Der Algorithmus der Menschlichkeit: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Der Algorithmus der Menschlichkeit: Roman' von Vera Buck
3.3
3.3 von 5 (7 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Der Algorithmus der Menschlichkeit: Roman"

Autor:
Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:384
Verlag:
EAN:9783809027287

Rezensionen zu "Der Algorithmus der Menschlichkeit: Roman"

  1. 3
    04. Jun 2021 

    Originell, kurzweilig und interessant, aber Tiefe fehlt...

    Der Roman „Runa“ von Vera Buck hat mir bereits äußerst gut gefallen und da ich mich sehr für künstliche Intelligenz und ihre Auswirkungen auf den Einzelnen, seine zwischenmenschlichen Beziehungen und die Gesellschaft interessiere, war es für mich keine Frage, ob ich dieses Werk lesen möchte.

    Science Fiction, Dystopie oder Utopie?

    Sobald wir das Buch aufschlagen, sind wir im Besucherraum einer Haftanstalt und beobachten, wie Dr. Gottsein hereinkommt und sich gegenüber von Mari an einen Tisch setzt.
    Mari ist diejenige, die Dr. Gottsein erst unabsichtlich umgebracht und dann wiederbelebt hat.
    Jetzt, hier im Besucherraum der Haftanstalt sprudelt er wie ein Wasserfall.
    Er spricht von seiner zweiten Chance durch die Auferstehung von den Toten, erzählt von vergangenen Jahren, seinem neu erwachten Interesse für Religionen und seiner Idee, nach Nigeria zu reisen, um sich dort mit dem Glauben afrikanischer Naturreligionen zu befassen.

    Gottsein wurde von seiner Frau, einer Psychologin, und den Kindern verlassen. Er hat jetzt nur noch seinen Therapeuten und seinen Hund Ödipus.
    Mari wird sich, das hat sie gerade versprochen, um Ödipus kümmern, solange Dr. Gottsein in Nigeria sein wird.
    Der Gefängniswärter macht ihr allerdings einen Strich durch die Rechnung und Ödipus landet bei der tausendfach gepiercten Frieda, die Mari täglich im Gefängnis besucht und sie mit Hilfe eines Computerexperten aus der Untersuchungshaft holen möchte.
    Ein Computerexperte? Jawohl, denn Mari ist eine Maschine, ein Roboter, ein Fembot.
    Sie ist eine „beinahe echte Frau“, die keinen Stromanschluss, aber Zuckerlösung, Cola oder Gatorade braucht, Sommersprossen hat, dunkelbraunes Echthaar trägt, sich leise und fließend bewegt, sprechen und lernen kann, einen hohen IQ und Einfühlungsvermögen hat und auch sonst ziemlich menschlich ist.

    Der Roman, in dem es um künstliche Intelligenz geht, beginnt, gelinde gesagt, skurril und ich war erstmal mächtig verwirrt.
    Aber es dauerte nicht lange und ich war mittendrin.
    Geholfen hat mir dabei Mari, die, nachdem sie selbst durch eine gründliche Untersuchung des Computerexperten völlig verwirrt war, begonnen hat, die Ereignisse gründlich zu sortieren.
    Die Sortierung beginnt dabei mit Maris Geburt bzw. Ankunft im Pygmalion, dem legendären und umstrittensten Tanzclub in Berlin, der Greta Schnabel gehört. „Schnabel‘s Sexroboterclub“, so wird das Pygmalion von der Presse genannt.

    Recht bald lernt Mari den einsamen Programmierer Kai, einen „totalen Nerd“, kennen, der im Rollstuhl sitzt und einfach nur Schach spielen oder reden möchte. Sie führen interessante Gespräche, in denen auch mal nachdenkenswerte Sätze fallen wie „… dabei ist Scheitern doch wie Stolpern… Das geht nur vorwärts.“ (S. 40)

    Auch die bereits oben genannte Frieda, genauer gesagt, die rebellische und kluge Kellnerin Störenfrieda, hat Mari im Pygmalion kennengelernt.

    Und dann bekommen Mari und die anderen Fembots eine neue Kollegin, die auch als Liebesroboter im Club von Greta Schnabel tätig sein soll.
    Mim heißt die Neue.
    Mim ist noch ein Kind.
    Mari ist entrüstet!
    Die Schläge, die Mari dem ersten Freier, der sich für Mim interessiert, verpasst, haben Folgen...

