Das rote Kanu
Wayne Johnson ist in den USA ein anerkannter Schriftsteller und Drehbuchautor. Drei Pulitzernominierungen sprechen für ihn. „ Das rote Kanu“ ist sein erster auf Deutsch erschienener Roman; weitere sollen folgen.
Die Geschichte spielt in einem kleinen Ort in Minnesota, nahe eines Reservats. Michael Fineday, genannt Buck, arbeitet als Schreiner und Bootsbauer. Seit der Trennung von seiner Frau Naomi lebt er sehr zurückgezogen. Buck ist an einem Punkt angekommen, wo er einem Münzwurf die Entscheidung überlässt, ob er weiterleben oder dem Ganzen ein Ende bereiten soll. Doch das Schicksal hat anscheinend noch eine Aufgabe für ihn.
Die kommt in Gestalt eines Besuchers. Die fünfzehnjährige Lucy taucht eines Tages unvermittelt bei ihm auf und Buck sieht gleich, dass das Mädchen in Schwierigkeiten steckt.
Lucy lebt in einem Trailer, allein mit ihrem Vater, einem traumatisierten Kriegsveteran und jetzigen Polizisten. Seit dem Unfalltod der Mutter ist der Vater noch unberechenbarer geworden. Er liebt zwar seine Tochter, doch seine Wutausbrüche und sein Jähzorn machen das Zusammenleben mit ihm zu einer beständigen Gratwanderung. Es gilt, alles zu vermeiden, was ihn reizen oder beunruhigen könnte. Aber das ist nicht der einzige Grund, warum ihn Lucy nicht um Hilfe bitten kann. Denn die Männer, die sie seit einiger Zeit auf äußerst brutale Art sexuell missbrauchen, haben ihr mit Konsequenzen gedroht, wenn sie darüber spricht. Außerdem sind die Täter Kollegen ihres Vaters, Polizisten wie er.
Wayne Johnson richtet abwechselnd seinen Fokus auf die beiden Hauptfiguren Buck und Lucy. Dabei lässt er sich Zeit und widmet sich ausführlich den Charakteren und deren Hintergrund.
Buck ist ein Mensch, den sein Helfersyndrom schon öfter in Schwierigkeiten gebracht hat. Wenn jemand in Bedrängnis ist, muss er eingreifen, notfalls mit Gewalt. Daran ist auch letztendlich seine Ehe gescheitert. Seine Frau ertrug die gefährlichen Aktionen nicht mehr und fühlte sich an zweiter Stelle stehend.
Buck drängt Lucy seine Hilfe aber nicht auf. Er wartet ab, versucht erst ihr Vertrauen zu gewinnen. Zusammen bauen sie ein Boot, das titelgebende „ Rote Kanu“. Dabei besinnen sie sich ihrer indigenen Wurzeln, beide gehören dem Volk der Ojibwe an, verfallen in ihre alte Sprache und tauschen ihre ursprünglichen Namen aus, „ Roter Hirsch“ und „ Ewiger Vogel“. Wayne Johnson beschreibt die Annäherung der zwei ungleichen Menschen sehr ruhig und mit viel Feingefühl.
Als dann Lucys Freundin an einer Überdosis stirbt, begreift das Mädchen, wie gefährlich die Lage für sie geworden ist und sie will sich rächen. Doch dazu braucht sie Verbündete. Die beiden nur wenig älteren Freunde Booker und Ryan stehen bereit; sie haben schon länger ein Auge auf sie. Und auch Buck ist an ihrer Seite. Gemeinsam entsteht ein Plan, wie man die ganze Bande, einschließlich ihres Anführers, unschädlich machen kann.
Ab hier nimmt die Geschichte Fahrt auf. Denn Lucys Peiniger ahnen, dass man ihnen auf der Spur ist und sie versuchen mit Drohungen und Erpressung, ihre Verfolger abzuschütteln. Auch vor einem Mordanschlag schrecken sie nicht zurück.
Als Leser fiebert man mit, fürchtet um seine Helden, die einem längst ans Herz gewachsen sind, und atmet erleichtert aus, wenn am Ende, nach wilden Verfolgungsjagden, Schießereien und Messerstechereien die Guten gesiegt haben und die Bösen ihrer gerechten Strafe nicht entgangen sind.
