Die Geschichte eines einfachen Mannes: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Geschichte eines einfachen Mannes: Roman' von Timon Karl Kaleyta
3
3 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die Geschichte eines einfachen Mannes: Roman"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:320
EAN:9783492070461

Rezensionen zu "Die Geschichte eines einfachen Mannes: Roman"

  1. Mir gehört die Welt!

    Der Protagonist ist ein egoistischer, selbstherrlicher junger Mann aus einfachem Hause, der glaubt, er müsse sich im Leben kein bisschen anstrengen. Er erwartet, dass ihm das Glück verdientermaßen (weil er so überaus talentiert und großartig ist!) schon vor die Füße fallen wird. So sucht er nach der Schule erstmal weder nach einer Arbeitsstelle noch nach einem Studienplatz, sondern wartet ab, was das Schicksal für ihn Schönes in petto hat – das Zen des selbstgefälligen Nichtstuns.⁣

    Das fand ich eine Weile herrlich absurd, denn er ist sich seines Dünkels überhaupt nicht bewusst, zelebriert seine eigene Herrlichkeit in kompromissloser Kühnheit. Der Autor treibt alles gnadenlos auf die Spitze, der Schreibstil liest sich sehr unterhaltsam.⁣

    Als das Nichtstun auf Dauer nicht zum erwünschten Glück führt und seine Eltern zunehmend in Verzweiflung verfallen, geht unser Held zur Universität. Dort will er sich auf der Stelle für ein Medizinstudium einschreiben, als habe man dort nur auf ihn gewartet. Aber dann: Fehlschlag! Er ist bass erstaunt, dass er zum einen viel zu spät dran ist und es außerdem einen Numerus Clausus gibt, den seine Abiturnoten nicht erfüllen. So muss er vorlieb nehmen mit einem Studium der Geisteswissenschaften, wie anscheinend eine wahre Heerschar von anderen Student:innen.⁣

    Kaleyta fängt sehr prägnant ein, welche Schwierigkeiten es mit sich bringt, in einer völlig überfüllten Universität zu studieren. Der Protagonist begegnet Dozenten, die so grundlegend desillusioniert sind, dass sie ihr eigenes Fach als wertlos erachten und ihren Student:innen keinerlei Chancen im Leben zutrauen. Seine egozentrische Geltungssucht prallt schonungslos auf die Realität, sein verächtlicher Blick rückt ganz reale Probleme in den Fokus.⁣

    Damit beginnt leider ein Zyklus, der sich stets aufs Neue mit leichten Variationen wiederholt: Der Protagonist fühlt sich vom Schicksal unfair behandelt. Er beklagt sein ach so hartes Los, während Eltern und Freunde ihm großzügig sein bequemes Leben finanzieren. Ihm fällt ein unverdientes Glück in den Schoß, das er aber als ihm nicht würdig genug erachtet und daher entweder ausschlägt oder ruiniert.⁣

    Zum Beispiel kommt ihm einmal in den Sinn, er wolle doch mal ins Ausland, und das bitte sofort und kostenlos. Prompt erhält er ein Stipendium für ein Studium in Madrid, inklusive 1.000 Euro im Monat für Lebenskosten – mit der Auflage, er müsse dann aber auch beweisen, dass er es mit dem Studium ernst meint, indem er zeitig Klausuren ablegt. Aber er hält es monatelang nicht einmal für nötig, die Universität zu betreten, und wundert sich dann, dass es Konsequenzen hat.⁣

    Irgendwann überreizte er mein Wohlwollen über jedes Maß hinaus.Er wird immer wieder aufgefangen von den Menschen in seinem Leben, er hat niemals wirklich ein hartes Schicksal. Die Konsequenzen tragen im Grunde stets die anderen, und das schert ihn herzlich wenig. Das fand ich für etwa die ersten 100 Seiten ja noch amüsant – aber dann ermüdete mich die ständige Wiederholung.⁣

    Für eine ernsthafte Geschichte mit einer Dosis Gesellschaftskritik ist das Ganze in meinen Augen zu übersteigert.⁣

    Alleine schon, wie er seine Freunde behandelt! Für ihn sind sie wenig mehr als Kummerkästen und Geldmaschinen, ihm kommt gar nicht in den Sinn, ihnen jemals etwas zurückzugeben – noch nicht einmal ein offenes Ohr. Dennoch lassen sie alles stehen und liegen, wenn er mit den Fingern schnippt, ruinieren sich lieber selbst, als ihm etwas zu verwehren. Warum? Seine einzige einnehmende Eigenschaft besteht in seinen außergewöhnlich weichen Händen.⁣

    Für Satire hat es meines Erachtens zu wenig Biss und zu wenig Aussage.⁣

    Denn was wird hier denn satirisch dargestellt? Es geht ja nicht um einen jungen Mann, der versucht, sich aus einer niederen Klasse hochzuarbeiten, aber vom System klein gehalten wird – es geht um einen Schmarotzer, der alles geschenkt bekommt, dem aber nichts gut genug ist. Er ruiniert sich den gesellschaftlichen Aufstieg selbst. Geht es um den Zeitgeist? Geht es um den modernen jungen Menschen, der sich quasi stets nur im Selfie abbildet?⁣

    Am Anfang war ich ja auch durchaus angetan, aber irgendwann fragte ich mich: und nun? Was soll ich jetzt daraus mitnehmen? Das Ende durchbricht in einer Schlusspointe diesen Zyklus der Selbstherrlichkeit – aber das passte für mich nicht dazu, wie die Persönlichkeit des Protagonisten bis dato dargestellt worden war. Er erscheint wie ein ganz anderer Mensch, ohne dass dieser Wandel sich nachvollziehbar vollzogen hätte. Höchstens könnte ich sagen: Er ist am Schluss genau in dem Leben angekommen, das angesichts seiner Herkunft den Erwartungen entspricht.⁣

    Fazit⁣

    Ein junger Mann aus einfachem Hause hält sich quasi für Gottes Geschenk an die Menschheit. Er lässt sich durchs Leben treiben, im festen Glauben, Glück, Ruhm und Wohlstand müssten ihn wohlverdienter Maßen schon von selbst ereilen. Er ruiniert sich viele Chancen, was aber immer von seiner Familie und seinen Freunden aufgefangen wird. Immer wieder fällt ihm das Glück in den Schoß, wird aber von ihm als nicht gut genug verschmäht.⁣

    Das fand ich anfangs originell und unterhaltsam, doch die Geschichte wiederholt sich in Grundzügen immer wieder, mit nur wenigen Abweichungen. Selbstüberschätzung. Fehlschlag. Intervention der Menschen um ihn herum. Selbstüberschätzung…⁣

    Das Ende weicht radikal davon ab, aber dies erfordert eine komplette Umkehr der Persönlichkeit des Protagonisten. Im Laufe der Geschichte hat er zuvor jedoch vor allem seine komplette Unempfänglichkeit für Wandel jeglicher Art demonstriert, sodass mir das Ende nicht vollständig glaubhaft erschien.

    Teilen