    Mehr verrate ich zum Inhalt nicht.

    Nach einem etwas schwierigen Ankommen im Buch wurde ich schnell und für lange Zeit vom überraschenden und originellen Inhalt gepackt. Ich fand so Einiges an Denkanstößen und fühlte mich prima unterhalten.

    Zur Veranschaulichung des Stils möchte ich einen kurzen amüsanten und treffenden Auszug eines Gesprächs zwischen Mim und Marie zitieren:
    „„Greta hat da ganz viele knöcherne Hügel“, sagte Mim „ihre Wirbel sind Berge und Täler, eine richtige Landschaft. Bei dir, Mari, ist hier alles ganz glatt.“
    „Das ist, weil Greta ein Mensch ist und ich bin ein Fembot“ sagte Mari. „Die Hersteller haben mir kein Rückgrat gegeben.“
    „Viele Menschen haben kein Rückgrat“, wusste Mim. „Aber Wirbel haben sie trotzdem.““

    ... und noch ein paar andere interessante oder denkwürdige Sätze:
    „Die menschliche Normalität war nach wie vor eine schwer zu begreifende Angelegenheit. Sie ergab sich immer nur daraus, was die Mehrheit der Menschen tat, und hatte in der Folge wenig mit Logik zu tun.“ (S. 97)

    „Es ist, wie es ist, aber nur, bis man es ändert.“ (S. 120)

    „Trotz all des Faszinierenden, das es in der Welt zu entdecken gab, interessierten sich die Menschen doch am meisten für nackte Hintern und Biotonnen, erkannte Mari. Der Verschwendung menschlicher Lebenszeit waren wirklich keine Grenzen gesetzt. (S. 190)

    Einfach nur klasse: „Nebenbei bemerkt, ein interessantes Wort, diese Ausnahmeregel“ sagte Mari. „Das drückt schon in sich die ganze Paradoxie der Sache aus! Ebenso wie Trauerfeier. Oder Gefrierbrand. Oder Frauenmannschaft.“ (S. 226)

    „Linus gesteht Marie: „Ich war… Ich weiß auch nicht. Einigermaßen überfordert mit den Dingen und mit mir selbst. Als wäre mein Kopf ein Internetbrowser, in dem zu viele Fenster geöffnet waren.“
    Marie wollte ihm sagen,… dass es wegen der Sache mit dem Internetbrowser sinnvoll war, die Dinge regelmäßig zu ordnen, zu sortieren und zu gewichten. Dass man ganz gut über die Runden kam, wenn man nur lernte, die unwichtigen Fenster zuschließen.“ (S. 246)
    Guter Tipp, oder?

    Mit Voranschreiten der Lektüre ließ meine Faszination nach.
    Einiges wurde mir dann doch zu abgedreht, zu utopisch und zu flach.
    Es war nach wie vor unterhaltsam, Mari, Frieda und all den anderen zu folgen, aber eben nicht mehr im gleichen Ausmaß wie vorher.
    Manchmal hatte ich das Gefühl von einem erhobenen Zeigefinger im Hintergrund oder auch von allzu offensichtlichen Weisheiten.
    Die Botschaft am Ende war mir zu augenscheinlich, sachlich und plump, auch wenn ich ihren Inhalt teile. Da war wenig Poetisches, wenig Verschlüsseltes... aber es war eben auch eine Botschaft von Mari und Mari ist nunmal eine Maschine und kein Mensch und darf man da Poesie erwarten?

    „Der Algorithmus der Menschlichkeit“ greift das brisante Thema der künstlichen Intelligenz auf, gibt Denkanstöße, hält einem das ein oder andere Mal den Spiegel vor und ist unterhaltsam, kurzweilig und oft auch witzig, ironisch oder sarkastisch.
    Trotzdem hat der Roman nicht so ganz meinen Erwartungen entsprochen.
    Die sich aufdrängenden Themen und Fragen wurden überwiegend zu oberflächlich oder zu offensichtlich behandelt.
    Dass ich das so empfinde hängt wahrscheinlich auch damit zusammen, dass ich schon Einiges zum Thema gelesen habe.
    Für „Frischlinge“ fühlt sich das wahrscheinlich anders an.