Dass dabei manche Szenen den Realitätstest nicht bestehen würden und es einige Ungereimtheiten gibt, dass manche Figuren mehr als glaubhaft über sich selbst hinauswachsen und auch nicht jede innere Wendung nachvollziehbar wird, darüber kann ich weitgehend hinwegsehen. Dafür hat mich der Roman zu gut unterhalten.
Und Wayne Johnson versteht sein Handwerk. Er kann mit Sprache umgehen und beherrscht die Dramaturgie. Langsam baut er einen Spannungsbogen auf, der sich steigert bis zu einem finalen Showdown. Zwischen filmreifen Actionszenen finden sich immer wieder lyrische Passagen und schöne Bilder. Der Autor verwendet wiederkehrende Motive, wie das rote Kanu, das für die indigene Identität steht und bei dem Rachefeldzug eine entscheidende Rolle spielt, oder die Katze, die immer wieder zu Buck zurückkommt und gleich Zutrauen zu Lucy findet.
Und auch wenn Johnson mit Stereotypen arbeitet, so ist das gewollt. Mit Booker, dem coolen und sportlichen Schwarzen und Ryan , dem asiatischen Musterschüler, sowie den beiden indigenen Hauptfiguren versammelt der Autor einige Randgruppen Amerikas auf der Seite der Guten. Denen gegenüber stehen weiße Männer auf der Täterseite. Das bedient kein Klischee, sondern ist traurigerweise oft amerikanische Realität.
Die Erwachsenen werden ambivalenter gezeichnet. Buck z.B. ist sympathisch, aber er hat eine dunkle Vergangenheit. Da bleibt der Autor ziemlich vage, lässt manches im Ungefähren. Vermutlich werden manche Fragen zu ihm in weiteren Büchern von Wayne Johnson beantwortet. Auch bei Lucys Vater zweifelt man lange, auf welcher Seite er steht.
Man mag verurteilen, dass hier Lynchjustiz die Lösung des Problems sein soll. Doch wohin wendet man sich, wenn die, die für Recht und Ordnung eintreten sollen, zum Täterkreis gehören?
Wayne Johnson greift in diesem Krimi brisante Themen auf, sexueller Missbrauch, Pädophilie und Rassismus und verpackt dies in eine unglaublich packende Story.
Der amerikanische Autor Wayne Johnson, der hierzulande noch nicht die Bekanntheit hat wie in seiner Heimat, beherrscht sein Handwerk: Pulitzer-Nominierungen und diverse Auszeichnungen als Roman-Schriftsteller sowie prämierter Drehbuchautor. Zudem unterrichtet er im Fach Drehbuchschreiben am Westminster College in Salt Lake City.
Nun ist in Deutschland sein Buch „Das rote Kanu“ erschienen, ein Roman, dem Johnsons Fähigkeiten als Drehbuchautor deutlich anzumerken sind.
Schauplatz ist ein Ort am Rande eines Indianerreservats in Minnesota, im Norden Amerikas.
Aus den Perspektiven der inidgenen Protagonisten Lucy und Buck wird ein Kriminalfall erzählt, der es in sich hat.
Lucy ist eine Highshool Schülerin, die mit ihrem Vater Lee in einem Trailer lebt. Ihre Mutter ist verstorben. Lee, ein ehemaliger Afghanistan-Soldat, ist bei der örtlichen Polizei angestellt.
Es wird schnell klar, dass Lucy von Kollegen ihres Vaters vergewaltigt wurde. Damit nicht genug, drohen sie damit, ihren Vater zu töten, sollte sie jemandem von der Vergewaltigung erzählen.
Buck lebt erst seit Kurzem wieder hier, nachdem seine Frau Naomi sich von ihm getrennt hat. Er verdient seinen Lebensunterhalt als Schreiner.
Der Zufall bringt Lucy und Buck zusammen. Der geheimnisvolle Mann, als der sich Buck dem Leser präsentiert, hat ein übergroßes Bedürfnis, anderen in Not helfen zu wollen. Sein Helfersyndrom hat auch dazu beigetragen, dass seine Ehe in die Brüche gegangen ist.
