Das Licht: Roman

Rezensionen zu "Das Licht: Roman"

  1. 3
    29. Apr 2019 

    Drogen mit Licht und ziemlich viel Schatten

    T.C. Boyle hat sich in seinem neuesten Roman „Licht“ der Droge LSD und den Experimenten, die Timothy Leary in den 1960er Jahren mit ihr gemacht hat, angenommen und schildert uns, wie Leary, Professor für Psychologie an der Harward University seine Studenten und Mitarbeiter dafür nutzt, die Wirkung der Droge und einen durch sie vielleicht möglichen Zugang zu Gott am eigenen Leib auszuprobieren. Dazu schafft er einen sich regelmäßig zur Einnahme des „Sakraments“ treffenden „Inneren Kreis“, der bald schon wegen angezweifelter Wissenschaftlichkeit der Experimente das Universitätsgelände verlassen muss und sich zunächst zu vorübergehenden Ferien nach Mexiko und dann als permanente Wohngemeinschaft auf ein Anwesen in Millbrook im Staat New York zurückzieht. Das Romangeschehen basiert weitgehend auf historischen Geschehnissen. Personen, Orte und die Drogenexperimente hat es tatsächlich gegeben. Boyle vermittelt uns dieses Geschehen vor allem über die erfundenen Hauptfiguren, das Ehepaar Fitz und Joanie, die schon in Harvard Teil des Inneren Kreises werden, mit dem Tross bis nach Millbrook ziehen und dort viele Monate ihres Lebens verbringen.
    Die Geschichte dieses Inneren Kreises ist eine, in der sich seine Mitglieder immer weiter vom realen Leben entfernen und sich immer mehr etwas vormachen. Ist LSD tatsächlich etwas ganz Neues, das vollkommen neue Einblicke in Sinnzusammenhänge gewähren und zu einer Antwort auf die Frage nach der Existenz Gottes führen kann? Oder ist es eben nur noch eine weitere Droge, die nach Alkohol und Marihuana ihren „Jüngern“ eben einen neuen, etwas anderen Kick bringen kann? Leary und seine Gruppe versuchen lange, den Anschein des total Besonderen, des Heilenden und Helfenden der Droge aufrechtzuerhalten. Doch dieser Anschein zerbröckelt im Laufe der Geschichte immer mehr und es ist vor allem Joanie, die das schneller begreift als viele andere aus der Gruppe. Sie flieht zu ihren Eltern in die äußere, reale Welt und versucht damit, ihr Familienleben mit ihrer Verantwortung für den Sohn zu retten. Das „wissenschaftliche Experiment“ ist da schon lange zu einer mehr oder weniger erfolgreichen kommerziellen Veranstaltung verkommen und auch sein Gründer Leary hat letztlich den Glauben an die Möglichkeiten der Droge verloren und gibt dies auch mit dem knallenden Abschlusssatz des Romans schließlich zu:

    „Scheiß auf Gott, gehen wir auf Trip.“

    Fazit:
    Das Problem des Romans besteht für mich darin, dass der Leser diesen Schluss schon sehr schnell zieht und damit der Erkenntnisgewinn, zu dem sich selbst Joanie in einem langen Prozess durchringen muss, eher als banal und überflüssig bewertet.
    Die Story trägt für mich deshalb nicht die knapp 400 Seiten des Romans. Eigentlich war schon nach 150 Seiten klar, dass das Ganze in bloßen Trips enden wird, die immer mehr Raum im Leben der Mitglieder des Kreises einnehmen und sie von ihrem realen Leben immer mehr entfremden. Aber vielleicht bin ich da auch nur zu nüchtern herangegangen. Ich hatte mir tatsächlich etwas mehr Verlockung, Psychedelisches, etwas mehr Geheimnis für die Droge vorgestellt und gewünscht und habe sie im Roman doch nur relativ flach als bloße Gefährdung von Körper, Geist und intellektuellen Möglichkeiten beschrieben gesehen. Das heißt nicht, dass ich hier ein Werbebuch für Drogen erwartet hätte. Aber eben nicht nur eine bloße Bestätigung des bereits Bekannten und Offensichtlichen.
    Dafür kann ich leider nur 3 Sterne geben.

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  1. Aufstieg und Fall, ein bizarrer Trip

    Harvard anfangs der 1960er, Fitz Loney ist einer von mehreren Dissertanten von Professor Timothy Leary im Fachbereich Psychologie. Rund um den charismatischen Professor schart sich eine Gruppe von Studenten und Doktoranden. Endlich darf auch Fitz diesem inneren Kreis angehören. Denn Tim Leary veranstaltet unter dem Deckmantel der Forschung Partys mit bewusstseinserweiterten Drogen. Mit Frau und Sohn, mit Haut und Haar, schließt sich Fitz der Gruppe an.
    Wer denkt nicht sofort an LSD, wenn man den Namen Tim Leary hört? Der Professor, Psychologe und Guru der Hippiebewegung wird hier als Katalysator für eine fulminant erzählte Geschichte eingesetzt. Wie so oft mischt T. C. Boyle Fakten mit Fiktion und bereitet mit seiner ungemein einnehmenden Schreibweise enormes Lesevergnügen. In diesem Roman nun steht der Doktorand Fitz Loney im Mittelpunkt. Ein nicht mehr ganz junger Mann, immerhin ist er seit Jahren verheiratet und hat einen 13-jährigen Sohn, der sich durch die Teilnahme an Tim Learys Sessions einen Karriereschub erhofft, aber unter dem Einfluss der Drogen letztlich alles verliert.
    LSD, die psychedelische Droge, wurde, wie wir im Epilog erfahren können, schon 1942 als psychiatrisches Medikament entwickelt. Tim Leary wendet die Droge für psychologische Experimente an. Dem charismatischen Professor können sich seine Studenten und Dissertanten nicht entziehen.
    Es ist eine Zeit des Aufbruches aus den gesellschaftlichen Normen und Zwängen. Fitz ist hin- und hergerissen zwischen dem Verlangen nach transzendentalen Bewusstsein und der Verantwortung für seine Familie. Es war eine „ Zeit, in der sie dringend eine radikale Veränderung brauchten, wenn sie nicht in ihren Schuhen verfaulen wollten wie all die anderen lebenden Toten, die durch die Straßen von Boston schlurften.“
    Boyle spielt in diesem Roman mit Erzählperspektiven, sehr interessant ist die Entwicklung und der Wandel von Joanie, Fitz‘ Ehefrau zu beobachten.
    Es mag sein, dass Boyle in diesem Roman seine eigenen Drogenerfahrungen verarbeitet. Aber weder verherrlicht Boyle den Drogenkonsum, noch moralisiert er. Er beschreibt letztlich einen einzigartig bizarren Trip, auf den er den Leser mitnimmt. Auf seine bekannt sarkastische Art, versucht er den Spießer mit dem Revoluzzer in uns auszuloten. Er überlässt uns ein offenes Ende. Wie Leary geendet hat, können wir googeln, was mit Fitz weiter sein könnte, beliebt unserer Fantasie überlassen.
    Und weil ich beim Lesen die ganze Zeit einen Ohrwurm hatte: „Now that I’ve dropped out, Why is life dreary dreary, Answer my weary query, Timothy Leary dearie“. (Manchester England;Hair)

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