Der Unsichtbare

Rezensionen zu "Der Unsichtbare"

  1. 3
    23. Feb 2022 

    125 Jahre alter Science Fiction Klassiker...

    Ein junger Wissenschaftler entschlüsselt das Geheimnis, wie man unsichtbar wird. Zunächst ist er begeistert von seiner neuen Entdeckung, doch als er das Experiment an sich selbst durchführt, wird ihm klar, dass unsichtbar sein nicht heißt, unangreifbar zu sein. In seiner Verzweiflung sehnt er sich nach einer Möglichkeit, den Prozess umzukehren, und landet in einem kleinen Dorf, wo er meint, dass er in Frieden arbeiten kann. Als sein Geheimnis jedoch auffliegt, beginnt eine Abwärtsspirale des Schreckens und der Gewalt. Was zunächst schon fast komödienhaft beginnt, verwandelt sich in Wells‘ bahnbrechendem Roman alsbald in eine psychologischen Albtraum, der auch nach mehr als 100 Jahren seine Wirkung nicht verfehlt und die Abgründe der menschlichen Seele aufzeigt. (Klappentext)

    Man muss sich wirklich vor Augen halten, dass dieser Roman vor nunmehr 125 Jahren erstmals erschienen ist (1897) - und für damalige Zeiten war dies vermutlich eine schockierende Erzählung, die seither als Vorreiter der modernen Science-Fiction-Literatur gilt. H.G. Wells, u.a. auch bekannt durch seine Klassiker "Krieg der Welten" und "Die Zeitmaschine", war ein englischer Schriftsteller und eben ein Pionier der Science-Fiction-Literatur.

    Was für eine Vorstellung! Da findet ein junger, vom Ehrgeiz zerfressener Wissenschaftler nach intensiver Arbeit heraus, wie man Gegenstände wie Lebewesen unsichtbar machen kann. Nach einigen Experimenten kommt es zum Selbsttest, und es funktioniert! Ungeahnte Möglichkeiten tun sich auf - doch leider auch zahllose Gefahren und unvorhergesehene Probleme. So muss der junge Mann ohne Kleider herumlaufen, will er seine Unsichtbarkeit bewahren. Im tiefsten Winter eher kein Vergnügen - doch zieht er Kleider an, wirkt seine Kopflosigkeit womöglich verstörend auf seine Umwelt.

    Was hier amüsant klingen mag, treibt Griffin - so heißt der junge Wissenschaftler - zunehmend in die Einsamkeit und ins soziale Aus. Er braucht aber eine Bleibe, eine Möglichkeit für weitere Forschungen, etwas zu essen und vor allem seine Ruhe. In dem Wirtshaus, in dem er sich schließlich einquartiert, bekommt er all dies nur bedingt. Sein dick mit Bandagen verhülltes Gesicht führt im Dorf zu allerlei Spekulationen, und als seine Unsichtbarkeit ruchbar wird, kommt es zum Eklat.

    Etwas schräg fand ich die Tatsache, dass H. G. Wells den Roman so aufbaut, dass er zu Beginn ein Geheimnis um die Unsichtbarkeit Griffins macht - das soll sich erst nach und nach herauskristallisieren. Dann aber hätte man doch vielleicht einen anderen Romantitel wählen sollen, denn nicht nur der deutsche Titel verrät schon sehr eindeutig, worum es hier geht, sondern ebenso der Originaltitel: "The Invisible Man".

    Trotz des altertümlichen Schreibstils fand ich das Buch über weite Strecken unterhaltsam und süffig zu lesen. Es hat in meinen Augen durchaus auch heute noch Unterhaltungswert, auch wenn der Unsichtbare nicht nur den Dorfbewohnern und späteren Begegnungen gegenüber auf Distanz bleibt, sondern auch der Leserschaft gegenüber. Bei sehr dynamischen Handlungsabschnitten oder auch bei wissenschaftlichen Diskursen, die Wells hier einstreut, hatte ich teilweise allerdings Verständnisprobleme. Die Fantasie des Autors gerade bei der Erläuterung der wissenschaftlichen Hintergründe der Unsichtbarkeitsformel fand ich dagegen wieder bemerkenswert.

    Insgesamt wirkte die Erzählung vom Aufbau her für mich leider nicht wirklich ausgewogen. Ein recht schleppender Beginn, der sich mehrmit der Dynamik innerhalb der Dorfgemeinschaft beschäftigt, die mit Ausgrenzung und Vorurteilen zu tun hat, zwischenzeitlich Szenen, die vielleicht mit "Tohuwabohu" überschrieben werden können, dann die durchaus interessante Vorgeschichte des ehrgeizigen Wissenschaftlers, ein verblüffender wie nicht durchgängig verständlicher wissenschaftlicher Diskurs und schließlich der komplette moralische Verfall des Unsichtbaren, der schlussendlich auf ein sehr plötzliches Ende der Geschichte hinsteuert. Das war irgendwie unspektakulär.

    Letztlich ist mir auch nicht ganz deutlich, worauf die Erzählung - abgesehen von der Neuartigkeit des Genres und der damals sicherlich gruseligen Wirkung auf die Leserschaft - abzielt. Will H. G. Wells vor wissenschaftlichen Allmachtsfantasien warnen? Davor, dass jeder mögliche Fortschritt immer auch zwei Seiten hat? Oder will er den Roman als Hinweis darauf verstanden wissen, dass böse Entwicklungen sich nicht aufhalten lassen, der Mensch immer weiter forscht, auch wenn die Konsequenzen bekanntermaßen tragisch sein könnten? Irgendwie lässt mich die Erzählung ein wenig ratlos zurück.

    Ich fand es nett, diesen eher aus alten schwarz-weiß TV-Verfilmungen bekannten Stoff nun auch in der Romanvorlage kennenzulernen, muss aber sagen, dass die Erzählung schon ein wenig wie ein Museumsstück anmutet. Im zeitlichen Kontext verortet wird die Bedeutung verständlich, heutzutage schockt einen der Inhalt jedoch nicht mehr wirklich...

    © Parden

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