Die Aprilhexe

Rezensionen zu "Die Aprilhexe"

  1. Einblick in Schwedens Sozialpolitik und ein Schuss Mystik

    Desiree, sprachlos, von epileptischen Krämpfen ans Bett des Pflegeheims gefesselt, besitzt die Gabe, ihren Geist Tierwesen und manchmal auch Menschen aufzuzwingen und durch deren Augen die Umwelt zu erkunden und zu manipulieren. Sie erzählt uns die Geschichte der drei Frauen Margareta, Christina und Birgitta, die zusammen einen Teil ihrer Kindheit bei der Pflegemutter Ellen verbracht haben.
    Desiree pflegt eine enge und eifersüchtige Verbindung zu diesen vier Frauen. Schließlich stirbt Ellen, die Pflegemutter und die inzwischen erwachsenen Frauen gehen ihrer eigenen Wege, sorgsam darauf bedacht, den jeweils anderen nicht über den Weg zu laufen. Doch Desiree schafft es mit ihren Manipulationen, dass sie sich doch wieder treffen und ihre Wut über Ungerechtigkeiten, unausgesprochenen Geheimnissen und Missverständnissen gegenseitig vorwerfen.
    Ihre drei Leben hätten unterschiedlicher nicht sein können und den vermeintlichen Halt, den sie bei ihrer Pflegemutter bekommen sollten, wird von Ellens eigener dunkler Vergangenheit getrübt.
    Einzig Desiree, abgekapselt im Heim, scheint alle Wahrheiten zu kennen und so erfährt auch der Leser nach und nach alle Abgründe von Gewalt, Alkoholmissbrauch, Prostitution und vor allem der Stellung der Frau in allen Gesellschaftsschichten der 60er und 70er Jahre, nicht nur in Schweden.
    Der schriftstellerische Kniff, der mystischen Geisteswanderung Desirees, hilft beim Konstrukt der Geschichte, dass der Leser selbst alle Geheimnisse kennenlernt, ohne dass die Figuren sie preisgeben müssten. Denn das tun sie nicht, sie schweigen. Sie schweigen und ertragen. Sie fragen nicht, sie urteilen. Sie urteilen, trotz eigener Erfahrungen und so wird sinnvolle Hilfe wohl noch auf sich warten lassen.

    Majgull Axelsson schafft es, mit ihrem atmosphärisch dichten Roman eine Spannung zu erzeugen, die erst nach Beendigung der Lektüre ihre ganze Tragweite für die reale Welt offenbart. Geschickt mogelt uns Frau Axelsson in dieser Geschichte Themenkerne unter, über den nicht nur Feministinnen nachdenken sollten. Ein tolles Buch, mit viel Mehrwert!

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