Die Frauen von Själö: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Frauen von Själö: Roman' von Johanna Holmström
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Inhaltsangabe zu "Die Frauen von Själö: Roman"

In einer Herbstnacht im Jahr 1891 ertränkt Kristina Andersson ihre zwei schlafenden Kinder im Meer. Sie kommt in die Nervenheilanstalt auf Själö, einer Insel im Schärengarten Finnlands - kaum eine der Patientinnen, die hier eingewiesen werden, verlässt die Insel jemals wieder.
Vierzig Jahre später wird die siebzehnjährige Elli ebenfalls dort eingeliefert. Sie wünschte sich mehr vom Leben als die Enge ihres Elternhauses. Sie lief von zu Hause weg, verliebte sich Hals über Kopf und musste vor der Polizei fliehen. Doch zu ihrer Zeit erlaubt man Frauen den Ausbruch aus ihrem Leben nicht. Jetzt ist sie ebenfalls gefangen auf der Insel Själö, wo die Zeit stillzustehen scheint ...

Ein bildreicher und fesselnder Roman über zwei Frauen, die einen hohen Preis für ihr Verlangen, ihre Liebe und ihr Streben nach Freiheit bezahlen mussten.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:368
EAN:9783550050442

Rezensionen zu "Die Frauen von Själö: Roman"

  1. Wenn die Gedanken anders denken als man selbst

    Klappentext:

    „In einer Herbstnacht im Jahr 1891 ertränkt Kristina Andersson ihre zwei schlafenden Kinder im Meer. Sie kommt in die Nervenheilanstalt auf Själö, einer Insel im Schärengarten Finnlands – kaum eine der Patientinnen, die hier eingewiesen werden, verlässt die Insel jemals wieder.

    Vierzig Jahre später wird die siebzehnjährige Elli ebenfalls dort eingeliefert. Sie wünschte sich mehr vom Leben als die Enge ihres Elternhauses. Sie lief von zu Hause weg, verliebte sich Hals über Kopf und musste vor der Polizei fliehen. Doch zu ihrer Zeit erlaubt man Frauen den Ausbruch aus ihrem Leben nicht. Jetzt ist sie ebenfalls gefangen auf der Insel Själö, wo die Zeit stillzustehen scheint ...“

    Johanna Holmström hat mit ihrer Geschichte „Die Frauen Själö“ die nordischen Stimmung Finnlands extrem gekonnt und treffsicher eingefangen. Ihr Sprachstil ist extrem bildhaft und die Story um die Nervenheilanstalt auf Själö hat ein magisches Flair. Die beiden Geschichten von Kristina und Elli fügen sich auf der Insel zusammen, auch wenn dazwischen vierzig Jahre liegen, aber dennoch scheint die Zeit dort eine andere zu sein. Holmström hat mich persönlich hier stark gefangen genommen. Ihre Worte sind treffsicher und passend, lassen Zeit und Geschehen vor dem Auge aufleben aber dennoch ist alles in dunkles Licht gehüllt. Ein Schleier von alter Zeit liegt auf der Anstalt. Viele sehen darin einen Ort ohne Wiederkehr ins „normale“ Leben. Kristina sowie Elli werden mit ihren Geschichten aus der Vergangenheit konfrontiert - eine Selbstanalyse beginnt und Själö nimmt die beiden gefangen. Was ist denn im Kopf los, um das man hier endet? Warum gerade hier? Warum gerade ich hier? Was ist richtig? Was ist falsch? Was machen alle hier? Diese Geschichte hat enorm viele Fragen, die langsam aber gewissenhaft beantwortet werden. Der finnische Charakter ist auch hier zu spüren - alles bleibt dezent, aber kraftvoll wenn es notwendig ist.

    Mich hat diese Geschichte sehr beeindruckt und genau deshalb gibt es sehr gute 4 von 5 Sterne.

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  1. Trauriges Mahnmal

    Der Roman „Die Frauen von Själö“ der Autorin Johanna Holmström erzählt die Geschichte zweier Frauen, die zu unterschiedlichen Zeiten Insassinnen einer Nervenheilanstalt, gelegen auf einer Insel im finnischen Schörengarten, sind. Beispielhaft stehen diese beiden Einzelschicksale im Mittelpunkt der Erzählung für das Schicksal von psychisch kranken Frauen zu früheren Zeiten, den Behandlung eher an Gefängnisaufenthalte als an Heilung erinnerte.

    Die Handlung setzt 1891 mit Kristina ein, die nach der Geburt eines unehelichen Kindes im gesellschaftlichen Abseits stehend zwar einen Partner findet, doch ihr Alltag ist bestimmt von Einsamkeit und zunehmender Erschöpfung. Sie ertränkt ihre eigenen Kinder im Fluss und landet schließlich in der Nervenheilanstalt Själö. Dies ist für sie wie für die meisten anderen Patientinnen auch Endstation, die sie nie wieder verlassen werden. Gesellschaftlich geächtet und nicht gebraucht, ohne Therapie, vegetieren die eingesperrten Frauen in diesem Gefängnis dahin.

    Die 17jährige Elli wird in den 1930er Jahren mit Depressionen nach einem Ausbruchsversuch mit ihrer großen Liebe in die Nervenheilanstalt eingewiesen. Sigrid, eine neue Pflegerin, die ihren Dienst kurz vor Ellis Einweisung antrat, versucht sich den Patientinnen mit Verständnis und Empathie zu nähern anstatt zu bestrafen und stößt dabei an Grenzen des eingefahrenen unmenschlichen Systems und harter überholter Denkstrukturen.

    Schonungslos und eindringlich schreibt die Autorin davon, wie die psychisch kranken Frauen in der Anstalt weggesperrt, bestraft und gegängelt statt behandelt wurden und ohne Hoffnung verkümmerten. Erschreckend liest es sich, wie Menschen, die den gesellschaftlichen Anforderungen nicht genügen konnten, einfach aus dem Blickwinkel der Menschen verschwanden und in Nervenheilanstalten wie in der Klinik Själö verwahrt wurden, ohne Chance auf Rückweg ins normale Leben.

    Schon der historische Beginn mit der Beschreibung eines verabscheuungswürdigen Behandlungsverfahrens der Hysterie des französischen Hofarztes Pierre Pommes aus dem 18.Jahrhundert durch Kältebad, bei dem die stolz verkündete Heilung auch den Tod der Patientin zur Folge hatte, weist auf gute Recherche der Autorin hin.
    Doch werden die Erwartungen der Leser an eine psychiatrische Schauergeschichte nicht erfüllt, Johanna Holmström wählt leise Töne, um von der verheerenden Frauenschicksalen zu berichten, von Landschaftsbeschreibungen getragen vermittelt sie aber trotz der Ruhe ein Gefühl der Gewalt.

    Die mit viel Empathie gezeichneten Frauenfiguren tragen die Geschichte, Männer sind die abwesenden Strippenzieher im Hintergrund, was den Roman in meinen Augen den damaligen Einfluß des Patriarchats auf Frauen umso deutlicher herausstreicht.

    Ein lesenswertes Buch, das auf Tatsachen beruht, sehr eindringlich geschrieben, wenn auch manchmal ein bisschen langatmig und mit einem mir zu versöhnlichen Ende.

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