    Ich empfehle den Roman als kurzweilige und originelle Unterhaltungslektüre und um in Berührung mit der hochinteressanten und brisanten Thematik „künstliche Intelligenz“ zu kommen.

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  1. Viel Luft nach oben

    Der Algorithmus der Menschlichkeit verspricht dem Leser ein Buch über das Thema künstliche Intelligenz. Doch es wendet sich im weiteren Verlauf mehr und mehr dem Sinn des Lebens zu.
    Der Fembot Mari landet in einem Bordell, seine hohe Intelligenz hilft ihm dort wenig weiter, doch der Leser merkt schnell, dass Mari durchaus menschliche Verhaltensweisen zeigt. Die Idee einen Fembot einzusetzen war erst makaber, passt aber in di Handlung.
    Als die kindliche KI Mim ihre Arbeit verrichten soll, schlägt Mari den Freier kurzerhand ins Jenseits. Ihre Programmierung verlangt es die Familie zu schützen. Doch alles wird gut, da sie das Opfer anschließend gekonnt reanimiert.
    Mari muss in Untersuchungshaft, wo sie bald von Frieda, einer Kundin, befreit wird.
    Ab da wird die Geschichte skurill, da sich alle in einer skurrilen Wg wiederfinden, gemeinsam mit ein paar anderen Menschen, einer Dogge und einem virtuellen Freund namens Kai. Die Truppe könnte unterschiedlicher nicht sein. Eine Umstand der alles noch lustiger werden lässt.
    Mari will den Menschen zu Glück verhelfen, genauso wie eine Gruppe von weiteren Mims, die sich etwas revolutionäres ausgedacht hat, um dieses Ziel zum Wohl der Menschheit zu erreichen.
    Doch ist es wirklich eine Verbesserung, wenn der Mensch gezwungen wird sein Leben anders anzugehen?

    Vera Buck hat einen sehr humorvollen Roman geschrieben, der sich leicht und locker lesen lässt. Mit vielem, wie etwa der Nutzung von Smartphones, hält sie dem Leser den Spiegel vor. Das hat mir sehr gut gefallen, zumal es nicht anklagend rüberkommt. Im Gegenteil, es ist nett und meist komisch verpackt, so dass man sich nicht so fühlt, als ob jemand von oben herab richtet
    Was mich enttäuscht hat, ist die Tatsache, dass das Thema KI fast nur schmückendes Beiwerk ist.
    Dabei werden viele Fragen angerissen. Doch leider geht nichts davon in die Tiefe, es bleibt alles recht oberflächlich.
    Schade, denn die Kombination aus Slapstick und der Grundsätze der künstlichen Intelligenz hätten sicher gut funktioniert.
    Trotz der Tatsache, dass meine Erwartungen nicht ganz erfüllt wurden, habe ich den Roman sehr gerne gelesen. Er ist amüsant und ein netter Zeitvertreib, kommt aber nicht an die anderen beiden, mir bekannten, Bücher der Autorin heran.
    Meine Bewertung ist mir sehr schwer gefallen, da ich mich zwar gut unterhalten gefühlt habe, mit das Buch aber am Thema vorbei erscheint. Es war leider viel Luft nach oben
    Zu guter letzt habe ich mich für 3 Sterne entschieden.

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  1. Das Rätsel des menschlichen Glücks

    Berlin in der Zukunft: Als „Fembot“ arbeitet der Roboter Mari im Rotlichtmilieu. Im „Pygmalion“ ist sie den Kunden zu Diensten. Doch ein Zwischenfall mit dem Arzt Dr. Thaddeus Gottsein bringt die Künstliche Intelligenz plötzlich in einen Konflikt mit dem Gesetz. Für Mari beginnen ein Abenteuer und die Suche nach einer Antwort auf die Frage: Was macht menschliches Glück aus?

    „Der Algorithmus der Menschlichkeit“ ist ein Roman von Vera Buck.

    Meine Meinung:
    Der Roman besteht aus etlichen kurzen Kapiteln. Sie erstrecken sich über drei Teile. Vorangestellt sind zwei Kapitel, die etwas vom späteren Geschehen vorwegnehmen und zunächst ein wenig verwirren. Ansonsten wird in chronologischer Reihenfolge aus auktorialer Perspektive erzählt. Ein schlüssiger Aufbau.