Buck gewinnt Lucys Vertrauen und entwickelt mit ihr einen Plan, bei dem die Vergewaltiger am Ende zur Rechenschaft gezogen werden sollen.
Im Verlauf der Handlung werden noch weitere Figuren in Erscheinung treten und sich an dem Rachefeldzug beteiligen, allen voran Lucys Schulfreunde Booker und Ryan, beides Außenseiter – wie Lucy - auf Grund ihrer Hautfarben: Booker ist ein Schwarzer, Ryan hat chinesische Wurzeln.
Der Roman entwickelt sich zu einem Kampf der Minderheiten gegen konservative Rednecks, hier verkörpert durch korrupte Polizisten, die nach ihren eigenen Gesetzen herrschen. Die Handlung läuft auf einen Showdown hinaus, der es in sich hat.
Die Protagonisten Lucy und Buck eint nicht nur ihre ethnische Zugehörigkeit. Beides sind Charaktere, die im Verlauf der Handlung ein Potenzial zeigen, das man zumindest Lucy nicht zugetraut hätte und bei Buck jedoch unterschwellig erahnt hat.
Dabei mumm man diesem Roman eines lassen: Er ist ungeheuer spannend, die Handlung steuert unbeirrt auf ein actiongeladenes Ende zu, wobei die geschilderten Szenen großes Potenzial haben, um als Vorlage für einen Actionthriller zu dienen.
Warum Buck mit einem Helfersyndrom ausgestattet ist, bleibt eines der Geheimnisse in diesem Roman. Während der Lektüre gibt es immer wieder Andeutungen und Hinweise auf Bucks Vergangenheit, die anfangs die Spannung befeuern und für Spekulationen sorgen, warum der geheimnisvolle Buck zu demjenigen geworden ist, als der er sich in diesem Roman präsentiert. Doch leider wird es in diesem Roman keine Antworten auf diese Frage geben. Stattdessen wundert sich der Leser, warum Buck Fähigkeiten und eine Ausrüstung besitzt, die man eher bei einem Actionhelden als bei einem Schreiner erwarten würde.
Auch die Gestaltung der Protagonistin Lucy wirft Fragen auf. Anfangs ist man von dieser Figur eingenommen, Autor Johnsons Beschreibungen ihrer verletzten Seele als Folge von Missbrauch und ständiger Bedrohung durch die Vergewaltiger werden unfassbar intensiv rübergebracht. Hinzu kommt ein Vater-Tochter-Verhältnis, das Lucy einen Alltag aufzwingt, der an den Marsch durch ein Minenfeld erinnert. Denn ihr Vater, ein traumatisierter Ex-Soldat und Alkoholiker, ist unberechenbar und kann jederzeit vom liebenden Vater zum genauen Gegenteil mutieren.
Lucys ständiger Begleiter im Alltag ist also die Angst. Daher wundert es umso mehr, dass auch sie, das gerade vergewaltigte Opfer, das sowohl seelisch als auch körperlich verletzt ist, im Verlauf der Geschichte Handlungsweisen an den Tag legt, die mit Lucys Traumatisierung nicht in Einklang zu bringen sind.
Diese Ungereimtheiten, genauso wie ein paar Unwahrscheinlichkeiten entgegen jeglicher Statistik, sind das große Manko dieses Romans.
Man sollte diesen Roman daher als reinen Spannungsroman lesen, denn spannend ist und bleibt er trotz seiner Defizite. Johnson beherrscht sein Handwerk, von Beginn bis zum Ende hat er den Leser am Haken. Aufgrund des hohen Spannungsbogens entwickelt sich der Roman zum Pageturner. Denn der Rachefeldzug endet in actiongeladenen Szenen, die filmreif sind. Aber genau wie bei einem Actionfilm sollte man nicht nach Logik oder Wahrscheinlichkeiten fragen und die Handlungen in diesen Szenen nehmen, wie sie sind: rasant, blutig, spektakulär.
Der Action-Autor Johnson verblüfft dabei sprachlich durch Kontraste. Denn seine kraftvollen Schilderungen werden immer wieder durch sehr leise und poetische Sätze voller Symbolik unterbrochen, die sich wie Balsam auf die Leserseele legen.
