Das Versprechen, dich zu finden

Buchseite und Rezensionen zu 'Das Versprechen, dich zu finden' von Anne Youngson
3.65
3.7 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Das Versprechen, dich zu finden"

Tina und Anders hatten früher große Träume. Doch das Leben zog vorbei, und der eine Moment, sich diese zu erfüllen, kam nie. Jetzt haben beide jemanden verloren, der ihnen sehr nahesteht und der eine Lücke hinterlässt, die zu füllen ihnen unmöglich scheint. Tina und Anders sind sich noch nie begegnet. Zufällig beginnen sie einen Briefwechsel und teilen ihre Trauer miteinander, aber auch ihre Lust am Leben. Durch ihre Freundschaft entwickeln sie einen Hunger nach Veränderung. Mit Anfang sechzig stehen sie beide vor einer Frage, die viele Menschen umtreibt: Haben wir das Leben geführt, das wir führen wollten?»Einfühlsam, sehr ergreifend und faszinierend.« Daily Express»Positiv-nachdenklich stimmend auch durch die bildreiche Sprache ein Genuss. Dringende Empfehlung für die Generation Plus und Jüngere, die sich an ganz besondere Brieffreundschaften erinnern.« ekz Bibliotheksservice

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:272
Verlag: HarperCollins
EAN:9783959672276

Rezensionen zu "Das Versprechen, dich zu finden"

  1. (K)eine FRage des Alters

    Vor vielen Jahren widmete ein Archäologieprofessor sein Buch über eine dänische Moorleiche, den „Tollund Mann“ einer Gruppe von Schülerinnen. Als Tinas Freundin Bella verstirbt, erinnert sich die mittlerweile 60-jährige daran und will Kontakt zu dem Museum, in dem sich das Exponat befindet aufnehmen. Nicht gerechnet hat Tina damit, wie der Kurator Anders ihren Brief beantwortet. Aus höflichem Interesse entsteht mit der Zeit eine tiefe und wahre Brieffreundschaft. Die beiden vertrauen sich immer mehr ihrer alltäglichen Erlebnisse und Sorgen an.
    Anne Youngson beschreibt in diesem Briefroman eine ungewöhnliche Freundschaft. Ihre Protagonisten Tina und Anders sind beide nicht mehr die Jüngsten, so passt das nahezu antiquarische Stilmittel des echten Briefes sehr gut zu der Geschichte. Das Medium vermittelt eine vergessene Langsamkeit, das Warten auf eine Antwort erhöht die Vorfreude auf eine neue Nachricht. Es entschleunigt die Schnelllebigkeit. Auch als die Autorin ihre Schreiber – wohl um sie nicht ganz so verstaubt darstellen zu wollen – auf E-Mail umsteigen lässt, ändert sich wenig an der Ausdrucksweise in den Briefen. Zugegeben fand ich manche Passagen in den Briefen zu ausschweifend, banal und betulich. Die Grundaussage allerdings, dass man nie zu alt dafür ist, etwas Neues zu beginnen, sein Leben in neue Bahnen zu lenken, unterschreibe ich. Immerhin hat die 70-jährige Autorin dieses Motto in ihrem Debütroman verwirklicht.

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  1. 4
    18. Nov 2018 

    Ein eindrucksvoller Briefroman...

    Tina Hopgood wendet sich im kalten November mit einem Brief an Professor Glob, um sich mit ihm über den Tollund-Mann auszutauschen - eine Moorleiche, die nach Jahrhunderten gut erhalten geborgen und im Silkeborg-Museum ausgestellt wurde. Doch so sehr sich Tina auch immer vorgenommen hatte, endlich nach Dänemark zu fliegen, sie kam über Englands Grenzen nie hinaus. Nun ist sie Anfang sechzig und stellt sich und dem Professor die Frage, weshalb sie den Vorsatz nie in die Realität umgesetzt hat, dem Tollund-Mann einmal von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu treten.

    Fast schon wider Erwarten erhält Tina einige Wochen später tatsächlich ein Antwortschreiben - allerdings nicht von Professor Glob, denn der ist bereits 1985 verstorben, sondern vom derzeitigen Kurator des Museums, Anders Larsen. Als Tina sich für die Antwort bedankt, schreibt sie in ihrem nächsten Brief über den Tod ihrer besten Freundin Bella und was dies für sie bedeutet. Wie sich herausstellt, hat auch Anders jemanden verloren, der für ihn immens wichtig war, und so entspinnt sich ein zunehmend lebhafter Briefwechsel. Vorsichtig zunächst, dann aber stets offener und voller Gedanken, die von beiden Seiten lange zurückgehalten wurden.

    "Ob Sie mir Ihre Meinung sagen, wenn Sie denn eine Meinung haben, ist weniger wichtig als der Trost, den es mir gegeben hat, das alles mit jemand zu teilen. Ich hätte nie geglaubt, dass das so sein könnte."

    Merkwürdig altmodisch mutet dieser Briefwechsel an, und doch erscheint er um so viel wertvoller und behutsamer als die um so vieles schnelleren Kommunikationsmöglichkeiten heutzutage. Ganz bewusst entscheiden sich die beiden Sechzigjährigen, an ihren Briefen festzuhalten, denn die Gedanken brauchen Zeit, um sich zu entfalten, und das Lesen eines Briefes ist um so viel achtsamer als das einer eMail, die häufig nur rasch überflogen wird.

