Das geträumte Land: Roman

Rezensionen zu "Das geträumte Land: Roman"

  1. 4
    27. Dez 2020 

    Bewahr den Traum

    Das junge Ehepaar Jonga hat es von Kamerun nach Amerika geschafft. Jende Jonga hat Asyl beantragt und Neni ist mit einem Studentenvisum in den USA. Alles scheint sich zum Besten zu wenden als Jende von seinem Cousin ein Job als Fahrer bei dem reichen Investmentbanker Edvard Clark bekommt. Über seinen Einwanderungsstatus sagt Jende nichts weiter, Hauptsache, er hat erstmal den Job. Und Neni ist fleißig beim Lernen, sie will einmal Pharmazie studieren. Auch sie arbeitet nebenbei und kümmert sich noch um den gemeinsamen Sohn, der schon zur Schule geht. Clark arbeitet bei den Lehman Brothers und man schreibt das Jahr 2007.

    Der Roman beginnt kurz vor der großen Finanzkrise, die im Jahr 2008 ihren Anfang nahm. Die Einwanderer aus Kamerun sind trotz ihres unsicheren Status` optimistisch, dass sie es vor allem für ihren Sohn schaffen werden. Sie sind schon einige Zeit in Amerika und mit dem neuen Job glauben sie, das große Los gezogen zu haben. Relativ einfache, wenn auch verantwortungsvolle Arbeit, zu einem guten Lohn. Neni kann sich mehr auf ihr Studium konzentrieren und auch mal was shoppen. Jendes Tätigkeit führt zu etwas wie Familienanschluss. Besonders die Kinder ihrer Arbeitgeber kommen gut mit Jende und Neni klar.

    Glück und Glas - wie leicht bricht das. So ungefähr könnte man die Quintessenz dieses Romans empfinden. Wie zerbrechlich die sicher geglaubte Welt sein kann, kann man gerade heute auch wieder ausmachen. So ähnlich muss es auch zu Zeiten der Finanzkrise gewesen sein, die Arm und Reich treffen konnte. Sowohl die Jongas als auch die Clarks stehen vor großen Umwälzungen und sie bewältigen sie irgendwie, aber irgendwie auch mit Verlusten. Ob man dabei jede Entscheidung nachvollziehen kann, mag dahingestellt sein. Die handelnden Personen müssen dazu stehen. Klar wird jedenfalls, dass der amerikanische Traum auch mal ausgeträumt sein kann, für Amerikaner ebenso wie für Einwanderer. Doch auch in der Krise gibt es Chance, die man so oder so einschätzen kann. Ein Buch, aus dem man Einsichten über das Leben der Einwanderer gewinnen kann und welche Veränderungen Menschen durchmachen, wenn die Welt in eine Krise gerät.

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  1. 5
    15. Feb 2020 

    Der geplatzte Traum

    Imbolo Mbue " Das geträumte Land"
    Die junge Autorin Imbolo Mbue ist in Kamerun geboren und aufgewachsen, lebt aber seit über 10 Jahren in den USA. " Das geträumte Land" ist ihr erster Roman. Er wurde in den USA hymnisch gefeiert ( als eines der besten Bücher des Jahres, nominiert für den PEN/ Faulkner Fiction Award ) und auch hier in den Feuilletons gelobt als "Buch der Stunde".
    Die Geschichte setzt ein im Jahr 2007 und endet kurz nach dem Finanzkollaps. Die Autorin verknüpft hier das Schicksal zweier Familien, die eines afrikanischen Einwanderers und die eines reichen Investment Bankers.
    Da ist Jende Jonga, 33 Jahre alt, Kameruner und seit drei Jahren in New York. Er lebt mit seiner Frau Neni und dem 6jährigen Sohn in einer schäbigen Zwei-Zimmer-Wohnung in Harlem. Sie haben Asyl beantragt und wollen sich in ihrem "geträumten Land", den USA eine Zukunft aufbauen. Jende hat Glück. Er erhält Arbeit als Chauffeur bei Clark Edwards, einem leitenden Manager bei Lehman Brothers.
    Der hat eine Wohnung an der Upper East Side, ein Ferienhaus in den Hamptons, eine hübsche Ehefrau und zwei Söhne.
    Der Leser erhält nun Einblick in den Alltag der beiden unterschiedlichen Familien, erfährt von ihren Ängsten und Sorgen.
    Jende verdient zwar nicht schlecht, aber das Leben in New York ist teuer und aus der alten Heimat kommen ständig Bitten um Geld. Neni rackert sich ab als Putzfrau und Altenpflegerin, einen Sommer lang als Haushälterin im Wochenendhaus der Edwards. Daneben büffelt sie in Abendkursen für einen College-Abschluss, um Apothekerin zu werden. Noch schwieriger wird die Situation, als Neni wieder schwanger wird.
    Aber auch bei der Bankerfamilie steht nicht alles zum Besten. Edwards fürchtet den Zusammenbruch seiner Bank. Seine Frau betäubt ihre Erinnerungen an ihre bedrückende Kindheit mit Tabletten und Alkohol. Außerdem fürchtet sie um ihre Ehe. Der älteste Sohn rebelliert gegen den Lebensstil der Eltern. Er schmeißt sein Jurastudium hin und geht nach Indien.
    Als dann der Zusammenbruch der Lehman Brothers die Finanzwelt erschüttert, beginnt für die beiden Familien der Absturz.
    Edwards verliert seinen Job bei der Bank und Jende den Job bei Edwards.
    Bei den Jongas kommt noch hinzu, dass sie in die Mühlen der Einwanderungsbehörde geraten. Jendes Asylantrag wird abgelehnt, er verliert seine Arbeitserlaubnis und sein Bleiberecht. Der Kampf gegen die Abschiebung beginnt, ein zermürbender Kampf, der beinahe die Familie auseinander bringt.Jende will aufgeben, aber Neni will bleiben.

