Das Versteck: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Das Versteck: Roman' von Boltanski, Christophe
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5 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Das Versteck: Roman"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:320
Verlag: Hanser
EAN:9783446256422

Rezensionen zu "Das Versteck: Roman"

  1. 5
    01. Mai 2020 

    Ungewöhnliche Erzählkonstruktion

    " Das Versteck" ist der Debütroman des Journalisten und Kriegsreporters Christophe Boltanski. Das Buch war in Frankreich ein großer Erfolg, gefeiert von den Kritikern, geliebt von den Leser; ausgezeichnet mit dem Prix Femina. Er erzählt hier die Lebensgeschichte seiner Großeltern väterlicherseits.
    Die Boltanskis, " Les Bolts" in Frankreich genannt, sind eine sehr bekannte Familie dort. Der Vater Luc Boltanski ist ein französischer Soziologe, sein Onkel Christian einer der bedeutendsten Künstler der Gegenwart. Ein anderer Onkel, Jean-Elie ist emiritierter Professor für Linguistik, die Tante eine anerkannte Fotografin.
    Das Buch ist eine Hommage an die Großeltern, zu denen der Autor mit 13 Jahren zog.
    Der Großvater Etienne war der einzige Sohn russisch-jüdischer Migranten. Seine Eltern kamen Ende des 19. Jahrhunderts mit der Hoffnung auf ein besseres Leben aus Odessa nach Paris. Er studierte Medizin und war Chefarzt an einem großen Pariser Krankenhaus.
    Seine Frau Mari-Elise, die siebte Tochter eines verarmten Anwalts, wurde als Kind an eine reiche Gönnerin "verkauft". Mit dreißig Jahren erkrankte sie an Polio und war danach stark gehbehindert. Dies und ihr Kindheitstrauma, die Adoption, sorgten dafür, dass sie sich zeitlebens auf ihren Mann und Ihres Kinder stützte und sie vereinnahmte.
    Als die Nationalsozialisten Frankreich besetzten, versteckte sich der jüdische Großvater zwanzig Monate lang im Haus. Seine Frau hatte sich pro forma von ihm scheiden lassen, den Nachbarn hat man einen Streit und seinen Auszug vorgespielt. So konnte er hier in Sicherheit vor dem Zugriff der Nazis überleben.
    Christophe Boltanski wählt eine ungewöhnliche Erzählkonstruktion. Er nimmt den Grundriss des Hauses in der Pariser Rue de Grenelle, in dem seine Großeltern lebten und erzählt anhand der einzelnen Räume - und nicht chronologisch- die Familiengeschichte. Die Kapitel heißen " Küche" , "Arbeitszimmer ", "Treppe", "Schlafzimmer " usw..Erst relativ spät geht es um das titelgebende "Versteck", das hier " Zwischen-Raum" genannt wird, ein winziges Zimmer ohne Fenster, zwischen dem Schlafzimmer der Großmutter und dem Bad.
    Christophe Boltanski beschreibt in seinem autobiografischen Roman in vielen kleinen Episoden und mit viel Liebe zu seinen Figuren die Geschichte seiner ungewöhnlichen Familie. Gleichzeitig beleuchtet er das vergangene Jahrhundert mit seinen Verwerfungen und den Auswirkungen auf die Protagonisten. Migration , Antisemitismus in Frankreich und die Judenverfolgung während der Besatzungszeit sind Themen des Buches.
    Der Roman ist sowohl inhaltlich wie literarisch ein Gewinn. In einem Literaturkreis lassen sich viele Aspekte diskutieren, so dass ich ihn uneingeschränkt dafür empfehlen kann.

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