Das Leuchten der Rentiere: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Das Leuchten der Rentiere: Roman' von Ann-Helén Laestadius
4.8
4.8 von 5 (5 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Das Leuchten der Rentiere: Roman"

Die unvergessliche Geschichte eines Sámi-Mädchens, das in einer im Verschwinden begriffenen Welt für seinen Platz im Leben kämpft. Ein Roman, so fesselnd und bezaubernd wie die schneebedeckte Weite, in der er spielt. Die Sámi Elsa ist neun Jahre alt, als sie allein Zeugin des Mordes an ihrem Rentierkalb wird. Der Täter zwingt sie, zu schweigen. Sie kann nichts tun und fühlt sich doch schuldig, gegenüber ihrer Familie und allen, die ihr nah sind, denn wieder einmal sieht die Polizei keinerlei Anlass, in einem Verbrechen zu ermitteln. Elsas Rentier gilt schlicht als „gestohlen“. Als die Bedrohung der Sámi und ihrer Herden dramatisch zunehmen und auch Elsa selbst ins Visier des Haupttäters gerät, findet sie endlich die Kraft, sich ihrer lange unterdrückten Schuld, Angst und Wut zu stellen. Aber wird sie etwas ausrichten können gegen die Gleichgültigkeit der Behörden und die Brutalität der Täter?

Format:Gebundene Ausgabe
Seiten:448
EAN:9783455012941

Rezensionen zu "Das Leuchten der Rentiere: Roman"

  1. Das Leben der Sami

    „„Ich besitze dich nicht. Du gehörst dir selbst. Du bist mir nur geliehen.“ Die Rentiere waren Biekka Oapmi, Eigentum des Windes. Als sie klein war, hatte Áddjá ihr das genau erklärt.“ (S. 350)

    Das obige Zitat war eins, was sich mir nachhaltig eingeprägt hat und zeigt meiner Meinung nach, mit welcher Ehrfurcht die Autorin Ann-Helén Laestadius in ihrem Roman „Das Leuchten der Rentiere“ (erschienen im Hoffmann und Campe Verlag in der Übersetzung von Maike Barth und Dagmar Mißfeldt) u. a. über die Arbeit mit Rentieren erzählt.

    Wer jetzt einen romantischen Seelenwärmer-Roman aus dem hohen Norden erwartet, sollte die Hände von diesem Buch lassen. Vielmehr geht es der bereits mehrfach ausgezeichneten schwedischen Autorin mit samischen Wurzeln darum, auf ein Problem aufmerksam zu machen: die sinnlose Abschlachtung von Rentieren und der damit verbundenen rassistischen Behandlung der Sami.

    Die neunjährige Elsa überrascht den Mörder ihres geliebten Rentiers Nástegallu. Da er eindeutige Zeichen macht, sie zu töten, wenn sie ihn verrät, flüchtet sie sich in ihre Angst und schweigt. Erst Jahre später traut sie sich, etwas gegen den Mörder zu unternehmen…

    Ann-Helén Laestadius konnte bei der Arbeit an diesem teils auf realen Geschehnissen basierenden Roman auf hundert Strafanzeigen wegen Mordes an Rentieren zurückgreifen. Sie alle haben eins gemeinsam: aus „Mangel an Beweisen“ wurden alle umgewandelt in „Diebstahl“ und entsprechend eingestellt. Diese „Praxis“ begleitet die Rentierhalter im hohen Norden Schwedens schon lange. Doch es regt sich mehr und mehr Widerstand. Auch kritisiert die Autorin die Arbeit der Polizei in ihrem Roman, die immer wieder Ausreden parat hat, um nicht oder nur sehr langsam zum Tatort zu kommen. Außerdem kommt der allgegenwärtige Rassismus gegenüber den Sami zur Sprache – erschütternd…

    Die zum Teil detaillierte Beschreibung der Abschlachtung von Rentieren ist schon harter Tobak für das Gemüt des Lesers, aber um aufmerksam zu machen, muss man die Realität schon mal (schonungslos) darstellen – und das ist der Autorin eindrucksvoll gelungen.

    Das Buch hat mich nicht von Anfang an gepackt; es braucht etwas, um „richtig“ in Schwung zu kommen. Dabei kann ich gar nicht mal genau eruieren, woran es letztlich gelegen hat. Vielleicht an der teils holprigen Übersetzung? Aber wer bin ich, dass ich die Arbeit der Übersetzerinnen kritisiere – ich kann ja noch nicht mal selber einen Text übersetzen *g*.

