Das Mädchen mit dem Drachen: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Das Mädchen mit dem Drachen: Roman' von Laetitia Colombani
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4 von 5 (3 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Das Mädchen mit dem Drachen: Roman"

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:272
Verlag: S. FISCHER
EAN:9783103974904

Rezensionen zu "Das Mädchen mit dem Drachen: Roman"

  1. Mit dem Drachenmädchen fing alles an...

    Da mir die ersten beiden Romane der Autorin so gut gefielen, kam ich nicht umhin auch diesen zu lesen. Optisch passt er schon mal perfekt zu den vorherigen. Er hat direkt einen Wiedererkennungswert.

    In der Geschichte geht es um Léna, die nach einem tragischen Schicksalsschlag Ablenkung in Indien sucht. Das Elend der armen Bevölkerung, allen voran den weiblichen Dalits, den Unberührbaren, nimmt sie sehr mit. Es kann doch nicht sein, dass man kein Recht auf eine Zukunft hat nur weil man als Mädchen geboren wird. Wird ihre Idee Früchte tragen oder wird man ihr zu viele Steine in den Weg legen?

    Anders als bei ihren anderen Büchern benötigte ich hier etwas länger Zeit zum Reinlesen, da es sich zu Beginn eher sachbuchartig für mich anfühlte.

    Die Szene als Lalita und Léna sich das erste Mal so richtig nah begegnen, da war ich dann voll drin und gefesselt.

    Die Autorin gibt wieder tiefe Einblicke in das Leben indischer Frauen und bei deren Rechtslosigkeit wird man als Westeuropäer einfach nur wütend über diese Ungerechtigkeit in deren Kultur, aber gleichzeitig weiß man auch all das was man selbst als Privilegien genießt noch viel mehr zu schätzen.

    Das Geheimnis um Léna, was mit ihr eigentlich nicht stimmt, bleibt sehr lange verborgen und die Offenbarung hat mich überrascht, denn ich habe mit etwas anderem gerechnet.

    Ganz toll fand ich, wie die jungen Menschen immer mehr Vertrauen zu Léna fassen und dass es eben nicht unbedingt immer eine gemeinsame Sprache braucht, um sich zu verstehen.

    Die Entwicklung von Preeti als Figur hat mir gefallen. Hatte ich anfangs noch enorm Angst vor ihr und dass durch ihre Gewalt was richtig Schlimmes passiert, so wird sie durch Lénas Hilfe doch deutlich zahmer.

    Fremde Begrifflichkeiten werden im Text mittels Fußnoten direkt erklärt, so dass man nicht zu einem Glossar blättern muss, was ich gut fand.

    Fazit: Berührend, unterhaltsam, mal etwas anderes. Nicht ganz so fesselnd wie ihre ersten Werke und dennoch lesenswert.

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  1. Eine interessante, realitätsnahe Geschichte

    „Sie kam hierher, weil sie Abgeschiedenheit und Ruhe suchte, und was sie fand, war das genaue Gegenteil. In diesem Dorf bietet ihr das Leben eine zweite Chance.“ (Zitat Seite 198, 199)

    Inhalt
    Nach einem traumatisierenden Ereignis braucht die Lehrerin Léna Sonne, Licht, Meer und vor allem Abstand von Frankreich. Sie reist nach Indien. Doch eines Morgens unterschätzt sie die Kraft der Meeresströmung und droht zu ertrinken. Sie wird von dem Mädchen Lalita und von Preeti mit ihrer besonderen Frauengruppe gerettet. Dadurch erhält Léna Einblicke in das reale Leben im indischen Kastensystem und als Lehrerin erkennt sie, dass man den jungen Menschen hier nur mit Bildung helfen kann. Eine Schule für die Armen, in der auch Mädchen unterrichtet werden, kann so ein Vorhaben in der traditionellen, patriarchalen Gesellschaftsstruktur des südindischen Ortes Mamallapuram gelingen?

    Thema und Genre
    In diesem Roman geht es um traditionelle patriarchale Rollenbilder am Beispiel eines Ortes am Meer im indischen Bundesstaat Tamil Nadu. Themen sind Bildung für alle, Gleichberechtigung, Verlust, Zusammenhalt und Freundschaft.

