Der letzte Prinz

Buchseite und Rezensionen zu 'Der letzte Prinz' von Price, Steven
3.75
3.8 von 5 (8 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Der letzte Prinz"

Sizilien, 1955: Giuseppe Tomasi ist der Letzte im Geschlecht der Lampedusa. Melancholisch streift er durch das staubige Palermo, vorbei an den Palazzi seiner Vorfahren, von Café zu Café, und ignoriert seine prekäre finanzielle Situation. Als bei ihm ein Lungenemphysem diagnostiziert wird, reift in Tomasi ein Plan: Im Angesicht des eigenen Todes und des Todes einer ganzen Welt, beschließt er, etwas Bleibendes zu schaffen. Der 59-Jährige schreibt den weltberühmten Roman ›Der Leopard‹.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:288
Verlag:
EAN:9783257071436

Rezensionen zu "Der letzte Prinz"

  1. Der letzte Prinz

    !3,5 Sterne!

    Klappentext:
    „Sizilien, 1955: Giuseppe Tomasi ist der Letzte im Geschlecht der Lampedusa. Melancholisch streift er durch das staubige Palermo, vorbei an den Palazzi seiner Vorfahren, von Café zu Café, und ignoriert seine prekäre finanzielle Situation. Als bei ihm ein Lungenemphysem diagnostiziert wird, reift in Tomasi ein Plan: Im Angesicht des eigenen Todes und des Todes einer ganzen Welt, beschließt er, etwas Bleibendes zu schaffen. Der 59-Jährige schreibt den weltberühmten Roman ›Der Leopard‹.“

    Die Geschichte um den „letzten Prinzen“ des Geschlechts der Lampedusa hat eigentlich ein unheimliches großes Potential, welches hier in meinen Augen deutlich verschenkt wurde. Autor Steven Price bekommt durch den Roman „Der Leopard“ eine sehr ausführliche Geschichte vorgelegt, die den Autor, den er hier in seinem Buch beschreibt, extrem gekonnt durchschauen lässt. Price schreibt eine Art Biografie mit ein wenig Roman-Wirkung. Sein Wort- und Sprachstil sind dabei passend und ausdrucksstark gewählt. Dennoch gibt es hier und da Länge, die überhaupt nicht sein müssten und auch einige Stellen an denen sich Price richtig verzettelt im Erzählfluss. Gerade weil ich den Roman „Der Leopard“ kenne, war die eigentliche Entstehungsgeschichte dahinter und den Autor an sich eine spannende Idee, nur leider, war für meine Begriffe, hier kein Punkt dabei der mich richtig gefesselt hätte. Wie einige Leser schon angemerkt haben, ist gerade der letzte Part des Buches eher eine Art „Notlösung“. Bei so einer Geschichte und so einem „Künstler“ hätte ich doch etwas mehr Fingerspitzengefühl erwartet.
    Wer „Der Leopard“ gelesen hat, erfährt mehr über Tomasi als hier - denn da stecken die Details zwischen den Zeilen...Er war halt nunmal „Der letzte „Prinz““ der auf Krampf ein Erbe für die Menschheit hinterlassen wollte...in den Gedanken dazu, es könnte eine Erinnerung an ihn sein.
    3,5 von 5 Sterne von mir.

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  1. Der letzte seiner Art

    Guiseppe Tomasi di Lampedusa mag der entsprechenden Leserschaft in Form seines einzigen Romans „Der Leopard“ bereits bekannt sein. Ich hatte bis zur Leserunde zu „Der letzte Prinz“ von Steven Price noch nie das Vergnügen – weder mit Autor noch mit dem Buch. Das hat sich nun gründlich geändert.

    Denn auch, wenn es dieser fiktionalen Biografie zum Ende hin nicht ganz gelingt, in die „Kings Crown Juwels 2020“ aufgenommen zu werden, so hat Steven Price doch ein feines Buch vorgelegt, dass geneigte Leser:innen in Augenschein nehmen sollten.

    Guiseppe Tomasi genießt das Leben; als letzter (verarmter) Spross eines sizilianischen Adelsgeschlechts. Vielleicht rührt daher das Bedürfnis, etwas „Bleibendes“ nach seinem Tod zu hinterlassen; bekommt er doch bereits am Anfang des Romans die Diagnose Lungenemphysem. Das hindert ihn allerdings nicht daran, weiter wie ein Schlot zu rauchen…

    Vor der äußerst stimmungsvollen und bildhaften Kulisse des vergangenen Siziliens fängt Guiseppe Tomasi an, (s)einen Roman, sein im wahrsten Sinne des Wortes „Lebenswerk“ zu schreiben (besagter „Der Leopard“), dessen Veröffentlichung er allerdings nicht mehr erlebt, da er Zeit seines Lebens von den Verlagen abgelehnt wurde; selbst sein Cousin Lucio Piccolo steht der Veröffentlichung kritisch gegenüber.
    Tomasis Leben lernen die Leser:innen nach und nach in Rückblenden kennen; die Zeitsprünge sind nicht chronologisch, was aber bis auf eine Ausnahme nicht weiter stört; dazu gleich mehr. Dabei werden Schlaglichter auf die Mutter/Sohn-Beziehung sowie auf die Beziehung mit seiner Frau Licy gesetzt.

    Die größtenteils poetisch anmutende Sprache von Stephen Price passt hervorragend zu der Kulisse von Sizilien und irgendwie habe ich große Lust bekommen, an die Originalschauplätze zu reisen. Man wird ja wohl noch träumen dürfen…*g*.