    In einem kurzen Glossar am Ende werden wichtige Begriffe aus dem Samischen erläutert; vieles wird aber auch im Text schon erklärt.

    Was bleibt nach der Lektüre? Eine Leseempfehlung für alle, die etwas über die Arbeit und das Leben der Sami, ihre Probleme, ihre Kultur etc. wissen wollen.

    4 sehr gute Sterne und eine Leseempfehlung!

    ©kingofmusic

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  1. 5
    14. Okt 2022 

    Ganz besonderes, intensives Leseerlebnis im hohen Norden

    Elsa wächst im hohen Norden Schwedens im Schoß einer Sámi-Familie auf, die eine Rentierherde hält. Ihr Alltag ist von vielen Traditionen, aber auch Sorgen – insbesondere im Hinblick auf die Gefahren für die Rentiere durch Raubtiere und Wilderei – geprägt. Elsa erfährt dies im Alter von neun Jahren hautnah, als sie miterlebt, wie ein Wilderer ihr Rentierkalb tötet.

    Das Buch nimmt den Leser mit in eine andere Welt, in der Rentiere nicht nur einen Broterwerb, sondern einen Lebensinhalt darstellen, der das Leben der ganzen Familie bestimmt. Zunächst aus der Perspektive der 9jährigen Elsa und dann im Laufe der Jahre mit den Augen einer jungen Frau bekommt man einen sehr eindringlichen Einblick in das Leben dieser Sámi, der außerdem noch um weitere Perspektiven anderer Bewohner ergänzt wird.

    So fremd diese Welt auch scheint, die Erzählung ist sehr ergreifend und fesselnd, so dass man das Buch nur schwer beiseitelegen kann – auch wenn es nicht immer einfach ist, die Sorgen und Gefahren der Figuren mitzuerleben. Der unheimlich starken Protagonistin ist es zu verdanken, dass die Verzweiflung dabei nicht überhandnimmt.

    Für mich war die Geschichte um Elsa und ihre Familie ein ganz besonderes, intensives Leseerlebnis, beim dem ich viel über die Sámi gelernt habe, das mich aber auch emotional auf eine Reise mitgenommen hat, die ich so schnell nicht vergessen werde.

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  1. 5
    10. Okt 2022 

    Interessante Geschichte über die Kultur der Samen

    Im Buch geht es um Elsa, eine Sami, welche als Kind mitansehen muss, wie ihr Rentier getötet wird. Leider traut sie sich nicht, der Polizei den Täter zu sagen, da dieser sie bedroht. Es werden immer wieder Rentiere des Sameby, in dem Elsa lebt, getötet und die Täter kommen davon, weil die Polizei sich nicht kümmert. Die erwachsene Elsa entschließt sich jedoch schließlich, den Kampf gegen die Diskriminierung und die Mörder ihrer Rentiere aufzunehmen.

    Ich hatte persönlich noch nicht besonders viele Informationen zur Kultur der Samen gesammelt, weswegen dieses Buch ein sehr interessanter Einblick dahingehend war.
    Die Charaktere des Buches sind sehr lebensecht und ich konnte mich sehr gut in sie einfühlen. Sie wirkten wie echte Menschen, deren Schicksal mir echt ans Herz ging. Der Kontrast zwischen der kindlichen Protagonistin und der erwachsenen war auch sehr spannend zu lesen.
    Die Probleme, mit denen sich die Hauptcharaktere auseinandersetzen mussten, sind sehr vielfältig und werden gut erkundet. Hierbei werden viele gesellschaftliche Probleme angesprochen. Hauptsächlich die Diskriminierung der Samen und die Folgen daraus, aber auch Sexismus und der Klimawandel werden beleuchtet. Diese ganzen Dinge werden sehr feinfühlig erkundet, was ich sehr fesselnd und bewegend fand.
    Das Buch wird im Laufe der Geschichte immer spannender und an manchen Stellen ist es so spannend wie ein Thriller, andere Stellen hingegen sind wieder etwas ruhiger. Die Geschichte ist sehr bedrückend und berührend. Mir standen oft die Tränen in den Augen.
    Die Story hatte meiner Meinung einen zufriedenstellenden Spannungsbogen, was bei anderen Büchern des Genres manchmal nicht so gegeben ist.

    Ich kann das Buch wirklich empfehlen. Mein Herz hängt immer noch an der Hauptcharakterin und auch vielen anderen Nebencharakteren. Es erzählt eine komplexe Geschichte, die es meiner Meinung nach auf jeden Fall wert ist, gelesen zu werden.

