Der Storyteller

Rezensionen zu "Der Storyteller"

  1. 4
    20. Mär 2022 

    The Geschichtenerzähler

    Wer Dave Grohl aus Interviews, Dokumentation und bestenfalls von Liveauftritten kennt, kann sich vorstellen, dass diese biografische Geschichtensammlung des Foo Fighters Frontmanns schon einmal nur grundsympathisch ausfallen kann. Auf beachtlichen 460 Seiten trägt Grohl Begebenheiten aus seinem Leben zusammen, die keinesfalls eine lückenlose Biografie ergeben – und auch nicht so gedacht sind – sondern vielmehr zeigen, wie stark sein Leben von Musik beeinflusst wurde und anders herum seine Musik vom Leben.

    Der Schreibstil ist dabei ebenso überraschend literarisch verdichtend, wie anspruchsvoll und an anderen Stellen wieder locker leicht dahingetippt. Eine jede der (relativ) chronologisch sortierten 24 Geschichten beginnt mit einer einleitenden Anekdote aus dem späteren Leben des Autors und findet dann gekonnt einen Blick zurück in die Vergangenheit, um zum Schluss den Bogen zurück zur Ausgangsanekdote zu finden. Wenn er zum Beispiel von seiner mittleren Tochter gefragt wird, ob er ihr das Schlagzeugspiel beibringen könne, denn er ist ja von Haus aus Schlagzeuger, nutzt er diese Vorlage, um seinen eigenen Weg zum Schlagzeugspiel und in die Welt der Musik als Kind und Jugendlicher zu erzählen, nur um den Weg zurück zu seiner Tochter zu finden und der Erkenntnis, dass er eigentlich so richtigen Schlagzeugunterricht nicht geben könne, da er ja nie selbst welchen kennengelernt habe, und nun mittlerweile immer mal einen Titel mit seiner ältesten und mittleren Tochter zusammen spiele. Dieses Prinzip wendet Grohl durchgängig an. Und wie bei einem gut geölten Foo Fighters Song funktioniert dieser „Songaufbau“ auch im geschriebenen Buch immer wieder hervorragend.

    Inhaltlich bewegt sich Grohl gezielt eher um das große Thema seines Lebens, die wenigen Jahre mit Nirvana und den Selbstmord Kurt Cobains herum. Das finde ich persönlich großartig, denn so erfahren wir Leser:innen mehr vom Menschen und Musiker Grohl als „nur“ die oberflächlichen Schlagzeilen-Infos, die Musikinteressierte sowieso schon damals selbst miterlebt haben oder bei späteren MTV-Dokus noch und nöcher präsentiert bekommen haben. Untermalt werden die Geschichten übrigens von sehenswerten Fotos oder – auch ganz witzig – abgedruckten Postkarten, die der junge David von den frühen Touren an seine Mutter und Schwester geschrieben hat.

    Jedoch gibt es auch zwei Kritikpunkte meinerseits am Buch. Der erste wiegt meines Erachtens weniger stark, sollte jedoch benannt werden. Manche Textpassagen, einzelne scheinbar dem Autor (oder Lektorat) wichtige Sätze werden mithilfe einer Schriftart hervorgehoben, welche sich durch durchgängig genutzte, Schreibschrift artige Großbuchstaben auszeichnet. Das ist bei US-Amerikanern - und so auch auf den Postkarten Grohls ersichtlich – weit verbreitet und liest sich für diese sicherlich auch angenehm. Mich haben sie komplett aus dem Lesefluss geworfen und eher geärgert, sodass mir die Wichtigkeit der Aussage eher verloren ging. Bei manchen Passagen fragte ich mich auch, worin eigentlich deren besonders hervorhebenswerter Wert liegt.

    Der zweite Kritikpunkt zielt auf die Übersetzung von Dieter Fuchs. Über weite Strecken funktioniert diese ganz gut, aber es gibt einzelne Wörter und Redewendungen, die meines Erachtens zweifelhaft und zwanghaft ins Deutsche übersetzt wurden und dann wieder andere, die im Englischen belassen wurden, obwohl meines Wissens noch nicht im deutschen Sprachgebrauch üblich. So fällt sofort der deutsche Titel des Buches „DER Storyteller“ in den Blick. Die Vermischung des deutschen Artikels mit dem englischen Begriff Storyteller finde ich vollkommen daneben. Entweder „The Storyteller“ wie im Original oder (schlechter) „Der Geschichtenerzähler“. So setzt Grohl in einer Geschichte auch sein „Pokergesicht“ auf; isst eine „Pepperoni-Pizza“ (in den USA ist dies aber eine Salami-Pizza und nicht einfach das Äquivalent zum deutschen Wort Pepperoni); stehen „Performer“ neben einer Bühne, die wie Fallschirmspringer darauf warten, aus einem Flugzeug zu „jumpen“; und seine Frau Jordyn ist „das Gewicht meiner Waagschale, das den Zeiger am Tillen hindert“. Und eine Kuriosität gibt es noch, die aber eigentlich gar kein Übersetzungsfehler sein kann, im Buch aber an zwei Stellen auftaucht und mich an Dave Grohl Musikwissen zweifeln lassen. So wird Death Metal glatt mit Black Metal verwechselt: „das satanische Death-Metal-Zeug“ und „hätte mein Leben allein aus Death Metal und Corpsepaint bestanden“. Kenner werden die unübersehbaren Fehler erkennen! Sehr merkwürdig…

    Aber gut. Insgesamt hat mir die Lektüre von Dave Grohls autobiografischen Geschichten sehr gut gefallen, eben weil sie literarisch sehr ansprechend gestaltet und inhaltlich stets interessant sowie aussagekräftig sind. Eine – nicht nur für Musikfans – empfehlenswerte Lektüre.

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