    Leider geht dem Roman nach dem unabwendbaren Tod von Guiseppe Tomasi sprichwörtlich die Luft aus. Statt eines vernünftigen Nachworts gibt es einen Zeitsprung von über 40 Jahren in der Handlung, in der der Adoptivsohn von Guiseppe Tomasi zu Wort kommt und in welchem die geneigte Leserschaft erfährt, wie es doch noch zur Veröffentlichung des Romans und der dazugehörigen Verfilmung gekommen ist. Der ganze letzte Abschnitt macht auf mich leider einen gehetzten Eindruck – als wenn der Autor schon vor Ende der vereinbarten Seitenzahl zum Tod von Guiseppe Tomasi gekommen ist und die Restseiten noch füllen musste. Das ist das Einzige, was mich richtig geärgert hat an diesem Roman.

    Alles in Allem hat mir „Der letzte Prinz“ ganz gut gefallen und trotz des kleinen Wehmut-Tropfens am Ende gebe ich 4* und eine Leseempfehlung.

    ©kingofmusic

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    18. Dez 2020 

    Ein Roman voller Schwächen

    Ich bin bekennender Fan des Diogenes Verlagsprogramms. Bisher konnte ich mich darauf verlassen, dass Titel, die ich mir ausgeguckt habe, in mein literarisches Beuteschema passen. Doch jetzt ist das eingetreten, was ich bisher kaum für möglich gehalten habe: Ich habe einen Titel erwischt, der mir - mit viel Wohlwollen - nur ein kleines bisschen gefallen hat: "Der letzte Prinz" des kanadischen Bestseller Autors Steven Price.

    Er erzählt die Geschichte des italienischen Adeligen und Schriftstellers Giuseppe Tomasi di Lampedusa und die Entstehung seines weltberühmten Romans "Der Leopard". Dabei konzentriert sich die Handlung auf die letzten 2 Jahre im Leben des Fürsten Tomasi, der 1957 im Alter von 61 Jahren gestorben ist. Die Veröffentlichung seines Romans hat er nicht mehr erlebt. Schauplatz ist vorwiegend Sizilien, mit einigen Ausflügen auf das italienische Festland sowie diverse europäischen Metropolen. Protagonist ist natürlich Tomasi, der sich im Verlauf der Handlung immer wieder in Erinnerungen an die Vergangenheit verliert: seine Kindheit, seine Mutter, seine Ehe mit der deutsch-baltischen Adeligen Alexandra von Wolff-Stomersee, genannt Licy. Das Leben von Tomasi lässt sich anhand eines Zitats aus diesem Roman wie folgt beschreiben:

    "Der Mann hatte eine goldene Kindheit, danach ging es mit seinem Leben stetig abwärts, bis er, sagen wir, einen Zustand kurz vor dem Elend erreichte."

    Tomasi kam 1896 als adeliger Sproß zur Welt. In dieser Zeit war der Adel die herrschende Gesellschaftschicht in Italien. Ein Leben in königsgleichen Verhältnissen mit entsprechenden Privilegien waren für den italienischen Adel eine Selbstverständlichkeit, genauso wie für Tomasi, dem das herrschaftliche Anspruchsdenken quasi in die Wiege gelegt wurde. Doch mit den Jahren änderten sich die politischen Machtverhältnisse zu Ungunsten des Adels. Die Kriege taten ihr Übriges dafür, dass für den Adel Einnahmequellen plötzlich nicht mehr vorhanden waren. Besitztümer wurden aufgelöst oder zerstört. Wer die Zeichen der Zeit früh genug erkannte, ergatterte einen Posten in der Wirtschaft, um das gewohnte Leben in Dekadenz und Luxus weiterführen zu können. Einer, der nicht auf die Zeichen der Zeit reagierte, war unser Protagonist, weshalb er und seine Familie, bestehend aus seiner Frau und seiner Mutter, verarmten. Dank seiner Frau Licy, die durch ihre Arbeit als Psychoanalytikerin für ein gewisses Einkommen sorgen konnte, sowie der Gastfreundschaft diverser Adelsfreunde, ließ sich zumindest der Schein eines adeligen Lebens aufrechterhalten. Tomasi ist mental nie in seiner Gegenwart angekommen. Sein Denken wird von der Vergangenheit bestimmt, als es in Italien noch etwas bedeutete, adelig zu sein, und die Menschen einem Fürsten Tomasi di Lampedusa in ehrfurchtsvollem Respekt begegnet sind.

    Was lässt sich noch über unseren Protagonisten sagen?

    Als Sohn einer dominanten Mutter, die für die Zeit in Tomasis Kindheit ungewöhnlich selbstbewusst und eigenwillig war, konnte er sich nie von dem Einfluss dieser Frau lösen. Mutter Tomasi hat sich zeitlebens an ihren Sohn geklammert. Warum sie dieses erdrückende Verhalten an den Tag gelegt hat, klingt in diesem Roman leider nicht durch und lässt daher sehr viel Raum für Spekulationen.

    Auffällig ist, dass der Charakter von Tomasis Ehefrau Licy sehr große Ähnlichkeit mit dem seiner Mutter hat. (Freud lässt grüßen)

    Tomasi ist an Lungenkrebs gestorben. Der Roman "Der letzte Prinz" beginnt mit der Diagnose eines Lungenemphysems, scheinbar der Vorstufe zu der späteren Krebserkrankung. Zu diesem Zeitpunkt erfährt der Fürst bereits, dass er nicht mehr lange leben könnte, wenn er seine Lebensumstände (womit hauptsächlich sein enormer Zigarettenkonsum gemeint war) nicht anpasst. Im Angesicht seines vermutlich in absehbarer Zeit kommenden Todes beginnt er, sein Leben zu reflektieren. Die Frage nach seinem Vermächtnis gibt den Ausschlag, einen Roman zu schreiben - "Der Leopard". Darin geht es um den allmählichen Machtverlust einer sizilianischen Adelsfamilie, basierend auf der Geschichte seiner eigenen Familie. Dieser Roman ist der einzige des Fürsten und beschäftigte dessen Denken bis zu seinem Tod.