    Der Roman beschreibt eindrucksvoll die Schwierigkeiten der Immigranten. Trotz ihrer Bereitschaft, hart zu arbeiten und sich anzupassen, haben sie keine Chance. Die Autorin vermeidet Schwarz-Weiß-Malerei, sie versteht zu differenzieren. Die Figuren sind weder gut noch böse, sondern beides zugleich. Sie versuchen, das Richtige zu tun, sind kämpferisch und guten Willens, aber die Realität zwingt sie nieder.
    Kein hochliterarischer Text, dafür ein kluger und höchst aktueller Roman. Mit viel Liebe zu ihren Figuren und mit einem genauen Blick beschreibt die Autorin den geplatzten Traum ihrer Helden.

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  1. Just do it?

    Gemeinsam mit Literaturhexle ist diese Rezension entstanden, der erste Teil stammt von ihr:

    Inhalt

    Jende und Neni Jonga stammen aus Kamerun und haben in Amerika einen Asyl Antrag gestellt, um dauerhaft dort leben zu können. Der Titel trifft es sehr genau: Das Ehepaar hat ein völlig unrealistisches Bild von Amerika, dem Land ihrer Träume und der unbegrenzten Möglichkeiten.

    Die Geschichte ist eingebettet in die beginnende Finanzkrise Amerikas: Jende bekommt einen Job als Chauffeur bei Mr Clark und seiner Familie. Clark repräsentiert zunächst ein Abbild des Amerikaners, der es "geschafft" hat: Er ist Manager bei Lehman Brothers (man ahnt, was kommen wird...), ständig unter Strom, in Eile und mit wenig Zeit für die Familie. Diese Familie mit zwei Söhnen lernen wir besser kennen und es tun sich tiefe Risse in der amerikanischen Idylle auf...

    Schließlich verliert Jende seinen Job, er und seine Frau kämpfen um die Existenz, mit der Einwandererbehörde, schließlich auch miteinander...

    Literaturhexles Bewertung
    Ich gestehe, dass ich das Buch so etwa bis 2/3 als relativ vorhersehbar empfunden habe. Nicht schlecht, weil man beide SEITEN der Medaille kennenlernt und sich sehr gut in die Lage der Asylanten hineinversetzen kann. Danach entwickelten sich die Dinge aber nochmal interessant und anders, als ich erwartete!
    Der Vorleser hat mich dieses Mal nicht umgehauen, er las ziemlich "dröge".

    Meine Bewertung
    Der Beginn des Romans suggeriert zunächst, dass der amerikanische Traum ein weiteres Mal Realität werden wird - ein guter Job als Chauffeur, der Jendes Frau Neni die Möglichkeit eröffnet, weiter am College zu studieren und gegebenenfalls ihren Traum - Apothekerin werden zu wollen, leben zu können. Ein Traum, der realistisch betrachtet, wenig Aussichten auf Erfolg hat, wie ihr der Dekan ihres Colleges sehr gewissenhaft auseinander setzt. Amerika ist das "geträumte Land".
    Der Roman führt deutlich vor Augen, was es heißt als Asylbewerber in einem schwebenden Verfahren in einem fremden Land zu bestehen. Die Ängste, die permanenten finanziellen Nöten, die Ansprüche aus der Heimat, Geld zu schicken, und immer noch die Unterschiede zwischen "Schwarz" und "Weiß".
    Gleichzeitig sind mir die kulturellen Unterschiede zwischen Jendes Ansichten zur Rolle des Mannes in der Familie und meiner eigenen aufgefallen. Für Jende und auch Neni steht außer Frage, dass er das Sagen hat, bestimmt, welchen Weg die Familie geht. Neni muss sich seinem Willen beugen, so bestimmt er, dass sie mit dem Neugeborenen zuhause bleibt und ein Urlaubssemester macht.
    Trotzdem wirkt er nicht unsympatisch, er ist seinem Arbeitgeber loyal gegenüber, verlässlich und gewissenhaft. Das Hörbuch zeichnet ein sehr differenziertes Bild der beiden Familien - der Clarks und der Jongas und verurteilt nicht...
    Die Wende sorgt für die nötige Spannung und wirft viele Diskussionspunkte auf, so dass ich/wir das Hörbuch weiter empfehlen können.

