Der Weg nach Los Angeles

Buchseite und Rezensionen zu 'Der Weg nach Los Angeles' von John Fante
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2 von 5 (7 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Der Weg nach Los Angeles"

»John Fantes Romane gehören zum Besten, was die amerikanische Literatur je hervorgebracht hat.« Charles Bukowski 50 Jahre nach seinem Tod erschien Fantes erster Roman um sein Alter Ego Arturo Bandini, einen so größenwahnsinnigen wie stolzen Italo-Amerikaner, der das Glück im Kalifornien der 30er Jahre sucht. Alex Capus hat das Originalmanuskript aufgespürt und Arturo Bandini neu zum Leben erweckt. Anfang der dreißiger Jahre, ein Vorort von Los Angeles: Nach dem Tod seines Vaters muss sich der 18-jährige Arturo Bandini in einer heruntergekommenen Fischfabrik sein Brot verdienen. Doch er hat den Alltag und den endlosen Kleinkrieg zu Hause satt. Er liest Schopenhauer und Nietzsche und träumt von Höherem: Er möchte Schriftsteller werden. Und dafür muss er nach Los Angeles gelangen. Schnell schließt der Leser diesen arroganten, bös-witzigen und doch so sehnsuchtsvollen jungen Mann in sein Herz. Und träumt seinen großen Traum mit ihm. Der Roman erschien nicht mehr zu Fantes Lebzeiten, zu provokant waren Thema und Sprache für das Amerika der dreißiger Jahre. Erst 1985 wurde er veröffentlicht, bei Blumenbar nun erstmals in gebührender Übersetzung.

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:268
Verlag: Blumenbar
EAN:9783351050450

Rezensionen zu "Der Weg nach Los Angeles"

  1. Tagträume eines boshaften Fantasten

    Der 1909 in Colorado geborene und 1983 in Los Angeles verstorbene Schriftsteller John Fante gehört zur Riege jener Autoren, denen erst postum die literarische Anerkennung zuteil wurde, nach denen sie sich ein Leben lang vergeblich verzehrten. US-Kultautor Charles Bukowski, Fantes Bruder im Geiste, nannte ihn seinen "Gott". Wie Fante hat sich auch Bukowski mit dem Leben in gesellschaftlichen Randgruppen auseinander gesetzt und diese Leben schonungslos porträtiert. Und der Fürsprache des berühmten Verehrers ist es wohl mit zu verdanken, dass Fantes Bücher wiederentdeckt und späte Würdigung erfahren haben.

    "Der Weg nach Los Angeles" ist Fantes Erstling, geschrieben zu Beginn der 1930er Jahre. Der 18jährige Held dieser Geschichte, Arturo Bandini, lebt mit Mutter und Schwester in sehr bescheidenen Verhältnissen nicht weit von Los Angeles. Die Familie ist aus Italien eingewandert.

    Arturo liebt Sprache, liest Nietzsche und träumt von einem Leben als Schriftsteller. Aber die Realität ist meilenweit von diesem Traum entfernt und führt ihn tagsüber zur Arbeit in die Fischfabrik. Er ist auf der sozialen Leiter ganz unten. Das ist der Stoff, aus dem eine bewegende Geschichte hätte entstehen können, etwa ein Portrait einer typischen italoamerikanischen Einwandererfamilie mit all ihren Sorgen und Nöten oder auch die Geschichte eines Aufsteigers, der es unter widrigsten Umständen mit Biss und Charakter doch noch nach oben schafft. Fante hat später mit "1933 war ein schlimmes Jahr" tatsächlich so eine Erzählung geliefert.

    "Der Weg nach Los Angeles" ist all das nicht. Das liegt vor allem am Protagonisten dieser Geschichte. Selten findet sich in einem Roman eine Hauptfigur, die so ganz und gar unsympathisch ist. Arturo ist ein Großmaul, ein Angeber, ein Rassist, ein Tierquäler. Er sieht ausnahmslos auf alle herab, ohne dass es für diese Arroganz in der Realität irgendeine Grundlage gäbe. Dieses Verhalten mag der Wut auf seine sozialen Umstände geschuldet sein, eine Entschuldigung ist es nicht.

    Natürlich ist die Geschichte der Literatur auch die Geschichte der menschlichen Ungeheuer und Unsympathen. Für den Leser interessant werden diese Figuren aber dann oft erst durch die außergewöhnliche Geschichte, die sie voran treiben oder auch eine Weiterentwicklung und Wandlung, in der verschütt gegangene menschliche Züge wieder zum Vorschein kommen. Bei Arturo gibt es weder das eine noch das andere. Schade.

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  1. 2
    07. Jan 2018 

    Ein größenwahnsinniger Tagträumer mit vielen Komplexen

    Spannende Eindrücke in der Leserunde, interessant, sich mit anderen LeserInnen auszutauschen. Ich werde am Ende dieser Buchbesprechung die Leserunde mit meinem Blog verlinken. Damit ich nicht alles nochmals schreiben muss, habe ich meine Argumente hier reinkopiert. Die späteren Argumente sind im Forum nachzulesen …

    ... denn die Leserunde ist noch nicht abgeschlossen. Es lohnt sich also, dort immer wieder vorbeizuschauen.

    Wir waren uns in der Leserunde alle einig. Der 18-jährige Protagonist und Icherzähler Arturo Bandini ist uns total unsympathisch. Tina war die Einzige, die versucht hatte, Verständnis für den jungen Menschen aufzubringen. Revolte und Protest seien völlig normal in diesem Alter, doch später konnte ihm Tina auch keine Sympathie mehr abgewinnen.

