Das Sommerbuch

Rezensionen zu "Das Sommerbuch"

  1. Ein Sommerbuch

    „Es war ein früher, sehr warmer Morgen im Juli, in der Nacht hatte es geregnet. Von dem nackten Fels stieg Dampf auf, das Moos und die Felsspalten waren getränkt von Nässe, und alle Farben leuchteten tiefer.“ (Zitat Seite 23)

    Inhalt
    Mit den oben zitierten Worten beginnt die Geschichte eines Sommers im einfachen Ferienhaus der Familie auf einer finnischen Insel. Sophia ist sechs Jahre alt und verbringt viel Zeit mit ihrer Großmutter, da ihr Vater meistens beschäftigt ist. Sie erkunden die Natur, beobachten, und erzählen einander Geschichten. Nicht alle Fragen Sophias kann oder will die Großmutter beantworten und nicht immer sind die Antworten so, wie Sophia es sich vorstellt oder wünscht. Wenn die Nächte langsam dunkler und kälter werden, ist es Zeit, das Ferienhaus auf den Winter vorzubereiten und die Insel zu verlassen, bis zum nächsten Frühjahr.

    Thema und Genre
    In diesem Buch geht es um die Geschichten und Erlebnisse eines Sommers. Themen sind Familie, Kindheit, Jugend und Alter, die Beziehung zwischen Großmutter und Enkelin, das einfache Leben auf einer kleinen Ferieninsel.

    Charaktere
    Sophia ist eine typische Sechsjährige, wissensdurstig, neugierig, voller Fragen. Gleichzeitig ist sie manchmal ängstlich und trotzig. Wir erfahren zwar, in welchem Jahr die Großmutter geboren wurde, kennen aber ihr genaues Alter nicht. Berechnet man das mögliche Alter einer Frau mit einer sechsjährigen Enkelin, so ist für mich diese Figur nicht authentisch, ihre Beschwerden schildern eine sehr alte Frau.

    Handlung und Schreibstil
    Die einzelnen Kapitel sind in sich abgeschlossene Episoden eines Tages oder einer Nacht, daher spielt es keine Rolle, dass sie nicht immer chronologisch verlaufen. So atmet auch die Form der Erzählung die spontane Freiheit von Sommertagen. Die Sprache ist poetisch und schildert neben den alltäglichen Geschichten der beiden Hauptfiguren, Sophia und ihre Großmutter, auch das einfache Inselleben der damaligen Zeit. Die Beschreibung „… darüber flogen Schwalben mit schrillen Schreien, wie Messer fuhren sie durch die Luft.“ (Seite 180) bezieht sich eindeutig auf Mauersegler, doch das liegt wohl nicht an Tove Jansson, sondern sicher an der Übersetzerin.

    Fazit
    Auf Grund von sehr positiven Besprechungen und Empfehlungen in Literaturzeitschriften wurde ich auf dieses Buch aufmerksam. Obwohl ich die aus den Kindheitserinnerungen der Schriftstellerin entstandenen Geschichten über finnische Inselferien mit Interesse gelesen habe, blieb es für mich Lektüre, die mich nicht tiefer beeindruckt hat.

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  1. 4
    27. Jul 2016 

    Sommerleben...

    Tove Jansson ist wohl vor allem durch ihre MUMIN-Geschichten international bekannt. Doch sie schrieb auch zehn Romane für Erwachsene - einer davon ist 'Das Sommerbuch'.

    Eine über achtzigjährige Großmutter und ihre sechsjährige Enkelin Sophia verbringen den Sommer auf einer winzigen Schäreninsel im finnischen Meerbusen. Viereinhalb Minuten dauert ein Rundgang um die Insel: Felsbrocken, Gestrüpp, Blumenwiese, Trockengraswiese, Kiefernhain, Moortümpel - das ist in den langen, langsamen Monaten zwischen Frühling und Herbst auf der kleinen Insel ihr eigenes karges und doch so lebendiges Paradies. Sophia und ihre Großmutter stellen Tierskulpturen her, schnitzen Boote aus Rinde, sie sammeln Beeren, Treibholz und Knochen. Sie zeichnen, schreiben, erzählen Geschichten, bauen eine Stadt auf Pfählen im Morast, rudern zu den anderen Inseln hinüber, schlafen und schwimmen und reden.

    "Wann stirbst du?", fragte das Kind. Und die Großmutter antwortete: "Bald. Das geht dich aber überhaupt nichts an."

    Eine Welt voller kleiner Wunder ist es, die der Leser da mit Sophia und ihrer Großmutter entdeckt. Viele eigene Erfahrungen ließ die Autorin in dieses Sommerbuch einfließen, und die Liebe zu diesen Erinnerungen und zu der kleinen Insel ist in jeder Zeile spürbar. Aber auch die Liebe zwischen Sophia und ihrer Großmutter, die sich nur noch mühsam mit Hilfe eines Stockes über die Insel bewegen kann. Oftmals herrscht zwischen den beiden eher ein ruppiger und rauer Ton, aber es ist zu spüren, wie ernst die alte Frau ihre Enkelin nimmt, wie sie sich zu keinem Moment über sie lustig macht oder über sie hinwegsetzt, sondern immer zur rechten Zeit das Richtige zu sagen vermag, sei es auch noch so merkwürdig.

    "...und nur noch das Schweigen war da. Schließlich sagte Sophias Großmutter: 'Ich kann ein Lied, das kannst du nicht.' Sie wartete eine Weile, dann sang sie, sehr falsch, weil ihre Stimmbänder verrostet waren: 'Trallali, schmeiß nie mit Kuhscheiß, trallalabumm. Trallalala, weil ich dann zurückschmeiß. Trallalawumm.' 'Was hast du da gesagt?', flüsterte Sophia, weil sie gar nicht glauben konnte, was sie gehört hatte..."

    Die beiden Figuren haben mir sehr gut gefallen. Sophia und ihre Großmutter sind zwei unanbhängige, starke Charaktere, die zahllose Diskussionen miteinander führen und sich durchaus auch einmal streiten, doch wenn es darauf ankommt, sind sie füreinander da. Jede der beiden macht sich seine Gedanken, oft über Kleinigkeiten, und als Leser nimmt man so noch einmal wahr, wie sehr Kinder in Staunen verfallen können - und dass das im Alter nicht enden muss. Philosophisches vermischt sich hier mit viel subtilem Humor, der Ton ist meist heiter, die Sprache klar und poetisch.

    "Mitten in den Kieswall hatte der Direktor ein großes Schild mit schwarzen Buchstaben gestellt: ~Privat. Betreten verboten.~ 'Wir gehen an Land', sagte die Großmutter, sie war sehr verärgert. Sophia sah sie ängstlich an. 'Das hier ist was ganz anderes', erklärte ihre Großmutter. 'Kein einigermaßen wohlerzogener Mensch geht auf einer Insel an Land, die einem anderen gehört, auch nicht, wenn niemand dort ist. Aber wenn sie ein Schild aufstellen, tut man das, denn das ist eine Herausforderung.' 'Natürlich', sagte Sophia und erweiterte ihre Lebenserfahrung."

    Ein Roman, der entschleunigt, der einen tief eintauchen lässt in den langen finnischen Sommer, und der vor Augen führt, dass man auf angenehme Weise auch gemeinsam einsam sein kann. Für mich war das Buch eine wundervolle Entdeckung.

    © Parden

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