Die Formel: Thriller

Buchseite und Rezensionen zu 'Die Formel: Thriller' von Dan Wells
4.5
4.5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Die Formel: Thriller"

Broschiertes Buch
Als der Wissenschaftler Lyle Fontanelle im Auftrag der Kosmetikfirma NewYew die neue Hautcreme ReBirth entwickelt, ahnt er nicht, was für eine Katastrophe er damit auslöst. Erst als Testpersonen merkwürdige Symptome aufweisen, erkennt er, dass etwas gehörig schiefgelaufen ist: Denn statt Hautzellen nachhaltig zu regenerieren, überschreibt ReBirth die DNA der Nutzer - und macht sie zu Klonen anderer Personen. Geblendet von Gier, bringt NewYew das Produkt dennoch auf den Markt und kann die verheerenden weltweiten Konsequenzen nicht mehr aufhalten. Denn jeder will ReBirth für seine Zwecke nutzen. Nicht zuletzt könnte die Creme als gefährliche Waffe missbraucht werden ...

Autor:
Format:Broschiert
Seiten:528
Verlag: Piper
EAN:9783492704694

Rezensionen zu "Die Formel: Thriller"

  1. "Extreme Makeover" so der Originaltitel...

    ... und kommt dem Inhalt dieses Scifis, der aus dem Amerikanischen von Jürgen Langowski übersetzt wurde, wesentlich näher.
    Denn was Lyle Fontanelle da im Labor in New York entwickelt hat, sollte eine Anti-Aging-Handlotion werden, die die Collagenproduktion anregt und sogar Narben verschwinden lassen soll. Die ersten Tests an Probanden scheinen gut zu laufen, nur einer der Versuchsteilnehmer erscheint nicht zum zweiten Termin.
    Alle Bedenken Lyles über Bord werfend, will die Kosmetikfirma NewYew das Produkt auf den Markt werfen. Unerwartet schnell treten dann weitere Probleme auf. Lyle erkennt, dass das Produkt mit dem eingebauten Retrovirus, anfängt, die DNA der Benutzer zu überschreiben. Prima! Schnell ersinnt sich NewYew neue Werbeslogans, verheimlicht der Gesundheitsbehörde die wahren Zutaten des Teufelszeugs und ist sich sicher, mit dem innovativen Schönheitsmittel mit Jungbrunnenfunktion die Welt erobern zu können.
    Lyle recherchiert und findet heraus, dass der verschwundene Tester verstorben ist und seine Assistentin, die auch mit der Lotion in Berührung kam, darniederliegt und sich gerade von einer attraktiven Frau in einen Mann verwandelt. Auch die anderen Probanden beschweren sich über merkwürdige Veränderungen.

    Nicht nur dem brillanten Tüftler Lyle, auch dem Leser schwant Übles. Die kurzen 62 von insgesmat 64 Kapiteln zählen nämlich die 267 Tage bis zum Weltuntergang (die Welt geht übrigens nicht unter, wenn, dann geht die Menschheit unter) und damit auch niemand zweifelt, gleich in Fettdruck. Und weil das eine verdammt kurze Zeit ist, passiert auch viel auf einmal. Da kann es auch vorkommen, dass nach nur einem Tag die Frau des Firmenvorstands sich schon für eine jüngere, hübsche Version ihrer selbst entschieden hat, während ihr Mann noch überlegt, welche Möglichkeiten ihm offenstehen. Da werden kluge Gedanken gedacht und gleich im nächsten Satz über Bord geworfen. Da treten Konkurrenzfirmen auf den Plan, das Militär, unser Autor himself und kurz vor der Apokalypse selbstverständlich auch die letzten 20 Länder der Welt, die sich tatsächlich nach all den vergeblichen Jahrzehnten von einem Treffen in der UNO eine Lösung erhoffen. In diesem schlichten, schlanken Gebäude am East River findet dann auch praktischerweise der Showdown statt. Es wäre das Ende für alle gewesen, aber wichtige Leute haben immer abfahrbereite Boote in der Nähe und einen Plan B zur Hand (James Bond lässt grüßen).
    Wie gesagt, das Chaos ist angerichtet und jeder Rettungsversuch ausgeschlossen. Die DNA verändernde Substanz ist ins Trinkwasser geraten, inzwischen laufen 10.000 Lyles durch die Gegend. Zeit für religiöse Anfüherer, den Leuten das Ewige Leben zu versprechen... was ja auch ein angenehmer Nebeneffekt ist. Witzig sind die vielen Doppelidentitäten, die Verwandlungen von Mann zu Frau und umgekehrt, die teilweise, amüsanten Dialoge und dieses gegenseitige Misstrauen, wer das Gegenüber denn nun wirklich ist und was vor allem dessen Absichten sind. Das bringt nicht nur Farbe ins Sprachbild, sondern ist auch Sudoku fürs Hirn.

    Allerdings sollte man nicht allzu lange über Biochemie und Virologie nachdenken (ein Herr Drosten wäre entsetzt), vielmehr sollte man die Namensgebungen der Protagonisten und Anwendungsmöglichkeiten der Handlotion genießen, weniger der Science und mehr der Fiction in diesem zugegebenermaßen spannenden Roman folgen, dann hat man den Mehrwert in dieser Geschichte extrahiert. Denn die Idee und Intention zu diesem Roman sind durchaus eine Story wert, das Vorwort ließ Großes ahnen, die Danksagung unterstrich die gute Absicht, dazwischen waren mir persönlich zu viele Stereotype und hormongesteuerte Action. Trotzdem ein Daumen auf Dreiviertelmast.