    Doch zuerst gebe ich erneut den Klappentext rein:
    Anfang der dreißiger Jahre, ein Vorort von Los Angeles: Nach dem Tod seines Vaters muss sich der 18-jährige Arturo Bandini in einer heruntergekommenen Fischfabrik sein Brot verdienen. Doch er hat den Alltag und den endlosen Kleinkrieg zu Hause satt. Er liest Schopenhauer und Nietzsche und träumt von Höherem: Er möchte Schriftsteller werden. Und dafür muss er nach Los Angeles gelangen. Schnell schließt der Leser diesen arroganten, bös-witzigen und doch so sehnsuchtsvollen jungen Mann in sein Herz. Und träumt seinen großen Traum mit ihm. Der Roman erschien nicht mehr zu Fantes Lebzeiten, zu provokant waren Thema und Sprache für das Amerika der dreißiger Jahre.

    Arturo ist für mich nur ein Pseudointellektueller. Er steckt in einem Identitätskonflikt, da er jemand anderes sein möchte. Viel Wind für nichts. Ich kann ihn nicht wirklich ernst nehmen. Er rennt mit Büchern namhafter Autoren durch die Gegend, um jedem zu zeigen, was er für Bücher liest. Er zitiert sehr häufig Friedrich Nietzsche und dessen Zarathustra. Arturo ist demnach ein Mensch, ein potenzieller Tagträumer, der nicht in seiner Welt lebt.

    Er lehnt wie Nietzsche auch sämtliche Religionen ab, er lehnt auch Frauen ab. Aber Arturo ist dadurch auch sehr widersprüchlich in seiner Lebensart … Und er ist ein Kotzbrocken. Er beschimpft Gott, die Welt und seine Familie, die aus seiner Mutter, seiner 16-jährigen Schwester und einem Onkel besteht.

    Er versucht unbewusst in die Identität von Friedrich Nietzsche zu schlüpfen und nimmt sich dabei viel zu wichtig. Doch manche Äußerungen sind zum Wegschießen, dreist- und lustig zugleich …

    Er führt Krieg mit Krebstieren und mit Insekten. Er tötet diese Tiere in einer sehr sadistischen Form. Grauenvoll, diese Szenen möchte ich nicht wiedergeben …

    Onkel Frank ist auch eine merkwürdige Kreatur. Er bezeichnet Arturo als Hurensohn; in dieser Beziehung fand ich es gut, wie sich Arturo gegen diese Äußerung auflehnt, in der Art, dass, wenn er der Sohn eine Hure sei, müsse der Onkel der Bruder der Hure sein ...

    Aber Arturo gebraucht selbst auch anderen Menschen gegenüber diesen und andere vulgäre, primitive Ausdrücke ...

    Arturos Vater ist verstorben, und nun muss er als das Familienoberhaupt für seine Mutter und seine Schwester sorgen. Er hält die Jobs nicht aus, und kündigt immer wieder, oder er wird gekündigt und seine Rolle als Arbeiter ist für ihn nicht hinnehmbar, da viel zu bieder, er habe etwas Besseres verdient.

    Ich versuche, mich diesbezüglich in seine Lage hineinzuversetzen. Arturo hat die High-School mit Abschluss verlassen, ist 18 Jahre alt und zu der damaligen Zeit war man mit 18 Jahren noch minderjährig. Es stört mich, dass er die Familie versorgen muss. Eigentlich müsste die Mutter, die sehr einfach gestrickt zu sein scheint, arbeiten gehen, aber sie macht sich vom Sohn und von den Almosen ihres Bruders, Arturos Onkel, abhängig. Mich nervt ihre Abhängigkeit, und dass sie sich zum schwachen Geschlecht macht. Sie könnte sich auch auf den Weg machen, einen Job zu finden, um für sich und für ihre beiden minderjährigen Kinder zu sorgen. Auch damals gab es schon Frauen, die arbeiten gingen. Und so wird die gesamte Verantwortung dem Sohn übertragen, weil er der Mann im Haus ist, sodass er gar keine Möglichkeit hätte, sich weiterzubilden bzw. eine berufliche Ausbildung zu absolvieren.
    Doch Arturo könnte auch eine Abendschule besuchen aber dafür zeigt er auch keinen Elan, außer, dass er sich von Beruf als Schriftsteller ausgibt, allerdings ohne einen Text verfasst zu haben. Ein Traumtänzer, der in anderen Sphären lebt, und in Konflikten gerät, wenn beide Welten, Traum und Wirklichkeit, aneinander geraten.

    Auf den späteren Seiten zeigt Arturo Autoaggressionen, verletzt sich selbst am Daumen, erkennt aber, dass der Schmerz der Einsamkeit größer sei. Auf Seite 161 versucht er zu beten, hält seine innere Krise schwer aus. Ein stark ambivalentes Verhalten, zwischen Auf- und Abwertung sich selbst gegenüber ... Auf der Seite 163 spricht er von seinen inneren Kämpfen mit sich selbst ... Niemand sei in der Lage, in sein Inneres zu dringen. Wie denn auch, er tut alles Mögliche, die Menschen von sich fernzuhalten.

    Ein Lügenbold, erzählt zu Hause, er habe sich in der Fabrik verletzt und bezeichnet sich als Sklave, er opfere sich für die Familie, doch eigentlich habe er kein Leben in der Fischindustrie verdient, sondern er sehnt sich nach einem Leben im Land des Arkadien, in dem Milch und Honig fließen ... Arkadien, eine literarische Metapher, in dem die Menschen für das süßliche Leben nichts tun müssen, außer den Mund aufzutun. Alles fließt von selbst in den Mund.

