Der heutige Tag: Ein Stundenbuch der Liebe

Buchseite und Rezensionen zu 'Der heutige Tag: Ein Stundenbuch der Liebe' von Helga Schubert
4.5
4.5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Der heutige Tag: Ein Stundenbuch der Liebe"

Über fünfzig Jahre lang teilen sie ihr Leben. Doch nun ist der Mann schwer krank. Lange schon wird er palliativ umsorgt; und so wird der Radius des Paares immer eingeschränkter, der Besuch seltener, die Abhängigkeit voneinander größer. Kraftvoll und poetisch erzählt Helga Schubert davon, wie man in solchen Umständen selbst den Verstand und der andere die Würde behält.

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:224
EAN:9783423283199

Rezensionen zu "Der heutige Tag: Ein Stundenbuch der Liebe"

  1. "Der, den ich liebe"

    Mein Hör-Eindruck:

    Helga Schubert wählt für ihr Buch den Untertitel „Stundenbuch“ und erinnert damit an die liturgischen Stundenbücher des Christentums, die dem Laien Gebete rund um die Uhr, meist beginnend ab Mitternacht, anbieten. Der Untertitel „Stundenbuch der Liebe“ wird dem Leser schnell klar: Die Ich-Erzählerin dient ihrem schwer kranken Mann rund um die Uhr, und das aus Liebe.

    Man kann wohl davon ausgehen, dass Ich-Erzählerin und Autorin in diesem Buch identisch sind. Sie beginnt mit dem Morgen und verschont ihre Leser nicht mit den Pflege-Handgriffen, die jeden Morgen zu erledigen sind.
    Sie verschont ihre Leser grundsätzlich nicht: wir erfahren harte Details ihrer Rund-um-die-Uhr-Pflege, die sie trotz ihres eigenen hohen Alters – 83 Jahre alt und selber nicht gesund - auf sich nimmt.

    Sie lernt, dass sie keine Dankbarkeit erwarten kann, z. B. in Form von Unterstützung bei der Pflege, und umgekehrt erlebt sie auch uneigennützige Hilfen, die sie nicht erwartet hatte. Sie erzählt auch vom Rat, ihrem Mann mit einer höheren Dosis Morphium aus dem Leben zu helfen, weil sein Leben doch nicht mehr lebenswert sei. Sie selber sieht durchaus die Vorteile, die sie von seinem Tod hätte: nicht nur das Ende einer Dauersorge, sondern auch der Rückzug in die Großstadt, Teilnahme an Sitzungen des PEN-Clubs, Lesungen in entfernteren Städten etc.

    Und der Leser fragt sich, was es ist, dass sie die Pflege ihres Mannes auf sich nimmt. Diese Frage beantwortet die Autorin mit vielen Rückblenden in das gemeinsame Leben, angefangen vom ersten Kontakt an der Universität bis zum Umzug aufs mecklenburgische Land. Diese Rückblenden lassen manchmal den Zusammenhang vermissen und wären überflüssig. Viele sind aber von Verzicht geprägt (z. B. dem Verzicht auf die Ausreise in den Westen), und sie zeigen die tiefe Verbundenheit dieser beiden Menschen.

    Und so wird dem Leser klar, wie sehr es Helga Schubert schmerzen muss, dass ihr Mann sich nun alleine aufmacht in eine andere Welt. Und sie erkennt ihre neue Lebensaufgabe: das Annehmen dieses Weggangs und das Loslassen. Dabei hilft ihr das Schreiben, sagt sie: „Ich rette mich durch Schreiben.“

    Sie begleitet ihn, und sie ist dankbar für die kleinen gemeinsamen Freuden, die ihnen bleiben: der Vogelgesang, die Sonnenstrahlen im Garten und vor allem die Freude an jedem kleinen gemeinsamen Moment.

    Ruth Reinecke, die das Hörbuch eingelesen hat, spricht sehr deutlich, eher langsam und sehr prononciert, ihre Stimme habe ich als hart, fast hölzern empfunden. Mir hätte eine wärmere und flexiblere Stimme besser gefallen. Geschmackssache.

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  1. Was hält Liebe aus?

    Ehrlich gesagt bin ich relativ erwartungslos an die Lektüre gegangen. Eigentlich wollte ich nur kurz reinlesen, um zu sehen ob das Geschilderte überhaupt etwas für mich ist, nur um dann zu merken, dass ich nicht mehr aufhören konnte und diesen Titel an einem Tag inhaliert habe.

    Die Autorin beschreibt mit ruhigen Worten alle Facetten der Pflege ihres Mannes, mit schönen aber eben auch sehr vielen anstrengenden Momenten.

    Die genutzte Sprache hat etwas so leichtes und trifft dennoch mitten ins Herz, denn wie soll man das bekommen und erleben in der heutigen Gesellschaft, wo es schon unrealistisch ist 10 Jahre gemeinsam zu leben, geschweige denn 50 Jahre und mehr. Da wird jemand wie ich aus der Generation Y sehr sehr nachdenklich, denn weder wüsste ich, ob sich jemand für mich so aufopfern würde, noch ob ich dies für jemanden machen wollen würde.

    Das Geschilderte hat mich sehr nachdenklich gestimmt und tief berührt. Es ist so immens ehrlich und dennoch scheint die Liebe hier Berge zu versetzen oder ist es nur der Wille der Pflegenden?

    Für mich definitiv ein Buch, dessen Lektüre ich vermissen würde und das wo ich eher zufällig und unwissend danach gegriffen habe, nur um dann zu merken wie sehr ich das vielleicht gerade brauchte.

    Fazit: Bedrückend, berührend, ehrlich und einfach kostbar. Ich kann nur eine klare Leseempfehlung aussprechen! Für mich ein Lesehighlight 2023.

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