Die Geschichte von Herrn Sommer

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Geschichte von Herrn Sommer' von Patrick Süskind
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5 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die Geschichte von Herrn Sommer"

Die Geschichte von Herrn Sommer (detebe) * Veröffentlicht als Diogenes 1994. Ungelesen eventuell mit Lagerspuren * Versand innerhalb 24h, Rechnung mit ausgewiesener MwSt, zuverlässiger Service

Format:Taschenbuch
Seiten:136
EAN:9783257226645

Rezensionen zu "Die Geschichte von Herrn Sommer"

  1. Wer ist Herr Sommer?

    Inhalt
    In einer Novelle gibt es nur einen Handlungsstrang, in dem Fall erzählt der Ich-Erzähler von seiner Kindheit, genau genommen von der Zeit,

    "als ich noch auf Bäume kletterte - lang, lang ist´s her, viele Jahre und Jahrzehnte, ich maß nur wenig über einen Meter, hatte Schuhgröße achtundzwanzig und war so leicht, daß ich fliegen konnte - nein, das ist nicht gelogen, ich konnte wirklich fliegen damals- oder wenigstens fast, oder sagen wir besser: es hätte seinerzeit tatsächlich in meiner Macht gelegen zu fliegen, wenn ich es nur wirklich ganz fest gewollt (...)" (S.1)

    Assoziativ reiht der Erzähler seine wichtigsten Erlebnisse aneinander wie seinen schlimmer Sturz aus viereinhalb Meter Höhe, den er exakt nach den Fallgesetzen berechnet, der jedoch auch Folgen hinterlassen hat:

    "Auch glaube ich, daß eine gewisse Konfusion und Unkonzentriertheit, an der ich neuerdings leide, eine Spätfolge jenes Sturzes von der Weißtanne ist. So fällt es mir beispielsweise immer schwerer, beim Thema zu bleiben (...)" (S.12)

    Die meiste Zeit seiner Kindheit verbringt er auf Bäumen, von dort kann er alles überblicken und sieht so den seltsamen Herrn Sommer, dessen Frau Puppenmacherin ist und der selbst überall bekannt ist, da er permanent rastlos zu Fuß unterwegs ist. Auf seinen Spaziergängen kreuzen sich die Wege des Ich-Erzählers und die von Herrn Sommer - immer an einschneidenden Erlebnissen.
    So trifft er Herr Sommer nach einer furchtbaren Klavierstunde, in der er sich den Zorn seiner Klavierlehrerin zugezogen hat - eine wunderbar detailliert geschilderte Szene - und beschlossen hat, sich aufgrund der Ungerechtigkeit der Welt von einem hohen Baum zu stürzen.
    Bevor er den Sprung in die Tiefe wagt, sieht er Herrn Sommer, der versucht, sich unter dem Baum hinzulegen, jedoch keine Ruhe findet - genau das ist es jedoch, was er sucht. So sagt er zum Vater des Ich-Erzählers, als dieser ihn im Auto nach einem Hagelsturm mitnehmen möchte:

    "Ja so laßt mich doch endlich in Frieden!" (S.39)

    Den findet er am Ende der Novelle, wenn der Ich-Erzähler an der Schwelle zum Erwachsenenleben steht.

    Bewertung
    Die Sprachsensibilität der Novelle spiegelt sich nicht nur in den geschaffenen Sätzen und Bildern, sondern Süskind thematisiert sie sogar, indem der Vater des Ich-Erzählers sich über "Stereotype" auslässt und dabei selbst einen benutzt:

    "und ein Stereotyp - merkt euch das ein für allemal! - ist eine Redewendung, die schon so oft durch die Münder von Krethi und Plethi (!) gegangen ist, daß sie überhaupt nichts mehr bedeutet." (S.38)

    Neben der Sprachfertigkeit ist es aber die skurrile Geschichte von Herrn Sommer und die seltsamen Erlebnisse des Ich-Erzählers, die faszinieren. Neben mathematischen Berechnungen der Fallgeschwindigkeit, gibt der Erzähler zu unzuverlässig zu sein, immer wieder den Faden zu verlieren. So setzt er ein paar Mal an, bis er vermeintlich die Geschichte von Herrn Sommer erzählt. Oder ist es die eigene? Gibt es Herrn Sommer überhaupt? Sein Ende ist jedenfalls sehr befremdlich und hat mich zu der Annahme verleitet, dass Herr Sommer sozusagen symbolisch die Kindheit des Ich-Erzählers begleitet und mit seinem Ende wird aus dem Kind ein Erwachsener. Dieses ruhelose, rastlose Herumwandern könnte bildlich für die Suche nach der eignen Identität stehen, der Wunsch Ruhe zu finden, dafür anzukommen in der Welt der Erwachsenen (?) Eine Novelle, die so schön sie zu lesen und anzuschauen ist, viel Stoff zum Nachdenken liefert und Fragen offen lässt. Die Antworten dürfen wir selbst suchen - ein Glücksfall!