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  1. Genialer Genremix

    Was für ein originelles, witziges, böses, intelligentes und absolut grandioses Buch. Was für ein Geniestreich, wenn eine Hautcreme die Apokalypse auslösen kann und der Leser dabei so richtig Spaß hat – und dennoch zum Nachdenken angeregt wird.

    Zitat:
    »Wissen Sie, wer Sie sind? Wissen Sie, was Sie zu dem macht, der sie sind? Wir sind wie das Schiff des Theseus, wir werden in einem unendlichen Zyklus zerstört und geheilt. Ist ihr Körper dauerhaft? Kein Molekül und keine Zelle entsprechen mehr dem, was Sie bei der Geburt mitbekommen haben. (…) Aber ist das Bewusstsein dauerhaft? Die Erinnerungen branden hoch und schwinden wie Ebbe und Flut. Ihr Bewusstsein hat mehr verloren, als es je wiedergewinnen kann.«

    Lasst euch diese tiefsinnige Passage eine Weile auf der Zunge zergehen. Kaum zu glauben, dass aus dem gleichen Buch Sätze wie diese stammen:

    Zitat:
    »Unsterbliche Supermodel-Lesben sind ein notwendiger Nebeneffekt, und… Meine Güte, klingt das schrecklich, wenn ich es so ausdrücke!«
    »Sie sind widerlich«, stellte Lyle fest.

    Dan Wells verrät im Nachwort, wie ungemein wichtig ihm “Die Formel” als Buchprojekt war bzw. ist, und das merkt man auch.

    Mit seiner ‘Serienkiller’-Trilogie setzte er sich schon über Genre-Grenzen hinweg und beeindruckte mit einer überraschenden und innovativen Mischung aus Horror, Thriller, Urban Fantasy und Jugendbuch – und nun übertrifft er sich in meinen Augen selber mit einem Genre-Mix aus Science Fiction, Humor und Thriller.

    Der Humor ist absurd und böse und sicher nicht jedermanns Sache. Der Autor erreicht damit jedoch eine großartige Balance zwischen Science Fiction, die sich mit Bravado selber parodiert (siehe ‘Unsterbliche Supermodel-Lesben’), und bestechend relevanter Sozialkritik. Was er dabei anprangert ist nicht nur die Gier der Pharmaindustrie, sondern auch unser verdrehtes Bild von Schönheit, das in den Medien propagiert wird und das wir viel zu unreflektiert als Maßstab für unseren eigenen Selbstwert nehmen.

    Wie glaubhaft das Ganze von einem wissenschaftlichen Standpunkt ist, kann ich nicht beurteilen.

    Im Grunde sieht es meines Erachtens so aus: entweder man beschließt nach den ersten Kapiteln, sich einfach darauf einzulassen, oder das Buch ‘funktioniert’ nicht. Aber was hat man dabei schon zu verlieren?

    Spannend ist es auf jeden Fall.
    Das fängt schon beim ersten Blick ins Inhaltsverzeichnis an, wenn man feststellt, dass die Kapitel einen Countdown bis zum Weltuntergang herunterzählen – man fragt sich die ganze Zeit, ob es wirklich dazu kommen wird oder nicht. Mit jedem Kapitel wird die Geschichte aberwitziger, bis es manchmal fast etwas von Slapstick hat, aber gleichzeitig legt der Autor die Daumenschrauben an. Es findet ein rasantes Wettrüsten statt, um das Ende der Welt abzuwenden und dabei möglichst noch Profil einzustreichen.

    Es wird zunehmend schwieriger, die Charaktere auseinander zu halten, aber das ist sicher ein gewollter Effekt, immerhin geht es hier um eine Hautcreme, die Menschen klont. Und natürlich versucht absolut jeder, das zu seinem Vorteil einzusetzen…

    Der Held der Geschichte ist jedenfalls überhaupt kein Held, in keiner Hinsicht.
    Lyle Fontanelle hat oft die besten Absichten und sogar ein paar halbherzige Prinzipien – aber leider kein Rückgrat. Er hat der Welt die Katastrophe eingebrockt, aber nicht die Absicht, bei einem Rettungsversuch sein Leben zu riskieren (außer es geht um eine Frau, in die er verliebt ist). Für einen Großteil des Buches war er mir trotzdem irgendwie sympathisch, bis er sich mein Wohlwollen kurz vorm Ende dann doch noch verspielte. Dennoch ist er meiner Meinung nach ein wunderbarer Buchcharakter, weil man immer wissen will, wie es mit ihm weitergeht – egal, wie katastrophal ihm alles misslingt.

    Der Schreibstil ist ein wenig durchwachsen.
    Es gibt Passagen, in denen die Sätze holpern, sich verschachteln oder im Zusammenhang einen unklaren Sinn ergeben (was allerdings an der Übersetzung liegen könnte), aber dafür gibt es wirklich fantastische Passagen, wo der Autor über sich hinauswächst.

    FAZIT
    Lyle Fontanelle wollte eigentlich nur eine revolutionäre Hautcreme entwickeln, die die Haut veranlasst, Zellen mit mehr Kollagen zu produzieren – aber was dabei herauskommt, ist auf andere Art revolutionär als geplant, denn die Creme programmiert die DNA eines Menschen komplett um…

    “Die Formel” ist alles, nur nicht 08/15. Zwischen bitterbösem Humor und Sozialkritik erzählt Dan Wells eine rasante apokalyptische Geschichte jenseits der Klischees.

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