Der Petticoat-Mörder

Rezensionen zu "Der Petticoat-Mörder"

  1. Vielversprechender Reihenauftakt

    1958 kommt der junge Fred Lemke zur Berliner Kriminalpolizei. Obwohl er den Lehrgang sehr schlecht abgeschlossen hat, ist der Personalmangel so groß, dass er eine Stelle als Assistent im Morddezernat bekommt. Eine zweite Quereinsteigerin fängt gleichzeitig mit ihm an. Die geheimnisvolle Ellen von Stain, für die besondere Regeln zu gelten scheinen. Offensichtlich hält jemand mit Einfluss seine schützende Hand über sie.

    Fred bekommt es in den ersten Tagen sofort mit einem Tötungsdelikt zu tun, ein Mann wurde erschossen am Ufer eines Sees aufgefunden. Sein Chef findet die Deklaration als Raubmord sehr schlüssig und weil es vage Verdächtigen gibt, möchte er den Fall schnell abschließen. So hat man es vor anderthalb Jahrzehnten auch gemacht und ist nach seiner Meinung nicht schlecht dabei gefahren. Aber das kann Fred nicht hinnehmen, sein Ehrgeiz ist geweckt und mit einem Fundstück, aus Tatortnähe, einem befleckten Petticoat, macht er sich auf eigene Spurensuche. Die Ehefrau des Opfers, genau wie die Geliebte, scheinen nicht allzu betrübt über den Tod und als Lemke auch noch von dessen NS-Vergangenheit erfährt, ergeben sich ganz neue Ansätze.

    Mit diesem ersten Roman um den jungen, nicht angepassten Fred Lemke, möchte der Autor eine Reihe etablieren. Die späten 50iger und frühen 60iger sind ja auch ein interessanter Hintergrund, bereits historisch, aber noch nicht allzu fern in unserem Gedächtnis. Der Kriminalroman ist in Berlin angesiedelt und das ist sehr farbig und detailreich erzählt. Die Stadt zeigt noch deutliche Trümmerwunden, aber auch das Wirtschaftswunder ist schon zu spüren. Immer mehr Automobile bevölkern die Stadt und jede Menge Leute mit Vermögen machen ihre Geschäfte. Das wirkt sehr gut recherchiert und das Buch bekommt dadurch viel Authentizität. Auch das Opfer gehörte zu den Gewinnern der Nachkriegszeit. An vielen Schaltstellen der Behörden und der Wirtschaft, ja auch bei der Polizei sitzen noch genügend Ewiggestrige, für die der verlorene Krieg nur ein Unfall war. In diese Kategorie gehört auch Freds Chef.

    Ich fand die Story spannend erzählt, es verführte zwar nicht zum Nägelknabbern, hatte aber eine eigene Dynamik. Als Reihenauftakt geplant, ist natürlich der Hintergrund von Fred Lemke und Ellen von Stain besonders ausgeleuchtet worden, was dem Krimi ein wenig Tempo nahm. Der Kriminalfall selbst entwickelte sich eher langsam, aber immer sehr schlüssig. Als Leser war ich immer auf Wissens- und Augenhöhe von Fred Lemke.

    Mir hat dieser gut geschriebene Krimi sehr gefallen und auf eine Fortsetzung bin ich schon gespannt. Die Epoche bietet noch viel Stoff für weitere Fälle des sympathischen jungen Ermittlers, denn er hat – genau wie die geplante Serie – eine Menge Potential.

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  1. 4
    22. Nov 2020 

    Ein leiser Reihen-Auftakt...

    Berlin 1958 – Fred Lemke, ehemals Laternenanzünder, jetzt Quereinsteiger bei der akut unterbesetzten Berliner Kriminalpolizei, wird mit seinem ersten Mordfall betraut. Am Ufer des Fennsees wurde eine männliche Leiche gefunden. Sein Kollege würde den Fall am liebsten als Raubmord klassifizieren und zu den Akten legen, doch Lemke sieht die Sache anders. Zuerst geraten Ehefrau, Haushälterin und Geliebte des Toten ins Visier, doch dann erfährt er mehr über die Vergangenheit des Opfers und über dessen Verstrickungen in den Nationalsozialismus. In einem Berlin, in dem aus den Kellern zerbombter Häuser Rockmusik dringt, und wo sich die jungen Leute auf den Straßen kleiden wie die großen amerikanischen Stars, ermittelt Fred Lemke gemeinsam mit seiner Kollegin, der selbstbewusst-schillernden Baronesse Ellen von Stain. Und sie stoßen dabei auf Widerstände, die zeigen, wie viel Macht die alten Kader noch immer haben.

    Mit dem ersten Fall des Ermittlerduos Fred Lemke und Ellen von Stain im Berlin der 50er Jahre präsentiert Leonard Bell (ein Pseudonym) einen leisen Reihen-Auftakt. Der 23jährige Fred Lemke kommt frisch aus seiner Polizei-Ausbildung und hat dort als Zweitschlechtester seines Lehrgangs abgeschlossen. Dies liegt weniger an seinem fehlenden Engagement oder Talent als vielmehr an seiner Art, Dinge zu hinterfragen und nicht einfach nur Befehle auszuführen.

