Das Bücherhaus

Rezensionen zu "Das Bücherhaus"

  1. Eine faszinierende Reise in die Welt der Philosophie

    „Diese frühe amerikanische Philosophie handelte von Inspiration, davon, sich aus den lähmenden und alles tötenden Wegen der Vergangenheit zu befreien.“ (Zitat Seite 72)

    Inhalt
    „Ist das Leben lesenswert?“ fragte William James, Mitbegründer des neuen Denkschule des philosophischen Pragmatismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Amerika. Diese Frage stellt sich auch der junge Philosophieprofessor John Kaag im Jahr 2008, als sein Leben in einer tiefen Krise steckt. Bis er in einer Bäckerei in Chococua auf Bunn Nickerson trifft. Der Dreiundneunzigjährige ist auf dem nahegelegenen Landsitz „West Wind“ von William Ernest Hocking aufgewachsen und fährt mit Kaag spontan zur Bibliothek Hockings, die sich immer noch in einem der Gebäude befindet. Kaag denkt an William James Aussage „Wer darauf verzichtet, eine sich darbietende einzige Gelegenheit zu ergreifen, verliert den Preis ebenso sicher, als wenn er den Versuch machte und keinen Erfolg hätte.“ Denn der Blick durchs Fenster hat sofort sein Interesse geweckt und die Tür ist nicht verschlossen. Schon bei diesem ersten, kurzen Stöbern in den vielen philosophischen Schätzen, Erstausgaben, Notizen, Briefen, die hier zu finden sind, nimmt diese Bibliothek John Kaag völlig gefangen und lässt ihn nicht mehr los. Es scheint, als hätten sie gegenseitig aufeinander gewartet, die großen amerikanischen Denker und ihre europäischen Vorbilder und der moderne, junge Philosoph. Zuerst schweigt er über seinen Fund, dann erzählt er seiner Kollegin Carol Hay, ebenfalls Professorin für Philosophie an der University of Massachusetts Lowell, von der Bibliothek und von da an arbeiten sie gemeinsam und kommen einander auch persönlich näher.

    Thema
    Dieses beeindruckende Buch beschreibt die Entdeckung und Aufarbeitung einer in Vergessenheit geratenen Privatbibliothek der bekannten amerikanischen Philosophen des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Wir finden kurze Biografien, auch unter Einbeziehung des persönlichen Lebens, Beziehungen und Familie, von berühmten Denkern unterschiedlicher Richtungen und Ideen wie William James, William Ernst Hocking, Agnes Hocking, Ralph W. Emerson, Charles Sanders Peirce, Josiah Royce, Alfred North Whitehead, Friedrich W. J. Schelling, Georg W. F. Hegel und natürlich Immanuel Kant und viele weitere. Der Autor schreibt über die wichtigsten philosophischen Strömungen, Themen sind Transzendentalismus, Amerikanischer und Deutscher Idealismus, Amerikanischer Pragmatismus, das Buch ist eine erzählte Philosophiegeschichte der Vereinigten Staaten. Kernthemen für uns heutige Leser sind Selbstbestimmung, eigenständige Entscheidungen, Freiheit im Denken und Handeln, Spiritualität, Gleichberechtigung, Freundschaft, Partnerschaft und Familie, Liebe, kurz: das Leben.

    Handlung und Umsetzung
    Mit Bezug auf Dante und Beatrice und auf die eigene Situation in dieser Zeit teilt der Autor das Buch in drei Teile, HÖLLE, FEGEFEUER, ERLÖSUNG. Diese wiederum sind in Kapitel unterteilt.
    Als John Kaag die Bibliothek das erste Mal sieht, wirkt alles verlassen, vergessen. Vom ersten Kontakt an unterstützen die Mitglieder der Familie Hocking den Autor in seinem Vorhaben und sind mit der Idee, einen erheblichen Teil der Bücher nach einer Katalogisierung und Schätzung des Bestandes als Schenkung an die O’Leary Library der University of Massachusetts zu stiften.
    Kaag gibt uns Lesern hier zwar einen fundierten, sehr komplexen Einblick in das philosophische Denken, doch er erzählt uns darüber, vergleicht einzelne Passagen und wichtige Kernaussagen, bringt sie mit heutigen alltäglichen Situationen und Gedanken in Verbindung, beschreibt, aber wertet nicht, mit Humor gelingt ihm hier eine faszinierende Kombination aus wissenschaftlichem Denken und gelebtem Alltag. Dies erreicht er, indem er über das jeweilige Buch erzählt, über den Verfasser desselben, manchmal eingebettet in Beschreibungen wie: „Ich legte den Cudworth auf den Küchentresen und trollte mich ins Bett mit dem Gedanken, dass amerikanische Philosophie einen Idealismus und eine Sympathie für das menschliche Gefühl übernommen hatte, die das Leben ein wenig erträglicher machte.“ (Zitat Seite 195) Er nimmt uns Leser mit auf eine Reise, die uns rasch in ihren Bann zieht, uns nicht mehr loslässt und auch viele eigene Gedanken anregt.

    Fazit
    Bis zu diesem Buch wusste ich nicht, das Philosophie so packend, spannend, interessant und vor allem, so lebendig sein kann. Natürlich musste ich viele der Passagen, wenn es um die Kernaussagen geht, mehrmals lesen, überdenken, nochmals lesen, doch ich tat es mit Genuss und Vergnügen. Dieses Buch fasziniert und macht Freude, regt auch an, sich weiter mit dem Thema Philosophie zu beschäftigen. Man sollte sich dafür Zeit und Ruhe nehmen und sich überraschen lassen.