    Ziemlich dreist belügt er auch seinen Chef in der Fischfabrik in voller Länge, der die Lüge nicht durchschaut und so wird Arturo durch Mitleid für mehre Wochen freigestellt …

    Zu Hause findet er seine Schwester lesend vor. Er reißt ihr das Buch aus den Händen und zerreißt es in tausend Stücken, als sie sich geweigert hatte, den Buchtitel preiszugeben. Doch was war es denn für ein Buch? Welchen Titel hatte es? Das hätte mich wirklich brennend interessiert. Ich hätte mir den Buchtitel vor dem Zerreißen angeschaut.
    >>Ich ernähre deinen Leib. Da habe ich wohl das Recht zu erfahren, womit du deinen Geist fütterst. << (170)
    Es ist ganz klar, dass Arturo Vorbilder sucht, und seine Vorbilder sind namhafte Schriftsteller. Der schlechte Umgang mit Frauen, den muss er sich auch von Nietzsche abgeguckt haben. Er zitiert viel aus Zarathustra. Nietzsche als der große Atheist und Nietzsche, der kein Freund von Frauen war. In meiner Jugend hatte ich den Zarathustra selber gelesen und erinnere mich vage, dass auch Nietzsche etwas gegen Frauen hatte ... Einerseits war Nietzsche von Frauen abhängig und andererseits fühlte er sich von den Frauen angewidert.

    Unser Held Arturo behandelt die Frauen wie Insekten …

    Ich habe mal gegoogelt, und tatsächlich war Nietzsches Frauenbild negativ besetzt, habe es also richtig in Erinnerung.

    Arturo kommt hin und wieder dazu, sich selbst zu reflektieren, nur leider nicht besonders lange. Er gibt schließlich selber zu, dass er keine Lust habe, über sich groß nachzudenken.

    Aber eine Wende gibt es schließlich doch noch, er hat sich endlich ans Schreiben gemacht und schreibt über eine männliche Figur, die auf der Suche nach seiner Traumfrau ist ...

    Ich hatte mich gefragt, was uns denn der Buchtitel mitteilen wollte? Die Antwort kommt im Buch zum Schluss.

    Es sind für mich viele Fragen offengeblieben. Ich hänge immer noch an der Frage fest, was Arturo zu dem gemacht hat, was er geworden ist? Schade ...

    Das Nachwort von Alex Capus fand ich sehr lesenswert. Aber dass Bukowski Fante zu den besten Autoren Amerikas zählt, ist mir ein Rätsel. Noch scnlimmer, er betrachtete Fante als seinen Gott unter den Schriftstellern ... Ich habe schon bessere Bücher gelesen.

    Mein Fazit?

    Viel zu einseitig erschienen mir die Erzählperspektiven. Immer aus Arturos Sicht. Das war mir zu wenig. Ich hätte gerne mehr von seiner Mutter und der Schwester Mona erfahren. War Mona wirklich so religiös? Wollte sie wirklich ins Kloster? … Monas Sichtweisen haben mir definitiv gefehlt. Und Arturo war mit seinem Größenwahn richtig frech, hat überall Menschen beleidigt, kritisiert, und Ausländer wie Mexikaner und Latinos hat er von oben herab behandelt. Dass ihm keiner eine reingehauen hat, das kann ich nicht glauben.

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  1. Konfus

    Konfus

    John Fantes Roman : Der Weg nach Los Angeles wurde als humorvoll angepriesen, die Figuren könne man sofort ins Herz schließen. Mit dieser Vorstellung begann ich den Roman, und wunderte mich, was mich dort erwartete......

    Arturo Bandini schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch. Seine Mutter und seine Schwester Mona sind mehr oder weniger auf ihn angewiesen. In den 30er Jahren war es für Frauen schwer eine Familie ohne Mann zu ernähren. Doch Arturo lebt in einer Welt in der er der Held ist, Kritik kann er nicht umsetzen. Sobald es schwierig wird, ihm etwas unangenehm ist, findet er einen Grund die Arbeit an den Nagel zu hängen.
    Dies allein ist nicht sein einziges Problem. Er sucht Schuld immer bei anderen, was ihn natürlich nicht weiterbringt. So löst er keine Probleme, er dreht sich im Kreis.
    Arturo sieht sich als Schriftsteller, liest in jeder freien Minute Werke von Nietzsche, bringt aber nichts produktives zu Stande.

    Bestätigung bekommt Arturo keine, zum einen, weil er sich seiner Familie gegenüber sehr tyrannisch verhält. Zum anderen gibt es fast niemanden der ihm Bestätigung schenken könnte. Seine Mutter ist überfordert, unterstützt sein Flegelhaftes Verhalten und toleriert Frauenfeindlichkeit seinerseits. Seine Schwester lässt sich nichts gefallen und erntet daher seinen Zorn. Freunde scheint er keine zu haben. Sehr ungewöhnlich das ein junger Mann so isoliert aufwächst, gerade für junge Menschen sind Beziehungen zu Gleichaltrigen sehr wichtig.

    Mir hat dieser Roman leider gar nicht gefallen, ich wusste oft nicht, was zum Ausdruck gebracht werden sollte. Der Charakter des Arturo Bandini war mir sehr unsympathisch, das allein wäre auch kein Problem gewesen, aber ich würde dann auch gern verstehen warum es so ist. Letztlich bekam ich für kaum ein Ereignis eine wirkliche Erklärung, fühlte mich sehr alleingelassen mit den Fakten. Schade!

