Der Mann, der seinem Gewissen folgte: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Der Mann, der seinem Gewissen folgte: Roman' von Janet Lewis
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Inhaltsangabe zu "Der Mann, der seinem Gewissen folgte: Roman"

Ein Indizienprozess erschüttert Jütland. Der für sein Mitgefühl bekannte Pastor Sören Qvist lässt sich für ein Verbrechen verurteilen, das er nicht begangen hat. Freunde bemühen sich um entlastendes Material, seine Kinder ermöglichen ihm die Flucht aus dem Gefängnis. Doch Sören Qvist bleibt standhaft. Was kann einen Menschen dazu bewegen, seine moralische Integrität über sein Leben zu stellen? Eine wahre Begebenheit aus dem Jahr 1625 strahlt leuchtend hell in unsere Gegenwart hinein.

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:272
EAN:9783423281904

Rezensionen zu "Der Mann, der seinem Gewissen folgte: Roman"

  1. Zeitloser Roman über die Frage nach der moralischen Schuld

    Janet Lewis (1899 – 1998) hat nur drei Romane geschrieben, sie war insbesondere wegen ihrer Lyrik bekannt. Inspirieren ließ sie sich durch tatsächlich stattgefundene Indizienprozesse. Nach „Die Frau, die liebte“, ist dieses der zweite ins Deutsche übersetzte Roman und ich hoffe sehr, dass der dritte bald folgen wird.

    Der vorliegende Roman spielt auf zwei Zeitebenen: Er beginnt im Jahre 1646, als ein einarmiger Bettler in seine vermeintliche Heimat Vejby in Jütland zurückkehrt und zunächst im Wirtshaus eine Bleibe sucht:
    „Das Wirtshaus lag in einer Mulde, dahinter erhob sich der niedrige, sanft geschwungene und mit winterlich kahlen Buchen bestandene Hügelzug, der gerade hoch genug war, dass die darüber steigenden Fallwinde den Rauch, der an diesem kalten Tag aus den Schornsteinen des Wirtshauses aufstieg, zu Boden drückten.“ (Erster Satz, S. 5)

    Es liegt etwas Dunkles über diesem Mann, der sich über den Tod des Grundbesitzers Morten Bruus zu freuen scheint und sich nach einer Abfuhr im Wirtshaus mit knurrendem Magen zum Pfarrhaus aufmacht. Dort angekommen gibt er sich als Niels Bruus zu erkennen und erklärt, dass er vor rund 20 Jahren die Gegend nur auf Druck seines Bruders verlassen habe, der ihn zuvor zu einer Straftat überredet hatte. Niels war im Krieg unter Wallenstein über das Land gezogen, bis er seinen Arm verlor. Nun ist Niels heimgekehrt, um das Erbe seines einst wohlhabenden Bruders Morten anzutreten.

    Die Menschen im Pfarrhaus sind entsetzt: Schließlich wurde Niels im Jahr 1625 für tot erklärt und seine Leiche beerdigt. Der damalige Pfarrer Sören Qvist, der höchste Anerkennung in seiner Gemeinde genoss, wurde des Mordes an Niels angeklagt und schuldig gesprochen.

    Bereits auf Seite 60 springt man zurück in die Geschehnisse der zweiten Zeitebene des Jahres 1615. Man lernt Morten, Niels, den Pfarrer Qvist, seine hübsche Tochter Anna und deren treue Haushälterin Vibeke kennen, die eben 20 Jahre später dem einarmigen Bettler in ihre Küche eingelassen hat:
    „Aber je länger sie (Vibeke) ihn beobachtete, desto mehr schien das Gesicht wieder dem von Niels zu ähneln, und der Bettler wurde zu dem Mann, der vor ihren Augen ausgegraben worden war. Sie erinnerte sich wieder an den schrecklichen Gestank der Leiche, und der Geruch, der von dem schmutzigen Bettler ausging, wurde in ihrer Nase zu Verwesungsgeruch“. (S. 46)

    In einer wunderbar poetischen und fesselnden Sprache entführt Lewis in die schweren Jahre nach dem 30-jährigen Krieg, führt den Leser in den arbeitsreichen Alltag der Protagonisten ein. Man tritt in Beziehung mit diesen Menschen. Das Gute wird vom Pfarrhaus verkörpert, das Böse in der Person von Morten Bruus, der vor keiner Bösartigkeit zurückschreckt, wenn sie seinem eigenen Vorteil dient. Durch einen Zufall wird er auf das Pfarrhaus aufmerksam und spinnt eine Fehde, an deren Ende man die vermeintliche Leiche seines Bruders Niels im Pfarrgarten findet.
    Alle Indizien sprechen in Folge gegen Qvist, dessen Neigung zum Jähzorn ihn angreifbar macht. Trotzdem rücken viele Gemeindemitglieder zusammen, weil sie sich ihren Pfarrer als Mörder nicht vorstellen wollen. Ein spannender Indizienprozess beginnt.

    Dieser Roman bewegt und berührt, ist überaus spannend erzählt. Er stellt juristische Fragen, prüft die Frage der Schuld und setzt dieser moralische Aspekte entgegen. Dabei steht der wahre Täter von Anfang an fest, Gut und Böse sind klar definiert. Inhaltlich greift das Buch sehr zeitlose Themen auf.

    Daneben erleben wir eine Familienchronik, in der es nicht nur Harmonie gab, sondern auch Brüche. Das Familienoberhaupt glaubt, daraus gestärkt hervorgegangen zu sein und möchte fortan als anständiger Mensch leben, um sich der Liebe Gottes als würdig zu erweisen. Dann aber wird er versucht… Die tief verwurzelte Religiosität der Menschen mit vereinzeltem Hang zum Aberglauben darf als Zeugnis der Zeit verstanden werden.

    Janet Lewis schafft Atmosphäre. Ich liebe ihre Sprachvirtuosität, die von der Übersetzerin Susanne Höbel wunderbar ins Deutsche übertragen wurde. Viele Passagen muss man intonieren, so bemerkenswert sind sie. Dazu kommen die stimmigen Protagonisten, die schlüssige Handlung. Einfach ein großartiges Buch, für das ich meine volle Leseempfehlung aussprechen möchte.

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