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  1. 3
    13. Jul 2015 

    Der Petrarca-Club...

    Wer liebt sie nicht, die Provence, zauberhafte Landschaft am Mittelmeer, schön gelegen zwischen dem Rhônetal und Italien? Wer hat sie nicht vor Augen, die endlosen Lavendelfelder, leuchtend blühend im Sonnenschein?
    Nun, hier bekommt der Landstrich doch eine recht düstere Note, viel rauer und irgendwie unheimlich. Dabei beginnt der zweite Krimi um Luc Vidal eigentlich recht unscheinbar - eine alte Frau wird in ihrem Bett tot aufgefunden, und ihre Enkelin vermutet nur, dass es sich hier um einen Mordfall handeln könnte. Natürlich muss die Polizei dem Verdacht nachgehen...

    Der Kommissar ließ sich die Bibliothek zeigen. Es war ein Raum voller Magie, mit uralten Bücherregalen aus poliertem Holz, die über zwei Ebenen die hohen Wände bedeckten und deren obere Ebene von einer umlaufenden Galerie erschlossen war. Eine schmale Treppe aus dem gleichen, rötlich glänzenden Holz führte hinauf. Das weite Geviert war mit großen quadratischen Fliesen aus grob behauenem Stein bedeckt und die Luft war erfüllt von dem Duft alter Bücher. Abertausende davon standen in schier endlosen Regalreihen.

    Es ist schon ein besonderes Haus, in dem die verstorbene Claire de Roquesteron lebte. Das Bücherhaus, Mille Livre, wird es genannt, weil es eine unglaubliche Sammlung antiquarischer und wertvoller Bücher beherbergt. Und ausgerechnet eines der wertvollsten Bücher fehlt nun, ein uraltes Werk des in der Provence beheimateten Dichters Petrarca (1304-1374).
    Als bald darauf ein zweiter Mord geschieht, bei dem das verschwundene Buch ebenfalls eine Rolle spielt, wird Luc Vidal klar, dass sie erst am Anfang einer umfassenden Ermittlung stehen.

    Tom Burger entführt den Leser in die Tiefen der Provence, mitten hinein in das dörfliche Leben, wo jeder jeden kennt und auch Geheimnisse nicht immer sicher sind. Mit jedem Tag wird der Fall jedoch undurchsichtiger, und die Flut der Menschen, die hier eine Rolle spielen, will gar kein Ende nehmen.
    Die verstorbene Claire hatte gemeinsam mit einigen Freunden in ihrer Jugend in Verrehrung des antiken Dichters einen Petrarca-Club gegründet, und im Grunde hätte jeder der inzwischen hochbetagten Mitglieder ein Motiv gehabt, die alte Dame zu ermorden. Oder war es vielleicht doch die Enkelin Amandine, die schließlich nun die Alleinerbin der antiken Schätze ist? Und was hat es mit diesem mysteriösen Mönch auf sich, der immer wieder auftaucht und eine undurchsichtige Rolle spielt?

    Mir persönlich waren es ehrlich gesagt einige Personen zu viel. Zugegeben, diese Vielzahl sorgte für Verwirrung - viele der Personen scheinen hier aber ausschließlich zu diesem Zweck eine Rolle zugewiesen bekommen zu haben. Diese Vielzahl sorgte in meinen Augen jedoch auch dafür, dass sich die Handlung an manchen Stellen sehr in die Länge zog - da war das Tempo selbst für mich dann zu gemächlich.
    Der Kommissar Luc Vidal gewann für mich im Laufe der Handlung zunehmend an Konturen - und meine Sympathie dazu. Auch sein privates Umfeld war sympathisch und lebhaft gezeichnet, was mir gut gefallen hat. Der Rest der Charaktere allerdings blieb eher blass und war mir durchweg unsympathisch - bestenfalls riefen sie noch eine Art Mitleid hervor. Vor allem die Mitglieder des Petrarca-Clubs entpuppten sich zunehmend als altersstarrsinnige und egoistische Zeitgenossen, für die das Wort 'Skrupel' wohl eher ein Fremdwort ist.

    Gut gefallen haben mir in diesem Krimi vor allem die oftmals poetischen Beschreibungen. Seien es besondere Gebäude, Landschaften oder auch kulinarische Genüsse - hierbei entstanden in meinem Kopf farbige Bilder, die mich begeistern konnten. Ansonsten erschien mir die Provence durch das mystisch-mysteriöse Geschehen diesmal doch recht düster.
    Die Idee, das Leben und Werk des antiken Dichters Petrarca mit dem Geschehen im Hier und Jetzt zu verknüpfen, hat etwas reizvolles. Manche der Verknüpfungen waren vielleicht etwas weit hergeholt, aber in der Summe war das Konzept doch überzeugend. Auch das Verhältnis zwischen dem Fall ansich und dem Einblick in das Privatleben des Kommissars war für mich stimmig. Allerdings hätte ich mir doch einen noch intensiveren Einblick in die eigentliche Ermittlungsarbeit gewünscht.

    Ein recht interessanter Fall mit einem außergewöhnlichen Hintergrund in einer schöner Kulisse - angenehm zu lesen, am besten mit einem Glas gekühlten Weißweins auf der sommerlichen Terrasse...

    © Parden

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