    Der Schreibstil ist anschaulich und - dank vieler Dialoge - recht lebhaft. Der Roman ist zudem voller Wortwitz, der manchmal jedoch ein bisschen bemüht wirkt. Das Erzähltempo ist relativ schnell.

    Obwohl Mari kein Mensch ist, gibt sie eine interessante und sympathische Protagonistin ab. Schön herausgearbeitet ist, inwiefern sich ihr Denken und Handeln von menschlichen Wesen unterscheidet. Die übrigen Charaktere werden eher überspitzt dargestellt.

    Die Handlung an sich ist amüsant und voller kreativer Einfälle, aber auch ziemlich skurril bis absurd. Die Geschichte ist an manchen Stellen zum Schmunzeln, an anderen Stellen für meinen Geschmack zu realitätsfern.

    Zwar machen die humorvollen Passagen den Roman sehr unterhaltsam und kurzweilig. Allerdings überlagert die Komik leider die inhaltlich interessanten Fragen, die zwar aufgeworfen, aber nicht genügend ausgeführt werden: Kann Künstliche Intelligenz ein Bewusstsein entwickeln? Vor welche moralischen Konflikte stellt uns eine KI? Und was unterscheidet menschliche und technische Intelligenz? Auch die immer wieder hervorblitzende Gesellschaftskritik geht beinahe unter. Insgesamt verschenkt die Geschichte Potenzial und kratzt zu sehr an der Oberfläche, um mit Tiefgang zu beeindrucken.

    Die Botschaft des Romans, die ich absolut unterschreiben kann, kommt dagegen am Schluss umso plakativer und ausführlicher mit dem Holzhammer daher. Auch dies lässt die Geschichte ein wenig platt erscheinen. Allerdings: Zum Ende hin konnte sie mich noch mit einer unerwarteten Wendung überraschen.

    Das stilisierte Cover ist optisch gelungen, wenn auch etwas kitschig. Der Titel klingt ein bisschen zu hochtrabend, ist aber nicht unpassend.

    Mein Fazit:
    „Der Algorithmus der Menschlichkeit“ von Vera Buck ist ein Roman mit viel Humor und hohem Unterhaltungswert, der mir amüsante Lesestunden beschert hat. Leider schöpft die Geschichte jedoch ihr ganzes Potenzial nicht aus und wird wohl nicht lange im Gedächtnis bleiben.

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  1. Ganz lustig, mir aber nicht bissig genug

    "Der Algorithmus der Menschlichkeit" ist ein humorvoller Roman von Vera Buck. Im Zentrum der Geschichte steht der Fembot Mari. Mari ist einzigartig menschlich und hat nur eins im Sinn: Den Mensch glücklich zu machen. Getrieben durch ihr implementiertes Regelwerk schlittert sie in eine höchst unangenehme Situation und findet sich unverhofft in einer Nerd-WG wieder. Dabei lernt sie, dass die Menschen zutiefst irrational sind und es nicht einfach ist sie glücklich zu machen. Insbesondere wird ihr klar, dass die Welt nicht rein auf Fakten basiert und zieht daraus ihre Schlüsse.

    Kurzum: das Buch hat mir ganz gut gefallen, war aber kein Highlight. Vera Buck hat einen sehr angenehmen Schreibstil und ich bin - trotz des ungewöhnlichen Einstiegs - gut in die Geschichte gestartet. Das ungewöhnliche, teils skurrile Setting hat mich im positiven Sinne überrascht. Mal wieder wird einem vor Augen geführt, was für ein "Mensch" der Mensch doch ist. Dabei scheut Vera Buck keine ausgefallenen Ideen und hat mir damit ein Lächeln auf mein Gesicht gezaubert.

    Nach dem recht starken Start hat die Story für mich nachgelassen. Im mittleren Teil war mir nicht klar, was die Autorin mit ihrem Buch bezwecken will. Irgendwie war die Nerd-WG zwar lustig (zumindest ein paar Szenen), aber nach 100 Seiten dann doch etwas ausgelutscht. Zudem hat mich Maris ungefilterte Sicht auf die Welt anfangs gefangen, im Verlauf des Buches war sie aber vorhersehbar und abgedroschen. Da hätte ich mir eine Steigerung gewünscht.

    Das Ende war dann wieder eine Überraschung. Damit hätte ich nicht gerechnet und ich fand die Situation elegant und schlüssig gelöst. Ein "big bang" Gefühl hat sich zum Ende trotzdem nicht eingestellt.