    Bis hierhin waren dies die Aspekte des Romans von Steven Price, welche für mich schlüssig waren und auch einen gewissen Charme ausgemacht haben. Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich mich durch das Buch gequält habe. Dem war nicht so. Stattdessen ist das Buch für mich zu einem Leseerlebnis geworden, bei dem ich mich über viele Schwachstellen geärgert habe.

    Zunächst haben wir Tomasis Charakter, der für mich nicht greifbar war. Ich habe Tomasi als verarmten Adeligen erlebt, als todkranken Mann, als Kettenraucher, als Sohn, als Ehemann, als Schriftsteller, als Soldat etc. etc. etc. - alles Rollen, aber keine Charaktereigenschaften. Man könnte ihn bestenfalls aufgrund seiner Zigarettensucht und der lebenslangen seelischen Abhängigkeit von seiner Mutter als schwach bezeichnen, vielleicht auch als schüchtern und wenig selbstbewusst, da er sich im Zusammensein mit Fremden unwohl fühlte. Aber im Großen und Ganzen bleiben seine Charaktereigenschaften verborgen. Ich bin nicht an ihn herangekommen. Steven Price überlagert den Charakter des Protagonisten Tomasi mit einer tiefen Traurigkeit, durch die ich leider nicht durchgedrungen bin.

    Für mich ist in diesem Roman nicht greifbar, auf welchen Fokus der Autor Steven Price hinzielt. Gemäß Buchbeschreibung des Verlages ging es ihm um die Schaffensgeschichte zu dem Roman "Der Leopard" sowie dem Leben von Tomasi di Lampedusa. Dabei greift der Autor unzählige Aspekte dieses Lebens auf, die er jedoch teilweise nur ankratzt und en passant in den Leseraum wirft: italienische Politik, sizilianische Lokalpolitik, italienischer Adel, Schriftstellerei, Alter vs. Jugend, ungesundes Mutter-Sohn Verhältnis etc. etc. etc. Diese Ansätze kommen und gehen, werden dabei kurz angerissen, aber nicht konsequent weiterverfolgt. War also der Plan, einen Roman über die Schaffensgeschichte von "Der Leopard" und dessen Autor zu schreiben, schweift mir Steven Price mit seinem gedanklichen Flickwerk zu sehr von dieser Intention ab - es sei denn, er wollte einen Roman über die italienische Adelsgeschichte des vorherigen Jahrhunderts am Beispiel des Protagonisten schreiben?!

    Indem Steven Price die unterschiedlichsten Gedanken nur im Ansatz präsentiert, lässt er dem Leser natürlich viel Interpretationsspielraum, was per se nicht schlecht ist. Schließlich will der Leser beschäftigt werden. Was mich jedoch sauer macht, ist, dass Steven Price plump die Richtung vorgibt, in die sich diese Interpretation bewegen soll: Lieber Leser, empöre Dich!

    Ein paar Beispiele gefällig?

    - Tomasi erzählt seiner Frau nicht sofort, dass er schwer krank ist. (Wie kann er nur? Was ist denn das für eine Ehe, dass er nicht das Bedürfnis hat, sich seiner Frau anzuvertrauen?)

    - Tomasis Mutter ist sehr dominant und egoistisch. Sie klammert sich an ihren Sohn. (Was ist das nur für eine schreckliche Mutter?)

    - Trotz seiner Krankheit schränkt Tomasi seinen Zigarettenkonsum nicht ein. (Wie unvernünftig und unverständlich!)

    - der Adel lebt adelig und feudal (soweit es die finanziellen Möglichkeiten in den 50er/60er Jahren noch zuließen). (Unfassbar!!!)

    Dieser Roman macht auf mich einen unfertigen Eindruck. Meines Erachtens hätte er noch die eine oder andere Lektoratsrunde nötig gehabt. Es gab Formulierungen, die nicht stimmig waren und bei denen ich zusammengezuckt bin. Es gab überflüssige Szenen, die für die Handlung irrelevant waren, genauso wie ein plötzlicher Perspektivwechsel auf eine Figur, die eine untergeeordnete Rolle gespielt hat. Und es wurden einige Ausdrücke verwendet, die es nicht im deutschen Sprachgebrauch gibt.

    Der Fairness halber muss ich jedoch dazusagen, dass es sprachlich auch herausragende Momente in diesem Roman gab, die bezeugen, dass der Autor sein Handwerk versteht und kann, wenn er will. Doch die Anzahl dieser Momente war leider überschaubar. Ein weiterer Pluspunkt ist das 50er/60er Jahre Flair, das der Autor in diesem Roman vermittelt. Man fühlt sich doch sehr an die Visconti-Filme dieser Zeit erinnert, was einen besonderen Charme ausmacht.

    Rezensionen sind immer subjektiv. Das beweist gerade dieser Roman. Denn ich habe dieses Buch im Rahmen einer Leserunde gelesen, in der ich mit meiner Kritik so gut wie allein stand. Das, was ich als Schwächen des Romans empfunden habe, ist von anderen nicht wahrgenommen worden. Ganz im Gegenteil, dieser Roman ist in der Leserunde mit viel Begeisterung gelesen worden. Dennoch ändert es nicht daran, dass für mich bei diesem Roman die negativen Aspekte überwiegen, so dass meine ursprüngliche Erwartung, ein literarisches Highlight lesen zu dürfen, nicht erfüllt worden ist.

