Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße: Roman' von Maxim Leo
4.35
4.4 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße: Roman"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:304
EAN:9783462000849

Rezensionen zu "Der Held vom Bahnhof Friedrichstraße: Roman"

  1. Held wider Willen

    Die Zeiten ändern sich und Videotheken sind nicht mehr so gefragt. Auch die von Michael Hartung lief nie gut, aber die Streaming-Dienste machen es ihm noch schwerer. Als dann ein Journalist bei ihm auftaucht und ihn als den Verantwortlichen für eine Massenflucht erkannt haben will, bestätigt Hartung nach einigem Zögern diese spektakuläre Geschichte, die nichts anderes ist als eine Lüge. So wird er unverhofft in allen Medien zum Helden. Doch dann trifft er Paula, die damals dabei war. Er verliebt sich und er muss aus diesem Lügengespinst wieder herausfinden.
    Maxim Leo hat einen angenehmen Erzählstil. Die Geschichte wird aus der Erzähler-Sicht beschrieben, so dass man ganz nah an dem Protagonisten dran ist. Es ist auch gut dargestellt, wie es den Medien immer nur darum geht, die reißerischste Schlagzeile zu haben und damit den Umsatz zu erhöhen.
    Michael Hartungs Leben ist noch nie besonders erfolgreich verlaufen. Angefangen hatte er einmal bei der Bahn und danach die unterschiedlichsten Jobs gemacht, doch nichts lief gut und war von Dauer. Er weiß genau, dass die Geschichte des Journalisten nicht stimmt, doch dann lässt er sich darauf ein. Für ihn ist es so etwas wie ein Spiel und er ahnt nicht, welche Kreise die Geschichte ziehen wird. Es lohnt sich für Hartung, doch als er aus der Sache aussteigen will, begreift er, dass das nicht so einfach ist.
    Es ist eine satirische Geschichte über einen ungewollten Helden. Sie hat mich gut unterhalten.

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  1. Zum schmunzeln, aber auch zum nachdenken

    "Vielleicht sollten wir damit aufhören von den Ostdeutschen und von den Westdeutschen zu sprechen. Ich meine, was hat ein Hamburger mit einem Oberbayern zu tun? Und ein Mecklenburger mit einem Sachsen? Wir sollten aufhören, uns gegenseitig zu beschuldigen und zu belehren."

    Michael Hartung, ein Videotheken-Besitzer, bekommt Besuch von einem Journalisten. Der Journalist hat Stasi-Akten in die Hände bekommen, in denen davon die Rede ist, dass Hartung 127 Menschen zur Flucht aus der DDR geholfen hat, in dem er einen Zug am Bahnhof Friedrichstraße in den Westen umgeleitet hat. Zunächst bestätigt er die Geschichte nicht, doch als er erfährt, dass das Honorar für die Story, die nächste Miete für die Videothek decken würde, ist er bereit ein Interview zu geben. Und Akten lügen ja nicht, oder?
    Es kommt, wie es kommen muss. Es ist kurz vor dem 30jährigen Mauerfalljubiläum und die Medien reißen sich, um den "neuen" Helden und seine Geschichte. Selbst der Bundespräsident lädt ein. Doch wie lange kann Hartung mit dieser Lüge vor ganz Deutschland bestehen. Und dann ist da auch noch Paula, die damals in dem Zug war und in die sich Hartung Hals über Kopf verliebt hat.

    Ein wirklich sehr, sehr gutes Buch. Und sehr klug. Tolles Personal. Da ist dieser wunderbare Anti-Held, der jetzt mit seinem Gewissen im Konflikt ist. Der Journalist, der auch mal Anerkennung haben will. Ein ehemaliger ostdeutscher Bürgerrechtler, der jedoch langsam Selbstzweifel bekommt und ein alter Stasioffizier mit einer Finnhütte am See. Um hier nur einige zu nennen. Die Charaktere sind einfach wirklich gut beschrieben und man schließt sie eigentlich alle ins Herz.

    Und immer wieder die Fragen: braucht Geschichte Helden und wer mach die Geschichte überhaupt? Und warum sind sich Ost-und West bis heute noch fremd? Das Buch findet natürlich nicht DIE Antwort, aber gibt einem gute Ansätze zum nachdenken.

    Ein kluges Buch zum schmunzeln, aber manchmal auch mit ernsten Tönen. Absolute Leseempfehlung.

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  1. Und plötzlich ein Held ...

    Michael Hartung ist Inhaber einer in die Jahre gekommenen Videothek. Seit die Streamingdienste den Markt erobert haben, verirren sich kaum noch Kund:innen in den „Moviestar“, um etwas auszuleihen. Das Geld ist knapp, die Miete fällig und Hartung weiß nicht, wie es weitergehen soll.
    Doch plötzlich steht Alexander Landmann, ein Journalist, vor seinem Tresen, um ihn zur größten Massenflucht in der Geschichte der DDR zu befragen. Aus Stasi-Akten weiß er, dass Hartung die entscheidende Weiche am Bahnhof Friedrichstraße stellte, die es einem Zug mit 127 Menschen an Bord ermöglichte nach West-Berlin zu fahren.
    Landmann wittert die große Story anlässlich des 30-jährigen Mauerfall-Jubiläums. Der irritierte, eigenbrötlerische Hartung winkt zuerst ab und schiebt alles auf einen Zufall. Einige Biere später und mit der Aussicht schlagartig alle Geldprobleme los zu sein, willigt er schließlich in einen einzigen Artikel über ihn ein. Landmann schmückt die Geschichte einfach noch ein bisschen aus und erschafft so einen bisher der Öffentlichkeit noch völlig unbekannten, sympathischen, neuen ostdeutschen Helden. Der Artikel wird ein sensationeller Erfolg. Hartung kann sich vor Interviewanfragen und Werbeangeboten kaum noch retten. Auch der Bundespräsident wird auf ihn aufmerksam und sieht in ihm den geeigneten Sprecher anlässlich des Festaktes im Bundestag. Bestimmte Personen fühlen sich auf den Schlips getreten, recherchieren auf eigene Faust, stellen Ungereimtheiten fest. Hartung überfordert die Situation zunehmend, erst recht ab dem Zeitpunkt als er sich verliebt. Gerade zu Beginn habe ich mich köstlich beim Lesen amüsiert. Die Protagonist:innen sind etwas überzeichnet, aber gut mit ihren Eigenarten dargestellt. Maxim Leo spielt mit zahlreichen Klischees - eine Gratwanderung, die ich größtenteils, aber nicht immer gelungen fand. Gut gefallen hat mir, dass trotz des leichten, humorvollen Erzählstils so einiges an historischem Wissen über die Lebensumstände in der DDR einfließen und auch deutlich wird, wie sehr Bilder/Vorurteile des Ost- und Westdeutschen noch in den Köpfen verankert sind.

    Der „Held vom Bahnhof Friedrichstraße“ ist eine unterhaltsame Lektüre für Zwischendurch, die ich mit 3,5 Sternen (auf vier aufgerundet) bewerte.

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