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  1. 2
    03. Jan 2018 

    Das konnte Fante besser!

    Wie bewertet man ein schlechtes Buch, dessen Autor man bisher als hervorragenden Schriftsteller erlebt hat, der sich aber in diesem Fall einen literarischen Fehltritt geleistet hat? Ganz klar: mit Bedauern, viel Grübelei, aber am Ende ehrlich. Denn schließlich gilt, nicht das Gesamtwerk zu beurteilen, sondern dieses eine Buch: "Der Weg nach Los Angeles" von John Fante.
    John Fante war ein amerikanischer Schriftsteller (*1909; †1983), der 1938 seinen ersten Roman ("Warte bis zum Frühling, Bandini") veröffentlicht hat. 1939 kam die Fortsetzung "Ich - Arturo Bandini". Fante war zu diesem Zeitpunkt Ende Zwanzig. Beide Romane zeigten autobiografische Züge, behandelten sie doch das Leben eines Schriftstellers mit italienischen Wurzeln (wie Fante) im Amerika der 30er Jahre. Später veröffentlichte Fante weitere Romane, konnte jedoch nicht an den Erfolg der ersten beiden Bücher anknüpfen. Fante wird als Kultautor gehandelt, wodurch auch die Meinung eines weiteren kultigen Kollegens - Charles Bukowski - beigetragen hat ("Er war mein Gott"). Nach Fantes Tod (1983) wurden 3 weitere Romane von ihm veröffentlicht. Eines davon ist sein Erstlingswerk "Der Weg nach Los Angeles". Ich bin der festen Überzeugung, dass Fantes Ruhm dazu beigetragen hat, dass dieses Buch posthum überhaupt eine Chance hatte. Wäre es einem Verlag von einem unbekannten Autor angeboten worden, hätte man es mehr oder weniger höflich abgelehnt - wie Fante zu Lebzeiten selbst feststellen musste. Denn als er 1936 mit eben diesem Roman einen Verlag suchte, hat man ihn schlichtweg abblitzen lassen.

    Aber warum?

    Die Geschichte ist nicht schlecht: Der 18-jährige Arturo Bandini lebt mit Mutter und Schwester in der Nähe von Los Angeles. Mit seinen jungen Jahren ist er der Ernährer der Familie. Der Vater ist verstorben. Arbeit gibt es genug für ihn, leider in der Regel nur Gelegenheitsjobs. Wenn es jedoch darum geht, sich und die Familie durchbringen zu müssen, sollte man(n) nicht zimperlich sein. Arturo ist es aber. Er träumt von Höherem.

    "Ich hatte schon immer weggehen oder alles verändern wollen, und schon immer hatte ich mir vorzustellen versucht, wie das wohl wäre, wenn alles anders wäre. Aber was ich hätte tun können, damit sich etwas änderte, wusste ich nicht." (S 17)

    Arturos Problem ist sein übermächtiges Geltungsbedürfnis. Er fühlt sich seinem Umfeld gegenüber intellektuell weit überlegen und möchte diese Überlegenheit durch einen angemessenen Beruf untermauern. Die Arbeit in einem Laden oder in einer Fischfabrik ist nicht angemessen. Schriftstellerei wäre dies jedoch. Nur blöd, wenn man dermaßen talentfrei wie Arturo ist. Am Ende hat er die zündende Idee, sein Glück in Los Angeles zu versuchen. Hier erhofft er sich die Inspiration für ein grandioses Werk, die ihm bisher verwehrt war. Und hier endet der erste Roman von John Fante.

    Das Lesen dieser Geschichte war anstrengend, wobei dies nicht an Fantes Sprachstil gelegen hat. Denn bereits in seinem Erstlingswerk blitzt seine Sprachgewandheit durch, wenn auch nicht in dem Maße wie ich sie in einem anderen Roman von ihm ("1933 war ein schlimmes Jahr") genossen habe. Aber man stelle sich vor, dass man stundenlang mit einem Menschen zu tun hat, der einem zutiefst unsympathisch ist und über den man sich pausenlos ärgert. Dann weiß man ungefähr, wie es einem bei dem ergeht, was der Ich-Erzähler Arturo Bandini von sich gibt. Arturo fühlt sich zu Höherem berufen. Er stößt die Menschen um sich herum vor den Kopf. Das geschieht mit einer schonungslosen und fast schon brutalen Rücksichtslosigkeit. Wer überheblich und großkotzig daher kommt - was ein Wesenszug von Arturo ist -, erntet keine Sympathie. Auch nicht beim Leser. Was habe ich mir in der Geschichte gewünscht, dass Arturo endlich mal eine Abreibung verpasst bekommt. Ich habe so auf den Helden gehofft, der den Mumm hat, Arturo die Stirn zu bieten (gerne auch auf die Stirn haut). Aber der Held kam nicht. So hat man es als Leser 242 Seiten lang mit einem Arturo zu tun, der mit Abstand zu den unsympathischsten Figuren gehört, die mir bisher in der Literatur begegnet sind. Man sucht seitenlang nach dem kleinsten Fünkchen Hoffnung, dass Arturo sich zu einer positiveren Figur entwickeln wird. Leider vergeblich.

