Das Leben eines Anderen: Roman

Rezensionen zu "Das Leben eines Anderen: Roman"

  1. Eine Geschichte aus dem heutigen Japan

    In Japan gibt es einen Brauch, für Menschen, die vom Unglück verfolgt werden. Sie nehmen einen anderen Namen an, damit sie das Unglück nicht mehr finden kann.
    Mit dem neuen Namen ändert sich auch das Familienregister und somit die ganze Familiengeschichte des Menschen.
    Wie ist es mit einer neuen Identität zu leben, ein neuer Mensch zu werden, die Geschicke des Lebens zu ändern, dieser Frage geht der Schriftsteller nach.

    Er lernt Kido Akiro, einen Anwalt kennen. Dieser erzählt ihm eine
    lange Geschichte, von Menschen, die ihre Identität getauscht haben.
    Daraus ist das vorliegende Buch geworden.
    Es ist ein tiefgründiges Buch, in stillen nachdenklichen Sätzen, das den Leser in die essentiellen und existentiellen Bereiche des Lebens führt, aber es
    ist auch ein spannendes Buch geworden, das man nicht mehr aus der
    Hand legen will.

    "Wenn du die Vergangenheit nicht ausradieren kannst, musst du sie so lange
    überschreiben, bis sie nicht mehr zu entziffern ist."

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  1. Wer ist hier wer?

    In "Das Leben eines Anderen" folgen wir dem Scheidungsanwalt Kido. Er verfolgt die Spur des verstorbenen Ehemanns einer Klientin, der sich als jemand anderes ausgab. Das Cover passt finde ich sehr gut zu der Geschichte. Es zeigt zwei Menschen, die gleich sind, aber der Wahrheit ihres Selbst nicht ins Auge sehen wollen. Ich mag das Cover.

    Die Geschichte dagegen konnte mich nicht wirklich überzeugen. Das Konzept des Identitätentauschs finde ich extrem spannend, leider wurde die Idee für mich nicht wirklich zufriedenstellend ausgeführt. Wenn man den Klappentext liest könnte man meinen das Kido irgendwann selbst versucht seine Identität zu tauschen. Das wird nicht wirklich eingelöst.

    An sich plätschert die Handlung meiner Meinung nach sehr lange vor sich hin und ich habe im ersten Drittel öfter mit dem Gedanken gespielt das buch abzubrechen oder nur noch quer zu lesen. Das liegt aber vielleicht auch zu einem sehr großen Teil am Schreibstil. Ich kann gar nicht genau sagen was mich daran gestört hat aber er war sehr nüchtern und auch etwas distanziert. Als schaue man eine Doku in der zwar genau beschrieben wird was passiert aber man findet keine Verbindung zu dem was man sieht. Das zieht sich für mich leider auch durch die Figuren, sie sind mir alle ziemlich egal...

    Für mich war das Buch leider zu sachlich, teilweise langatmig und auch sprachlich nicht wirklich schön. Vielleicht liegt das auch an der Übersetzung aber es konnte mich nicht wirklich überzeugen.

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  1. 4
    25. Apr 2022 

    Identitätssuche

    Vor acht Jahren vertrat der Anwalt Akira Kido eine Klientin bei ihrer Scheidung. Nun wendet Rie Takemoto sich erneut an ihn – mit einer delikaten Angelegenheit: Nach dem Tod ihres zweiten Ehemanns Daisuke Taniguchi stellte sich heraus, dass dieser mit ihr unter einem falschen Namen zusammengelebt hatte. Doch wer war er wirklich? Und was hat ihn veranlasst, seine Frau und Kinder zu belügen? Die Suche nach der Wahrheit führt Kido in tiefe Abgründe; sowohl die fremder Menschen, als auch seine eigenen.

    „Das Leben eines Anderen“ ist der erste ins Deutsche übersetzte Roman des japanischen Schriftstellers Keiichirō Hirano und wird auf interessante Art und Weise erzählt. In der Vorrede schildert der Autor, wie er seinen Protagonisten kennenlernte und dieser ihm die Erlaubnis erteilte, über ihn und seinen Fall zu schreiben. Diese Szene taucht später im Roman so ähnlich noch einmal auf, als Kido auf die Nebenfigur Misuzu trifft – beide Male stellt er sich unter falscher Identität vor, so dass die Vorrede dem ganzen Roman einen Anschein von Authentizität verleiht.

    Wer sich von dem Buch eine Kriminalhandlung im klassischen Sinne erwartet, der wird vermutlich enttäuscht, denn während es vordergründig zwar um Daisuke Taneguchi und die Suche nach seiner wahren Herkunft und seinem richtigen Namen geht, so steht auf den zweiten Blick ein ganz anderes Thema im Fokus, nämlich das der Identität und somit auch die Frage, was dieses Wort eigentlich für unser Leben bedeutet.