Empfehlen kann ich „Das rote Kanu“ nur bedingt. Leser, die auf Spannung aus sind und sich von einem Roman fesseln lassen können, ohne sich von fragwürdigen Entwicklungen in der Handlung stören zu lassen, sind hier bestens bedient. Ich habe mich auch von Wayne Johnsons Roman fesseln lassen, doch waren es mir der Ungereimtheiten und Unwahrscheinlichkeiten leider deutlich zuviel.
©Renie
Johnson greift in seinem Krimi ein hochexplosives und wichtiges Thema auf: die sexuellen Übergriffe auf junge indigene Mädchen und die nicht akzeptable Toleranz dieser Übergriffe durch die Polizei. Aus diesem Thema heraus entwickelt der Autor seinen Plot um seine Protagonisten Buck und Lucy herum. Buck ist ein ehemaliger Soldat und arbeitet nun als Schreiner, und Lucy, ein junges Mädchen, lebt im angrenzenden Reservat – und beide sind indigen.
Dieses Thema hatte mich sofort für das Buch eingenommen. Der Autor versteht das Handwerk des Erzählens. Er kann Spannung aufbauen, und das macht er auch hochprofessionell. Sehr schön setzt er ein erzählerisches Vorgehen ein, das man selten so ausgefeilt liest: er passt sein Erzähltempo dem Verhalten seiner Figuren an. Er beobachtet nämlich sehr genau die langsame, fast tierhaft-scheue Annäherung der beiden Protagonisten. Und so wie sich Buck und Lucy langsam umkreisen, so umkreist sie der Autor mit seinem Erzählen, bis sie sich schließlich in ihren Gemeinsamkeiten finden.
Auch diese Gemeinsamkeiten entwickelt der Autor behutsam und langsam, immer passend zur Annäherung der Protagonisten. Die stärkste Gemeinsamkeit ist natürlich die indigene Abstammung, und es ist durchaus berührend, wenn Buck und Lucy sich in ihrer Ojibwa-Sprache miteinander verständigen und sich damit wieder ihrer Identität bemächtigen. Dazu baut er Symbole in seine Geschichte ein, deren Verständnis allerdings sehr leicht ist wie die Katze als Symbol dafür, dass sich ein Weiterleben lohnt.
Das titelgebende Kanu besitzt wohl die stärkste Aussagekraft: es ist nicht nur ein Bild für den gemeinsamen Hintergrund, sondern zeigt auch, wie sich diese beiden Entwurzelten wieder einer Tätigkeit zuwenden, die für ihren Stamm typisch ist: dem Bootsbau. Hier lässt der Autor die naturverbundene Vergangenheit ihres Stammes durchleuchten. Vor allem aber wird das Kanu zu einem Symbol für den Rachefeldzug, den der Autor uns erzählt. Bei diesem Rachefeldzug zeigt der Autor, dass er sich sehr plakative und hochdramatische Aktionen ausdenken kann.
Das ist alles unbestritten.
Nur vernachlässigt er dabei meiner Meinung nach die innere Logik und vor allem die Zusammenhänge. Johnson schreibt mit Begeisterung und mengt in seine Geschichte vieles, was er erlebt und gehört hat, aber zu oft docken diese Einzelteile nicht an Vorhandenes an. So sind die Figurenzeichnungen nicht immer stimmig oder gefährliche Situationen werden durch unglaubwürdige Zufälle gelöst. Dadurch entstehen unnötig viele Löcher im Textgewebe, und die große Menge dieser Leerstellen hat mir den Eindruck einer unfertigen Geschichte vermittelt.
Die Bagatellisierung von Schießereien, die Freude an blutigen Metzeleien und vor allem die Tatsache, dass hier dem Rechtsstaat keine Chance gegeben, sondern der Lynchjustiz das Wort geredet wird – das scheint mir eher eine Frage des persönlichen Geschmacks zu sein und soll die Wertung nicht beeinflussen.
Wer ein rasantes Show-down liebt und wer gerne Krimis liest, bei dem die Bösen richtig fies sind und die Guten eindeutig gut – der ist mit diesem Roman gut beraten.
