendet erste zarte Versuche. Charles, der in vielen Bereichen sehr begabt ist, findet sich schließlich als Sprachlehrer in London wieder. Ein erfülltes Leben? Eher nicht. Bears Selbstbewusstsein ist geradezu unerschöpflich, sogar größer als seine Begabung scheint es zu sein.

    Väter und Söhne, ein unerschöpfliches Thema. Bear und Charles Bavinsky, beide sind Persönlichkeiten und haben Persönlichkeit. Doch ihre Leben verlaufen sehr unterschiedlich. Der Vater, eine Künstlerpersönlichkeit wie sie im Buche steht, manchmal wirkt er wie ein Blender. Sein Sohn dagegen scheint so unsicher, dass er nicht einmal versucht, seine künstlerischen Ambitionen auszuleben. Für den Sohn bleibt ein lebenslanges Streben nach der Anerkennung des Vaters, dessen Entscheidungen er nicht immer gutheißt. Allerdings macht er sich nicht wirklich frei, man gewinnt den Eindruck, er verkauft sich unter Wert. Die raumgreifende Person des Vaters lässt kein eigenes Werden des Sohnes zu.

    Eltern machen Fehler, wie sollte es anders sein. Schließlich sind auch sie nur Menschen. Sie geben ihr Bestes und scheitern doch häufig. Und die Kinder befrachtet mit den Vorstellungen der Eltern, was ein gutes Leben darstellen soll, sind häufig auch zum Scheitern verurteilt. Genial wie Charles seinem Vater schließlich doch ein Schnippchen schlägt. Und doch fühlt man sich mit diesem Roman eher melancholisch, ob der vertanen Chancen. Diese bittersüße Familiengeschichte ist etwas Besonderes. Zwar wünschte man Nathalie und Charles ein anderes Leben, doch gegen den dominanten von sich selbst überzeugten Bear kommen sie einfach nicht an. Insbesondere Charles allerdings macht noch das Beste draus und das ist eine sehr tröstliche Erkenntnis, dass man selbst etwas ändern kann, dass man auch mal schlauer sein kann als die anderen. Man schmunzelt dann doch in sich hinein und genießt die kurzweilige Lektüre.

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