Das Mißverständnis

Buchseite und Rezensionen zu 'Das Mißverständnis' von Irène Némirovsky
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5 von 5 (2 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Das Mißverständnis"

Der erste Roman von Irène Némirovsky - endlich auf Deutsch


Als der von den Schützengräben des Ersten Weltkriegs traumatisierte Yves in das Seebad zurückkehrt, wo früher seine Familie zusammen mit anderen reichen Pariser Müßiggängern die Sommer verbrachte, begegnet er der verwöhnten Denise, die ihm zum Spaß den Kopf verdreht. Aus dem Zeitvertreib wird schnell eine leidenschaftliche Liebesaffäre, die jedoch an den Klippen des Alltags zerschellt.


Bereits in ihrem ersten Roman war das große Talent von Irène Némirovsky erkennbar. Sie wurde zum Star der Pariser Literaturszene, doch erst die Wiederentdeckung ihres Meisterwerks "Suite française" brachte ihr Weltruhm.


Format:Taschenbuch
Seiten:176
Verlag: btb Verlag
EAN:9783442749515

Rezensionen zu "Das Mißverständnis"

  1. Über das Scheitern einer Liebe

    Vorne weg
    Irène Némoriovsky ist die Tochter eines jüdischen Bankiers, die in Kiew geboren wurde. Während der Oktoberrevolution emigrierte ihre Familie nach Paris, wo sie mit ihrem ersten Roman "David Golder" berühmt wurde.Während des 2.Weltkrieges wurde sie verhaftet und nach Auschwitz deportiert. Dort starb sie am 17.August 1942. Ihre beiden Töchter überlebten den Krieg und retteten Teile des Romans "Suite francaise". Jedoch erst nach dem Tod einer Tochter im Jahre 1996 wurde das Fragment in seiner Bedeutung wiederentdeckt und der Roman avancierte daraufhin zum Weltbestseller.

    Inhalt
    Der mittellose Yves Harteloup stammt aus edlem Pariser Geschlecht, dessen Vater "zwei Leidenschaften gepflegt (hatte): Frauen und Pferde. Die einen wie die anderen hatten gleichartige Empfindungen von Rausch, verzweifelter Kopflosigkeit und Gefahr in ihm hervorgerufen." (S.15)

    Seine Kindheit erlebt er völlig unbeschwert und im Luxus, als 18 -Jähriger wird er Waise, ist jedoch finanziell versorgt. Erst der 1.Weltkrieg verändert sein Leben nachhaltig: Er verliert sein Geld und seinen Lebensmut - er ist resigniert und müde und die Bilder aus den Schützengräben verfolgen ihn.
    Aufgrund der finanziellen Not muss er in einem Büro als Angestellter arbeiten, hält jedoch mit aller Macht an den Gewohnheiten des ehemaligen luxuriösen Lebens fest. So spart er für einen Urlaub in Hendaye (eine französische Stadt an der Grenze zu Spanien) und lernt dort die junge Denise kennen, die mit einem reichen Geschäftsmann verheiratet und Mutter einer entzückenden zweijährigen Tochter ist.
    Sie verbringen regelmäßig Zeit miteinander und erst, als Denise einen Tag lang weg ist, erkennt Yves, dass er sich verliebt hat, ohne es sich wirklich eingestehen zu wollen. Behutsam nähern sie sich an und beginnen eine Affäre, die den Sommer überdauert und in Paris fortgesetzt wird.
    Allerdings wird sie überschattet von Yves Angestelltentätigkeit, die zeitliche und auch finanzielle Beschränkungen mit sich bringt. Diese Liebe, die versucht einen Bogen zwischen zwei Extremen zu spannen, ist zum Scheitern verurteilt: Während Denise sich ganz ihren Gefühlen widmen kann und ständig von Yves verlangt, ihr zu sagen, dass er sie liebt, damit sie sich seiner sicher ist, plagen Yves ständige Geldsorgen, über die er aber mit ihr nicht sprechen kann, da es ihm peinlich ist und er sie nicht damit belasten will.
    So verharren ihre Konversationen in Nichtigkeiten. Denise erstickt Yves mit ihrer Liebe, während er ihr nicht geben kann, wonach es ihr verlangt:

    "Ich kann Ihnen nicht geben, was Sie von mir verlangen. Es ist nicht meine Schuld, Denise. Vielleicht habe ich genausowenig Gefühl wie Geld, ich weiß es nicht...Aber ich gebe Ihnen alles, was ich geben kann..." (S.94)

    Im Alltag kann diese Liebe nicht bestehen, da die kurze Zeit, die sie miteinander täglich verbringen können, beiden abverlangt, genau auf den Punkt zärtlich, gut gelaunt zu sein und den anderen zu beglücken, so dass sie letztlich auch zerbricht - wie, das möchte ich an dieser Stelle nicht verraten.