3,5/5*
Buck hat eine Tischlerei, er hat Talent, und noch einiges mehr, nämlich eine interessante Vergangenheit. Doch diese gibt der Autor nur bruchstückhaft preis, er hält damit die Spannung um Michael Fineday alias Buck alias Roter Hirsch aufrecht. Seine Verbindungen zu den Indigenen ist dabei nicht mal das spannendste, auch der Tod seines Bruders bleibt ungeklärt und mysteriös. Sicher kann man sich nur sein, dass das erlebte ihn zu einer Art Helfer gemacht, den alle Opfer magisch anziehen, und wenn er einmal in diese Rolle schlüpft, hält ihn nichts mehr auf, was im letzten Abschnitt zu sehr actionreichen Szenen führt. Leider hatte dies alles auch die Trennung mit Naomi zur Folge, die das Gefühl hat, dass es nichts anders mehr in Bucks Leben gibt.
Als Buck Lucy, ein 15 jähriges Mädchen, kennenlernt, wird direkt eben dieser Beschützerinstinkt bei ihm geweckt. Die beiden freunden sich an, bauen gemeinsam ein Kanu, und nach und nach wird das ganze Ausmaß sichtbar. Lucy hat einen alkoholkranken Vater, der zu Gewaltausbrüchen neigt, ihre Mutter starb bei einem Unfall, und es gibt 2 Männer, die sich sexuell an ihr vergangen haben. Ihr Vater ist zwar Polizist, doch einer der Peiniger ist es ebenso, außerdem so etwas wie der beste Freund der Familie, zusätzlich wird ihr gedroht ihrem Vater etwas anzutun, sollte sie plaudern, der Klassiker, wenn man Opfer mundtot machen möchte.
Doch als Jean, Lucys Freundin, durch Drogen getötet wird, die sie gemeinsam mit Lucy nehmen sollte, zieht die Schlinge sich enger, die Verbrecher wollen auch Lucy töten, und Buck und Lucy schmieden konkrete Pläne, um Lucy ein für alle mal aus den Fängen dieser Verbrecher zu befreien.
Hilfe bekommen die beiden von den beiden Freunden von Lucy, Booker und Ryan.
Die Handlung fängt erst seicht an, entwickelt sich aber sehr schnell und rasant zu einer Verbrecherjagd. Mir hat es sehr gut gefallen, es war spannend, es konnte mich fesseln, über ein paar Szenen könnte man der Logik halber sicher nachgrübeln, doch das verdirbt einem den Spaß, keiner geht ins Kino um an Indiana Jones Fähigkeiten zu zweifeln, nein, man nimmt es einfach hin. Und genau das habe ich getan, und für mich hat es wunderbar funktioniert.
Da es in der Originalsprache bereits ein Prequel gibt, hoffe ich sogar, dass dies auch bald ins deutsche übersetzt wird!
Schreiner und Bootsbauer Buck lebt seit der Trennung von seiner Frau Naomi sehr zurückgezogen. Er ist ein Mann mit feinen Antennen. Als die 15-jährige Lucy seine Wege kreuzt, merkt er sofort, dass sie Schlimmes erlebt haben muss. Tatsächlich wird sie seit Jahren brutal sexuell missbraucht. Die Täter finden sich unter den Kollegen ihres Vaters Lee, allesamt Cops bei der Städtischen Polizei, was eine Verfolgung nahezu unmöglich macht. Buck nimmt sich auf sensible Weise des Mädchens an, versucht langsam, ihr Vertrauen zu gewinnen. Gemeinsam beginnen sie mit dem Bau eines Kanus und erinnern sich dabei ihrer indigenen Wurzeln, denn beide stammen von den Sioux ab, deren Nachkommen genau wie Lucy im nahen Reservat leben. Lucys Vater ist ein psychisch versehrter Afghanistan-Veteran, der leicht die Kontrolle verliert. Lucy muss ständig Regeln beachten und aufmerksam seine Stimmungen und Alkoholpegel taxieren, damit der häusliche Frieden im ärmlichen Trailer nicht gefährdet wird. Lichtblicke in dieser Tristesse sind Lucys Schulfreunde Booker und Ryan, die um ihre prekäre Lage wissen, sowie ihre Freundin Jean. Lucy ist ein äußerst starker Charakter, sie lässt sich nicht brechen.