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  1. 5
    27. Aug 2016 

    Zwischen Komik und Sehnsucht...

    Zu der Zeit, als ich noch auf Bäume kletterte, lebte in unserem Dorf ein Mann mit Namen "Herr Sommer". Kein Mensch wusste, wie Herr Sommer mit Vornamen hieß, und kein Mensch wusste auch, ob Herr Sommer einem Beruf nachging.
    Obwohl man über die Sommers und insbesondere über Herrn Sommer so gut wie nichts wusste, kann man doch mit Fug und Recht behaupten, dass es im Umkreis von mindestens sechzig Kilometern um den See herum keinen Menschen gab, Mann, Frau oder Kind - ja nicht einmal einen Hund -, der Herrn Sommer nicht gekannt hätte, denn Herr Sommer war ständig unterwegs. Es mochte schneien oder hageln, es mochte stürmen oder wie aus Kübeln gießen, die Sonne mochte brennen, ein Orkan im Anzug sein, Herr Sommer war auf Wanderschaft...

    Ein wenig verwirrt der Titel des Buches, denn besagter Herr Sommer ist im Grunde eine Randfigur des Geschehens - in dessen Kern steht ein kleiner Junge, der in diesem ländlichen Idyll aufwächst.
    Aus der Erinnerung des inzwischen alt gewordenen Jungen und erzählt aus der Ich-Perspektive werden retrospektiv Episoden aus seiner Kindheit erzählt, mit all ihren sinnlichen Vergnügungen, Verwirrungen und Enttäuschungen. Das Klettern auf Bäume, Radfahren, der schüchterne Versuch, einem Mädchen näher zu kommen und das nahezu traumatische Erlebnis einer Klavierstunde gehören zu den erinnerten Episoden - und bringen einen zum Schmunzeln oder führen zu eigenen Erinnerungen...

    Herr Sommer ist dabei ein allgegenwärtiger, getriebener Mensch, stets hastig mit Hilfe seines Stockes voran eilend, keine Zeit oder Ruhe zu verweilen. Süskinds Erzählstil setzt dabei auf Rätselhaftigkeit und Distanz - so bleibt Herr Sommer bis zum Schluss eine mysteriöse Erscheinung, in seinem immerwährenden Auftauchen fast schon nicht mehr wahrgenommen, und doch eine Tragik, ein unerträgliches Lebensgefühl vermuten lassend, einzig erspürt durch eben diesen kleinen Jungen, der in der Novelle als Erzähler fungiert.
    Die Erzählung selbst erfolgt ebenso hastig wie die Wanderungen des Herrn Sommer - der erste Punkt wird erst auf der dritten Seite gesetzt. Immer wieder schweift der Erzähler in seinen Gedanken ab, lässt sich treiben in seinen Erinnerungen - und komplettiert doch so das Bild seiner Kindheit. Zart und poetisch, gewitzt und komisch, melancholisch und doch mit einer selbstverständlichen Leichtigkeit, so kommt die Erzählung daher.

    Wunderschön illustriert ist der schmale Band durch Zeichnungen von Sempé.

    Ich freue mich, dass mir dieses Kleinod in die Hände gefallen ist...

    © Parden

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  1. Eine ganz wunderbare Geschichte ...

    ..., in welcher der Autor seinen Erzähler zurück in die Kindheit blicken lässt. Eigentlich will der die Geschichte von Herrn Sommer erzählen, einem merkwürdigen Einzelgänger, der von einer ständigen Unruhe getrieben wird. Schon ganz zu Anfang aber schweift er ab und konfrontiert den Leser mit seinen ganz persönlichen Erlebnissen. Von einer ersten Verliebtheit, über Klavierstunden bei Fräulein Funkel, bis hin zu dem nicht vorhandenen Fernsehapparat im eigenen Zuhause erfährt man amüsant geschilderte Details, von denen viele auch durch liebevolle Zeichnungen von Sempé dargestellt werden. Kurzum, eine sehr gelungene und äußerst kurzweilige Erzählung, die von einer Kindheit berichtet, aber keine Kindergeschichte ist.

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