Der Tag, an dem der Goldfisch aus dem 27. Stock fiel

Buchseite und Rezensionen zu 'Der Tag, an dem der Goldfisch aus dem 27. Stock fiel' von Bradley Somer
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3 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Der Tag, an dem der Goldfisch aus dem 27. Stock fiel"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:320
EAN:9783832197834

Rezensionen zu "Der Tag, an dem der Goldfisch aus dem 27. Stock fiel"

  1. 3
    05. Mai 2016 

    Zu oberflächlich und belanglos...

    Ian heißt der ganz gewöhnliche Goldfisch, den eigentlich nur die Tatsache von seinen Artgenossen unterscheidet, dass er von dem Balkon der Wohnung im 27. Stock aus eine ungewöhnlich gute Aussicht über die ganze Stadt hat. Ach ja, und die Tatsache natürlich, dass er sich aus seinem Goldfischglas befreit hat - und sich nun im freien Fall in Richtung Straße befindet. Ein Unternehmen, das wenig durchdacht klingt, nun aber nicht mehr abgebrochen werden kann - zu schnell ziehen Fenster und Stockwerke an dem Fisch vorbei, ein Atmen ist nicht mehr möglich, der Asphalt nähert sich mit rasender Geschwindigkeit.

    Und doch ist es am allerwenigsten der Goldfisch Ian, um den es in diesem Buch geht. Seine kurzen Blicke auf die im freien Fall vorbeihuschenden Leben der Bewohner des Hochhauses sind es, die hier wirklich von Bedeutung sind: einzelne Menschenschicksale, die durch diesen zufälligen Sturz vom Balkon aus dem Dunkel der Anonymität des Stadtlebens gehoben und dem Leser präsentiert werden. 30 Minuten im Leben dieser Menschen, dieses Hauses, dieses Goldfisches umfasst die ganze Spanne des Buches - geschildert auf immerhin über 300 Seiten.

    Ian selbst kommt nur in einzelnen Kapiteln vor, und nach anfänglicher Verblüffung darüber, war ich dann sogar eher erleichtert, dem Fisch nicht häufiger zu begegnen. Zu banal das Geschehen, zu häufig die Wiederholungen (bespielsweise bezüglich der kaum nennenswerten Gedächtnisleistung eines Goldfisches), zu langatmig die Szenen - ehrlich gesagt fing ich mich bei diesen Kapiteln zunehmend an zu langweilen. Ian erfüllt in diesem Buch genau zwei Funktionen: er ist mit seinem freien Fall das verbindene Glied zwischen den anderen Geschichten, und er steht für eine allgemeine Lebensweisheit:

    "Ein ganzes Leben in einem Fischglas führt dazu, dass man als alter Fisch stirbt, ohne auch nur ein einziges Abenteuer erlebt zu haben." (S. 63)

    Einige wenige Namen begegnen dem Leser immer wieder, und Bradley Somer lässt ihn an deren Leben teilhaben. Nichts Spektakuläres geschieht hier, nichts von wirklicher Bedeutung - außer für den Betreffenden selbst. Alltägliches, das in den Fokus des Betrachters gerät - und schließlich wieder in die Dunkelheit der Anonymität zurückgleitet. In kurzen Kapiteln werden die Geschichten einiger Bewohner des "Seville on the Roxy" blitzlichtartig in diesem kleinen Zeitfenster erzählt, alle tauchen mehrmals auf, begegnen einander auch zum Teil, und teilweise wird ein und dasselbe Geschehen aus verschiedenen Perspektiven erzählt - allerdings häufig ohne dass der Leser dabei etwas Neues erfährt. Und parallel zu des Goldfischs Außenblick auf das Geschehen, erfährt der Leser viel von dem Innenleben der Bewohner, von ihren Gedanken und Gefühlen. Einsamkeit ist ein Thema, das sich hier beispielsweise durch alle Geschichten zieht.

    "...stellt er sich vor, das von diesem Punkt aus in jede Rischtung Menschen sind. Er fühlt sich in dieses Gebäude voller Menschen eingewickelt wie in Geschenkpapier. Sie gehen über seinem Kopf, sitzen unter seinen Füßen, schlafen zu seiner Linken und schenken sich zu seiner Rechten Tee ein. Hunderte von ihnen in jeder Richtung, und dennoch kennt er keinen davon. Er weiß nichts über ihr leben, kennt nicht ihre namen. Sie alle sind für ihn Fremde (...) Das Treppenaus, denkt er, ist das Zentrum reiner Einsamkeit, und ich bin mittendrin." (S. 82)

    Ich hatte hier ehrlich gesagt etwas anderes erwartet - Humorvolleres, Spritzigeres, auch Tiefsinnigeres. Einzelne Schicksale fand ich durchaus interessant und hätte sie auch über die eigentliche Erzählung hinaus noch gerne länger verfolgt, aber insgesamt war mir das Buch in seiner Aussage zu banal und zu oberflächlich. Einige allgemeine Lebensweisheiten kristallisierten sich hier heraus, wie 'sein Leben wirklich leben' und 'gemeinsam ist besser als einsam', sicher auch der Appell zu mehr Toleranz - aber insgesamt war das für mich nur wenig erschöpfend. Die Idee hinter dem Buch hätte m.E. deutlich mehr an Potential geboten.

    Somit war dies für mich eine nette Unterhaltung, aber eben nicht das, was ich mir erhofft und aufgrund einiger Stimmen zum Buch auch erwartet hatte...

    © Parden

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