    Der erste Teil wird nach und nach – und durchaus zufriedenstellend – aufgelöst. Der Autor erzählt, wie Rie und Daisuke sich kennenlernten, zeichnet Kidos Nachforschungen nach und präsentiert am Ende das Ergebnis, mit dem Ehefrau und Kinder erst einmal leben müssen. Der zweite Teil gestaltet sich da schon komplizierter, denn im Verlauf des Geschehens erfahren wir, dass in Kidos Leben und vor allem in seiner Ehe auch nicht alles nach Plan läuft. Umso größer ist für ihn die Versuchung, sich selbst eine neue Identität zu schaffen. Vom Schluss des Romans hätte ich mir mehr Konsequenz gewünscht, so blendet er leider recht leise aus.

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  1. Innere und äußere Spurensuche

    Selten war ich so froh, ein Buch zuklappen zu können. Schade - denn das Thema der „Identitätswäsche“ fand ich sehr interessant.

    Scheidungsanwalt Akira Kido wird eines Tages von Rie kontaktiert, die den Tod ihres liebevollen Ehemanns Taniguchi Daisuke betrauert. Erst nach seinem tödlichen Arbeitsunfall stellt sich heraus, dass Taniguchi Daisuke nicht sein richtiger Name war. Der Unbekannte hatte den Namen lediglich angenommen, wichtige Stationen aus dessen Leben auswendig gelernt und sich so eine fremde Identität angeeignet. Doch zu welchem Zweck? Wer war dieser Mann mit dem sie mehr als drei Jahre glücklich verheiratet war und eine gemeinsame Tochter hat? Was verheimlichte er? Warum änderte er seinen Namen? Rie ist zutiefst verunsichert: Neben dem Gefühl betrogen worden zu sein, beschäftigen sie auch praktische Fragen: Unter welchem Namen soll ihr Ehemann bestattet werden? Gilt das gemeinsame Kind nun als unehelich, weil sie einen Mann unbekannter Identität heiratete, der so nicht bei den Behörden registriert war? Was soll sie ihrem ältesten Sohn erzählen, der seinen Stiefvater liebte und sich nach dessen Tod wünscht, weiterhin seinen Nachnamen zu behalten?

    Kido nimmt sich des Falles an und begibt sich auf eine schwierige Spurensuche, in deren Verlauf deutlich wird, dass der Tausch von Identitäten - eine sogenannte Identitätswäsche - in Japan häufiger als vermutet vorkommt. Er geht auch den möglichen, durchaus vielfältigen Ursachen auf den Grund.

    Im Zuge seiner Ermittlungen beschäftigt sich Kido zwangsläufig auch mit seiner eigenen Identität. Er ist Zainichi der dritten Generation, hat also eine koreanische Herkunft. Längst hat er die japanische Staatsbürgerschaft angenommen, doch der zunehmende Rassismus der japanischen Bevölkerung gegen koreanische Migrant:innen berühren auch ihn und seine Familie. Kido stellt sich immer häufiger die Frage, welches Leben er führen könnte, wenn er eine andere Identität hätte. Seine Ehekrise begünstigt dieses Gedankenspiel zusätzlich.

    Ich bin überhaupt nicht mit dem Schreibstil des Autors zurecht gekommen. Die Erzählweise ist sehr nüchtern, geradezu emotionslos und der gesamte Roman liest sich eher wie ein Bericht, der in großen Teilen so auch in einer behördlichen Akte stehen könnte. Ich konnte mich sehr schwer auf den Text konzentrieren, weil ich ihn sterbenslangweilig fand. Erschwerend kam für mich hinzu, dass die Protagonist:innen im Text mal mit ihrem Vor-, dann wieder nur mit ihrem Nachnamen, manchmal auch mit ihrem vollständigen Namen genannt wurden. Da meine Konzentration sowieso ständig abschweifte, fiel mir die Orientierung schwer. Japanische Leser:innen dürften damit vermutlich keine Probleme haben und ich könnte mir vorstellen, dass sie besser als ich zwischen den Zeilen dieses Romans lesen können. Für mich war die Distanz zu den Protagonist:innen und zur Geschichte zu groß. Entgegen meines ersten Bewertungsimpulses vergebe ich trotzdem nicht nur einen, sondern zwei Sterne für diesen Roman, weil er mich erstmalig auf das Thema "Identitätswäsche" aufmerksam gemacht hat.

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