    Charaktere
    Sie kommen aus völlig unterschiedlichen Kulturkreisen, die Inderin Preeti, eine mutige junge Frau, Anführerin der Roten Brigaden, eine Selbsthilfegruppe für Frauen, und die Französin Léna, die schon über zwanzig Jahre lang als Lehrerin unterrichtet, auf Grund der Ereignisse in Frankreich jedoch eine Auszeit nimmt. Doch jede ist auf ihre Art stark und engagiert und plötzlich haben sie ein gemeinsames Ziel. „Das Wesentliche offenbart sich in diesen ineinander verschränkten dunklen und hellen Fingern, die zwar noch keine Freundschaft bedeuten, die Fremdheit jedoch überwunden haben.“ (Zitat Seite 77)

    Handlung und Schreibstil
    Die Geschichte beginnt mit einem kurzen Prolog, setzt dann mit der eigentlichen, chronologischen Handlung fort, die zwei Jahre zuvor beginnt. Einige Rückblenden ergänzen mit Details und ergeben schließlich ein stimmiges Gesamtbild, das mit einem Epilog in der in der Gegenwart abschließt. Die Handlungen der einzelnen Figuren sind nachvollziehbar und die Konflikte und Problematik sorgen für Spannung. Die Sprache ist angenehm zu lesen und ergänzt die Ereignisse mit lebhaften, eindrücklichen Schilderungen.

    Fazit
    Eine packende, realitätsnahe Geschichte, einfühlsam und positiv, ohne jedoch die bekannten Tatsachen romantisch zu verklären.

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  1. 4
    15. Feb 2022 

    Eine Schule für Dalit-Kinder – sachlich erzählt

    "Wie eine Lotusblume, die in einer Vase wächst und sich entfaltet, ist die kleine Schule aufgeblüht am Rande dieser Küstenstadt…" (9)

    Laetitia Colombani vergleicht die kleine Dorfschule mit einer Lotusblume, die im Buddhismus als Symbol der Reinheit und Erleuchtung gilt. Ihre Geschichte beweist, wie treffend diese Allegorie ist.

    Die Schule, das Herzensprojekt von Lena, entstand in dem Armenviertel der Stadt. Hier sollten Dalit-Kinder, die im indischen Kastenwesen von einem Schulbesuch meistens ausgeschlossen werden, ihre Ausbildung machen.

    Lena kam nach Indien um den tragischen Schicksalsschlag, der ihr bisheriges Leben zerstört hat, zu vergessen. Fast wäre sie selbst in den Wellen des indischen Ozeans ums Leben gekommen, wäre da nicht das kleine Mädchen Lalita, das täglich am Strand mit ihrem Drachen spielte. Lalita und die Frauen der Selbstverteidigungsgruppe retten Lena das Leben. Aus Dankbarkeit will Lena, Lehrerin vom Beruf, dem kleinen Mädchen das Lesen und Schreiben beibringen. So entsteht das Projekt Schule für alle Dalit-Kinder, die von einer schulischen Ausbildung bisher nur träumen konnten.

    Laetitia Colombani, die eine Reise nach Indien unternommen hat um eine Dalit-Schule vor Ort zu besuchen, schreibt im Buch detailliert über die gewonnenen Erkenntnisse. Dalits gehören der untersten Gruppen der hinduistischen Gesellschaft und kämpfen tagtäglich ums Überleben. Besonders erschütternd ist das Schicksal der Frauen und Mädchens in diesem System. Sie gelten als unrein (Unberührbare), werden zwangsverheiratet und dürfen nur die „untersten“ Berufe ausüben. Sie werden diskriminiert, misshandelt, sogar getötet.

    In dem Roman „Das Mädchen mit dem Drachen“ glaubt die Lehrerin Lena „an Bildung als wirksame Waffe gegen das Elend.“ (14) Sie scheut keine Mühe und setzt alle Hebel in Bewegung, damit die Schule gebaut werden und sie dort unterrichten könnte. Zur Seite steht ihr unermüdlich die junge Chefin der Selbstverteidigungsgruppe Preeti, mit der sie eine Freundschaft schließt.

    Die neugebaute Dorfschule ist ein Beitrag zum Kampf gegen Ausgrenzung und Diskriminierung der Dalits und ein Symbol der Hoffnung für eine bessere Zukunft.

    „Das Mädchen mit dem Drachen“ liefert authentische Bilder des indischen Kastenwesens, des Lebens als Dalit und Frau. Ein sehr interessantes Buch, realitätsnah, authentisch, einfach und klar geschrieben. Lesenswert!

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