    Es hat ihn erstaunt, dass er mit diesem Zeugnis bei der Mordkommission angenommen wurde, und tatsächlich schaut von seinem direkten Vorgesetzten bis hin zum Pförtner zunächst jeder auf ihn herab. Auch die ebenfalls als Berufsanfängerin eingestellte Baronesse Ellen von Stain nimmt anfangs keine Notiz von Fred, benimmt sich aber auch keineswegs wie ein Neuling. Im Gegenteil: Fred stellt schnell fest, dass selbst die Vorgesetzten dieser neuen Kollegin nicht zu widersprechen wagen und dass diese sich viele Freiheiten herausnehmen kann.

    Doch bevor Fred diesem Geheimnis um seine junge Kollegin auf die Spur kommen kann, wird er an einen Tatort gerufen. Während der dienstältere Kollege die Geschehnisse rasch als Raubmord abtut, schaut sich Fred am Tatort genauer um. Es gibt zahlreiche Indizien, die nahelegen, dass ein Raubmord auszuschließen ist - doch der Vorgesetzte will davon nichts hören. Und so beginnt Fred einen zähen Kampf gegen verschlossene Zeugen und Verdächtige, maulfaule Angehörige und widerborstige Kollgen. Ein mühseliges Unterfangen...

    Vor allem als Fred in der Vergangenheit des Ermordeten zu ermitteln beginnt und dessen eindeutige Rolle während des Nationalsozialismus ans Licht kommt, erwacht der Widerstand der älteren Ermittler. Fred wird untersagt, weiter in der Richtung zu ermitteln, und alle Bestrebungen, mögliche Verdächtige in Verbindung mit der Vergangenheit des Opfers herauszufiltern, werden im Keim zu ersticken versucht. Alte Seilschaften ziehen sich bis ins Jahr 1958, und das braune Gedankengut ist keineswegs bereits aus allen Köpfen verschwunden. Im Gegenteil...

    Fred versuchte, seinen Groll über alles, wofür die Nazis standen und was sie angerichtet hatten, zu unterdrücken. Es sind längst andere Zeiten, sagte er sich wie so oft in den letzten Jahren, wohl wissend, dass es nicht ganz der Wahrheit entsprach... (S. 140)

    Der 23jährige Fred Lemke steht im Mittelpunkt der Erzählung, ihn begleitet der Leser bei seinen Ermittlungen sowie in seiner freien Zeit, in der er liest, durch Parks streift oder in seinem Skiff (Einer) rudert. Einzelne Aspekte seiner Vergangenheit fließen im Verlauf ein und runden die Charakterzeichnung ab. Er ist ein einsamer, nachdenklicher junger Mann, dem zu schaffen macht, wie zerstört sein Vater aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrte. Fred schließt nicht leicht Freundschaften, sehnt sich gleichzeitig aber nach Kontakt. Er weicht ungern von seinen Prinzipien ab und versucht seinen Weg geradlinig zu verfolgen - auch wenn ein anderer Weg womöglich leichter und weniger schmerzhaft wäre.

    Dem jungen Polizisten zur Seite stellt der Autor vor allem starke Frauenfiguren. Da wäre zum einen die geheimnisumwitterte Ellen von Stain, die sich einen feuchte Kehricht darum schert, was andere von ihr denken könnten, die das Leben zu leben versteht und gewohnt ist, sich zu nehmen, wozu immer sie Lust hat. Zynisch und ironisch begegnet sie Fred häufig, gewährt ihm aber immer wieder auch Deckung und Feuerschutz seinen ihm wenig wohlgesonnenen Vorgesetzten gegenüber. Aber auch die Sekretärin des Polizeichefs sowie Freds Vermieterin sind solch starke Frauenfiguren - ungewöhnlich in einem von Männern dominierten Leben in den 50er Jahren. Diese drei sind alles andere als Nur-Hausfrauen, die dem Mann ein liebes Frauchen sind und ihm ein wohliges Heim bereiten. Mir persönlich hat dieser Aspekt sehr gut gefallen.

    Die Ermittlungen selbst liefen etwas schleppend und - naja - anfängerfehlerbehaftet. So oft, wie Fred sich Beulen und Blessuren eingefangen hat und von den Vorschriften bei den Ermittlungen abgewichen ist - erstaunlich. Das fand ich nicht immer überzeugend, aber zugegebenermaßen hatte der junge Polizist auch niemand Erfahrenen zur Unterstützung an seiner Seite. Um dem Mordfall wirklich auf den Grund zu gehen, war Fred auf sich allein angewiesen - und so brachte er sich und andere ein ums andere Mal in Gefahr.