    "Erst kam ich mir ein wenig blöd vor, aber dann kamen mir plötzlich die Jungs alle blöd vor. Sie guckten so dümmlich aus der Wäsche. Sie schufteten so hart. Sie hatten Frauen und Schwärme von schmutzigen Kindern, die sie ernähren mussten, und sie hatten Schulden bei der Elektrizitätsgesellschaft und Schulden beim Lebensmittelladen. Wie aus großer Entfernung betrachtete ich sie, wie sie nackt in ihren Overalls am Fließband standen mit ihren stupiden, pockennarbigen und vor Dummheit aufgedunsenen Mexikanergesichtern, und wie sie mich anglotzten, als sei ich hier der Bekloppte in der ganzen Bande." (S. 129)

    Es ist nicht nur der Hauptprotagonist, der diesen Roman herunterzieht. Fante verliert sich leider in vielen Wiederholungen. So ist Arturo in seiner Fantasie ein Weiberheld. "Seine" Frauen sind Pin-up-Girls etc. aus diversen Zeitschriften, mit denen er seine gedankliche Zeit verbringt. Wenn Fante dann zum wiederholten Male von Fantasiesituationen und Tagträumen, die Arturo mit irgendeiner der unzähligen "Angebeteten" berichtet, ist das ermüdend. Man neigt dazu, diese Szenen zu überspringen. Genauso wie den Auszug aus Arturos schriftstellerischem Versuch, der ein beeindruckender Beweis für dessen Talentlosigkeit ist. Das muss man sich nicht antun.

    Ich habe mir die Frage gestellt, was einen Autor dazu bringt, seinen Hauptprotagonisten dermaßen negativ aufzubauen, dass dieser Eindruck den kompletten Roman dominiert und man als Leser gar nicht willens ist, dem Roman etwas Gutes abzugewinnen. Das grenzt fast an literarischem Selbstmord. Die einzige Erklärung, die ich habe, ist der Enthusiasmus eines jungen Autors, der mit seinem Erstlingswerk ein Zeichen setzen wollte. Nur dass in diesem Fall, das Zeichen in die falsche Richtung deutete. Hätte ich Fante nicht anders kennengelernt, hätte ich nach der Lektüre dieses Romanes nie wieder ein Buch von ihm angerührt. Mit "Der Weg nach Los Angeles" wäre er bei mir unten durch gewesen. Aber ich weiß, dass er es besser konnte. Daher halte ich auch weiterhin an ihm fest und werde Ausschau nach weiteren Veröffentlichungen von ihm halten.

    Erwähnen möchte ich noch das hochinteressante Nachwort von Alex Capus, der einiges über die Entstehungsgeschichte dieses Buches berichtet. Damit liefert er ein paar Erklärungen, die ein wenig Verständnis für einen schlechten Roman bewirken.

    © Renie

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  1. Unzensierte Phantasien eines wütenden Teenagers

    Im Klappentext des Romans von John Fante: "Der Weg nach Los Angeles", das von Alex Copus ins Deutsche übersetzt wurde, erfährt man von dem besonderen Schicksal dieses Romans." Der Weg nach Los Angeles" war John Fantes Erstlingswerk, das er Mitte der 30er Jahre geschrieben hat und für das er damals keinen Verlag fand. Denn "zu provokant waren Thema und Sprache für das Amerika der 30er Jahre" Erst 1985 wurde es in den USA verlegt. Im Nachwort von Alex Corpus heißt es außerdem, dass John Fante zu seinem Lebzeiten zwar vier von den weiteren Romanen, die er schrieb veröffentlichen konnte, allerdings gelangte er zu keiner literarischen Anerkennung. Erst als der bekannte Autor Charles Bukowski John Fante als seinen "Gott" bezeichnete, wurden seine Werke wieder aufgelegt und bekannt. Diesen Ruhm erlebte John Fante tragischerweise nicht mehr, er starb1983. Seine Witwe erinnerte sich später an das nie veröffentliche Romanmanuskript: "Der Weg nach Los Angeles" das seit Jahrzehnten in einer Schublade des Autors lag. Es wurde dann, ohne dass es jemals ein Lektorat durchlaufen hatte, sozusagen "roh" veröffentlicht.
    Ich beschreibe das so ausführlich weil ich glaube, dass man das alles berücksichtigen sollte bevor man den Roman liest und ihn bewertet.

    Protagonist und Ich-Erzähler des Romans ist der 18-jährige Arturo Bandini. Er lebt mit seiner Mutter und seiner jüngeren Schwester in ärmlichen Verhältnissen in der Nähe von Los Angeles. Sein Vater ist gestorben und so muss Arturo für den Unterhalt seiner Mutter und Schwester sorgen (warum nicht die Mutter für den Lebensunterhalt arbeitet, bleibt ungeklärt).
    Arturo ist ein unbeherrschter junger Mann, der zu massiven Gefühlsschwankungen neigt und diese unkontrolliert auslebt. Er wütet gegen sich und vor allem gegen die Welt und verfällt zur Abwechslung auch mal in einen euphorischen Liebeswahn. Er hält sich für einen verkannten Künstler, liest Philosophen, insbesondere Nietzsche hat es ihm angetan. Seine Sprache ist angeberisch, hochgestochen und er verwendet aus dem Zusammenhang gerissene Zitate von Philosophen.
    Das kontrastiert natürlich mit seiner Lebenssituation: nachdem er in einigen Jobs gekündigt hat, nimmt er eine Stelle in einer Fischfabrik an, die ihm sein Onkel vermittelt hat. Hier schuftet er für niedrigen Lohn unter schlimmsten Bedingungen. John Fante beschreibt die Verhältnisse in der Fischfabrik, in der es entsetzlich stinkt und die Arbeiter bis zu den Knöcheln in Fischabfällen stehen, äußerst plastisch. Ob diese Underdog Situation der alleinige Grund für die Wut, den unbändigen Hass und auch den Selbstekel des Jungen sind, oder ob es noch andere Gründe gibt,, bleibt unklar. Arturo kann die Situation nur ertragen, indem er seinen Kollegen vormacht,, dass er Schriftsteller sei, der nur wegen der Recherche für ein Buch dort arbeitet. Der Wunsch, Schriftsteller zu werden brennt in ihm. Genau wie das ja wohl auch im Autor damals der Fall war.

