Der Mann, die Frau, das Schaf, das Kind

Buchseite und Rezensionen zu 'Der Mann, die Frau, das Schaf, das Kind' von Galsan Tschinag
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Inhaltsangabe zu "Der Mann, die Frau, das Schaf, das Kind"

Format:Kindle Ausgabe
Seiten:458
Verlag: Unionsverlag
EAN:

Rezensionen zu "Der Mann, die Frau, das Schaf, das Kind"

  1. Wahl- und Seelenverwandtschaft in der Mongolei

    Galsan Tschinag hat ein außergewöhnliches, leises, sehr besonderes Buch geschrieben, das zahlreiche Einblicke in die Lebensweise mongolischer Nomaden, aber auch in die Abgründe menschlicher Gesellschaft gewährt. Alles beginnt im Hausflur eines städtischen Hochhauses. Eine junge Frau hat bei einer Quizshow einen stattlichen Hammel gewonnen. Auf dem Weg zu ihrer Wohnung strandet sie mit dem blökenden Tier im Hausflur. Zaghaft klopft sie an die Tür eines alten Mannes, den sie erst wenige Minuten zuvor in seiner Wohnung hat verschwinden sehen. Sie bittet den unbekannten Mann, kurz auf ihr Schaf aufzupassen. Hilfsbereit nimmt er den Hammel mit in seine Wohnung.

    Aus der flüchtigen ersten Begegnung entwickelt sich eine zarte Vertrauensbeziehung, die beide von ihrer Einsamkeit befreit. Dsajaa lässt Nüüdül an ihrem bisherigen Lebensweg teilhaben und auch Nüüdül erzählt offenherzig aus seinem langen Leben. Beide sparen dabei die Schattenseiten nicht aus, lösen gemeinsam so manches Problem und bedeuten einander schon bald so viel, dass sie sich gegenseitig adoptieren und fortan als Vater und Tochter durchs Leben gehen. Galsan Tschinag gehört der ethnischen Gruppe der turksprachigen Tuwa an. Er wurde im Altai-Gebirge in der Westmongolei geboren und verbrachte seine Kindheit und Jugend in einer Jurte. In Leipzig lernte er Deutsch und studierte Germanistik. Heute lebt der auf Deutsch schreibende Autor wieder in der Mongolei.

    Die Sprache seines Romans ist von einer fremden Poesie durchdrungen, die etwas von der Erzählweise und den Umgangsformen der mongolischen Nomaden erahnen lässt. Gastfreundschaft wird groß geschrieben. Es gibt besondere Dankes- und Begrüßungs- sowie Abschiedszeremonien, die bereits bestehende Beziehungen bekräftigen, andere erst herstellen. Weit verbreitet scheint die Möglichkeit, Menschen jeden Alters durch Adoption zu verbinden und dort familiäre Fürsorge zu ermöglichen, wo es keine Blutsverwandtschaft gibt.

    Die blumige, sich vorsichtig nähernde Sprache ist fremd und zugleich wunderschön. Der Autor lässt seinen Protagonisten viel Zeit für ihre Lebensgeschichten und die Einordnung des Erlebten. Zuweilen erscheinen die Erzählungen wie aus einem Tagtraum. Kommt die Rede aber auf die Weite und Schönheit der mongolischen Natur, dann leuchten die Farben. Der Autor gibt seinen Protagonisten am Ende der Geschichte noch einen guten Wunsch mit: „(…) ihr Lieben: Lebt euren Träumen nach, holt sie ein und macht sie zu euren treuen Dienern! (S. 393)“.

    Mir hat dieser Roman in seiner eigentümlichen Art gut gefallen. Ich habe viel über mongolische Kultur und die Verbundenheit der Menschen untereinander erfahren und werde bestimmt noch weitere Bücher des Autors lesen.

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