    Was mir dagegen sehr gut gefallen hat, das war die authentische Atmosphäre sowie das detaillierte Bild der Stadt Berlin (West) in den 50er Jahren. Seien es die Straßenzüge, geprägt von Lücken und Ruinen auf der einen Seite, hässlich-funktionalen Bauten auf der anderen, dem aufkommenden Aufschwung mit der krassen Änderung in Mode und Musik, dem zunehmenden Autoverkehr, dem Verschwinden der Gaslaternen, den Folgen der Besetzung der Stadt durch die Siegermächte, die zunehmende Trennung von Ost und West, die Nachwehen des Krieges und des Nationalsozialismus u.v.m. Da kann ich nur sagen: wow, eine tolle Recherche, die da in beinahe jeder Zeile ersichtlich wird.

    Alles in allem habe ich den jungen Polizisten Fred Lemke gerne bei seinem ersten Fall begleitet und hoffe auf mehr! Ein Charakter, der sich entwickeln kann... Für Fans historischer Krimis: empfehlenswert!

    © Parden

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  1. Rezension zu Der Petticoat-Mörder

    Berlin 1958
    Fred Lemke, ein ehemaliger Laternenanzünder, wird als Kriminalassistent der Kreuzberger Kriminalpolizei zugeteilt und bekommt es direkt mit einem Mordfall zu tun. Am Ufer des Rixdorfer Teiches wurde eine Leiche gefunden, sein Vorgesetzter möchte es am liebsten als Raubmord direkt zu den Akten legen, aber bei Lemke erwacht der Ermittlerinstinkt. Schnell scheint ein Tatverdächtiger festzustehen, aber Lemke will den Fall weiteruntersuchen und so geraten auch die Ehefrau und die Geliebte erstmal ins Visier. Seine Nachforschungen führen ihn auch in die Zeit des Nationalsozialismus zurück, denn das Opfer scheint nicht so unbescholten zu sein, wie es nach außen scheint. Mit seiner Kollegin Ellen von Stain, stößt er auf massive Widerstände, die zeigen wieviel Macht und Einfluss die alten Kader noch haben.

    Der Petticoat-Mörder ist der erste Teil der Lemke –und-von Stain-Reihe und stammt aus der Feder von Leonard Bell.

    Nachkriegsdeutschland – Fred Lemke, darf nach seiner Ausbildung direkt bei der Abteilung Delikte am Menschen in Berlin anfangen, und das obwohl er der zweitschlechteste seines Jahrganges war. Sein erster Fall ist auch direkt ein Mordfall, den er zusammen mit seinen Kollegen untersuchen soll. Dieser möchte es direkt als Raubmord abtun, aber Fred Lemke sieht das anders und stößt damit direkt auf wenig Gegenliebe bei seinen Kollegen.

    Fred Lemke ist ein junger Mann, der mit seinen 23 Jahren noch nicht wirklich in der Welt angekommen ist. Sein neuer Beruf und die Menschen die er dadurch kennenlernt zeigen ihm eine neue Welt in Berlin und nur langsam kann er sich darauf einlassen. Als Ermittler scheint er aber die richtige Spürnase zu haben, denn trotz aller Widerstände lässt er nicht locker, was mir wirklich gut gefallen hat. Als Charakter mag ich Lemke eigentlich, auch wenn er manchmal ein wenig weltfremd wirkt, hat er das Herz auf dem richtigen Fleck.

    Ellen von Stain, seine Kollegin, ist schwerer zu fassen, man erfährt so einiges aus der familiären Vergangenheit, allerdings bleibt sie in vielen Bereichen undurchsichtig und geheimnisvoll, was für mich aber ein zusätzlicher Reiz darstellte, denn ich wollte die ganze Zeit immer wissen was es mit ihr auf sich hat.

    Der Fall selbst ist interessant und spannend, die Verstrickungen des Opfers in der Nazizeit lassen einen nur erschauern und ehrlich gesagt auch wenig Mitleid mit ihm aufkommen. Mir persönlich hat der Schauplatz im Nachkriegsdeutschland sehr gut gefallen, so langsam wird wieder gelebt, aber auf der anderen Seite haben immer noch viele Menschen Einfluss die schon im Naziregime was zu sagen hatten. Auch die Polizeiarbeit wirkt aus heutiger Sicht teils erschreckend, natürlich gab es viele Ermittlungsmethoden noch nicht, aber wie ermittelt wird und teils mit welchen Methoden Menschen in Verhören unter Druck gesetzt wurden nur um das gewünschte Ergebnis zu bekommen, ob es wahr ist oder nicht, wirkt schon sehr abschreckend.

    Dem Autor ist es für mein Empfinden gut gelungen in diesem historischen Krimi die damalige Zeit einzufangen , das neue Lebensgefühl und die alte Denkweise, die hier auch gerne mal aufeinander prallen.

    Mein Fazit:
    Für mich ein gelungener Serienstart, der Lust auf mehr macht. Ich bin schon auf den nächsten Teil der Reihe gespannt.

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