    Zusammenfassend war das Buch für mich eine nette Lektüre für zwischendurch, aber weder ein Pageturner noch ein Highlight.

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  1. Lustig mit augenzwinkerndem Tiefgang

    Bei diesem Buch hatte ich anfangs Orientierungsschwierigkeiten. Was lese ist hier? Ist das humorvolle Science Fiction, die aus ungewohnter Sicht der Menschheit einen Spiegel vorhält? Ist es generell ein Buch aus der humorigen Abteilung, das sich spielerisch mit Fragen des Lebens auseinandersetzt oder gar philosophischer Klamauk? Grundsätzlich ist es auch egal, in welche Schublade man dieses Buch letztendlich steckt, wenn man ganz einfach ohne jede Erwartung an die Sache herangeht und auch vergisst, je ein Buch von Vera Buck gelesen zu haben. Dieses hier ist anders, ganz und gar anders.

    Vera Bucks leisen Humor kennt man aus ihren Büchern, hier packt sie ihn komplett aus und lässt es krachen. Es geht um Mari, die neuste Errungenschaft im Pygmalion, einem angesagten Roboterbordell, wobei sie nicht gerne Roboter genannt wird, seitdem jeder geistlose Staubsauger so heißt. Sie ist ein Fembot der neuen Generation, zwar nicht auf Sex spezialisiert, aber darauf programmiert, den Menschen zu helfen. Sie hat Prinzipien und festgelegte Prioritäten.

    Das ist originell und wird frech und hoch komisch präsentiert. Leider bleibt der innovative Ansatz sehr bald auf der Strecke. Wir landen in einer WG mit ausgesucht skurrilen Gestalten, an denen man zwar gut menschliche Schwächen und Begehrlichkeiten studieren kann, waren aber auf Skandalträchtigeres eingestellt. Ging es zuerst um die moralischen Aspekte möglicher Kinderbots, setzt man sich jetzt mit neugierigen Nachbarn und überraschenden Elternbesuchen auseinander, was doch vergleichsweise brav anmutet.

    Das Lesen ist trotzdem ein großer Spaß, ich habe lange nicht mehr so viel gelacht. Klug und spitzfindig wird hier beleuchtet, was das Menschsein ausmacht und ausgelotet, was es braucht zum Glücklichsein. Nur ist auch hier die Lösung etwas simpel, wenn dann doch wieder der kleine Prinz als Fanal zur Sinnsuche herhalten muss. Zum Ende hin bekommen wir sogar noch eine ordentliche moralische Standpauke, die diesem Buch den vierten Stern gekostet hat, das hätte man eleganter verpacken können.

    Mit diesem Buch zeigt uns Vera Buck eine neue spannende Facette ihres Könnens, die sie unbedingt vertiefen, aber vielleicht mit einer Portion mehr Mut angehen sollte.
    Es ist ein lustiges Buch mit augenzwinkerndem Tiefgang, hätte aber das Zeug gehabt zu einem klugen Buch, das bissig erheitert.

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  1. Das Glück des Menschen in den Händen einer KI

    Was in Vera Bucks Buch mit Mari, einem weiterentwickelten Fembot, zunächst nach der idealen Lösung für alle zwischenmenschlichen Beziehungslücken aussieht, stellt sich bald, mit ihrem 10-Jahres-Hersteller-Garantie-Anspruch, auch als kostengünstige Alternative für Greta Schnabels Bordellpersonalfrage heraus. Maris Hardware erleidet oft Schaden, doch sie arbeitet nach jeder Reparatur klaglos weiter, hat sie doch auch ruhigere Kunden, die nur reden, oder bei ihr liegen wollen, ja sie sogar fast wie einen Menschen behandeln.
    Eines Tages gibt es einen Neuzugang im Fembotpool dieses Berliner Nachtclubs, die sehr kindlich aussehende Mim. In Mims Einführungs- und Lernzeit ist Mari an ihrer Seite und entwickelt fast so etwas wie Muttergefühle für sie. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Mari austickt, als ausgerechnet ein brutaler Freier Mims erster Kunde sein soll.
    Mari landet im Gefängnis, aber keiner weiß so richtig, wie sie mit dieser, aus dem Ruder gelaufenen KI umgehen sollen und allmählich wird deutlich, welche Probleme diese nichtmenschlichen Maschinen dem Personal, den Vorgesetzten und dem Gebäude bereiten können.