    Zwischen Tina und Anders entwickelt sich eine zunehmende Vertrautheit, und sie offenbaren sich Dinge, über die sie mit den Menschen in ihrem Umfeld häufig noch nie geredet haben. Alte Sehnsüchte kommen hoch, das Gefühl verpasster Chancen, ein Überdenken von Lebensentwürfen. Sie bieten sich gegenseitig (und dem Leser) Einblicke in ihr so unterschiedliches Leben - Anders, verwitwet und zwei erwachsene Kinder, arbeitet vorwiegend geistig als Museumskurator und schreibt gerade an einem Buch; Tina dagegen lebt auf einem Bauernhof mit ihrem Mann und ihren drei ebenfalls erwachsenen Kindern und folgt dem Rhythmus der Jahreszeiten, eng verwurzelt mit dem Land und täglich mit den Händen arbeitend.

    "Als ich gestern beim Himbeerpflücken war, dachte ich darüber nach, wie die Menschen der Eisenzeit glaubten, nach ihrem Leben noch ein weiteres zu erleben. Wenn ich HImbeeren pflücke, gehe ich so achtsam wie möglich an den Sträuchern entlang und halte Ausschau nach jeder reifen Frucht. Aber so gründlich ich auch schaue, auf dem Rückweg finde ich immer noch Früchte, die ich übersehen hatte, als ich mich den Pflanzen aus der anderen Richtung näherte. Ein zweites Leben, dachte ich, könnte wie eine zweite Runde entlang den Himbeersträuchern sein: Ich würde gute Dinge entdecken, die mir in meinem ersten Leben nicht untergekommen waren..."

    All die Gedanken, die auf das Papier strömen, dazu die andere Sichtweise des Adressaten, bieten Anstöße, die ganz allmählich das Hier und Jetzt von Tina und Anders verändern. Es ist schön, den beiden dabei zuzusehen, und auch wenn vor allem zu Anfang die Ausführungen zum Hintergrund der Moorleiche oder auch zum Jahresablauf in der Landwirtschaft recht ausufernd und teilweise auch langatmig erscheinen, hat mich der Roman letztlich in jedem Fall überzeugt. Ich hätte beispielsweise nicht gedacht, dass mich Himbeersträucher und auch Aktentaschen derart berühren könnten. Starke Bilder hat Anne Youngson hier zeitweise kreiert.

    Ein leiser Briefroman, dessen Hauptcharaktere sich ganz allmählich in das Herz des Lesers schleichen. Ich denke, dass dieses Buch eher die Generation jenseits der 50 anspricht, denn diese wird sich hier in vielen der geäußerten Gedanken wiederfinden. Für mich eine schöne Entdeckung!

    © Parden

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  1. Freundschaft

    Vor über 50 Jahren widmete der Archäologe Professor Glob sein Buch über die „Tollund Mann“ genannt Moorleiche einer Gruppe Schülerinnen. Tina war eine von ihnen. Nun, ein halbes Jahrhundert später schreibt die Farmersfrau an ihn. Es ist ein etwas konfuser Brief, Tina gibt etwas von ihrer Unsicherheit preis, ihrer Angst vor dem Älterwerden und ihrem Wunsch, „Etwas“ zu sein, wie damals, als ihr ein Buch gewidmet wurde.
    Den Brief beantwortet der jetzige Kurator des Museums in Silkeborg, der ihr Informationen zum Museum, den Öffnungszeiten und dem Anfahrtsweg gibt. Damit hätte das Buch eigentlich gleich zu Ende sein können, ohne überhaupt begonnen zu haben.
    Aber es bleibt nicht bei diesem Brief, es folgen noch viele und die Briefeschreiber geben Brief für Brief mehr von sich preis. Ohne sich gesehen oder ein persönliches Wort gewechselt zu haben, entsteht eine tiefe Vertrautheit zwischen den beiden Seelenverwandten. Sie finden immer den richtigen Ton und plötzlich entsteht Nähe, wo beide früher nur Einsamkeit und Leere hatten, da beide mit meinen persönlichen Verlust fertig werden müssen.
    Das ist anrührend zu lesen, die Autorin findet eine wunderbare Sprache für diese Briefe, mit vielen feinen Zwischentönen. Es gelingt ihr, die Figuren zu richtigen Menschen werden zu lassen, denen man gerne nahe sein möchte. Familiendramen werden angesprochen, man fühlt sich bald wie ein Teil der Korrespondenten. Wird aus dieser Brieffreundschaft Liebe? Oder wird sie irgendwann im Sande verlaufen? Das Ende bleibt offen, wie schön – so kann sich jede Leserin, jeder Leser sein persönliches Fazit ziehen.
    Es ist ein leises, ermutigendes Buch zum Thema Freundschaft, Vertrauen und Liebe. Ich habe es mit leisem Bedauern beendet und werde es sicher das eine oder andere Mal noch einmal zur Hand nehmen.
    4,5 Sterne

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