    Wie John Fante die Gefühlswelt des Protagonisten beschreibt, ist schon fast beängstigend. Arturo wütet ungehemmt, indem er alle Menschen um sich herum auf das übelste beschimpft und herabwürdigt. Nutte und Nigger sind übliche Schimpfworte. Er quält und tötet genussvoll Insekten und Krabben. Aber auch Akte der Selbstverletzung werden drastisch beschrieben.Er ergeht sich in den absurdesten Größenwahnvorstellungen. Leider ist der Charakter von Arturo so radikal geraten, dass ich eigentlich keine Sympathie mit ihm hatte. Im Gegenteil wurden mir die ewigen Hasstiraden doch sehr schnell zu viel. Bei mir entstand ein Gefühl des Überdrusses und der Abneigung. Dies um so mehr als sich der Zyklus von Frustration und anschließenden Wutausbrüchen ständig wiederholt. Vielleicht hätte hier ein Lektorat eingegriffen? Eine Entwicklung findet in dem Roman meiner Meinung nach nicht statt. Das finde ich sehr schade, denn dadurch wirkt der ganze Text mit der Zeit langweilig.
    Zwar kippen die Ausbrüche immer mal ins Tragisch-komische. Etwa wenn die Beschimpfungen Anderer ganz offensichtlich ihn selbst beschreiben. Oder wenn die philosophischen Sprüche der jeweiligen Situation völlig unangemessen sind (was eigentlich immer der Fall ist)
    Insgesamt kann aber die Schreibkunst von John Fante die oben genannten Schwächen nicht ausgleichen. Aus meiner Sicht ist der Roman nicht wirklich gelungen. Hier kann man allerdings wieder die Entstehungsgeschichte als Entlastung anführen. Schließlich ist der Roman nicht durch ein Lektorat gegangen, es handelt sich sozusagen um ein ungeschliffenes Erstlingswerk.

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  1. Wenn der eigene Anspruch nicht zum Leben passt

    Im vergangenen Jahr las ich „1933 war ein schlimmes Jahr“ vom selben Autor. Ein Buch, das das Leben eines jungen Mannes während der amerikanischen Wirtschaftskrise schildert und mir alles in allem recht gut gefiel. Umso mehr freute ich mich über die Möglichkeit zur Teilnahme an einer Leserunde auf Whatchareadin, um auch dieses neu veröffentlichte Werk des Autors kennenzulernen.

    Das Buch erscheint im Verlag Blumenbar (Aufbau-Verlagsgruppe), hat ein sehr auffallendes türkis-farbenes Cover mit Blättermuster auf dem Vorsatzpapier. Alex Capus war als Übersetzer tätig, ein Zitat von Altmeister Charles Bukowski bewirbt John Fante auf dem Buchrücken. Warum berichte ich so ausführlich hierüber? Ich bin eine Leserin vieler Genres, rein äußerlich schien dieses Buch in mein „Beuteschema“ zu passen. Leider wurden das Buch und ich überhaupt nicht warm miteinander. Vielleicht gehöre ich nicht zur Zielgruppe, vielleicht ist es eher ein Buch für Männer?
    Nun denn, hier meine Leseeindrücke:

    Inhalt:
    Arturo ist ein 18-jähriger Amerikaner italienischer Abstammung. Sein Vater ist verstorben, er lebt mit Schwester und Mutter in einem Vorort von L.A. Er ist gezwungen, Geld zu verdienen, um die Familie zu ernähren. Arturo erzählt die Geschichte selbst und schnell erfahren wir, dass er bereits viele Jobs geschmissen hat und dass er es seinen Arbeitgebern mit seiner selbstbewussten, überheblichen Art nicht leicht macht. Er wäre so gerne mehr im Leben, wäre gerne der Chef, möchte wichtig und berühmt sein. Dieses Thema begleitet uns durch das gesamte Buch.
    In der Wohnung steht ein begehbarer Kleiderschrank, in den sich Arturo gern zurückzieht. Dort gibt er sich seinen Phantasien hin, „unterhält“ sich mit Frauen, die er aus Zeitschriften ausgeschnitten hat. Dort entsteht auch sein Wunsch, Schriftsteller zu werden. Er hält das für die Möglichkeit, mit seinen Fähigkeiten zu Ruhm und Erfolg zu gelangen.
    Das Verhältnis zu Mutter und Schwester ist gespannt, da er der Mann im Haushalt ist, leitet er daraus einen Führungsanspruch ab, den ihm insbesondere die Schwester verweigert. Ein Onkel unterstützt die Familie finanziell und besorgt Arturo auch eine neue Stelle in der Fischfabrik. Auch dort fällt es ihm schwer, sich einzuordnen, bereits nach kurzer Zeit eckt er mit dem Vorgesetzten und den Kollegen an und leidet darunter, dass er zum kleinsten Glied in der Kette der Arbeiter gehört. Er tröstet sich mit dem Traum, eines Tages ein erfolgreicher Schriftsteller zu sein. Zu diesem Zweck will er auch nach Los Angeles aufbrechen. Im Kern behandelt der Roman diese Sehnsucht nach Ruhm und wie der Protagonist immer wieder an der Umwelt sowie seinen eigenen Ansprüchen scheitert. Von einem Selbstfindungsprozess kann man nicht sprechen, weil es zu keiner nachhaltigen Verhaltensänderung kommt.