Als Lucy sich Buck schließlich anvertraut, kommen die Dinge in Bewegung, denn Buck hat offensichtlich Erfahrung im Kampf gegen Ungerechtigkeit und Obrigkeit. Er wird Lucy eine wertvolle Stütze auf dem Weg zur Vergeltung. Leider bringt sich auch das Böse in Stellung. Lucys Peiniger spüren offenbar Gefahr aufziehen. Massive Drohungen und Gewaltanwendungen sollen Buck einschüchtern, selbst vor einem Mordanschlag wird nicht zurückgeschreckt. Dass es sich nicht nur um Einzeltäter, sondern um einen organisierten, weit verzweigten Pädophilenring handelt, macht die Lage nicht einfacher.
Was nun folgt, ist ein spannender Rachefeldzug, bei dem schnell klar wird, dass das Gute siegt. Johnson hat unzählige Ideen, er stattet seine Helden mit Intelligenz, Stärke, wertvollen Kompetenzen und fast überirdischen Fähigkeiten aus, die ihnen helfen, das Böse zu besiegen. Die Spannung zieht an und lässt den Leser nicht mehr los. Mir hat dieser Parforceritt einen enormen Spaß gemacht! Ich bin der rasanten Handlung gefolgt, habe das Buch nicht mehr aus der Hand gelegt und eventuell vorhandene Ungereimtheiten nicht hinterfragt. Es kommt viel Action vor, die aber niemals voyeuristisch ausgeschmückt wird.
Der Roman wird wechselweise aus Bucks und Lucys Perspektive erzählt. Dadurch lernen wir Teile ihres Innenlebens und ihrer Gedankenwelt kennen. Manches bleibt offen, die Vorgeschichten der Figuren werden nur angedeutet und nicht auserzählt. Manche Figur darf über sich hinauswachsen und dem Geschehen eine unvorhersehbare Wende geben. Ich habe diesen Roman als Heldengeschichte gelesen, in der die vermeintlich Schwachen zusammenhalten und sich gegen das Böse behaupten. Der Roman hat unzählige Vorbilder in der Filmwelt. Stilistisch hat mir der Text sehr gut gefallen. Er beginnt ruhig, bevor er mehr und mehr an Fahrt aufnimmt.
Der ernste Hintergrund rund um junge indigene Frauen, die in den USA offenbar vielfach missbraucht oder verschleppt werden, wird trotzdem deutlich. In einem Interview betont der Autor, dass er diese Geschichte dem realen Leben entnommen hat. Hoffentlich haben die echten Opfer auch so großartige Verbündete wie Buck, Booker und Ryan! Diese Helden wachsen einem ans Herz.
Große Leseempfehlung für Freunde rasanter Krimis mit hohem Spannungsniveau!
„Buck“ Michael Fineday will nicht mehr leben. Nach längerer Trennung hat er die Scheidungspapiere von seiner Frau Naomi erhalten - sie erträgt seinen Retterkomplex nicht mehr. Auftritt die 15jährige Lucy. Buck gewinnt bald ihr Vertrauen und macht ihre Rettung zu seinem Daseinszweck. Er heckt einen Plan aus, den örtlichen Pädophilenring zu sprengen, in dessen Fänge Lucy geraten ist. Lucys Mutter ist bei einem Unfall umgekommen, Lucys Vater, ein Afghanistan-Veteran mit PTBS, kommt als Vertrauter nicht infrage. Er hat ein Problem mit Impuls- und Aggressionskontrolle und ist nur händelbar, wenn Lucy perfekt spurt.
Als Lucys Freundin Jean dem Ring zum Opfer fällt, streift Lucy ihr Sortiment an Traumata (innere Blutungen durch Vergewaltigung, mögliche Schwangerschaft, ständige Bedrohung durch ihren unbeherrschten Vater, Tod der Mutter) ab wie nichts und wird zur Rächerin. Eine allzu plötzliche Verwandlung, die mir zu wenig unterfüttert war. Lucys Freunde Ryan und Booker als die beiden wichtigsten Nebenfiguren bleiben bloße Funktionsträger – an ihnen demonstriert Johnson die Ausgrenzung der ethnischen Randgruppen. Ryan steht für superintelligente asiatische Nerds und Booker ist der coole, sportliche Schwarze. Weniger Tiefe und mehr Klischee geht nicht. Auch das harte und kompromisslose Verhalten von Bucks Frau Naomi blieb mir unverständlich, so dass ich mich die ganze Zeit gefragt habe, ob ich irgendwas nicht mitgekriegt habe.