    © Renie

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    15. Dez 2020 

    Lesenswerte Künstlerbiographie voller Melancholie

    Der kanadische Autor Steven Price erzählt in seinem Roman „ Der letzte Prinz“ die Lebensgeschichte von Guiseppe Tomasi di Lampedusa, Autor des weltweit erfolgreichen Romans „ Der Leopard“.
    Giuseppe Tomasi entstammt einem ehemals mächtigen sizilianischen Adelsgeschlecht, das seine Ahnentafel bis in die Zeit des römischen Kaisers Tiberius ( 42 v. Chr. - 37 n.Chr. ) zurückverfolgen kann. Seit dem 16. Jahrhundert lebte die Familie auf Sizilien, wo sie große Ländereien besaßen. Doch mittlerweile war die Familie verarmt, ihre Besitztümer waren geschrumpft und ihre Macht dahin. Giuseppe „ war der Letzte seines Geschlechts, nach ihm kam nur Auslöschung.“
    Der Roman setzt ein im Januar 1955, zweieinhalb Jahre vor seinem Tod. Der 59jährige Guiseppe wird bei einem Arztbesuch mit einer schlimmen Diagnose konfrontiert: ein Lungenemphysem. „ Das plötzliche, klare Bewusstsein vom eigenen Tod erfüllte ihn.“ Angesichts seiner Endlichkeit überfällt ihn eine tiefe Wehmut. Was würde er hinterlassen? Kinder hatte er keine; mit ihm ging eine ganze Welt zu Ende.
    Seiner Frau Lizzy verschweigt Guiseppe zunächst den Befund. Will er sie schonen oder will er es selbst nicht wahrhaben?
    Stattdessen reift in ihm der Entschluss, einen lang gehegten Traum endlich in Angriff zu nehmen. Einen Roman möchte er schreiben, einen Roman, in dem er die untergegangene Welt seiner Familie wieder lebendig werden lassen möchte.
    Er beginnt mit seiner Arbeit, bereist Orte seiner Kindheit und fühlt sich zusehends beflügelt davon.
    Parallel zur Entstehungsgeschichte des legendären Romans erzählt Price in raffiniert gebauten Rückblenden das Leben des sizilianischen Fürsten.
    Als einziges Kind seiner Eltern ( die zwei Jahre ältere Schwester stirbt kurz nach Guiseppes Geburt ) wächst er in einem hochherrschaftlichen Palazzo in Palermo auf. Die Kindheit wird überschattet von einer Reihe tragischer Ereignisse. Zu seiner Mutter, einer schönen, stolzen und alles beherrschender Frau, unterhält Guiseppe eine lebenslange, beinahe symbiotische Beziehung. Bis zu seinem 50. Lebensjahr, auch als er schon längst verheiratet ist, lebt er gemeinsam mit ihr unter einem Dach.
    1917 muss er an die Front; die Erlebnisse dort belasten ihn zeitlebens. Nach dem Krieg nimmt er sein Studium wieder auf und bricht es ab. Nun führen ihn Reisen, allein oder mit seiner Mutter, durch ganz Europa. In London, wo ein Onkel als Diplomat tätig ist, lernt Guiseppe seine zukünftige Frau kennen, Alessandra, genannt Lizzy. Eine große, selbstbewusste Frau mit den „ schönen, traurigen Augen seiner eigenen Mutter.“ Beide verbindet die Liebe zur Literatur. Stundenlang können sie sich über Bücher und Autoren austauschen. Sie heiraten, nachdem Lizzy von ihrem ersten Mann geschieden ist , führen aber jahrelang eine Ehe auf räumliche Distanz. Erst als die Russen Lizzy aus ihrer lettischen Heimat vertrieben haben und Guiseppes Palazzo zerbombt wurde, ziehen beide in einen etwas heruntergekommenen Palazzo in Palermo.
    Lizzy ist es auch, die an sein schriftstellerisches Können und sein Buch glaubt. Doch Guiseppe wird den großen Erfolg seines Romans nicht mehr erleben. Zunächst wird das Manuskript von zwei Verlagen abgelehnt; erst nach seinem Tod wird es seinen weltweiten Ruhmeszug antreten.
    Steven Price versteht es meisterhaft uns diesen Künstler nahezubringen. Er schildert ihn als einen aus der Zeit gefallenen Menschen, einen grüblerischen Beobachter, einen schwachen Menschen ohne Tatendrang. „ Angst war vermutlich die einzige Konstante in seinem Leben. Mit großer Klarheit konnte er an die Ängste seiner Kindheit zurückdenken und in ihnen die Saat des Mannes sehen, der er geworden war. Angst hatte zu seiner Schüchternheit geführt, zu seinem unersättlichen Lesehunger. Und auch dazu, dass er diesen Roman schrieb.“
    Die zwei prägenden Frauen in seinem Leben waren seine Mutter und seine Ehefrau. Obwohl Rivalinnen und Konkurrenten in Bezug auf ihn, ähnelten sie sich in gewisser Weise. Beides waren dominante, starke Frauen, allerdings ist Lizzy die sympathischere Figur. Sie war klug und großherzig, aufgrund ihrer Arbeit als Psychoanalytikerin durchschaute sie die Menschen in ihrer Umgebung. Die Mutter dagegen war selbstbezogen und erdrückte mit ihrer fordernden Liebe ihren Sohn.
    Über der Hauptfigur wie über dem ganzen Roman liegt ein Gefühl tiefer Melancholie.
    „ Mitten in der Verschwendung und Verwirrung eines untergehenden Zeitalters war er in ein ebenfalls vom Niedergang betroffenes Geschlecht hineingeboren, und bald würde eine neue Art von Aristokratie vorherrschen, ein Adel des Geldes und der Privilegien, der den Wert des Neuen im Blick hatte. Ein historisches Gedächtnis würde es nicht geben und daher auch kein ernsthaftes Verständnis. Was das historische Gedächtnis über Jahrhunderte am Leben gehalten hatte, würde keinen Wert mehr haben. Es gäbe nur noch die Zukunft, nur das Kommende.“
    Dabei entwirft Price das Bild einer Gesellschaft, die es so nicht mehr gibt und deren Lebensstil auf uns befremdlich wirkt. Dazu passt sein etwas altmodischer Sprachstil, der sinnliche und atmosphärische Bilder schafft.
    Steven Price hat mit „ Der letzte Prinz“ eine stimmige, interessante und lesenswerte Künstlerbiographie geschaffen, die dem Leser Lust macht, den „ Leoparden“ nochmals oder endlich zu lesen. Dabei wird er einige Parallelen entdecken, Vorbilder für Figuren erkennen und manches mehr.