    Bewertung:
    „Schnell schließt der Leser diesen arroganten, bös-witzigen und doch so sehnsuchtsvollen jungen Mann in sein Herz“, heißt es im Klappentext. Dem kann ich mich nicht anschließen. Im Gegenteil habe ich den Protagonisten als extrem stimmungsabhängigen, arroganten Menschen wahrgenommen, der regelmäßig andere Menschen und Kreaturen diffamiert, um sich selbst darüber zu erheben. Er ist eine gespaltene Persönlichkeit: Einerseits martert er sich, fügt sich selbst Verletzungen zu, andererseits teilt er kräftig nach allen Seiten aus. Letzteres tut er oft und gerne mit verbalen Beschimpfungen, die mich als Leser sehr gestört haben.
    Immer mal wieder gibt es einen inneren Monolog, der mich aufhorchen und hoffen ließ, dass Arturo nun doch noch zur Vernunft komme und seinen Weg finden möge. Kurze Zeit später war er mit seinen Handlungen jedoch wieder im gewohnten Fahrwasser. Einige Passagen sind wunderbar formuliert, vieles wiederholt sich jedoch. Ich konnte Arturos Verhalten an keiner Stelle nachvollziehen, zu sprunghaft ist sein Charakter, zu überheblich seine Art. Er erfährt keinerlei Entwicklung in diesem Roman. Es war mir nicht möglich, das allein mit seiner Jugend zu entschuldigen. Sicher waren die 1930er Jahre nicht leicht für die einfachen Leute, sicher ist es schwer, wenn man nicht die Chancen im Leben bekommt, die man gerne hätte. Trotzdem darf man sich nicht so entgleiten lassen, wie Arturo es so häufig tut.
    Andere Rezensenten konnten offensichtlich herzlich über die Figur des Arturo lachen. Ich konnte das nicht, nach kurzer Zeit hat er mich regelrecht genervt und mich auch literarisch immer weniger interessiert. Schade.
    Im Nachwort beschreibt Alex Capus einiges über die Entstehungsgeschichte des Romans, die in einigen Punkten sehr erhellend ist. Insbesondere das fehlende Lektorat mag Grund dafür sein, dass der Text mitunter als ungeschliffen empfunden wird. Leider kann ich für diesen Roman keine Leseempfehlung aussprechen, räume aber wie gesagt ein, dass ich möglicherweise nicht zur Zielgruppe gehöre.

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  1. Provokativ und ungeschliffen

    Der erste Roman John Fantes fand zu Lebzeiten keinen Verleger. Geschrieben hat er es im Jahr 1935/36 im Alter von 25 Jahren und er hat den ersten Teil nochmals überarbeitet und stark gekürzt.
    Nach seiner Wiederentdeckung zu Beginn der 1980er verstarb Fante, so dass er seinen späten Ruhm nicht mehr erleben konnte. Seine Frau erinnerte sich dann an das vergessene Romanmanuskript "Der Weg nach Los Angeles", überließ es dem neuen Verleger weiter, der es dann praktisch unlektoriert in Druck gab, ersetzte jedoch die ersten Kapitel durch die kürzere Version.

    Aufgrund des fehlenden Lektorarts wirkt der Text, wie der Übersetzer Alex Capus bemerkt

    "ungeschlacht, ungeschliffen und unpräpariert, weil er eben nie die Knochenmühle eines professionellen Lektorats durchlaufen musste." (S.246)

    Gleichzeitig erklären sich dadurch die zahlreichen Wiederholungen und auch Fehler, die der Übersetzer teilweise geglättet hat.

    Worum geht es?
    Der 18-jährige Arturo Bandini - Italo-Amerikaner - lebt nach dem Tod seines Vaters mit seiner Mutter und zwei Jahre jüngeren Schwester in einer kleinen Wohnung in einem Vorort von Los Angeles.

    "Sowie ich den Türknauf in die Hand nahm, sank meine Stimmung auf den Tiefpunkt. Dieses Gefühl hatte ich beim Heimkommen schon immer gehabt, sogar damals schon, als mein Vater noch lebte und wir in einem richtigen Haus wohnten. Ich hatte schon immer weggehen oder alles verändern wollen, und schon immer hatte ich mir vorzustellen versucht, wie das wohl wäre, wenn alles anders wäre. Aber was ich hätte tun kommen, damit sich etwas änderte, wusste ich nicht." (S.17)

    Obwohl es sich zum Schriftsteller berufen fühlt, Nietzsche und Schopenhauer liest, muss er für den Lebensunterhalt der kleinen Familie sorgen. Nach einigen erfolglosen Versuchen verschafft ihm sein Onkel einen Job in einer stinkenden Fischfabrik.
    Erzählt wird der Roman ausschließlich aus der Ich-Perspektive des jungen, pubertären Mannes, der einen Halt im Leben sucht und seine Identität noch nicht gefunden hat.
    Provokant, roh und ungeschliffen sind seine Gedanken, brutal zerstört und quält er Insekten, fühlt sich allmächtig, dann wieder hilflos und verzweifelt. Starke Gefühlsschwankungen kennzeichnen seinen Gedankenfluss, Beschimpfungen gegenüber Mutter und Schwester sind an der Tagesordnung.