Ab der zweiten Hälfte wird der Roman vom Soziodrama zum Actionkracher, der sich endgültig nicht um Wahrscheinlichkeiten schert. Die Teenager handeln plötzlich, als hätten sie eine Agentenausbildung durchlaufen, Ryan hackt Militär(!)systeme, Ryans alkoholsüchtige Mutter mutiert zu einer asiatischen Modesty Blaise, Lucys Vater überrascht mit Besonnenheit und übermenschlichen Körperkräften und Lucy wird zu Supergirl. Das Ganze hat was von einem James Bond – der einzige Unterschied ist, dass keine Motorboote durch die Luft fliegen. Stattdessen hat das rote Kanu seinen dramatischen Einsatz.
Johnson zeichnet eine düstere, gesetzlose Gesellschaft, in der das Recht keine Chance hat und der einzige Ausweg die Selbstjustiz ist. Das Hauptthema ist der Missbrauch und die Ermordung von indigenen Frauen. In einigen Regionen der USA, hauptsächlich in der Nähe von Reservaten, werden indigene Frauen 10mal häufiger Opfer von Gewaltverbrechen als der nationale Durchschnitt. Die Verbrechen werden nur selten aufgeklärt – und wenn, waren es meist nicht-indigene Täter. Die Intention des Autors ist also durchaus ehrenwert, nur leider geht sie im unausgegorenen Plot, den flachen Figuren, ungeklärten Rätseln und der unwahrscheinlichen Action unter.
Das Nachwort von Jon Bassoff stellt die Theorie auf, dass Johnson mit Buck Fineday eine Art modernen Messias schaffen wollte, der die Bösen aus dem Weg fegt wie einst Jesus die Händler aus dem Tempel. Sollte Johnson das so gemeint haben, und Einiges spricht dafür, finde ich das reichlich krude. Dazu kommt, dass all die Rätsel um Buck nicht wirklich aufgeklärt werden – was war mit seinem Bruder, mit seiner Tochter, wer war Seraphim, was hat er nach seiner Baseballkarriere gemacht, wo und wann ist er Schreiner geworden, woher hat er seine Ausrüstung, wo hat er so kämpfen gelernt, welche zurückgehaltene Erklärung könnte die Beziehung zu seiner Frau retten? Es gibt Andeutungen, die so oder so interpretiert werden können, aber zu viele der aufgeworfenen Fragen bleiben unbeantwortet. Vielleicht liegt das daran, dass es ein bislang als Übersetzung nicht vorliegendes Prequel gibt. Wenn das der Grund ist, wäre der Verlag gut beraten gewesen, sich an die Reihenfolge zu halten.
Der Roman hat mich nicht überzeugt.
Mäßig spannend und oberflächlich
REZENSION - „Für die, die zum Schweigen gebracht wurden, die kein Gehör fanden, die keine Stimme hatten.“ Diese Widmung hat der amerikanische Schriftsteller Wayne Johnson (68) seinem Kriminalroman „Das rote Kanu“ vorangestellt, der im Juli beim Polar Verlag erschien. Damit wird deutlich, dass es in der Geschichte um Native Americans geht: Michael Fineday, genannt Buck, der in der Sprache der Ojibwe eigentlich Miskwa‘doden (Roter Hirsch) heißt, handelt kontrolliert und methodisch, während die 15-jährige Lucy, deren Ojibwe-Name Gage‘bineh (Ewiger Vogel) ist, als emotional, impulsiv und waghalsig geschildert wird.