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  1. Künstlerroman und Abbild einer vergangenen Epoche

    Biografische Romane lassen den Verfasserinnen und Verfassern Spielräume beim Umgang mit bekannten Lebensdaten und beim Ergänzen fehlender Details. Selbstverständlich erwarte ich auch hier, dass die große Linie der äußeren Lebensdaten berücksichtigt wird, ich toleriere darüber hinaus aber kleinere Abweichungen und fantasievolle Ausschmückungen. Entscheidend ist, ein stimmiges Gefühl für die Person, ihre Zeit und ihr Umfeld entsteht. Genau dies ist für mich bei "Der letzte Prinz", einem Künstlerroman über den sizilianischen Autor Giuseppe Tomasi di Lampedusa (1896 – 1957) des kanadischen Lyrikers, Autors und Literaturdozenten Steven Price, gegeben. Bestärkt hat mich in dieser Auffassung, dass Gioacchino Lanza Tomasi, Lampedusas Adoptivsohn, mit der Beschreibung seines Adoptivvaters im Roman einverstanden war.

    Ein Mann der Vergangenheit
    Fürst Giuseppe Tomasi di Lampedusa entstammte einer der mächtigsten und reichsten Adels- und Großgrundbesitzerfamilien Siziliens. Als letzter Spross seines Geschlechts erlebte er den unaufhaltsamen Niedergang nicht nur seiner Familie, sondern seiner ganzen Welt.

    Auf eine als „golden“ empfundene Kindheit folgten traumatische Erfahrungen Tomasis als Soldat im Ersten Weltkrieg und in einem ungarischen Gefangenenlager, wohin ihm die dominante, weltfremde Mutter Pakete schickte:

    "Im März kam das erste Paket seiner Mutter aus Palermo. Es enthielt zwei Bücher von Stendhal und absurderweise einen Tennisschläger, einen Abendanzug und ein Paar feine Lederschuhe." (S. 193)

    Nach seiner Heimkehr reiste er unruhig durch Europa. Die Liaison und schließlich Heirat mit einer deutsch-baltischen Baronesse und Psychoanalytikerin bedeutete das Ende seiner überaus engen Mutter-Sohn-Beziehung. Von Geldsorgen geplagt, bewohnte der Literaturenthusiast mit seiner Frau Alexandra von Wolff-Stomersee einen heruntergekommenen Palazzo in Palermo, nachdem beide 1943 ihre prächtigen Familienwohnsitze verloren hatten, sie durch die Russen in Lettland, er durch amerikanische Bomber in Palermo.

    Aristokrat durch und durch
    Beim Einsetzen des Romans 1955 ist Tomasi ein 59-jähriger, schwerfällig am Stock gehender, vorzeitig gealterter, korpulenter Kettenraucher, der einer vergangenen Zeit nachhängt:

    "Giuseppe […] war es gewohnt, dass man stutzte und ihn anders ansah, wenn man von seiner Stellung im Leben erfuhr. Die hatte er viele Jahre lang als natürlich und richtig empfunden, und wenngleich er ihr seit den Nachkriegsjahren und dem Tod seiner Mutter misstraute, sah er sie tief in einem sehr alten Winkel seines Herzens doch als ihm gebührend an." (S. 102)

    Die Diagnose eines Emphysems konfrontiert Tomasi mit der Einsicht, dass er nichts hinterlassen wird. Charakterlich zu schwach und passiv, um die ärztlichen Ratschläge nach Rauchverzicht und Diät zu befolgen, nimmt er doch in den letzten Lebensjahren zwei Mammutaufgaben in Angriff: Er adoptiert einen jungen Adeligen und schreibt mit "Il Gattopardo" seinen einzigen Roman. Zwar findet sich zu seinen Lebzeiten kein Verleger, doch ist "Der Leopard" bis heute der meistverkaufte italienische Roman des 20. Jahrhunderts.

    Ein Roman in Episoden
    In acht, jeweils mit Zeitangaben versehenen, nicht chronologisch geordneten Kapiteln wirft Price Schlaglichter auf Lampedusas Leben und die Entstehungsgeschichte seines Romans. Das neunte Kapitel von 2003 beinhaltet ein Interview mit dem Adoptivsohn.

    Dass sich das Lebensgefühl dieses emotionslos treibenden Mannes so gut überträgt, ist der bewusst altertümlichen Sprache des Romans zu verdanken. Man muss "Der Leopard" nicht gelesen haben, um den Roman zu mögen, ich vermute allerdings einen größeren Lesegewinn für die, die ihn kennen und nicht nur – wie ich – vor vielen Jahren die Verfilmung von Luchino Visconti aus dem Jahr 1963 gesehen haben.