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  1. Beeindruckend und anrührend

    “Samisch zu sein bedeutete, seine Geschichte in sich zu tragen, als Kind vor dem schweren Rucksack zu stehen und sich zu entscheiden, ihn zu schultern oder nicht“ (S. 190).

    Die Autorin versetzt ihre Leser in die Welt der Samen, dem einzigen indigenen Volk Europas. Im Zentrum steht Elsa, die als Kind die Tötung ihres Renkalbs und ihre eigene Bedrohung erleben muss. Die Wehrlosigkeit ihrer Familie verbittert sie zunächst, aber im Lauf der Jahre verdichten sich ihre Erlebnisse und sie begreift die Ursachen dieser Wehrlosigkeit als strukturelles rassistisches Problem. Elsa entschließt sich, den „schweren Rucksack“ zu tragen. Sie wird mutig und setzt sich zur Wehr, auch wenn sie erkennt, dass sie dafür einen hohen Preis zahlen muss.

    Die Ablehnung der samischen Kultur und Lebensweise zeigt sich in vielen Bereichen: wir lesen von grausamen Jagden auf die Rentierherden der Samen, von Mobbing und gewalttätigen Übergriffen in den Schulen auf samische Kinder, von alltäglichen rassistischen Beleidigungen, von Telefonterror, von massiven psychischen Erkrankungen und vom Desinteresse der Polizei, bei Übergriffen zu ermitteln. Zugleich wird der Lebensraum der Samen immer weiter eingeengt, nicht nur durch die klimatischen Veränderungen, sondern auch durch die staatliche Forcierung des Bergbaus, der die Weidegründe der Rentierherden schmälert. Gleichzeitig vermittelt uns die Autorin die tiefe Liebe der Samen zur Natur und die Art und Weise, wie sie mit und in der Natur leben, ohne in idyllisierende Schwärmerei zu verfallen.

    Wie die Autorin das alles in ihre Geschichte einwebt, hat mir hervorragend gefallen. Sie belehrt nicht, sie informiert nicht, sie jammert nicht und klagt nicht an, sondern sie erzählt einfach die Geschichte Elsas. Und damit gelingen ihr auch sehr anrührende und tief beeindruckende Episoden, wenn sie z. B. die tiefe Trauer der Schwester um ihren geliebten kleinen Bruder in wenigen Strichen so erzählt, dass die Bilder in Erinnerung bleiben. Ihr Erzählen wirkt gleichmütig und durch die durchwegs einheitliche Syntax eher statisch, fast hölzern. Gelegentliche dramatische Ausrutscher wie “eine diabolische Energie, die sie einen Schritt zurücktreten ließ... und ihr Gesicht zog sich in kleinen schnellen Zuckungen um die Augen und den Mund zusammen“ (S. 331) verzeiht man gerne.

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  1. Sámi – Ein Überlebenskampf

    Die neunjährige Elsa wollte ihre Eltern überraschen und alles für die Fütterung der Rentiere vorbereiten. Doch dann muss sie beobachten, wie ein ihr bekannter Mann, ihr Kalb Nástegallu tötet. Als er merkt, dass er entdeckt wurde, bedroht er das Mädchen und verschwindet. Für die Polizei ist es nur ein Fall von Diebstahl, wie er ständig vorkommt. Sie sehen keine Veranlassung zu ermitteln, denn Elsa und ihre Familie sind Sámi. Elsa fühlt sich schuldig, aber sie hat auch Angst und ist wütend. Die Bedrohungen nehmen zu. Doch was soll man machen, wenn die Behörden nichts unternehmen?

    Auch wenn ich ein Weilchen gebraucht habe, um mich einzulesen, so hat mir dieser Roman doch sehr gut gefallen. Die Geschichte wird weitgehend aus der Sicht von Elsa erzählt. Dabei erfährt man sehr viel über die Traditionen und Kultur der Sámi sowie über ihre Lebensweise. Es werden aber auch die Probleme der heutigen Sámi deutlich, die immer noch diskriminiert werden.

    Elsa hat als Kind Probleme zu verstehen, warum die Erwachsenen sich nicht zu Wehr setzen angesichts der Ungerechtigkeiten. Es fällt ihr schwer, mit ihren Emotionen umzugehen. Dazu kommt die Angst. Erst als Erwachsene begreift sie die Schwierigkeiten ihres Volkes.

    Diese Geschichte wird zurückhaltend und doch eindringlich erzählt. Sie wird später sogar spannend. Ich kann diesen Roman nur empfehlen.

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