    "Ich stieg auf das Sofa und schrie: "Ich lehne die Gotteshypothese ab! Nieder mit der Dekadenz betrügerischen Christentums! Religion ist Opium für das Volk! Alles, was wir sind oder jemals zu werden hoffen, verdanken wir dem Teufel und seinen verbotenen Früchten!" (S.28)

    Solche literarischen Bezüge finden sich viele im Roman und zeugen davon, dass sich Arturo überlegen fühlt, sich über seine Mutter und Schwester erheben will.

    In der Wohnung hat er sein Studierzimmer in einem Kleiderschrank, dort bewahrt er Bilder von Frauen aus Zeitschriften auf und gibt sich sexuellen Fantasien hin. Immer wieder steht das Beherrschen im Vordergrund, das Erniedrigen anderer, obwohl er selbst als Kind wegen seiner italienischen Herkunft gedemütigt wurde.

    "Ich war vielleicht zehn Jahre alt gewesen und hatte dem Mädchen ein Eis kaufen wollen, und sie hatte gesagt, sie dürfe von mir nichts annehmen, weil ich ein Spaghettifresser sei und ihre Mutter ihr verboten haben, sich mit Spaghettifressern einzulassen. Ich wusste also, wie sich das anfühlte. Ich beschloss, dem Filipino noch einen oben drauf zu geben." (S.93)

    In der Leserunde kam die Vermutung auf, der Protagonist leide an einer narzissistischen Persönlichkeitsstörung, das würde einige seiner Verhaltensweisen erklären. Ab und an überkommen ihn aber auch Zweifel an seiner Person, die jedoch nie lange vorhalten.

    "Es ist Morgen, Zeit, aufzustehen. Also steh auf, Arturo, und such dir Arbeit. Geh raus und such, was du nie finden wirst. Du bist ein Dieb und ein Krabbenmörder, und du liebst Frauen in Kleiderschränken. Einer wie du findet niemals einen Job!" (S.55)

    "Hör auf mit dem Quatsch!, sagte der Teil von mir, der für die Antworten zuständig war. So ist es nicht gewesen, du Trottel! Du allein bist schuld! Hör auf, die Verantwortung anderen Leuten in die Schuhe zu schieben!" (S.104)

    Nach einer nächtlichen Begegnung mit einer unbekannten Frau beginnt er endlich zu schreiben. Doch sein erster Roman, der die amourösen Abenteuer des Protagonisten beschreibt, ist missraten. Das Urteil seiner Schwester ist vernichtend, aber durchaus zutreffend, wie er selbst erkennen muss:

    "Es ist nicht nur doof, es ist auch klugscheißerisch. Die vielen großen Wörter!" (S.206)

    Arturo kommt zu der Überzeugung, dass er in dieser Umgebung keine Entwicklung durchlaufen kann und macht sich auf den Weg nach Los Angeles

    Bewertung
    In der Leserunde herrschte die einhellige Meinung, dass dieser Protagonist extrem unsympathisch ist und mit seinem Verhalten Abscheu und Ablehnung hervorruft. Der Roman zeigt die Suche dieses pubertären Mannes nach einer Identität, wobei seine sadistischen Neigungen meines Erachtens schon grenzwertig sind.
    Insofern ist dieses Erstlingswerk tatsächlich provokativ und ungeschliffen. Die sexuellen Fantasien werden ungefiltert wiedergegeben, die vulgären Beschimpfungen gegenüber der Mutter und Schwester nicht zensiert.
    Doch auch "schöne" Sätze und Sequenzen sind zu lesen und zeigen, dass Fante durchaus über einen guten Stil verfügt.

    "Draußen an der frischen Luft fühlte ich mich noch schlechter, dann die Nacht war weder ätherisch noch prachtvoll, sondern kalt und neblig, und die Straßenlampen blakten diesig im bleichen Dunst."(S.13)

    Witzig ist der kurze Auszug aus Bandinis Manuskript, das in schwülstigen Worten schwelgt und grauenvoll zu lesen ist.

    Insgesamt hat mich der Roman aber nicht überzeugen können - im Gegensatz zu "1933 war ein schlimmes Jahr". Zu abstoßend ist der Protagonist, der sich in seinen Gedanken immer wieder im Kreis dreht. Die erhoffte positive Entwicklung bleibt aus, wahrscheinlich erfolgt sie auf dem Weg nach Los Angeles. Zumindest eröffnet der Roman einen Einblick in die Gefühlswelt des selbstverliebten Jungen und zeigt die Arbeitsbedingungen Mitte der 30er Jahre am Beispiel der Fischfabrik - insofern ist es auch ein Zeitdokument.

    "Fante erzählt mit so viel Liebe und Humor, dass man seine Figuren sofort ins Herz schließt."
    Martin Becker (Deutschlandfunk)
    (auf der Buchrückseite)

    Dieser Einschätzung möchte ich vehement widersprechen und ich kann sie ehrlich gesagt nicht nachvollziehen. Statt ihn ins Herz zu schließen, wünscht man sich, dem größenwahnsinnigen Bandini möge jemand die Grenzen aufzeigen. Vielleicht erscheint er ja in den vier anderen Romanen Fantes, in denen er ebenfalls Protagonist ist, sympathischer.

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