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  1. Anschauliches Bild über Giuseppe Tomasi

    Giuseppe Tomasi, der letzte aus der Ahnenreihe der Lampedusa, hat zwar noch seinen Adelstitel und das damit verbundene Ansehen, doch von Reichtum kann keine Rede mehr sein. Dennoch wirkt sein Tagesablauf und sein Handeln anders, so als ob er sich den schnöden Problemen von Geldsorgen nicht stellen wolle.
    Als er einen Lungenfacharzt aufsucht, teilt dieser ihm mit an einem Emphysem zu leiden. Er soll seinen Lebensstil ändern, nicht mehr rauchen dann könne er noch viele Jahre leben. Doch Giuseppe will sich von seinem Laster nicht trennen. Seiner Frau verschweigt er sein Leiden, beginnt aber einen Roman zu schreiben, er will in diesem Leben etwas Schönes und ebenso von Bedeutung erschaffen.

    Dieser Roman aus der Feder von Steven Prince beschreibt recht anschaulich das Leben des Schriftstellers, der nach seinem Tod mit dem Roman, den er kurz vor seinem Tod fertigstelle, zu Ruhm gelang. "Der Leopard" zählt zu den bedeutenden Werken der Weltliteratur.

    Wir als Leser erfahren wie Tomasi zu dem Menschen geworden ist, der er war. Die Beziehung zu seiner Mutter wird durchleuchtet, und die vielen Schicksalsschläge die sie erlitt, werden beschrieben. Erlebnisse, die auch den jungen Tomasi prägten.
    Die schweren Kriegsjahre, an die Tomasi nicht gern zurückdenkt, haben ihn verändert. Er ist heilfroh als er endlich wieder in den Schoß der Familie kehren kann. Besser gesagt in die Arme seiner Mutter.
    Die späte Ehe mit seiner Frau Lissy, die mir erst unterkühlt erschien, die aber für beide dennoch eine gute Verbindung darstellte, nimmt auch einen großen Raum der Handlung ein. Die beiden sind kinderlos geblieben, finden aber einen Weg jemanden in ihr Leben zu lassen, der an Sohnes statt, für sie, insbesondere für Lissy sorgen kann.
    Dies und noch einiges mehr lässt ein gutes Bild auf den Menschen hinter dem berühmten Roman zu. Es ist nur schade, dass er vor seinem Tod nichts mehr von seinem Erfolg erfahren durfte.

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  1. Die letzten Jahre eines schreibenden Fürsten

    Steven Price hat das Leben des Autors Guiseppe Tomasi di Lampedusa in den Fokus seines Romans gestellt, mit dem er für den renommierten kanadischen Gilles Prize nominiert wurde.
    Guiseppe Tomasi (1896 – 1957) entstammt einem alten sizilianischen Adelsgeschlecht und war, weil kinderlos, zunächst der letzte Titelträger seiner Familie, die einst zu den einflussreichsten der sizilianischen Aristokratie zählte.

    Der Roman setzt im Januar 1955 ein und endet mit dem Tod des Protagonisten im Juli 1957, erzählt in zahlreichen Rückblenden aber auch viel seinem Leben. Guiseppe lebt zusammen mit seiner Gattin Alessandra von Wolff-Stomersee (genannt Licy) in einem kleinen Haus am Hafen von Palermo. Der stattliche Familienstammsitz der Familie wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört: „Sein wahres Zuhause stand mehrere Straßen entfernt hinter dicken Mauern in einem Haufen geborstenen Steins und windverwitterter Baureste, das Werk einer über den Atlantik beförderten Bombe, deren einziger Zweck darin lag, die Welt, wie sie einmal war, auszuradieren.“ (S. 13)

    Guiseppe ist Literaturliebhaber, beherrscht mehrere Sprachen. Er umgibt sich gerne mit jungen Menschen, hält private literarische Tischgespräche mit ihnen ab, während derer debattiert und diskutiert wird. Sein Arzt Coniglio verkündet ihm allerdings eine nicht ganz unerwartete, ernste Diagnose: Guiseppe leidet an einem unheilbaren Lungen-Emphysem, das alsbald zum Tod führen kann, wenn er sein Leben nicht grundlegend ändert. Vom Rauchen will er aber nicht lassen. Zunehmend beschäftigt sich der 57-Jährige mit seinem Leben, geht wichtige Entscheidungen und Stationen noch einmal durch und zieht eine Bilanz.

    Guiseppe hat im Ersten Weltkrieg kämpfen müssen, den er zwar überlebte, der ihm aber schlimme Traumata beschert hat. Jahrelang lebte er mit seiner Mutter zusammen, einer Frau, die als Aristokratin geboren eine recht launische, egozentrische Person war, die ihren einzigen Sohn nicht recht wahrnahm. „Er liebte sie wegen der großen, starken, überwältigenden Zuneigung, die sie einforderte und bekam, ein von allen, die sie kannten, und gerade auch von ihm geliebtes und gefürchtetes Wesen.“ (S. 27)

    Zunehmend fällt Guiseppe einer Melancholie anheim. Er leidet darunter, dass er keinen Erben hat und sein Adelstitel auszusterben droht. Vermögen ist ohnehin nicht mehr viel vorhanden, doch mag er sich mit solch profanen Dingen nicht beschäftigen. „Es schmerzte ihn, an den langen Niedergang der Fürsten von Lampedusa zu denken, an diesen Verlust, daran, wie leicht eine Ahnenreihe von historischer Schönheit sich abwürgen ließ.“ (S. 43)

    Man spürt eine aristokratische Arroganz, die den Fürsten umflort. Er genießt es sichtlich, noch ehrwürdig mit „Exzellenz“ angesprochen zu werden, er kann sich schlecht in die Probleme und Notwendigkeiten einfacher Bürger hineinversetzen. Durch die Beschäftigung mit Krankheit und Tod nimmt er einen alten Traum wieder auf: Er möchte einen Roman über seinen Urgroßvater schreiben, einen Mann, „der es nicht ertragen konnte, alt zu werden, und für den Sterben die Auslöschung bedeutete,…“ (S. 49)

