Das Auge des Leoparden: Roman

Buchseite und Rezensionen zu 'Das Auge des Leoparden: Roman' von Henning Mankell
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4 von 5 (1 Bewertungen)

Inhaltsangabe zu "Das Auge des Leoparden: Roman"

Format:Taschenbuch
Seiten:384
EAN:9783423134248

Rezensionen zu "Das Auge des Leoparden: Roman"

  1. Schlaflos in Sambia

    Ein einsamer Mann mittleren Alters, der vor Schlafmangel kaum aus den Augen gucken kann - wer hat's erfunden? Richtig: Henning Mankell. Diesmal geht es um einen Mann namens Hans Olofsson, etwa so alt wie Mankell selbst. Aufgewachsen bei seinem Vater, einem Holzfäller und ehemaligen Seemann, der im Alter zum Trinker geworden ist. Hans Olofssons Jugend ist geprägt durch die Freundschaft mit einer älteren Frau, die wegen einer Entstellung zurückgezogen lebt. Sein Freund Sture hat am Ende der gemeinsamen Schulzeit einen grässlichen Unfall, an dem Hans sich eine Mitschuld zuweist - schon in seiner Jugend wird er zum einsamen Mann. Hans Olofsson versucht sich an verschiedenen Arbeiten, studiert auch ein paar Semester und fliegt schließlich mit Mitte zwanzig ohne klaren Plan nach Afrika. Eigentlich soll es nur ein Kurzbesuch sein, doch dann bleibt er neunzehn Jahre. In Sambia übernimmt er eine Hühnerfarm mit zweihundert einheimischen Arbeitern. Der offen zur Schau getragene Rassismus seiner Nachbarfarmer stößt ihn ab; er möchte es besser machen, erhöht die Löhne, richtet eine Schule ein, versucht die Wohnsituation und medizinische Versorgung seiner Arbeiter zu verbessern. Doch als sich in seiner Umgebung die Alarmzeichen mehren und einige weiße Farmer massakriert werden, muss Olofsson feststellen, dass er so gut wie nichts erreicht hat. "Seit über zwanzig Jahren sind wir nun unabhängig, aber für die Menschen hat sich im Grunde nichts verbessert. Nur eine kleine Minderheit, die von den Weißen die Macht übernahm, hat immense Reichtümer angehäuft", erklärt ihm ein einheimischer Journalist. Wie sehr Korruption und Indolenz jede funktionierende Infrastruktur verhindern, bekommen wir ausgiebig zu lesen.

    Als ich das Buch in die Hand bekam, freute ich mich zunächst, eine Art Gegenentwurf zu "Afrikanische Tragödie" von Doris Lessing zu lesen. Dieser Roman spielt etwa eine Generation früher in Zimbabwe und hat ebenfalls das einsame Leben einer weißen Farmerfamilie zwischen einheimischen Arbeitern zum Thema. In beiden Romanen erleben wir die weißen Protagonisten als verängstigte Fremde in einer Umgebung, die sie nie richtig verstehen lernen (abgesehen davon, dass Doris Lessings "Heldin" sich nicht die geringste Mühe gibt, obwohl sie, im Gegensatz zu Olofsson, im Lande geboren ist). Wer Afrika-Romantik in der Wildheit des Buschlands sucht, ist wohl bei Lessing besser aufgehoben, obwohl ihr Buch fast noch pessimistischer ist als Mankells. Ein Naturerlebnis, wie wir es in vielen Afrikaromanen finden, auch etwa bei Tania Blixen, gibt es bei Mankells Helden überhaupt nicht. In gewisser Weise zeigt sich darin die Hauptschwäche des Romans. Hans Olofsson ist in Schweden wurzellos, wie Mankell sehr sorgfältig ausführt. Doch was ihn in Afrika hält, in einer Umgebung, die er fast durchgehend als feindselig erlebt, wird an keiner Stelle deutlich. Er findet keine wirklichen Freunde, weder Erfüllung in der Arbeit oder Freude an seiner exotischen Umgebung. Ein Vogel mit purpurnem Gefieder, der kurz aufblitzend an ihm vorbeifliegt, ist eine einsame Ausnahme.

    Man muss gewillt sein, sich auf Mankell einzulassen: In seinen Afrikaromanen (ich habe schon mehrere gelesen) erweist er sich als Dichter. Über Olofssons Jugendjahre, in denen er ziellos umherzutreiben scheint, heißt es: "Er kommt in das Alter, in dem jeder Mensch sein eigener Brandstifter ist, ausgerüstet mit einem Stück leicht entzündlichen Feuersteins in einer unergründlichen Welt. Leidenschaften flammen auf und verlöschen, gewinnen wieder an Kraft, verzehren ihn, lassen ihn aber immer wieder lebendig aus der Asche aufsteigen. (...) Er glaubt, in diesen Jahren die letzten Fesseln zu sprengen, die ihn noch an seine Kindheit binden." Eine bessere Erklärung finden wir nicht für Olofssons Impetus, sich ausgerechnet in Sambia festzusetzen.

    Und was sagt Mankell über Afrika, in dem er so viele Jahre gelebt hat? Irgendwo fällt der klassische Satz, ich kannte ihn schon, wusste aber nicht, dass er von Mankell ist (oder zitiert er?): "Die afrikanischen Frauen tragen den Kontinent auf ihren Köpfen." Olofsson sinniert: "Meine Farm, deren Belegschaft hauptsächlich aus Männern besteht, ist kein getreues Abbild Afrikas. Entscheidend für die Zukunft Afrikas wird sein, was mit den Frauen geschieht." (Ich habe übrigens händeringend auf ein solches Statement gewartet, nachdem ich mich durch lange Dialoge mit dem Tenor "der weiße Mann dies, der schwarze Mann das" gelesen habe.)

    Ich möchte keine direkte Leseempfehlung aussprechen. Man muss Mankell halt mögen. Wie ich bei Perlentaucher las, fordert die Kritikerin Susanne Mayer, "dass Henning Mankells Bücher als Suchtmittel akzeptiert werden, mit schwarzgerandeter Warnung: Lesen könnte zu einer melancholischen Grundstimmung führen und Herzschmerz verursachen." Wer Mankell gern liest, wird das Buch mögen.

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