    Bewertung
    Auf der Buchrückseite steht: "Das Psychogramm einer zum Scheitern verurteilten Liebesbeziehung", was den Kern der Geschichte sehr gut trifft.
    Denise Mutter analysiert die Beziehung der beiden treffend, als sie feststellt, dass beide egoistisch agieren. Denise verlangt von Yves abends gut gelaunt zu sein, ihr seine Liebe zu gestehen, während er müde und erschöpft, nicht über seine Sorgen reden möchte und sie so aus seinem Leben heraushält. Letztlich fehlt es Denise an Verständnis für seine Welt und er vermag nicht, seinen Stolz zu überwinden und sie daran teilhaben zu lassen. Hinzu kommt, dass er sich nicht eingestehen will, wie sehr er sie letztlich liebt. Er erkennt dies erst, als die Selbstverständlichkeit ihrer Liebe verloren scheint.
    Ein Roman, der aufgrund der Erzählweise, die in personaler Sicht aus Yves und Denise Perspektive das Geschehen schildert, eine Distanz zu den Figuren schafft, die wiederum eine kritische Sicht auf diese ermöglicht. Man möchte Denise zurufen: Lass ihm Luft zum Atmen, versuch seine Situation zu verstehen und hör ihm zu! Sei nicht böse und verzweifelt, wenn er dir nicht täglich seine Liebe gestehen will! Andererseits möchte man Yves sagen, er solle über seinen Schatten springen, Denise an sich heranlassen und seine Sorgen mit ihr teilen, damit eine wirkliche Partnerschaft möglich ist.
    Der Roman macht deutlich, dass Liebe allein nicht ausreicht, um gemeinsam durchs Leben zu gehen.

    Lesenswert!

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  1. 5
    31. Mai 2016 

    Dies ist das erste Buch von

    Dies ist das erste Buch von Irène Némirovsky. Jahrzehntelang wurde es nicht als Buch gedruckt, nur in einer Zeitschrift veröffentlicht. Dabei war hier schon ihr großes Talent erkennbar.

    Ives hatte als Sohn reicher Eltern eine glückliche Kindheit. Die Eltern bemühten sich, ihm früh einen Sinn für Schönheit und Philosophie einzupflanzen. Er lernte, schöne Dinge zu lieben Geld auszugeben, reiten, fechten, sich gut zu kleiden. Sein Vater lehrte ihm diskret den Umgang mit Frauen.
    Mit achtzehn war Ives Waise und er ging auf Reisen. Und dann, mitten in sein schönes Leben, brach der Erste Weltkrieg hinein. Erste Begeisterung, dann Kälte, Hunger, Schützengräben, Dreck, Müdigkeit, Resignation, der Tod als ständiger Begleiter. Die Erinnerung daran ließ ihn nach dem Krieg nicht los. Dreimal verwundet und ausgezeichnet mit dem Kriegskreuz, kehrte er nach Paris zurück.
    Ein bisschen Geld blieb ihm, es reichte für Zigaretten und Taxifahrten. Er hatte Glück und fand eine Stelle in einer großen internationalen Presseagentur. Er lebte genügsam, um sich das Geld zu ersparen für einen Sommerurlaub in dem Seebad, das er schon als Kind liebte.
    Dort begenet er Denise, die verheiratet ist und eine kleine Tochter hat. Als ihr Mann für einige Zeit den Urlaubsort verlässt, kommen sich die beiden näher. Denise liebt Ives, aber von ihm wartet sie vergeblich auf die bestimmten drei Worte.
    Merklich kühler wird das Verhältnis, als sie wieder in Paris sind. Ives muss jeden Tag ins Büro, Geld verdienen. Denise hat den ganzen Tag Zeit und Muße und kann über sich, Ives und ihr Verhältnis nachdenken. Er wird zu ihrem Lebensinhalt, sie wartet nur noch auf seinen Anruf.
    Kann dieses Verhältnis von Dauer sein? Hätte die bisher verwöhnte Denise die Stärke, sich von ihrem Mann zu trennen, um an der Seite eines "armen" Mannes zu leben? Das lest selbst...

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