    Die Beschäftigung mit dem Roman scheint die Lebensenergie Guiseppes anzufachen. Die Arbeit reißt ihn aus seiner Lethargie, er wird fröhlicher, optimistischer. Auf den Spuren der Ahnen reist er zum Stammsitz der Lampedusa nach Palma. Seine Gedanken mäandern aber auch in die Vergangenheit: in die Kindheit, den Krieg, zu den tragischen Verlusten seiner Familie wie auch zu seiner selbstbewussten Ehefrau, von der er jahrelang getrennt lebte, weil sie von seiner Mutter nicht akzeptiert wurde. Die meisten Frauen haben zwar nur Nebenrollen im Buch, fallen aber durch ihre wachen, selbstbewussten Charaktere positiv auf.

    Im personalen Erzählstil bekommt der Fürst für den Leser immer klarere Konturen, ohne besonders sympathisch zu sein. Parallelen zum im Roman beschriebenen Urgroßvater tun sich auf, die Männer weisen Ähnlichkeiten auf. Man lernt den letzten Prinzen in seinem Umfeld kennen. Der Leser kann sich ein Bild der Lebensumstände einer Gesellschaftsschicht machen, die es so nicht mehr gibt. Dabei gelingt es Price überzeugend, dieses Lebensgefühl einer aussterbenden Spezies greifbar zu machen.
    Giuseppes entfernter Verwandter, der lebensfrohe Gioacchino, bringt mit seiner Verlobten Mirella Leben ins Haus. An ihn heftet Giuseppe gewisse Hoffnungen… Der Protagonist ist wahrlich kein Macher. Er lässt sich treiben. Er schaut zurück, aber selten nach vorne. Er fühlt sich von der Zeit überrollt. Seine Lebensbilanz empfindet er als dürftig, gerade deshalb will er der Nachwelt seinen Roman hinterlassen, an dessen Entstehung und erster Rezeption wir als Leser Anteil nehmen. So sehr ihn das Schreiben zunächst motiviert, so groß sind auch die Gefahren, die davon ausgehen: Was, wenn das Werk nicht gefällt und es keinen Verleger findet?

    Wenn ich „Der letzte Prinz“ so Revue passieren lasse, hat mir vieles gut gefallen. Allen voran der Erzählstil. Ich erwähnte bereits, dass konsequent aus Sicht Giuseppes erzählt wird, in einer altmodisch anmutenden Sprache, die wunderbare Sätze und Satzkonstruktionen bereithält. Die Stimmung ist trübe, ahnt man doch von Beginn an den zeitnahen Tod des Protagonisten, der sein Leben als reich an Verlusten und schmerzhaft empfindet. Es gibt nur wenige glückliche Momente in seinen Reflexionen. Da seine Gedanken an verschiedene Handlungsorte zurücktreiben, wirkt der Text ungemein beruhigend. Es kommt keine wirkliche Spannung auf. Das muss man mögen, zumal Guiseppe tatsächlich einer anderen Schicht und Generation angehört und sich keine wirkliche Nähe zur Hauptfigur einstellt. Für mich hatte der Roman Längen. Ich habe die einzelnen Abschnitte mit unterschiedlichem Interesse gelesen. Trotzdem will ich ihm seine Qualität keinesfalls absprechen. Die Gesamtkonstruktion ist gelungen und absolut stimmig/glaubwürdig. Herausragend ist die konstant nachdenklich-melancholische Atmosphäre des Romans. Auch wenn man keine große Nähe zum Protagonisten empfindet, kann man doch seine Emotionen im Angesicht des Todes nachvollziehen.
    Price hat einen Schriftsteller in seinen letzten zwei Lebensjahren abgebildet, in denen es jenem tatsächlich gelungen ist, einen Roman von bleibendem literarischem Wert zu erschaffen, der auch heute noch gelesen wird. Diesem Entstehungsprozess beizuwohnen, ist ein Gewinn.

    Tragisch, dass Guiseppe Tomasi di Lampedusa den großen Erfolg seines Romanes „Il Gattopardo“ (übersetzt „Der Leopard“), der sogar posthum noch mit dem wichtigsten italienischen Literaturpreis, dem Premio Strega, ausgezeichnet wurde, nicht mehr erlebt hat. Price soll die Sprache an die in „Der Leopard“ genutzte angepasst haben. Wer diesen Roman kennt (ich tue das nicht), wird in der fiktionalen Biografie gewiss noch mehr Zusammenhänge erkennen können. Mich hat „Der letzte Prinz“ definitiv neugierig gemacht, den Roman „Der Leopard“ kennenzulernen.

    3,5/5 Sterne

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  1. Ein Kunstwerk in sich selber

    Kurzmeinung: Ein Kunstwerk. Ein junger Autor - relativ gesehen - läßt die alte Weise des Erzählens noch einmal aufleuchten.

    In dem Roman „Der letzte Prinz“ geht der Autor dem Leben des Fürsten Giuseppe Tomasi di Lampedusa (1896 bis 1957), Herzog von Palma, nach. Dieser Herr ist der letzte männliche Spross eines alten sizilianischen Adelsgeschlechts. Er ist etwas in die Jahre gekommen, lebt mit seiner Frau in einem Palast in Palermo und ist unheilbar krank.

    Tomasi, unser Held, hat vieles durchlebt, was seine Lebensdaten bereits andeuten. Dennoch ist er von Haus aus ein passiver Mensch und rückwärtsgewandt. Ein Mensch, wie Price zeigt, der mit den vielen Umbrüchen, die im 20. Jahrhundert stattfinden nicht so richtig umgehen kann. Oder will.