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  1. Land der Illusionen

    Jende Jonga aus Kamerun lebt seit einigen Monaten ohne Papiere in New York. Und endlich hat er es geschafft, seine Frau und seinen kleinen Sohn auch nach Amerika zu holen. Hier erhoffen sie sich Chancen, die ihnen ihre Heimat Kamerun nicht bieten kann. Während Jende eher von einem eigenen Haus, etwas Luxus und finanzieller Sicherheit träumt, will seine Frau Neni unbedingt studieren und Apothekerin werden. Nicht zuletzt wünschen sie sich für ihren Sohn Liomi eine gute Ausbildung und eine besserer Zukunft.
    Als Jende über Beziehungen den Job als Chauffeur des Bankmanagers Clark Edwards
    bekommt, schwebt er zunächst im 7. Himmel. Doch allmählich blickt Jende durch seine Tätigkeit hinter die Fassade der reichen und glücklichen Familie.
    Im Sommer wird auch Jendes Frau Neni von Mrs Edwards als Haus- und Kindermädchen engagiert. Auch sie ist zunächst geblendet vom luxuriösen und glamourösen Lebensstil der Bankerfamilie. Doch bald erkennt auch sie, wie einsam und traurig Mrs Edwards in Wahrheit ist. Als die Bankenkrise ihre Opfer fordert, verändert sich das Leben beider Familien dramatisch.
    So aktuell der Roman über Familie, Immigration, Illusionen und Träume auch ist, hat er mich doch nicht ganz überzeugen können. Zu klischeehaft werden die Edwards als reiche Schnösel mit perfekter Fassade, hinter der sich wenig verbirgt, geschildert.
    Jende und Neni dagegen wirken zwar realistisch mit ihren Träumen vom besseren Leben, gelegentlich aber auch recht naiv und blind für Amerikas Schattenseiten. Eher unsympathisch und zu ihrem Charakter unpassend empfand ich, zu welchen Mitteln Neni am Ende greift, um ihre Ziele zu erreichen. Die Dialoge wirken stellenweise etwas hölzern, was allerdings auch an der Übersetzung aus dem Amerikanischen und Afrikanischen resultieren kann.
    ,,Das geträumte Land“ ist insgesamt lesenwert, aber keine ,,unvergessliche Geschichte“.

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  1. 5
    20. Feb 2017 

    Es ist nicht alles Gold was glänzt

    Jende Jonga und seine Frau Neni haben es geschafft: Sie sind in New York, USA, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. In Kamerun, woher sie beide stammen, gab es zum Einen keine Möglichkeit für sie, gemeinsam zu leben. Und zum Anderen waren ihre Zukunftsaussichten alles andere als rosig. Arbeit gibt es dort so gut wie keine und wenn, sind es schlecht bezahlte Hilfsarbeiten. Um auf's College zu gehen oder eine der wenigen gut bezahlten Stellen zu erhalten, muss man Beziehungen und Geld haben - Jende und Neni haben beides nicht. Doch dank seines Cousins haben sie es in die USA geschafft: Jende hat eine gute Stelle als Chauffeur bei einem Wallstreet-Banker und Neni macht ihren Abschluss, um danach Pharmazie zu studieren. Alles ist wunderbar, doch dann kommt die Bankenkrise und das Leben der Jongas ändert sich.
    Die Geschichte wird vollständig aus der Sicht der Jongas erzählt: Jende, der den Großteil seiner Zeit als Chauffeuer mit seinem Arbeitgeber Mr. Edwards verbringt, einem leitenden Manager bei Lehman Brothers. Und Neni, die im Sommer für Mr. Edwards Frau in den Hamptons arbeitet. Beide erhalten unweigerlich einen tiefen Einblick in diese Familie, die so reich ist, dass es die Jongas kaum glauben können. Doch nie gibt es ein Wort oder einen Gedanken des Neides - stattdessen sind Jende und Neni den Edwards überaus dankbar, auch wenn diese sich kaum für ihre Angestellten interessieren. Typisch, könnte man nun meinen. Diese reiche, egoistische und egozentrische High-Society, die den Bezug zum normalen Leben so gut wie verloren hat. Doch so leicht macht es die Autorin den Lesenden in ihrem Erstlingswerk nicht. Auch die Edwards haben ihr Päckchen zu tragen und nicht alle Banker denken ausschließlich an ihren eigenen Profit.
    Imbolo Mbue, die selbst aus Kamerun stammt und nun in den USA lebt, hat nach meinem Empfinden ein ungemein realitätsnahes Werk geschaffen, dass vermutlich die Hoffnungen und Ängste vieler Einwanderer (nicht nur derjenigen aus Afrika) nachvollziehbar widerspiegelt. Dass sie bei der Darstellung des amerikanischen Gegenübers nicht in Klischees verfällt, ist ein weiterer großer Pluspunkt für diese unterhaltsame, etwas traurige aber auch amüsante Geschichte. Sehr sehr lesenswert!

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