Buck, aufgewachsen und erzogen in einem katholischen Internat außerhalb des Reservats, lebt, inzwischen von seiner Frau Naomi getrennt, als Möbeltischler und Bootsbauer in einem Haus mit Werkstattschuppen in der Nähe des Shakopee Mdewakanton Sioux Reservats in Minnesota. Grund für die bevorstehende Scheidung war sein „Retterkomplex“ und die damit verbundenen Gefahren, kümmerte sich Buck doch mehr um andere als um sein Leben mit Naomi. Eines Tages taucht die schüchterne Lucy bei ihm auf. Sie ist die Tochter eines Ortspolizisten, der seit seiner Soldatenzeit im Irak-Krieg und dem Tod seiner Ojibwe-Ehefrau, die bei einem Autounfall mit Fahrerflucht ums Leben kam, mit posttraumatischen Belastungsstörungen zu kämpfen hat. Vater und Tochter leben im Reservat in einer armseligen Wohnwagensiedlung.
Nur sehr langsam baut sich zwischen Buck und Lucy ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis auf. Erst als sie sich in ihrer Muttersprache der Ojibwe unterhalten, fühlen sich beide seelisch verbunden. In Bruchstücken erfährt Buck nun, dass Lucy von den Kollegen ihres Vaters regelmäßig sexuell belästigt und missbraucht wird. Die Polizisten drohen dem Mädchen, ihren Vater umzubringen, sollte sie ihm etwas verraten. Buck spürt Lucys Hilflosigkeit und bietet ihr seine Hilfe an. Als Lucys beste Freundin Jean mit einer Drogen-Überdosis ermordet wird, spitzt sich die Situation zu.
Wayne Johnsons Krimi, dessen Kapitel jeweils zwischen Buck und Lucy als Hauptpersonen wechseln, ist zweigeteilt: Im ersten Teil, für dessen Lektüre man sehr viel Geduld aufbringen muss, erfahren wir nur zögerlich von Bucks Helfersyndrom und Lucys Leidensweg. Vieles wird nur angedeutet, bleibt im Unklaren, so dass sich erst ganz allmählich ein Bild zusammensetzt. Irgendwann wird allerdings erschreckend deutlich, dass es ausgerechnet der Polizist „Onkel Arn“ ist, der sich – nach einem geheimnisvollen Ersttäter, der Lucy eine Kette mit Kreuz umgehängt hat – als Zweiter am Mädchen vergangen hat, gefolgt von einigen Kollegen. Die Tragik für Lucy ist, dass ausgerechnet Polizisten, denen sie sich eigentlich hilfesuchend anvertrauen sollte, in diesem Fall die Täter sind. Deshalb sucht sie Schutz und Hilfe bei Buck. „Er wird ein ersehnter moralischer Kompass in einer scheinbar völlig unmoralischen Welt“, formuliert es US-Schriftsteller Jon Bassoff in seinem Nachwort, in einer Welt voller Rassismus, Frauenhass, Missbrauch und Pädophilie.
Während der Autor im ersten Teil seines Krimis mit „leisen Tönen“ arbeitet und die Geschichte sich nur schleppend entwickeln lässt, holt er im zweiten Teil alles an Tempo nach und – hier spürt man in Johnson den prämierten Drehbuch-Autor – liefert nach bester Blockbuster-Manier einen durchaus spannenden, stellenweise auch brutalen Action-Krimi, der in einem bildreichen Finale seinen Höhepunkt hat, in dem auch das von Buck und Lucy gemeinsam gebaute „rote Kanu“ als typisches Symbol der Native Americans eine entscheidende Rolle spielt. In der Turbulenz mancher Szenen mangelt es allerdings stellenweise an Logik.
Johnsons Krimi ist gewiss kein literarisch anspruchsvolles Werk, zumal er ernste Probleme um ethnische Minderheiten in den USA recht oberflächlich mit allzu schlichten Stereotypen abhandelt: Da sind auf der einen Seite die Native Americans Buck und Lucy als die Guten. Dazu gehören auch Lucys beste Freunde, der Chinese Ryan und der Schwarze Booker, die ihr unter Lebensgefahr beistehen. Auf der anderen Seite stehen die Bösen, die korrupten Polizisten und ein geheimnisvoller Haupttäter als Vertreter der alles beherrschenden Mehrheit weißer Amerikaner. Zusammengefasst ist „Das rote Kanu“ ein typischer, filmreifer US-Krimi, den man gern für ein paar Stunden zur Ablenkung und Unterhaltung lesen darf, aber nicht zwingend lesen muss.