    Da er keine Kinder hat, beschließt er, die alten Zeiten wenigstens in einem Roman zu bewahren. Und so fängt er in seinen ihm verbleibenden Jahren an, zu schreiben. Zu seiner Lebenszeit durfte er leider nicht die Lorbeeren dafür einstreichen, die dem Roman später beschieden waren. Il Gattopardo (Der Leopard) wurde Bestseller und Longseller und wurde außerdem verfilmt. Aber zunächst einmal lehnten die Verlage, bei denen Tomasi seinen Roman einreichte, ab. Der Roman hätte eine riskante politische Brisanz und würde den auf die Moderne ausgerichteten Leser sowie so nicht interessieren. Eine krasse Fehleinschätzung, wie sich herausstellte.

    Eine g u t e fiktive, literarische Biografie zu schreiben, ist nicht leicht und ich habe dieses Unterfangen schon öfters scheitern gesehen/gelesen. Entweder wird zu viel hinzuerfunden oder die Figuren werden zu süßlich. Oder die Autoren haschen nach billigen Effekten.

    Price hingegen macht seine Sache außerordentlich gut. Man sieht durch die Augen Tomasis. Man fühlt mit ihm, ob man ihn mag oder nicht. So oder ähnlich könnte es gewesen sein. Man nimmt dem Schriftsteller die Story ab.

    Bestimmt kommt der Roman „Der letzte Prinz“, der für den kanadischen Giller-Prize nominiert wurde, dort am besten an, wo man das zugrundeliegende Werk „Il Gattopardo“ bereits kennt. Denn Steven Price hat viele Parallelen dazu in seinem Buch geschaffen. Aber auch wenn man diesen Roman nicht kennt, wird man bestens unterhalten. Allerdings muss man sich auf die handlungsarme Erzählweise einlassen, sich mit ihr slowly vorantreiben lassen ...

    Ich bin von diesem Roman sehr, sehr angetan. Price hat mir vor Augen gemalt, an welchen Bildern der ältere, sizilianische Herr hängt, was er nicht loslassen kann. Äußerlich tut er nichts, aber auch gar nichts, was zur Konservierung beitragen könnte. Er bückt sich nicht einmal nach alten persönlichen Schriftstücken, die im Freien vergammeln.werden, er läßt das materielle Vergehen von Dingen ebenso zu wie er seinem langsamen Sterben nichts entgegensetzt. Was Tomasi konserviert, sind seine Erinnerungen.

    Price illustriert Sizilien durch die Augen seines Protagonisten. Durch seine Seele sogar. Er malt ein Mutter-Sohn-Gemälde, das keineswegs sympathisch ist. Der Einfluß der Mutter verhindert, dass Tomasi ein eigenständiges Leben führt. Allerdings gehören dazu immer zwei. Ich sehe, wie Tomasi die Zeit seiner Kindheit heraufbeschwört, die für immer vergangen ist. Aber Spuren davon liegen noch in der Luft. Nie werden die Menschen aufhören, den Adel zu hofieren und ihm einen roten Teppich auszulegen, egal, was er ihnen in früheren Zeiten angetan hat. Egal, wie er sie ausgeraubt hat.

    Dann wieder ist Tomasi wieder in der Gegenwart. Emotionslos und illusionsfrei benickt er die Entführung und Folterung eines Bekannten durch die Mafiosi. Jaja, so ist es halt. So war es und so ist es und so wird es immer bleiben. Man kann nichts tun. Tomasi tut nichts. Er durchleidet. Und in diesem Durchleiden findet er Erfüllung.

    Der Autor hat die Sprache, der er benutzt, an sein altertümliches Sujet angepasst. Das ist die alte Art des Erzählens, des Herumschlenderns und Schauens, des Fühlens und Schmeckens, einfach um seiner selbst willen. Das muss man mögen. Oder man kann mit diesem Roman nichts anfangen. Die Erzählung „Der letzte Prinz“ vermittelt ein Lebensgefühl.

    Der Geist des angeschlagenen Fürsten trudelt, mal sind wir in der Vergangenheit, dann wieder in der für ihn tristeren Gegenwart, so allmählich erschließt sich durch die mäandernden Erinnerungen Tomasis dessen Familiengeschichte, tauchen die starken Frauen in der Familie auf, die fast allesamt ein unrühmliches Ende fanden. Es wird ersichtlich, wie wichtig die Familienbande sind, aber auch, wie einseitig ein solcher, verarmter, Fürst lebt. Man gibt Geld aus, ob man es hat oder nicht. Noblesse oblige!

    Einseitig, stur bis zum Verbocktsein kann man sein. Unpraktisch, weil sich nicht den Problemen des Alltags stellend. Den Kopf in den Wolken und der Vergangenheit verpflichtet. Resignativ, aber mit Contenance. Man kann untergehen, aber mit Würde.

    Price kann so wunderbar erzählen, dass man glaubt, so könnte es vielleicht wirklich gewesen sein. Man nimmt ihm sogar ab, dass Tomasi ein wunderbarer Erzähler gewesen ist. Und bei so manchem Leser wird die Lust geweckt, das Original „Der Leopard“ von Giuseppe Tomasi di Lampedusa selber zu lesen, sofern er es nicht sowie so schon kennt.

    Fazit. „Der letzte Prinz“, ein Roman über die Entstehtung eines Kunstwerks, ist ein Kunstwerk in sich selber.

    Kategorie: Belletristik. Anspruchsvoller Roman.
    Diogenes, 2020
    Mein Lesehighligt 2020

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