Dein Schweigen, Vater

Buchseite und Rezensionen zu 'Dein Schweigen, Vater' von Susanne Benda
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Inhaltsangabe zu "Dein Schweigen, Vater"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:255
Verlag: Urachhaus
EAN:9783825153311

Rezensionen zu "Dein Schweigen, Vater"

  1. 4
    06. Sep 2022 

    Der Krieg endet nicht mit dem Vertrag

    Brünn im Mai 1945. Der Krieg ist zwar offiziell zu Ende, doch vom Frieden in der Stadt kann keine Rede sein, die angespannte Atmosphäre ist deutlich spürbar.

    Paul, Marie und Pavel spielen gerne zusammen; sie sind beste Freunde. Sowohl Paul wie auch Pavel würden gerne Marie heiraten; nur sie sind erst zwölf und Marie sechs. Seit neuestem müssen Paul und Marie eine weiße Armbinde mit dem N für Némec tragen, wenn sie nach draußen gehen. Und sie wohnen jetzt nicht mehr in ihrem alten schönen Haus, sondern in einer ihrer Familie zugeteilten Kellerwohnung. Auch für die Kinder ist es keine leichte Zeit, denn sie begreifen nicht, was die neue Lage mit sich bringt. Paul überlegt „wo genau er hingehört und ob er Sieger ist oder Verlierer“. (12)

    Am 31. Mai 1945 wurde Pauls Familie aus Brünn vertrieben. Zusammen mit vielen anderen deutschstämmigen Familien wurden sie zu einem 60 Kilometer langen Marsch in Richtung Österreich gezwungen. Es waren alte Menschen, Frauen, Kinder und Kranke dabei; viele haben diesen Fußmarsch, ohne Essen und Wasser, nicht überlebt.

    Während des ganzen Lebens ist Paul über die Erlebnisse von damals nicht hinweggekommen. Er schwieg und wollte nie über seine Vergangenheit sprechen. Erst nach seinem Tod versuchen Maria und Uli, Pauls zwei erwachsenen Kinder, das Rätsel um sein Schweigen zu lösen.

    Über die Schilderung der Ereignisse in Brünn aus der Sicht des damals zwölfjährigen Paul musste ich immer wieder schmunzeln. Die Bilder des Todesmarsches unter den unmenschlichen Bedingungen konnte ich dagegen nur schwer ertragen. Schonungslos erzählt Susanne Benda über die dramatischen Ereignisse während des Todesmarsches, scheinbar emotionslos schildert sie seine Auswirkungen auf den minderjährigen Paul. Doch es ist von Anfang an klar, dass Paul, genauso wie viele anderen Vertriebenen, diesen Weg „sein Leben lang weitergegangen ist“ (162).

    Die bewegenden Bilder dieser Geschichte, die auf wahren Tatsachen beruhen, gehen tief unter die Haut. Im Nachwort erklärt die Autorin die historischen Zusammenhänge und den genauen Verlauf der Vertreibung.
    Der Debütroman von Susanne Benda ist somit ein literarisches Zeugnis des Verbrechens, dem viele Unschuldige zu Opfer gefallenen sind. Es ist ein wichtiges Buch, gerade jetzt, in der angespannten, unruhigen Zeit.

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