    Der Beginn dieser Geschichte verspricht einen interessanten Plot mit viel Konfliktpotential, den Vera Buck mit humorvollen Details, aber auch offenen Worten zu verqueren Entwicklungen auf dem Sex- und KI-Markt auszuschmücken weiß. Mari steht im Mittelpunkt, doch mit ihren ehemaligen Kunden hat sie bald eine bunte Truppe Mitstreiter um sich, die sich für... ja, für was eigentlich, für den Bewusstseinsatheismus einsetzen? Für mehr Menschlichlichkeit und Freiheit für die Maschinen?

    Mein Augenmerk verlagerte sich beim Lesen immer mehr auf die Unterschiede zwischen Mensch und KI und lange hoffte ich auf Maris Menschwerdung, doch blieb sie standhaft bei ihren logischen Schlussfolgerungen und löste letztendlich im Alleingang die verzwickte Situation auf.

    Zwischendrin dürfen wir uns aber auch über allerhand menschlichem Personal amüsieren, nachdenken und hinwegsetzen. Diese Ohnesorg-Theater-Konstellation hatte aber meines Erachtens nur noch wenig mit dem eigentlichen Thema zu tun, amüsant zu lesen, aber spätestens als gleich 5 identische Mims im Netz auftauchen und der kompletten Menschheit das Glück bringen wollen, stellt sich die Frage, worin das Glück eigentlich besteht. Mit einem 30 Punkte Manifest verabschiedet Mari sich aus dieser Welt und hinterlässt leider den fahlen Beigeschmack der Belehrung und das Fazit, dass KIs doch die besseren Menschen wären.

    Trotzdem ist das Buch eine amüsante Lektüre, wenn man sich auf die slapstickmäßigen Zusammenstöße von maschineller Logik und menschlichem Wankelmut konzentriert, hält es uns doch einen exzellenten Spiegel vor Augen.

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  1. Amüsante Nadelstiche

    „Der Algorithmus“ fängt in einer verruchten Atmosphäre eines Roboterbordells an. Das ist aufregend und empörend. Wie wird Mari, die modernste KI auf dem Markt zurechtkommen? Die Kunden sind häufig grob und Mari muss wieder und wieder zurück in die Werkstatt, um „repariert“ zu werden.

    Der Kommentar:
    Die Autorin hat eine spitze Feder und erheitert den Leserkreis mit Dutzenden von Aphorismen.

    Zitate:
    Über das menschliche Weltbild:
    „Mari hielt es grundsätzlich für einen erfreulichen Ansatz, dass ein Mensch auf die Idee kam, sein verzerrtes Weltbild durch Statistiken zu objektivieren. Noch erfreulicher wäre es allerdings gewesen, wenn die Statistik zur Sachlage gepaßt hätte.“

    Über die Gefahren von Büchern:
    „Der zuständige Wärter hatte jedes einzelne Werk durchgeblättert, um sicherzugehen, dass sich auch nichts Gefährliches zwischen den Seiten versteckte. Da konnte er mal sehen, wie wenig Ahnung er von Büchern hatte.“

    Über die Überschätzung von Demokratie:
    „Es macht wenig Sinn die Entscheidungsgewalt von einer unintelligenten Person auf viele unintelligente Personen zu verteilen“.

    Dieser Roman ist ein humoriger Roman, der sein Thema, wie ist das mit den KIs, nur halbherzig ausführt. Vom Fembotbordell verschiebt sich das Geschehen schnell in eine nerdige, aber harmlose Wohngemeinschaft und verliert zunehmend Biß. Teilweise kommt man sich vor wie in einem Kinderbuch, vorzugsweise von Erich Kästner, viel Ironie, in der jede Menge Wahrheitskörner liegen, aber letztlich doch kindgerecht weichgespült.

    Man kann nicht umhin über die spitzen Bemerkungen der Autorin auch weiterhin zu schmunzeln, schade nur, dass sie am Ende keinen Paukenschlag wagt, sondern in weltumspannender Gefühligkeit versandet a là „seit nett zueinander.“

    Fazit: Das Thema wird mit amüsanten Nadelstichen angestochen, aber es hätte einen Dolch verdient.

    Kategorie: Humor
    Verlag: Limes 2021

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