Couscous mit Zimt (Debütromane in der FVA)

Buchseite und Rezensionen zu 'Couscous mit Zimt (Debütromane in der FVA)' von Elsa Koester
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Inhaltsangabe zu "Couscous mit Zimt (Debütromane in der FVA)"

Diskussionen zu "Couscous mit Zimt (Debütromane in der FVA)"

Autor:
Format:Kindle Ausgabe
Seiten:448
Verlag:
EAN:

Rezensionen zu "Couscous mit Zimt (Debütromane in der FVA)"

  1. 3
    03. Okt 2020 

    Alles andere als trivial

    Romane mit schmackhaften Titeln wie "Der Duft von Apfeltarte, "Ein Sommer voller Himbeereis" oder "Koriandergrün und Safranrot" assoziieren appetitliche Geschichten voller Leichtigkeit. Nicht selten sind diese Bücher der Trivialliteratur zuzuordnen.
    Daher war ich sehr erstaunt, im Programm der Frankfurter Verlagsanstalten, also einem Verlag, den ich als Garant für anspruchsvolle Literatur kennen- und schätzen gelernt habe, den Titel "Couscous mit Zimt" zu entdecken. Diese Diskrepanz zwischen "verdächtigem" Romantitel und renommiertem literarischem Ruf des Verlags hat mich neugierig gemacht, weshalb ich meine Vorbehalte mutig über Bord geworfen habe. Und jetzt, nachdem ich diesen Roman gelesen habe, steht fest: Trivial ist der Roman "Couscous mit Zimt" von Ella Koester ganz sicher nicht.

    Worum es geht:
    Der Roman erzählt die Geschichte der Frauen der Familie Bellanger, etwa von den 50er/60er Jahren bis in die Gegenwart.

    1. Generation: Lucille, eine Französin, die mit ihrer Familie lange Jahre in in der französischen Kolonie Tunesien gelebt hat und nach der Unabhängigkeit dieses Landes wieder nach Paris zurückgeht und hier bis zu ihrem Tod im hohen Alter von 105 Jahren leben wird. Lucille wird von der Familie "Mamie" genannt.

    2. Generation: Solange und Marie, Töchter von Lucille, die Mädchen sind in Tunesien geboren und haben hier die ersten Jahre ihres Lebens verbracht. Insbesondere Marie wird Tunesien ihr Leben lang als ihre Heimat ansehen.

    3. Generation: Lisa, Tochter von Marie, ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. Mittlerweile ist sie Anfang 30. Sie hat eine enge Bindung zu ihrer Mutter Marie, die ihr viele Geschichten über ihre Kindheit sowie ihrer Familie erzählt. Über die Jahre hatte Lisa durch wenige Besuche in Frankreich nur sporadischen Kontakt zu ihrer französischen Großmutter Lucille.

    "Lisa hat nicht an den Geruch gedacht, denn natürlich, die Wohnung riecht nach Piment, Paprika und Zimt, gemischt mit abgestandenem Zigarettenqualm und modrigem Moschus, nach alter Frau in ungewaschenem Hauskleid mit Blümchenmuster. Natürlich, die Wohnung riecht nach Mamie."

    Lisa soll nun die Wohnung ihrer Großmutter in Paris aufzulösen. Vor einiger Zeit ist diese im hohen Alter von 105 Jahren gestorben und hat diese Wohnung ihren beiden Töchtern Solange (Lisas Tante, die in der Nähe von Paris lebt) und Marie (Lisas Mutter) hinterlassen. Tante Solange hat sich nach dem Tod von Lucille sofort von ihrer Schwester auszahlen lassen. Daher ist die Pariser Wohnung nun in Maries alleinigem Besitz. Doch sie hat sich nie um diese Wohnung gekümmert. Nun ist sie selbst verstorben und hat ihrer Tochter Lisa die Aufgabe der Wohnungsauflösung in Paris überlassen.

    Lisa reist also nach Paris. Hier wird sie mit Erinnerungen konfrontiert, die sowohl schön aber auch schmerzhaft sind. Die Frauen der Familie Bellanger waren und sind keine einfachen Menschen. Es ist offensichtlich dass das Familienleben bei jeder Generation Wunden hinterlassen hat.

    Betrachtet man die ersten Kapitel dieses Romans, mag man jedoch zunächst nicht glauben, welche Konflikte die Frauen der Familie Bellanger austragen mussten.

    "Versteht das denn niemand, dass eine Frau es satthat, immer wieder wie ein Elefant durch die Gegend zu laufen, über neun Monate, um dann schon wieder jemanden an der Brust hängen zu haben, erst an der Brust und dann am Rockzipfel, über Jahre und Jahre? Wo gibt es das denn bitte sonst in der Natur, alle Tiere werden schneller selbstständig, einfach alle, nur diese kleinen Gören von Menschen nicht!"

    Der Einstieg in diesen Roman beginnt mit einem Kapitel, in dem die hochbetagte Lucille auf ihr Leben zurückblickt. Dabei präsentiert sie sich als eine Person, die zeitlebens ihre Frau gestanden hat, die selbstbewusst war und das Leben geliebt hat. Im Gegensatz zu vielen Frauen ihrer Generation hing ihr Lebensglück nicht vom Muttersein ab. Diese Einstellung macht sie sehr sympathisch. Trotzdem will man ihr die offen zur Schau gestellte Abneigung gegenüber Kindern nicht so recht abnehmen. Lucille scheint diesbezüglich Witze zu machen, die den Leser fröhlich einstimmen und ihn auf eine falsche Fährte locken. Nach diesem Einstieg in den Roman rechnet man mit einer Familiengeschichte, in deren Mittelpunkt ein entspanntes und liebevolles Miteinander zwischen einer Mutter und ihren Töchtern steht. So wie sich Lucille dem Leser präsentiert hat, wird sie in dieser Familie zwar den Ton angeben. Doch da man sie als liebevolle Matriarchin einschätzt, gesteht man ihr dies gerne zu.
    Später wird sich dann herausstellen, dass der erste Eindruck nicht der richtige ist.

    Die Erzählperspektive wechselt zwischen den Frauen der Familie Bellanger, maßgeblich kommen hier Enkelin Lisa und ihre Mutter Marie zu Wort. Die Perspektive von Lisa bewegt sich in der Gegenwart, unterbrochen von ihren Erinnerungen an die wenigen Besuche bei ihrer Großmutter sowie an die letzten Jahre mit ihrer Mutter Marie, die ihr Leben lang unter dem Einfluss ihrer Mutter Lucille zu leiden hatte. Maries Erinnerungen hingegen konzentrieren sich auf ihre Kindheit in Tunesien und das Erwachsenwerden in Paris. Im Mittelpunkt steht dabei der Einfluss von Lucille, den diese ihr Leben lang auf Marie hatte.

    Dabei wird von Lucille ein völlig anderes Bild gezeigt, als jenes aus dem ersten Kapitel. Schenkt man den Erinnerungen von Marie Glauben, wundert man sich nicht, warum Marie ihr Leben lang mit psychischen Problemen zu kämpfen hatte. Denn mit einer Mutter wie Lucille war es schwierig, als Tochter zu bestehen.

    "Sie war eine Lügnerin, hat sie gesagt. Lisa hat sie nicht verteidigt. Solange hat ihre Mutter angegriffen, und sie hat nichts gesagt. Weil sie sich nicht ganz sicher war. Vielleicht stimmt es ja. Lisas Mutter hat oft gelogen. Wenn sie getrunken hat, und sie hat oft getrunken oder Geschichten verdreht, und vielleicht hat sie diese Geschichte verdreht, fragen kann Lisa sie jedenfalls nicht mehr."

    Es fällt nicht leicht, in diesem Roman Partei zu ergreifen. Denn auch Tante Solange gibt ihre Einschätzung über Mutter Lucille zum Besten. Zwar hat sie ihre Mutter als schwierig und eigenwillig in Erinnerung, hat aber dennoch eine völlig andere Sichtweise als ihre Schwester Marie, was die Mutter-Töchter-Beziehungen angeht. Die Wahrheit über Lucille und ihrem Verhältnis zu ihren Töchtern scheint also im Auge des Betrachters zu liegen.

    Diese Thematik des Mutter-Tochter-Konflikts, in der die Autorin mit unterschiedlichen Sichtweisen spielt, hat mir ausgesprochen gut gefallen.

    Für mich hätte das konfliktgeladene Zusammenspiel der starken Frauencharaktere ausreichend Potenzial für einen herausragenden Roman gehabt. Doch die Autorin wollte scheinbar mehr, weswegen sie weitere unterschiedliche Themen in diesem Roman verpackt hat.

    Einzig das Thema "Pieds Noirs" scheint für dass Zusammenspiel der Frauen Bellanger eine Rolle zu spielen. Unter "Pieds Noirs" versteht man französische Auswanderer, die in den damaligen Kolonien Tunesien, Marokko oder Algerien gelebt haben und später nach Frankreich zurückkehren mussten, so auch die Familie Bellanger. Durch die Unabhängigkeit der arabischen Länder in den 60ern, waren die französischen Kolonialisten nicht mehr erwünscht. Die Rückkehr nach Frankreich glich also einer Flucht. Und damals wie heute stoßen Flüchtlinge in der Gesellschaft auf Ablehnung.

    "Ich frage mich, was das soll, Rückkehrer. Ich jedenfalls bin nicht zurückgekehrt, wenn du mich fragst, ich bin in Tunesien aufgewachsen, ich kannte gar nichts anderes, ..., ich bin in Tunesien geboren, und ich habe mich auch nie dazu entschieden, Tunesien zu verlassen und nach Frankreich zu gehen. Verschleppt wurde ich, meine Mutter hat mich aus meinem Heimatland nach Frankreich verschleppt."

    Die Autorin schlägt einen Bogen zur heutigen Situation arabisch-stämmiger Flüchtlinge, mit der Lisa während ihres Aufenthalts in Paris konfrontiert wird. Diese Ähnlichkeit zwischen den sogenannten Pieds-Noirs-Familien und der heutigen Flüchtlingssituation lassen das Einbinden dieser Thematik in die Handlung also durchaus rechtfertigen.

    An dieser Stelle hätte die Autorin einen Schlussstrich ziehen sollen.
    Doch indem sie weitere gesellschaftspolitische und historische Themen aufgreift, welche die Handlung um die Frauen begleiten, lässt sie den Roman insgesamt überfrachtet erscheinen. Hier wäre weniger mehr gewesen.

    Mein Fazit:
    Der Roman "Couscous mit Zimt" erzählt eine Familiengeschichte über 3 Generationen. Die Handlung wird dabei von den Konflikten, welche die weiblichen starken Charaktere zeitlebens geprägt haben, dominiert. Dieser Part des Romans hat mich gefesselt. Darüberhinaus greift die Autorin in ihrem Roman weitere gesellschaftskritische Themen auf, die für mich leider des Guten zuviel waren. Dieser Themen-Overflow hat meiner Begeisterung am Ende einen Dämpfer verpasst.

    © Renie

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